Es trieb mich zu neuen Ufern...
Lange schon war es Nacht- tiefe, ruhige Nacht. Ich jedoch war erfüllt von einer lebendigen Wachheit, die mir ungewohnt neu vorkam. Irgendetwas schien mich hinaus in die Dunkelheit zu ziehen. Kurzerhand verschloss ich die Terrassentür meines Appartements und wandte mich dem Meer zu, welches sich direkt vor mir erstreckte. Es war das erste Mal, dass ich die Karibik besuchte... und mein erster Urlaub ganz allein.
Eine warme Meeresbrise umspielte mich. Unwillkürlich schloss ich meine Augen und sog den herrlich salzigen Duft tief durch meine Nase ein. Als ich meine Augen wieder öffnete, sah ich in den klaren Vollmond, der mir so nah und groß erschien, als könnte ich ihn mit den Händen greifen.
Ich schaute mich um und sah, dass ansonsten kein Licht weit und breit mehr erhellt war... es war so spät, dass einzig und allein ich mit Wachheit geküsst zu sein schien.
Langsam bewegte ich mich auf das Meer zu. Meine nackten Füße gruben sich in den leicht kühlenden Sand und massierten sie so wunderbar sanft. Ich spürte den Sand zwischen meinen Zehen kitzeln. Nun schwappte eine kleine Welle über meine Füße – so überraschend und ein wenig kühl... ich blieb stehen und sah auf das Meer hinaus. Dunkel, aber vollkommen friedlich und glatt lag das Meer vor mir... so unendlich weit erschien es mir... und so unendlich mächtig... auch wenn es nur leise plätschernde Laute von sich gab, sobald die seichten Wellen auf dem Sand ausliefen. Ich lauschte dieser Melodie des Meeres und es war das einzige Geräusch, das wahrnehmbar war... alles befand sich tief im Schlaf... es gab nur das Meer und mich.
Eine besondere Stimmung ergriff mich und schien auf vielfältige Weise an meinen Sinnen zu zerren- einerseits eine tiefe, friedliche Ruhe... andererseits eine geradezu aufwühlende Sehnsucht nach... ja, nach was eigentlich?!
Intuitiv wählte ich die Richtung gen Norden. Meine Füße tauchten mit jedem Schritt kurz in das Nass, welches der Mond in flüssiges Gold verwandelt hatte. Eine leichte Brise umspielte mein kurzes Trägerkleid und die Haarlocke, die mir immer wieder ins Gesicht fiel, kitzelte auf meiner Wange. Der Moment schien so irreal... diese unglaubliche Stille, diese unberührte Natur...!
Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich kilometerweit gegangen war und bereits die Landzunge halb umrundet hatte.
Plötzlich nahm ich ein Licht wahr, welches vor mir an der Grenze zwischen Sand und Palmen zu sehen war. Offenbar kam das Licht von einem kleinen, modernen Holz- Bungalow. Konnte es sein, dass so tief in der Nacht doch noch eine Menschenseele wach war?
Ich überlegte umzukehren. Der Weg zurück würde lang werden!
Gerade war ich in Begriff, mich umzudrehen, da erblickte ich einen Schatten hinter dem hellen Vorhang des beleuchteten Terrassenfensters. Der Schatten bewegte sich... fast fließend nach rechts und dann wieder zurück. Die Bewegungen glichen einer geschmeidigen Katze, nur war der Schatten hierfür viel zu groß. Ich hatte mich entschieden umzukehren und Heim zu gehen. Und doch schritt ich immer weiter auf diese Magie zu. Und jetzt vernahm ich auch leise Klänge... rassig- rhythmische Musik und ich spürte nun auch diese ganz besondere Energie wieder- stärker, als je zuvor und ich fühlte mich wie von einer unsichtbaren Kraft dorthin angezogen.
Jetzt war es unverkennbar... der Schatten gehörte einer tanzenden Person und die Bewegungen waren von sinnlicher Harmonie. Meine Beine bewegten sich selbstständig immer weiter auf den Bungalow zu, meine Augen konnten nicht von den fließenden Bewegungen des Schattens lassen. Ich spürte, dass mein Atem stoßweise ging und meinen Oberkörper beben ließ. Meine Wangen schienen zu brennen. Ungläubig nahm ich wahr, wie meine Füße die Stufen zur Terrassentür erklommen. Die Tür war einen Spaltbreit geöffnet! Ganz leise tastete ich mich heran und lugte vorsichtig durch den Türspalt. Für einen Augenblick setzte mein Herzschlag aus... um im nächsten Moment in wildes Hämmern überzugehen.
Mir den Rücken zugewandt tanzte, in mitten des großen Raumes, eine männliche Person. Der Tänzer war nur bekleidet mit einer Jeanshose, er war groß, außergewöhnlich athletisch gebaut... und einfach unglaublich erotisch. In schnellen, leichtfüßigen Schritten umkreiste er den Raum und ließ seine Arme gefühlvoll zum Rhythmus ausbreiten.... erheben und dann wieder ausbreiten. Kurz kam er mir verdammt nah und ich bekam Angst, er könne mich entdecken, doch dann verstand ich, dass er vollkommen in sich vertieft war. Er tanzte keine gelernte Abfolge, er war der Tanz selbst! Die rassig- rhythmische Musik bediente sich diesem Körper und dieser transformierte die Töne in erotische Kunst. Drumherum verschwand die Welt... auch ich.
Sein Oberkörper baute sich wellenförmig auf und wieder ab... auf und ab... und sein Kopf setzte hingebungsvoll diese Bewegung fort. Der gesamte Raum war von einer wunderschönen Energie erfüllt und sie umspielte mich.
In diesem Moment drehte sich sein Kopf und seine Augen blieben plötzlich an mir haften. Der Augenblick gefror zu einer gefühlten Ewigkeit. Er blickte mir direkt in meine Seele... in mein Herz... und ich weiß es so genau, weil ich es verspürte...so, wie sich ein Hieb mit einer Dolchspitze anfühlen musste. Ich senkte meinen Blick... unter meinen Füßen sah ich den dunklen Parkett- Fußboden... kurze Orientierung- ich stand einen guten Meter im Raum! Das war nicht möglich! Wie konnte ich nur einfach so eingetreten sein!
Ein heftiger Fluchtimpuls durchfuhr mich.
Auf der Stelle wenden und lauf... lauf was das Zeug hält! Bewegungsunfähig stand ich da. Jetzt! Jetzt! Renne! Mein Körper gehorchte nicht mehr... er war nur noch fähig, wie blöd dazustehen! Panik ergriff mich... was sollte...was konnte ich tun?
Ein warmes Lächeln des Tänzers überwältigte mich und im nächsten Moment setzten seine fließenden Bewegungen wieder ein... und jetzt nahm ich auch wieder die Musik wahr. Er tanzte einfach weiter wie bisher... schien sich nicht stören zu lassen ... nur empfand ich seine Gesten zunehmend als noch sinnlicher.
Jedesmal, wenn sich sein muskulärer Bauch zusammenrollte, richtete sich sein Becken auf, um im nächsten Takt mit dem herausstrecken dieses unerhört knackigen Hinterteils wieder gekippt zu werden... immer und immer wieder! Langsam und geradezu reizvoll... dann sexy kreisend und auch in unglaublich raschem Wechsel. Was für eine Körperbeherrschung... nein... was für eine Erotik! Ich war nicht in der Lage, meinen Blick von diesem Po zu nehmen! Und ich musste hier ganz eindeutig weg!
War es so heiß hier oder war mir nur so heiß? Obwohl dieser Tänzer ganz und gar in seinem Tun versunken schien, bemerkte ich doch, dass er von Zeit zu Zeit einen kurzen Blick auf mich richtete. Und ich glaubte, anschließend immer den Hauch eines Schmunzelns auf seinen Lippen beobachten zu können. Himmel... muss ich dämlich aussehen! Ich schloss meine Augen und versuchte, meine Aufmerksamkeit auf meine Füße zu lenken. Hatte ich wieder ein wenig Entscheidungsgewalt über sie?
Im nächsten Moment spürte ich eine flüchtige Berührung an meinem Arm. Der Tänzer war nah an mich herangetanzt und schien um mich herum zu fliegen. Dann blieb er vor mir stehen, reichte mir die Hand und nickte mir auffordernd und mit gesenktem Haupt zu. Hämmernd spürte ich mein Herz im Kopf klopfen. Hatte ich ihm automatisch meine Hand gereicht? Unmöglich! Ich kann nicht tanzen! Und schon gar nicht so (wie er)!
Meine Hand wollte zaghaft zurück und der Tänzer zog mich dennoch spielend leicht in die Mitte des Raumes...