Stereotype
Natürlich sind Stereotype wichtig. Ich mache das mal an einem Beispiel deutlich. Zwei Frauen, ganz unterschiedliche Erscheinungsbilder. Zwei Situationen.
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Die erste Frau trägt Business-Mode, zurückhaltenden Schmuck und gepflegtes Make-up mit perfekt auf ihre Gesichtsform abgestimmter Frisur. Sie riecht nach einem dezenten, teuren Parfüm und trägt eine Aktentasche.
Überlegt eure Reaktionen auf folgende zwei Situationen:
Die Frau betritt eine Bank mit einer Körperhaltung, die aussagt, dass sie dahin gehört, grüßt die Leute hinter den Schaltern beiläufig. Ein Mann steht auf, lächelt, geht auf sie zu. Die beiden geben sich die Hand, plaudern kurz und gehen dann in ein Hinterzimmer, wobei sie leise über einen Witz von ihm lacht.
Die Frau torkelt mit gerötetem Gesicht durch die Innenstadt, grölt, dass die da oben uns alle mal kreuzweise können und niemand sie versteht, aber sie weiß es, sie weiß genau, dass der rosa Elefant das Kind nicht nur angeguckt hat, nicht nur angeguckt, das wissen Sie genau, auch wenn Sie es nicht zugeben, und Sie wissen ja, was das bedeutet, auch wenn alle sie für verrückt halten, hey, Sie da, Sie halten mich auch für verrückt, ja? Aber ich weiß es, ich weiß es genau ... ...
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Die zweite Frau trägt schmutzige Kleidung mit Löchern, die nicht zusammenpasst. Sie schleppt eine Plastiktüte mit sich herum, ihre Haare fallen strähnig in das ungewaschene und ungeschminkte Gesicht. Sie hat tiefe Ringe unter den Augen und riecht, als ob sie schon seit mindestens einer Woche nicht mehr gewaschen hat.
Überlegt eure Reaktionen auf folgende zwei Situationen:
Die Frau betritt eine Bank mit einer Körperhaltung, die aussagt, dass sie dahin gehört, grüßt die Leute hinter den Schaltern beiläufig. Ein Mann steht auf, lächelt, geht auf sie zu. Die beiden geben sich die Hand, plaudern kurz und gehen dann in ein Hinterzimmer, wobei sie leise über einen Witz von ihm lacht.
Die Frau torkelt mit gerötetem Gesicht durch die Innenstadt, grölt, dass die da oben uns alle mal kreuzweise können und niemand sie versteht, aber sie weiß es, sie weiß genau, dass der rosa Elefant das Kind nicht nur angeguckt hat, nicht nur angeguckt, das wissen Sie genau, auch wenn Sie es nicht zugeben, und Sie wissen ja, was das bedeutet, auch wenn alle sie für verrückt halten, hey, Sie da, Sie halten mich auch für verrückt, ja? Aber ich weiß es, ich weiß es genau ...
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Ich möchte wetten, dass ihr bei jeder der beiden Frauen sofort ein Bild habt, in welcher der beiden geschilderten Situationen sie euch nicht übermäßig auffallen würde und in welcher sie in euch massives Befremden auslösen würde. Warum? Weil Stereotype und Bilder uns eben tatsächlich sehr wohl helfen, uns in der Welt zu orientieren. Man kann schneller entscheiden, wie man mit einer Situation umgehen will, ob und wie man darauf reagieren möchte. Wenn Männer und Frauen mit gefährlich aussehenden Gewehren eine Bank betreten, sollte man sich auf den Boden schmeißen und erst dann überlegen, ob es vielleicht doch keine Bankräuber sind. Wenn einem die gleichen Leute auf einer Spielemesse begegnen, kann man das Handy zücken und fotografieren. Aber in der Bank hat einem die schnelle Reaktion auf den Stereotyp "Gefahr, Überfall" vielleicht das Leben gerettet.
Solange sie uns helfen, uns zu orientieren und auf unbekannte Situationen schnell zu reagieren, habe ich nichts gegen Stereotype. Wenn sie dagegen zu einer Fessel werden, die uns blind für die komplexe Realität machen oder Leute zwingen sollen, sich entlang bestimmter Kriterien zu verhalten ...
Aber man kann ja selbst entscheiden, ob man mit solchen Leuten rumhängen möchte oder nicht.