Ich sehe hier schon den Mann als dominanter Jäger und Verführer, die Frau als scheue Beute und Prüferin der Kandidaten, plakativ ausgedrückt. Eine andersrum gepolte Verteilung der Rollen kann natürlich auch funktionieren, es dürfte dann jedoch wesentlich schwerer sein, einen passenden "Topfdeckel" zu finden.
Ja, aber warum? Angeboren? Ich sehe hier einen starken gesellschaftlichen Druck, der bedingt ist durch ein jahrhundertelanges Fehlen von Verhütungsmitteln und dadurch den Wunsch von Männern, die Sexualität ihrer Frauen (und Töchter sowie Schwiegertöchter) zu kontrollieren, um eben Kuckuckskinder zu vermeiden.
Das ist gesellschaftlich, nicht biologisch. Es gibt eine ganze Menge Männer, die lieber gejagt werden als zu jagen. Das "Problem" ist, dass sie oft gelernt haben, das für unmännlich zu halten. Und ein Mann, der sich selbst für unmännlich hält, ist nicht sexy. Durch Kommentare wie den obigen verstärkst du diesen Trend leider. Deswegen muss ich dir hier an dieser Stelle widersprechen. Mach uns Jägerinnen nicht die Beute kaputt, bring sie nicht dazu, sich für unmännlich zu halten und dadurch an Sex-Appeal zu verlieren! Die sind nämlich männlich, diese Typen. Ganz wunderbar sexy, maskulin und verführerisch. Ein Mann, der nicht fürsorglich und ein wenig scheu ist, ist kein richtiger Mann.
Jedenfalls nicht für Frauen mit einem entsprechenden Beuteschema.
Das Problem ist nämlich weiter, dass es auch eine ganze Menge Frauen gibt, die lieber jagen, als gejagt zu werden. Aber ... die wollen ja auch nicht unweiblich wirken. Die wollen geliebt werden. Der Zwang zur Kontrolle der weiblichen Sexualität fehlt gerade seit ein, zwei Generationen, das reicht noch nicht zum Erlernen neuer Muster. Soll heißen, diese Frauen kriegen von ihren Freundinnen, von ihrem "weiblichen" Umfeld, einen enormen Druck, "weiblicher" zu werden. Sie "müssen" sich also verbiegen, um geliebt zu werden, oder sie glauben das zumindest.
Dabei würden diese "sozial nicht ganz passenden" Frauen und Männer wunderbar zusammenpassen, wenn sie sich denn nur eingestehen würden, dass sie auf den jeweils anderen Part stehen. Und sich eingestehen, dass sie genau das sexy finden. Männlich. Oder weiblich.
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Ich sehe die Unterschiede, die du beschreibst, durchaus. Ich glaube dir auch, dass du dieses Modell in deinem Umfeld so häufig beobachtest, dass es dir "natürlich" erscheint. Wir neigen immer dazu, uns mit Menschen zu umgeben, die ähnliche Werte vertreten wie wir.
Das führt bei fehlender Reflexion schnell dazu, dass wir für "natürlich" halten, was in Wahrheit bloß gesellschaftlich zementiert wurde, um fehlende Verhütungsmittel auszugleichen. Wirklich reflektieren tut man ja erst, wenn die eigene Wahrnehmung und das, was "die Gesellschaft" behauptet, voneinander abweichen.
In meinem Umfeld gibt es tatsächlich deutlich häufiger Beziehungen, in denen die Frau die große Karriere macht, einen Bildungsvorsprung hat, vielleicht Mensa-Mitglied ist, während ihr Mann "nur" Handwerker oder Fachlagerist oder vom Pleitegeier verfolgter Musiker ist. Ich habe häufiger unter einer weiblichen Chefin gearbeitet als unter einer männlichen, und habe in solchen Firmen besseres Arbeitsklima vorgefunden und eine leistungsorientiertere Haltung im Gegensatz zum "Dienst nach Vorschrift", der unter männlichen Vorgesetzten herrschte. Für mich erscheint diese Verteilung wirklich natürlicher und harmonischer.
Nur ... Ich begründe es nicht biologisch, über Natürlichkeit oder sonstwas, auch wenn ich das ebenfalls klasse in einem ewiglangen Essay könnte, der logisch einwandfrei wäre. Ich bin ehrlich genug, mir einzugestehen, dass ich mich wahrscheinlich bei Menschen wohler fühle, die ähnlich orientiert sind wie ich, als bei solchen, die mich als Freak empfinden. Und wahrscheinlich gibt es wirklich auch männliche Chefs, die aus ihren Mitarbeitern das Beste rausholen können und ihre Firma zum Erfolg führen. Kann gut sein, dass es Zufall ist, dass ich noch keinem von denen begegnet bin.
Ich fände es klasse, wenn die Männer und Frauen, die sich aus ihrer Individualität heraus mit einer umgekehrten Rollenverteilung wohler fühlen, das nicht mehr über "natürlich", "biologisch", "normal" oder sonstwas begründen würden, sondern ebenfalls darüber, dass sie sich selbst damit wohler fühlen, Punkt, fertig. Das kann ich total akzeptieren, ich führe selbst nämlich ebenfalls gern ein Leben, in dem ich mich wohl fühle. Es ist völlig in Ordnung, Hausfrau zu sein. Aber es ist nicht "natürlicher" für eine Frau, als eine große Firma zu leiten und zum Erfolg zu führen, dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter über sich hinauswachsen, gern Überstunden machen und die Firma zu einem innovativen Erfolgsmodell machen. Beides ist weiblich. Und männlich.
Eben einfach menschlich ;).
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Ein nachträgliches Fazit:
Darum sage ich gerne den Spruch: Hinter jedem starken Mann steht eine starke Frau
Davon ist auszugehen - ohne Rückhalt in der Partnerschaft ist man meist schwächer als mit. Wenn der Partner dann auch noch das ganze Leben der Aufgabe widmet, meine Karriere voranzubringen, bin ich im Beruf stärker als Frauen, die allein kämpfen müssen oder vielleicht sogar noch von ihrem Mann den Druck kriegen, die Hälfte des Haushalts oder sogar noch mehr machen zu müssen. Klar, dass die im Beruf oft müde sind. Wenn man weiß, dass man abends kein Feierabend hat, sondern noch weitere Stunden mit Arbeit auf einen warten, kann man im Beruf logischerweise nicht alles geben, sondern muss Kraftreserven zurückhalten. Da ist man denen gegenüber stark im Nachteil, denen ein Partner den Rücken freihält. Egal, ob Mann oder Frau.
Hinter jedem erfolgreichen Menschen steht ein Partner, der ihr den Rücken stärkt. Oder meinetwegen auch ihm. Und du hast keine Ahnung, wie sexy ein Mann ist, der alles gibt, damit ich vorankomme, und fest an mich glaubt :D. Was ein solcher Mann für Liebe in mir wecken kann, ist unglaublich.