Ich möchte ja nur ungerne die hochphilosophischen Ansätze stören, würde aber gerne wieder in Niederungen des Beziehungsalltags zurückkehren...
Ob die Illusion oder die Wahrheit bei bestimmten Dingen innerhalb einer Beziehung besser sind, ist doch letztendlich immer eine Frage des Motivs.
Entsteht die Illusion durch eine zwar wenig wahrscheinliche, aber nicht unmögliche Annahme (ala "diese Liebe wird ewig halten..."), dann sehe ich da nichts negatives. Ist das Motiv aber eine vollkommen unrealistische Hoffnung (mein Partner wird sich nach 20 Jahre bestimmt noch um 180 Grad ändern und dann kehrt die alte Liebe zurück), dann wird die Illusion zum Selbstbetrug.
Dient die Illusion zum echten Schutz und im Interesse des Anderen (wie bei Eltern, die wissen dass Kinder noch nicht jede Wahrheit ertragen können), dann ist dagegen nichts zu sagen. Wird die Illusion als Lüge eingesetzt, um dem Anderen die Wahrheit aus egoistischen Gründen vorenthalten, dann ist es Betrug.
Das Problem bei der Geschichte ist nur, dass die Übergänge sehr fließend sind. Von der angenehmen, harmlosen Selbsttäuschung zum zerstörerischen Selbstbetrug ist der Weg nicht weit, von der kleinen Notlüge *), um den Anderen nicht zu verletzen bis zur bewussten Täuschung auch nicht.
Eine weitere Frage in den Zusammenhang ist, ob man sich ohne Illusionen überhaupt verlieben kann. Letztendlich sorgt doch unser eigener Körper in diesem Fall durch die Ausschüttung von Hormonen bereits für Illusionen...
Ich glaube, ganz ohne Illusionen geht es in einer Liebesbeziehung nicht. Nur sollte man diese stets kritisch hinterfragen - sowohl bei sich selber als auch beim Partner. Um dann gegebenenfalls einzuschreiten, wenn eine gewisse Grenze überschritten wird und bevor die Illusion zur einer wirklich gestörten Wahrnehmung der Realität wird.
Viele Grüße,
Uwe
*) Die am meisten verwendete Notlüge eines Mannes in einer längeren Liebesbeziehung dürfte ein entrüstetes "Nein!" sein auf die Frage der Frau sein, ob er findet, dass sie sich in irgendeiner Form optisch zu ihrem Nachteil verändert hat. Männer erhalten sich die Illusion eher dadurch, dass sie gar nicht erst fragen