Erste Schritte zu offeneren Beziehung o. in den Abgrund?
Ich bin seit 15 Jahren glücklich verheiratet. Wir haben zwei Kinder. Die Kraft unserer Beziehung schöpfen wir daraus, dass wir uns gegenseitig als Person achten, persönliche Wünsche und Entwicklungen unterstützen. Wir gehen vertrauensvoll und offen miteinander um. Neben vielen gemeinsamen Interessen hat jeder für sich individuelle Interessen, die er ausleben kann.
Unser Sexualleben ist intensiv und impulsiv, Wünschen und Vorlieben des Partners geben wir entsprechend Raum. All das fußt auf tiefem Vertrauen. Wir kennen einander, und akzeptieren auch Grenzen, und nehmen aufeinander Rücksicht. Wir lieben einander innig, und sind zweifelsfrei entschlossen, gemeinsam ineinander verliebt alt, klapprig runzelig und kauzig zu werden.
Bislang hat sich die Entwicklung der sexuellen Phantasien auf Dinge beschränkt, die wir beide gemeinsam erleben konnten. Nun stoßen wir erstmals sachte an Grenzen. Ich habe noch Probleme, damit umzugehen.
Meine Frau gestand mir ihre Phantasie des neu erobert und begehrt werdens. Sie vermisse noch einmal das Adrenalin, das 'Spiel'. Es sei keine Phantasie über One-Night-Stands. Eher in die Richtung, man könne auch mit einem guten, vertrauten Freund ein gemeinsames Mahl genießen. Sie strebe dies nicht an, aber es könnte doch einmal zu der Situation kommen, und da würde sie dies eigentlich gerne können.
Ich vermute, dass ist eine stille Sehnsucht, die viele Menschen teilen. Sie ist mir selbst nicht fremd. Kürzlich habe ich gelesen, dass 42% der Frauen aus gleichartigen Gründen fremdgehen, und sich hauptsächlich liierte Partner suchen. Diese haben meist kein Interesse an einer parallelen Beziehung, sondern suchen selbst nur mal eine kleine Abwechlsung.
Das ist also die erste Phantasie, die ich ihr nicht selbst erfüllen könnte. Meine ersten Gedanken waren, dass ich in der Ehe zuerst den gemeinsamen Lebensentwurf sehe, weniger ein Abonnement auf alleinige Nutzung Körperöffnungen. Ich bin mir sicher, dass die Verwirklichung dieser Phantasie die Liebe zu meiner Frau und den Wunsch, das Leben gemeinsam fortzuführen, nicht verändern würde. Im ersten Gespräch war ich mir sicher, dass ich damit umgehen kann. Ich sagte ihr, sie könne es gerne versuchen. Sie sagte mir gleiches zu. Am nächsten Tag stürzte ich in wilde Gedankenszenarien ab. Gesetzt den Fall, wir gingen diesen Schritt, wäre das nicht das Öffnen der Büchse der Pandorra? Intimität mit einem guten Freund, wieviel braucht es, damit daraus doch versehentlich Liebe würde? Handelten wir also fahrlässig, wenn wir den Schritt gingen? Würde ich es von da an ertragen, wenn Sie alleine Freunde besucht? Das ist glaube ich der schlimmste Teil. Führte dieser neue Freiraum dazu, dass andere Freiheiten einbrechen? Würde ich zum eiversüchtelnden Stalker meiner Frau? Als meine Frau mich informierte, sie wolle am Wochenende mit ihrer Theatergruppe zur Probe, bekam ich kaum einen Ton heraus. Ach, dachte ich, und ich hasste mich dafür, da wird es dann vielleicht passieren. Nun ging es im Herzen drunter und drüber. Würde ich ab dann alles in Frage stellen? 'Hast Du bei ihm auch so laut gestöhnt?', 'Warst Du bei ihm auch so geil?'. Würde ich ihren Schritt anschauen, und mir überlegen, wer mittlerweile alles darin zu Besuch war? Eventuell sogar beim Oralverkehr vorsichtig riechen, ob etwas festzustellen sei? Potzblitz, das war garnicht mehr ich. Oder ist das mein unentdecktes Ich? Ich machte einen Rückzieher. Wir haben weiter viel gesprochen.
Würde andernfalls die Phantasie eventuell zum tiefen Wunsch werden, den sie sich endlich erfüllen müsste, zu dem Preis, mich dafür aufgeben zu müssen? Und spricht die Menge von 42% fremdgehender Frauen nicht dafür, dass ohnehin die Gefahr besteht, dass es bei Zusammentreffen von Phantasie und Gelegenheit zu einer Blitzentladung kommen könnte? Wo ein Kessel unter Druck gerät, läßt man zur Explosionsvermeidung den Dampf doch besser sachte ab. Außerdem bin ich selbst in Versuchung. Wie meine Frau dem bislang ausweichend.
Ich würde ihr die Erfüllung der Phantasie sehr gerne ermöglichen. Was ich nicht möchte ist, damit das Ende unserer Beziehung einzuleiten. Entweder dadurch, dass wir uns möglicherweise beim Zugestehen des Freiraumes doch verlieren. Oder dadurch, dass ich emotional nicht zulassen kann, und sie dadurch verliere. Dritte Variante, ich lasse den Freiraum, und komme dann damit nicht klar. Meine Frau sieht das fatalistischer. Wer könne grantieren, dass nie so etwas passiert, auch wenn man es vermeiden will? Man könne sich auch die verbleibenden Jahre Spaß verkneifen, und es dann im Alter bereuen. Wir haben 15 Jahre gemeistert, und einiges zusammen erreicht, und sind nach wie vor verliebt ineinander. Wieviele Paare können das heute von sich sagen? Wir sind bereits exotisch stabil. Von den Beziehungen, bei denen ein Partner fremd geht, scheitern die wenigen, die daran scheitern, doch meistens am Betrug, an den Lügen.
Unerträgliche Leichtigkeit des Seins. Ich taumle wie Fridolin durch die Traumnovelle. Ich habe das Gefühl, jeder weitere Schritt von mir sei falsch. Im Gegensatz zu Fridolin spreche ich aber viel mit meiner Liebsten.
So, und warum schreibe ich euch das ins Forum? Weil ich nicht weiß, ob dies eine normale Übergangsphase zu einer etwas offeneren, vielleicht reicheren Beziehung sein könnte. Wenn das so ist, sollte es viele Echos geben. Oder ich höre von euch, dass mein zaudern ein beinahe sicheres Signal ist, dass es schief gehen wird, weil ich nämlich zaudere und schlicht Schiss habe vor der Courage. Ich vermute, einige hier haben ähnliche Situationen erlebt. Ich brauche einfach ein paar anonyme Gedanken. Mache ich hier etwas zum Problem, das eigentlich keines ist? Ist das eine normale Phase der kurzen Unsicherheit, wenn man die Beziehung ein wenig weiter öffnet? Habt Ihr damit Erfahrung? Seid Ihr mit ähnlichen Ansätzten gescheitert, oder beglückt über neue Vielfalt?