Ibiza Hotlove (53) Wertschätzung
„Wie kommt es, dass du nicht eifersüchtig bist?“
…………………………………
Als sei diese Frage die kleinste Nebensächlichkeit der Welt, lächelt Peter vor sich hin, nippt an seinem Malt und überlegt sich seine Antwort gut. Nach einer Weile schließlich sagt er:
„Tja, wie kommt das. Wieso ist Nina nicht eifersüchtig auf mich, möchte ich am liebsten gegenfragen, doch ahne ich, worauf deine Frage zielt. Es geht dir nicht um heute Abend, wo Nina sich so lustvoll, hemmungslos, versaut und geil gezeigt hat wie noch nie, sie mit allen sechs anwesenden Männern zusammen war, sondern es geht dir um uns drei, nicht wahr?“
„Ja, Peter, darum geht es mir. Indirekt steht meine Frage aber im Zusammenhang mit dieser heißen Nacht, denn Nina hat sich allen völlig offen und lustvoll hingegeben. Sie hat es absolut genossen.“
„So ist es, mein Freund, und genau darin liegt auch die Antwort. Beziehungsweise stellt sich die Frage: Was schließt Eifersucht aus? Wie begegnet man Eifersucht? Wie schafft man es, dass sie nicht Besitz über einen erlangt? Eifersucht, Besitzanspruch, Kontrollwahn und Verlustangst sind die vier großen Beziehungskiller. Schau, ich liebe Nina über alles. Sie weiß das. Ich fange mal so an. Ja. Und umgekehrt weiß auch ich zu einhundert Prozent, dass auch sie mich über alles liebt. Sie würde für mich ihre Hand ins Feuer legen und durch das Feuer hindurchgehen, wird für immer bei mir bleiben, und ich für immer bei ihr. Sie ist für mich meine Frau, so wie ich für sie ihr Mann bin. Für alle Zeiten. Wir sind zusammen, wir sind ein Paar, wir sind verheiratet. Und das bleiben wir auch. Für immer. Bis dass der Tod uns scheidet. Im wahrsten Sinne dieses alten Satzes. Darauf vertrauend, dass wir uns im nächsten Leben wieder begegnen und uns weiter lieben werden. Natürlich mag sich das etwas schwulstig und auch ein wenig naiv anhören. Doch ich sage dir, wir haben es beide vor vielen Jahren erkannt und beschlossen, für einander da zu sein, uns zu lieben, zu ehren und zu respektieren. Dieses Wissen gibt uns die Sicherheit. Mein Platz ist in ihrem Herzen und ihr Platz ist in meinem Herzen.“
Peter schenkt sich ein Glas Wasser ein und leert es in einem Zug. Dann fährt er fort.
„Warum sollte ich sie je verlassen wollen? Warum sollte sie mich verlassen wollen? Wir haben alles was wir wollen und am wichtigsten: Wir haben uns. Wir lieben uns so sehr, wie am ersten Tag unserer Begegnung an der Uni in Aachen. Alles was wir geschafft haben, haben wir gemeinsam geschafft. Das verbindet, das einigt, das schweißt zusammen. Unsere Liebe blüht und gedeiht. Und doch wissen wir beide, dass die Liebe unendlich teilbar ist. Sie ist mitnichten auf nur einen Menschen begrenzt oder fokussiert. Wer dies tut, schränkt sich ein. Das will das Leben nicht. Das Leben will gelebt sein, mein lieber. Das stellten wir ja schon vor ein paar Tagen fest, nicht wahr?“
Atemlos höre ich zu. Was Peter da erzählt, sind die Worte der reinen und absichtslosen Liebe, so kommt es mir jedenfalls vor, nur dass er sie punktgenau auf seine Ehe münzt. Beide gleichzeitig nippen wir an unseren Taliskern. Das torfig-rauchige Aroma hüllt mich ein. Soll ich jetzt schon eine Zwischenfrage stellen? Nein, ich will ihn in seinem Gedankengang nicht unterbrechen, und so blicke ich ihm weiterhin schweigend und sehr interessiert ins Gesicht.
„Es ist nicht so, dass es mich glücklich machen würde, wenn Nina jede Nacht bei einem anderen Mann verbringen würde“, beginnt Peter plötzlich einen neuen Gedanken. Nanu? Was mag ihn ausgelöst haben? Nun hake ich doch ein.
„Du meinst, glücklich sein hängt von der Freiheit ab? Auch von der Freiheit des Partners, das zu tun, wonach ihm gelüstet?“
„Ja und nein, Roland. Wir mögen die Nähe und die Enge, das Kuscheln und das Festhalten, wollen gemeinsam gehen und nicht nebeneinander her stapfen. Es hat schon etwas Symbiotisches, das stimmt, aber es ist nichts Zwanghaftes oder Einengendes, wir gönnen dem anderen, und ja … ich gehe sogar soweit, dass wir es dem anderen gönnen und uns für ihn freuen, wenn er auch einen anderen Menschen liebt. Die Gewissheit und die Sicherheit, dass Nina mich liebt, ich ihr Peter bin, ihr Mann, ist für mich großartig. Ja, die Gewissheit ist es! Zum Beispiel, wenn sie zu mir sagen würde: Du Peter, ich liebe Roland auch! So würde ich genau wissen, dass sie dich auf eine bestimmte Weise lieben würde. Eben anders als mich, verstehst du? Und es ist wichtig zu wissen, dass man jedem Menschen zugesteht, auch andere Menschen zu lieben. Wir haben kein Alleinnutzungsrecht auf die Liebe. DAS, mein Lieber, würde uns einschränken und schwächen. Doch dadurch, dass ich ihr gestatten würde, dich auch lieben zu dürfen, so zu lieben, wie es deiner Person als Freund und Liebhaber entspricht, ist es etwas Wunderschönes. Und eine andere Liebe als die zu mir.“
Ich muss nun doch schlucken und entscheide mich geschwind, mir und auch Peter je ein kaltes San Miguel aus dem Kühlschrank zu holen. Es bahnt sich doch ein längeres Intensivgespräch unter dem nächtlichen Ibizahimmel an. Und was für ein Gespräch! Peter nickt mir zu, ihm muss es ähnlich gehen wie mir, und so öffne ich die Flaschen. Ja, ich bin schon immer ein Freund davon gewesen, die Momente zu nutzen, die sich spontan ergeben. Besonders für ein Männergespräch.
„Du kannst es ruhig Liebe nennen“, fährt Peter fort, nachdem wir uns zugeprostet und einen Schluck getrunken haben. „Ich werde Nina bis ans Ende meiner Tage lieben und sie mich. Doch was spricht dagegen, wenn sie noch andere Männer liebt? Anders als mich, das ist klar, ich werde für immer für sie der Stern sein. Ich wiederhole es gerne. Unter uns, es würde mich nicht verwundern, wenn Nina mir sagen würde, dass sie dich liebt, Roland. Auf eine Weise, die anders ist als die, wie sie mich liebt, ihren Ehemann. Doch nur dann, wenn ich es wirklich bedingungslos zulasse, kann ich dieser Liebe auch Raum geben, und nur wenn sie Raum hat, kann sie blühen und uns allen wundervolle Geschenke machen. Und wir alle drei können uns bis zur Besinnungslosigkeit an ihr erfreuen. Schau, ich werde allein schon geil davon, wenn ich sehe, wie meine Nina deinen Schwanz begehrt, dich will, dich Roland, als Mann, als Mensch, und nicht als irgendeine tumbe, dumme Fickmaschine. Intelligenz und Empathie sind uns beiden wichtiger, als ein Pornoficker. Egal wie ausdauernd er auch sein mag, oder wie toll sein Schwanz ist. Verstehst du was ich meine?“
Verdammte Hacke, denke ich, ich kann dem Ehemann doch nicht sagen, dass ich seine Frau liebe. Und doch … tief in meinem Innersten spüre ich, dass es nichts Reineres, Echteres und Schöneres gibt, als jemanden zu sagen, dass man ihn liebt, dass man sie liebt. Aber … Zweifel nagen an mir, ich fühlte mich etwas unwohl, wie auf einem Prüfstand. So dermaßen über meine tiefsten Empfindungen zu reden, zumal noch in dieser für mich recht surrealen Situation, verunsichert mich. Und doch weiß ich es haargenau mit jeder Faser meines Körpers, dass genau dies auch der sicherste Weg ist, dass alles in vollkommener Harmonie existieren könnte. Die pure, hemmungslose Lust, ohne wenn und aber, völlig frei, völlig natürlich und absolut rein. Keine Geheimnisse, keine komischen Gefühle, keine Ausgrenzung. Gibt es so etwas wirklich?
„Ich spüre dein Unbehagen, mein lieber“, schmunzelt Peter, anscheinend weiß er mehr als ich, was meine Gefühle betrifft. „Denk mal darüber nach, was genau es ist, was es uns so schwer macht, jemanden zu sagen, dass man ihn oder sie gern hat und ganz einfach liebt. Gibt es eine Grenze? Ab wo man es jemanden sagen kann, und wenn ja, wo liegt die? Es ist etwas ganz besonders. Auch weil es gegen jegliche gesellschaftliche Moral verstößt, seit Anbeginn der Christenheit, genauer gesagt.“ Peter nimmt einen Zug von seinem Bier und ergänzt: „Du darfst nicht begehren eines anderen Weib. Richtig?“
„Ja…“, antwortete ich zögerlich. „Das ist richtig. Das habe ich auch schon mal gehört. So oder so ähnlich. Ist lange her, sitzt aber sehr, sehr tief. So viel ist sicher. Ja. Meine Erziehung, die Kirche, mein damaliges Umfeld zu Hause, all dies.“
„Und doch tun es Millionen von Menschen jeden Tag. Sie gehen fremd, betrügen ihre Partner, ficken rum, frönen der Lust. Und was resultiert daraus? Dass es immer einen Betrüger und einen Betrogenen gibt. Schlechte Gefühle, die mit der Tat einhergehen. Lügen über Lügen, Gewissensbisse, Schuld, Eifersucht, Neid, Missgunst, Ausgrenzung, Zurücksetzung, Kontrollzwang, Verlustangst, Liebesentzug, Ignoranz, Bloßstellung, Erpressung, Scheidung, Verlassen werden, Einsamkeit, Armut, Mord und Totschlag ...“
Ich muss heftig schlucken und brauche nun unbedingt einen großen Schluck Talisker. Alles was Peter sagt, hat Hand und Fuß. Ich bin überrascht! Natürlich kenne auch ich all die Dramen, die sich abspielen können nach einem aufgeflogenen Fremdgehen, war ja schließlich auch mal verheiratet, und irgendwann lief es nicht mehr so gut, doch wie Peter das nun stakkatoartig aufzählt, das berührt mich schon. Er scheint aber genau zu wissen, was er mitteilen möchte, folgt einem roten Faden und ist nun hellwach.
„Und grade weil du Nina liebst, Roland, oder gern hast, oder sie dir sehr sympathisch ist, nenn es wie du willst, mag ich dich sehr. Denn dadurch, dass du sie liebst, ehrst du sie auch. Du benutzt sie nicht zu einem sehr kurzfristigen Vergnügen, weil auch du ihr etwas schenkst. DEINE Liebe. Das ist das Größte, das man einem Menschen schenken kann. Die größte Wertschätzung. Ich wäre ein Narr, mein lieber, wenn ich dies nicht auch genau so wertschätzen würde. Und die Art und Weise, wie du dich hier bei uns gibst und verhältst, drückt dein großes Potential aus. Du bist etwas Einzigartiges, das in unser Leben geschneit ist.“
„Na, nun übertreib mal nicht“, werfe ich ein, ein wenig unheimlich wird mir das Ganze jetzt doch und ich beschließe, bei der Wahrheit zu bleiben. „Nina erwischte mich, als ich dabei war, mir einen auf sie runterzuholen, unten am Strand.“
„Ja, ganz recht“ antwortet Peter gelassen, „doch nun überleg mal, warum du das tatest?“
„Na ja … ich war scharf auf sie.“
„Mit anderen Worten, sie gefiel dir?“
„Ja, das kann man wohl sagen“, ich muss kurz auflachen. „Und zwar sehr. Sogar so sehr, dass ich augenblicklich einen Ständer bekam.“
„Was gefiel dir denn genau?“
„Alles an ihr gefiel mir. Ihr Po, ihre Schenkel, ihre Figur, ihr Körper, und dann… als sie sich zu mir umdrehte und mich ansah, auch ihre Augen, ihr Gesicht, einfach alles.“
„Deine Hormone spielten verrückt?“
„Aber sowas von! Und dann kam sie einfach auf mich zu. Mit ihren schaukelnden Titten. Puh! Und sprach mich an. Auf ungewöhnlich direkte Weise zwar, aber sie tat es.“
„Weil sie dich gesehen hatte? Auch wie du am wichsen warst.“
„Ähem… ja, genau.“
„Meinst du, sie wäre zu jedem x-beliebigen Mann gegangen, der seinen Schwanz aus der Badehose gezogen hätte?“
Nun werde ich doch nachdenklich. Bewege ich mich auf unsicherem Terrain? Stellt er mir eine geschickte rhetorische Falle? Noch einmal geht mir die erste Begegnung detailliert durch den Kopf. Wir hatten uns angesehen, in die Augen geguckt, und – peng – EROS hatte Einzug gehalten, es war um uns geschehen.
Eines macht mir dieses intime Frage- und Antwortspiel klar, mir wird deutlich bewusst, dass ich Nina vom ersten Augenblick an wirklich begehrt habe. Und sie mich. Das ist auch klar. Wir hatten uns ein bisschen ineinander verknallt. Alle beide. Diese Erkenntnis, auf die Peter mich von selbst hat kommen lassen, verursacht ein plötzliches Prickeln von der Kopfhaut bis zu den Füßen in mir. Mein Herz rast.
Ich war einfach versaut genug? Ist das die Antwort? Das kann doch wohl nicht sein. Nein, das ist es auch nicht. Zum Teil ja, aber ... Eros ist es! Bei ihr wie auch bei mir.
Als hätte er meine Gedanken erraten, bemerkt er beiläufig:
„Hättet ihr euch nicht ineinander verguckt, hätte es kein abendliches Treffen gegeben, Roland. Weißt du das eigentlich? Nina hatte dich zwar eingeladen zum Abschied aus der Umkleidekabine, mein okay dafür fehlte aber noch. Doch Nina hat es mir sofort erzählt. Auch, dass sie dich mehr als sympathisch findet. Und dass du der richtige für uns seist. Total hemmungslos und spontan. Was sagst du nun, mein lieber? Da bist du baff, was? Und warum bist du das? Weil es entgegen der Norm spricht. Weil es so etwas nicht geben DARF. Weil es uralte, sehr tief in uns sitzende Glaubenssätze sind. Einer davon lautet: Sowas macht man nicht! Introjekte. Anerzogen, fest verankert, eingetrichtert.“
Ich trinke einen weiteren, tiefen Zug meines Bieres. Ist es wirklich so einfach? Wertschätzung?