Absturz vs. Kontrollverlust
Mich irritiert (genauer: nervt), dass Absturz hier ständig mit Kontrollverlust gleichgesetzt wird.
Absturz ist, wenn mich eine Situation (vor allem emotional) überfordert:
Meist muss dann bremsen, unterbrechen, runter- und zu sich kommen. Danach kann man überlegen, welche Gründe es gab, was man anders machen kann etc.
Kontrollverlust, wenn die Bestie in mir durchgeht und ich unverantwortliches tue.
Führt als Folge vermutlich auch zu einem Absturz und Entsetzen darüber, was man gerade getan hat.
Aber das sind zwei verschieden Dinge!
Wenn Kontrollverlust droht, muss ich die Kurve da raus kriegen - wie mit dem Wagen auf Glatteis, irgendwie zum halten kommen.
Ich denke, bei den meisten von uns passiert so etwas nur wirklich sehr selten.
Absturz kann aber auch durch ganz andere Sachen passieren.
Zum Beispiel, wenn etwas schief geht. Wenn die Nerven durchgehen, weil Anspannung oder Vorfreude einfach zu viel waren. Wenn Sub unerwartet abstürzt und man sich selbst gerade auf einem schmalen Grat befand. Oder man sich, getrieben von Subs Begeisterung, schlicht selbst überfordert.
Ja, genau das kann gut passieren, denn wir harten Tops denken dauernd an die Grenzen der Sub, aber verdammt selten an die eigenen. Ich denke, da ist man auch als Top froh, wenn einem Sub (dabei oder später) zur Seite steht und Halt gibt.
Daran finde ich gar nichts verwerfliches.
So ein Absturz ist immer zumindest möglich, wenn man sich den Grenzen nähert. Dabei ist egal, wo die Grenzen liegen, da gibt es kein richtig oder falsch und es kann vor allem auch in Sekunden umschlagen. Und es liegt meines Erachtens NICHT an mangelnder Vorbereitung.
Viele (auch ich) wollen, zumindest ab und zu, auch mal hart am Rand spielen. Etwas erleben, was man sonst nicht tun würde. Spüren, was vor, an und jenseits der Grenze passiert. Das ist sehr geil - aber eben auch riskant.
(Um zu fachsimpeln bin ich auch eher für RACK als SSC, aber das am Rande.)
Das waren die Momente, die wirklich hängen bleiben, die nachhaltig etwas verändern.
Denn genau dann bin ich als Top so nackt und echt, wie wir es bei unseren Subs so gerne sehen. Und ich weiß um die Begeisterung, die mir entgegenschlägt, wenn Sub genau das von mir erleben durfte.
Verantwortung und Sicherheit, ja, natürlich.
Aber wir bremsen uns selbst (und betrügen unsere Partner um die besten Teile unseres Seins), wenn wir nur schaumgebremst denken und handeln.
Was tun?
Zumindest mir geht es so, dass das Risiko eines Absturzes mit zunehmender Erfahrung sinkt.
Ich weiß mehr, kann andere und mich selbst besser einschätzen.
Aber vor allem habe ich, genau durch diese Reisen an die Grenzen, mein inneres Tier (den Inhalt des Giftschranks) ziemlich gut kennen gelernt.
Früher war meine dunkle Seite wie zwei Bestien, die dunkel und bedrohlich irgendwo im Verlies eingesperrt waren. Ich hörte ab und zu die Kette klirren und hatte Angst, die Klappe wirklich aufzumachen.
Inzwischen spielen die beiden friedlich in der Sonne, auf dem Rasen vorm Haus.
Will sagen: Die eigenen dunkeln Seiten wirklich zu kennen macht es leicht, sie zu akzeptieren und sie ins Leben zu integrieren.