Eierlegen im rituellen Gewand
Liebe Diskutierende,
mich stört an diesem Artikel ganz extrem, dass er höchst unzulässig die Inhalte einer profunden, Jahrtausende alten spirituellen Tradition herunterbricht auf ein von Show-Effekten geprägtes, nicht ganz jugendfreies (und damit Oh! Sensationen !) Event-Spektakel.
Zunächst einmal gehört es sich meiner Meinung nach nicht, den sogenannten „geschützten Raum“ , den selbst die Website des Veranstalters propagiert, zu einem Show-Room für Voyeure zu machen. Ich möchte über das Institut nicht urteilen, denn ich habe dort keine Kurse besucht (die übrigens keineswegs so preiswert sind, wenn man sich die Preise für mehrtägige Seminare ansieht).
Für meine Begriffe ist Tantra eine in erster Linie spirituell orientierte Methode, sich mit elementaren Fragen des individuellen Mensch-Seins auseinanderzusetzen. Dahin kommt man nicht, indem man sich von der Frage leiten lässt, ob das Abfischen eines Minzblatts von einem Lingam oder das Schinken-Schlecken aus einer Yoni nun weiterführend ist oder nicht. Auf diese Effekthascherei sollte eine aufrichtige Behandlung des Themas grundsätzlich verzichten können, denn, was immer dem vorausgeht ist nicht die Frage ob das nun Parmaschinken ist oder doch gekochter Metzger-Aufschnitt, sondern eher, ob sich für den Einzelnen grundsätzlich in der Auseinandersetzung mit der mehr oder weniger spürbaren sexuellen Energie im Sinne einer geistigen Reifung arbeiten lässt.
Wer Tantra auf diese höchst oberflächliche Weise zu einem „grenzüberschreitenden“ Action-Drama macht, hat mM nach den Kern der Sache komplett verpasst – man darf sich auf die Auswertung durch den nächsten Report im Privatfernsehen (vielleicht ein Interview mit verpixelten Gesichtszügen ?) in der Tat freuen.
Da sind dann auch schnell die üblichen Osho-Bashings zur Hand, die alles mögliche zu einer großen Suppe verrühren. Schon fahren wieder die Rolls-Royces durchs Bild und das, was der gern geschmähte Meister wirklich für eine ganze Menge Menschen in höchst positivem Sinne bewegt hat, fällt irgendwo in den Sack, auf den man mit der Scharlatanerie-Keule munter eindreschen darf.
Das ist weder achtsam noch andächtig, das ist einfach Boulevard-Berichterstattung und setzte Dinge, die im Grunde ganz anders gedacht, erlebt und behandelt werden können, ins grelle Licht höchst zweifelhafter Intentionen.
Ich finde, nichts von alledem gehört auf eine solche Plattform. Die Dinge, die sich in einem geschützten Raum zutragen, sollten ausschließlich dort bleiben und jedem der Teilnehmenden ermöglichen, seine ganz individuelle Wirklichkeit zu erleben. Wer sucht und reif ist, sie zu finden, der wird zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Es sollte durchaus genügen, Suchende darauf hinzuweisen, dass die Auseinandersetzung mit seiner sexuellen Identität ein Weg sein könnte, an der Entwicklung seiner Persönlichkeit zu arbeiten. Das jedoch ist kein Abenteuerurlaub an dem man heute Jet-Ski fährt, morgen an der Bungee-Leine hängt und übermorgen Schweineblut nackt und in verschworener Gemeinschaft schlürft.
Ich finde es deshalb umso zweifelhafter, dass auch noch ein Link auf die Website des Veranstalters erlaubt ist, (was ja sonst auch auf dieser Plattform bei viel banaleren Anlässen zu sofortigen Rügen und Streichungen führt); mich verwundert es, dass ein achtsamer Veranstalter es angeblich sogar authorisiert, dass auf diese reißerische Methode letztendlich Werbung fürs Schinkenschlabbern im kleinen Kreis gemacht wird und es erlöst mich leider gar nicht, dass die Berichterstatterin hinterher auf Wolke 7 schwebte, denn das kann ggf. auch nach einem gelungenen Abend im Swingerclub passieren, wenn wir denn mal die Ebene sexueller Eskapaden beibehalten.
Alles in allem denke ich, ist der tantrischen Sache mit diesem Artikel absolut kein Dienst erwiesen worden und ich würde mich sogar dazu versteigen zu behaupten, dass eine verständige Redaktion auf diesen erleuchtenden Beitrag hätte verzichten müssen, anstatt ihn auch noch als Musterbeispiel spirituellen Erlebens besonders hervorzuheben.
Namaste - der C von C&D