@ Katja
Meistens weiß man zu diesem Zeitpunkt eben nicht all die Kleinigkeiten, Schwächen und Angewohnheiten, die später Anlass zu Wünschen oder Forderungen geben können. Im Gegenteil präsentieren sich anfangs alle von ihrer besten Seite und ist das Kennenlernen meist beschränkt auf das, was verbindet. Erst wenn man zusammen ist, bekommt man mehr von den sehr persönlichen, intimen, privaten Facetten mit
Ja, wir präsentieren uns alle erst einmal sehr vorteilhaft, das stimmt. Und die intimen, persönlichen und privaten Facetten tauchen erst später auf.
ABER: die bringen wir auch mit! Also nicht nur der Partner hat sie, jeder hat sie und jeder bringt sie mit. Insofern gilt das für beide Seiten.
So, und jetzt stell Dir vor, dass Dein Partner ständig an Dir herumnörgelt und immer mehr und immer mehr nörgelt und dieses und jenes geändert haben will, ihr lernt Euch ja immer besser kennen und entdeckt immer mehr. Wie geht es Dir dabei?
Ich denke, man muss einen anderen Weg gehen, wenn man diese Dinge entdeckt. Nämlich den zu überlegen, ob man mit der oder jenen Marotte leben kann. Ich gebe wieder ein Beispiel aus meinen Freundeskreis:
Sie lernt ihn kennen, übers Internet. Vor vielen Jahren schon, als diese Portale noch gar nicht so stark genutzt wurden. Sie gehen essen, einma, zweimal, er lädt sie zu sich nach Hause ein, da er gut kochen kann. Wohnung ist blitz blank. Sie findet es klasse, freut sich darüber. Er betont auch immer wieder, wie wichtig ihm der Umgang mit seinen Sachen ist, er möchte alles schön erhalten. Sie staunt, aber sie freut sich.
Nach dann ca. einem Jahr zeigt es sich sehr deutlich, dass er ein absoluter Chaot ist. Schusselig, sieht nicht dass es hier und dort schmutzig ist, er ist ungeschickt und lässt immer wieder mal Teile seines guten Geschirrs fallen. Sie denkt sich, naja, er ist Künstler, die sind halt auch verpeilt. Es zeigt sich auch in Bereichen wie der Umgang mit Behörden usw. der Mann ist einfach alltagsunfähig. Sie kennt aber auch die andere Seite von ihm, dass er sehr gut und deutlich seinen Mann stehen kann wenn's drauf ankommt. Auf eine feine Art, nicht prollmässig. Das liebt sie wieder (und natürlich noch andere Sachen). Kurz und gut, trotzdem er in Bezug auf den Alltag konträr zu ihr lebt, sie liebt ihn immer mehr. Manchmal ist sie bisschen verzweifelt. Sie unternimmt Versuche ihn ein bisschen zu ändern, zu steuern, damit er die Dinge besser im Griff hat. Zeigt ihm hier ne Ecke die geputzt werden sollte, hier einen Brief, den er beantworten sollte. Irgendwann übernimmt sie diese Sachen. Es stinkt ihr zwar immer wieder, aber sie liebt ihn. Dann kommt der Punkt wo er ein ziemliches Chaos anrichtet und sie überlegt, ob der Mann für sie tragbar ist. Sie macht sich sehr viele Gedanken darum, ob sie wirklich mit ihm und seinen Marotten alt werden kann. Und kommt zu dem Fazit: es gibt so viel liebenswürdiges für sie an ihm, sie kann so wunderbar mit ihm Lachen, Reisen, Freizeit verbringen, sie denken über viele Dinge gleich, dann muss ich das andere eben akzeptieren!
Und nun komme ich zu dem Punkt an den ich wollte: die einzige Chance für die beiden glücklich den Rest ihres Lebens miteinander zu verbringen ist, dass sie es AKZEPTIERT, dass er in manchen Dingen total verpeilt ist. Es ist unmöglich ihn zu ändern, das ist sein Naturell! Er bemüht sich schon immer wieder, er tut SEIN Bestes, mehr kann keiner tun. Es reicht jedoch nicht aus. Man müsste ihn komplett ummodeln, dann würde jedoch auch die andere Seite - nämlich die Liebeswürdige - verloren gehen, denn er müsste sich total verkrampfen, ständig hinterfragen. So ein Mensch kann nicht entspannt sein, er wäre eine Hülle.
Eine Beziehung besteht aus vielen Kompromissen. Nämlich die, dass man sich bei signifikanten Eigenschaften des Gegenübers ganz rational fragen muss: kann ich damit leben, oder ist es eigentlich doch nur halb so wild, wir haben eine Lösung für das Problem (so wie die Freundin nun eben die Alltagsdinge für ihren Mann regelt). Und was mute ich denn meinem Partner zu, das er schlucken muss, weil ich es nicht ändern kann?
Es wird hier immer wieder von äusseren Kleinigkeiten gesprochen (habe ich auch schon, gebe es zu), aber letztendlich geht es im Zusammensein nicht um diese Marginalien, sondern um die Essenz des einzelnen!