Unser Weg zum eigenen BDSM
ich halte mich mal an den Ausgangspunkt des Threads, auch auf die Gefahr hin hier die Diskussion etwas zu stören. Sorry, aber früher gings nicht. War auch nicht ganz einfach.
Wo fange ich an? Das Gefühl "anders" zu sein hatte ich relativ früh. Mit 17/18 ungefähr. Normale Aktfotos, Vanillassex mit Freundinnen. Alles schön. Aber der erwartete riesige Kick blieb irgendwann aus. Als ich die ersten Fetischfotos in einschlägigen, sündhaft teuren, amerikanischen Zeitschriften gesehen habe, ging in mir etwas los, was ich nicht verstanden habe. Ich habe mich selbst als abartig und krank eingestuft. Ich habe versucht mich aktiv von diesen Gefühlen zu trennen, habe bewusst nur noch zärtlichen Blümchensex gemacht und versucht mich damit wohl zufühlen. Umsonst, nur Frust. Das Ganze gepaart mit fehlendem Selbstbewusstsein, keinem Gesprächstpartner und einer sich dadurch rasant beschleunigenden Alkoholabhängigkeit, hat es mich ein wahnsinniges Loch gerissen, aus dem ich erst Jahre später wieder aufgetaucht bin. Danach hatte ich allerdings genügend Selbstbewusstsein und ich hatte gelernt, diese Neigung als meine und gar nicht krank zu akzeptieren. Ich stand dazu, fühlte mich wohl dabei und habe BDSM-Stammtische besucht, mit Gleichgesinnten gesprochen, habe SM-Clubs besucht. Ganz schüchtern ohne Partnerin/Sub. War bei der Suche auch nicht erfolgreich, weil ich in das Beuteschema vieler Subs nicht passte. Ja und praktisch war ich noch eine Niete. Trotzdem habe ich weiter versucht an alle möglichen Informationen und auch praktische Erfahrungen heranzukommen. Habe sehr viel gelesen. Bin auf das Thema Verantwortung und Respekt genauso gestoßen wie auf Erziehung, Unterwerfung, Schmerz und Strafen. Alles erzeugte eine muntere Mischung im Kopf.
Bei meiner Partnerin war es genauso verheerend. Sie wurde von ihrem damaligen Partner gezielt misshandelt, verspürte aber bei den anfänglich noch nicht so schweren Misshandlungen einen deutlichen sexuellen und mentalen Kick, was ihr völlig unklar war und sie überforderte. Erst als die Schwere der Misshandlungen dramatisch zunahm war dieser weg. Trotzdem fühlte sie sich ihm ergeben. Er war auch süchtig und bei meiner Partnerin entstand eine brisante Mischung aus Devotion und Koabhängigkeit. Die devot/masoschistische Neigung wurde in dieser Zeit von ihrem Ex regelrecht missbraucht. Als dieser an seiner Sucht verstarb, stand sie mit ihrem Gefühlschaos alleine da. Ohne von BDSM oder nur ansatzweise vom Charakter ihrer Neigung was geahnt zu haben.
Unter diesen Randbedingungen sind wir dann aufeinander getroffen. Ich mit viel angelesenem, aber kaum gelebten Wissen. Sie völlig zerrissen von ihren Gefühlen. Wir haben uns über Vanillasex mit "Einlagen", wie die meisten, relativ schnell an das "härtere" Ausleben unserer Neigungen gewagt. Bei meiner Partnerin kam erschwerend hinzu, dass sie, als wir anfingen zu "Praktizieren", die Sessions, den Schmerz, als Selbstbestrafung bis zur Selbstzerstörung betreiben wollte. Ein heftiger Rückschlag für unser BDSM. Ich stellte selbst alle Aktivitäten in dieser Richtung ein und wir begannen von vorn, aber jetzt mit dem Wissen voneinander, dass ich dominant/sadistisch und sie devot/masochistisch ist. Wir haben unendlich viel darüber geredet. Haben das Fluchtpotential von BDSM, die Gefahren und die Möglichkeiten für uns ausgelotet. Über das Warum haben wir lange gerätselt und es irgendwann ad acta gelegt. Wir sind so basta. Es kam immer zwar wieder hoch. Es muss doch einen Grund geben. Letztendlich haben wir uns damals darauf konzentriert unsere Spiele erfüllend und sicher (ich war gewarnt) zu gestalten. Der extrem masochistische Teil meiner Partnerin verlagerte sich mehr und mehr in die devote Richung. Bei allem habe ich immer extremen Wert darauf gelegt, dass meine Partnerin BDSM nie wieder als Flucht benutzt. Sie sollte eine Partnerin auf Augenhöhe sein, selbstbewusst, selbstständig und mit erhobenem Haupt durchs Leben gehen. Ich wollte eine Frau, die intellektuell mit mir auf Augenhöhe agiert, auch in der Devotion, eine Frau für den "Brainfuck". Die Session waren und sind nicht unser primärer Lebensinhalt. Sie hatte nach dem entsetzlichen Verlauf ihrer ersten Beziehung nur noch das Bedürfnis sich anzulehnen und Verantwortung abzugeben. Das haben wir auch so in unser Leben integriert, aber es führt nicht zu einer Entmündigung, obwohl sie es in ihrem damaligen Zustand sogar hingenommen hätte. Ich habe meine Partnerin nie zu meiner Sub erklärt. So wie wir auch sonst keine festen Rituale pflegen. Auch die Vokabel Sklavin fällt bei uns komplett aus. Das verbietet mir mein Verständnis von Respekt vor der Würde meiner Partnerin. Bevor es einen Aufschrei gibt: "für mein Verständnis"
Wir sind gemeinsam in unsere Rollen gewachsen. Ich war genauso wenig ein Dom, wie sie eine Sub war. Ich kannte allerdings meine dominanten und sadistischen Neigungen. Mein Partnerin hat ihre Neigungen gehabt, aber nicht einordnen können, aber mit mir zusammen gelernt sie zu benennen, zu akzeptieren, zu lieben und zu leben. Es gab und gibt bei uns deshalb auch keine Erziehung der Sub nach den Vorstellungen des Doms. Das "organische" Wachstum in unserer Beziehung, welches ein ständiges und immer wiederkehrendes Geben und Nehmen ist, erfordert es einfach nicht. Wie stephensson es so schön formuliert hat: wir haben uns auch unser BDSM um unsere Bedürfnisse gebaut. Für uns ist es mehr als ein sexuelle Spielart. Es ist ein Lebensgefühl, eine Möglichkeit Ruhe und eine innige sprituelle Verbindung zu finden. Wir haben das Vertrauen, dass wir im Alltagsleben füreinander aufgebaut haben in das Spiel transformiert. Nicht umgekehrt. Das heißt, meine Sub brauchte keinen Vertrauensvorschuss für das Spiel geben, es war und ist da. Allein aus der Tatsache heraus, dass ich durch meine Hilfe ihren letzte Suizidversuch "zerredet" habe und wir zusammen ihr Selbstbewusstsein wieder auf die Beine gestellt haben. Sie weiß, dass ich sie nicht unterwerfen will, sondern ihre Ergebenheit gerne in Empfang nehme, wenn sie aus freien Stücken von ihr kommt, in dem Wissen, dass sich ihre Seele in einer gesunden Balance befindet. Damit ist das Vorgehen in unseren Sessions eine nahtlose Fortsetzung unseres Verhaltens im Alltag. Nichts desto trotz fließen immer mehr Elemente aus der Rollenwahrnehmung im Spiel in den Alltag zurück. Wir leben aus unserer Sicht keine 24/7 DS-Beziehung, aber die Devotion mein Partnerin spiegelt sich zunehmend im Alltag wider. Sehr zart, sehr subtil ohne "laute" Gesten. Devot sein bedeutet für sie Achtung zeigen, Vertrauen erwidern, die Wertschätzung des Gegenüber spüren in dem Wissen, dass alles zu unserem gemeinsamen Besten ist. Auch deshalb gibt es bei uns keine Strafen, die aus dem Alltagsleben erwachsen, sondern nur solche aus "Vergehen" im Spiel. Ich wiederum sehe mich auch nicht getoppt auf Wünsche und Bedürfnisse meiner Sub einzugehen, sie im Spiel und im Alltag umzusetzen und sie dann als unser gemeinsames Bedürfnis zu akzeptieren. Natürlich habe ich meine eigenen Fantasien und Kicks, dich auch auslebe ohne zu fragen. Es wird nicht über alles debattiert. Sie genießt es, weil sie weiß, dass die Tabus unantastbar sind und Grenzen im beiderseitigen Einvernehmen berührt und überschritten werden. Die Rollenverteilung ist klar und damit auch die Sicherheit für meine Sub von mir getragen und aufgefangen zu werden.
Durch unsere Lebensgeschichte ist der Weg des Findens vielleicht etwas anders als der klassische, bei dem eine Sub einen Dom sucht oder umgekehrt. Das gleichzeitige Hineinwachsen in die Akzeptanz der Neigung, das Lernen des Umganges damit, das gnadenlose gemeinsame Auskosten und, ganz wichtig, das gemeinsame Auffangen und Analysieren von Rückschlägen hat nicht nur die sexuelle Spielebene, sondern das gesamte Alltagsleben mit einbezogen. Wie wichtig das war, haben die Ergeignisse der letzten Monate gezeigt. Wir haben den Zustand erreicht, dass auch die Sub eine Stütze und ein Rückhalt des Doms ist, wenn es ihm schlecht geht. Ich genieße dieses Privileg zur Zeit, ohne, dass ich meine Positionierung innerhalb der Beziehung gefährdet sehe.
Natürlich orientieren wir uns auch rechts und links unseres Weges, aber meistens nur auf dem Sektor neuer Spiele, Praktiken und psychologische-philosophischer Denkansätze. Wir orientieren uns, wir kopieren nicht. Nie. Der eigene Weg ist uns heilig.
Das war jetzt etwas lang, aber kürzer ging es nicht.
Gruß
Hank