Der Thread hat ein so interessantes Thema, dass ich mir dafür erst mal richtig Zeit nehmen musste. Jetzt also
.
Zunächst mal zu der zitierten Studie. Ich finde - wie so ziemlich alles - muss man eine solche Studie in ihrem historischen Kontext betrachten. In dieser Zeit war Sexualität ein weitgehend tabuisiertes Thema und die Wissenschaft hat damals erste, tastende Versuche gemacht, sich dem anzunähern. Und natürlich ist es eben naturwissenschaftlich geprägte Wissenschaft und dann werden eben Experimente gemacht und Umfragen, etc. Ich würde es eher so sehen, dass solche Studien die Tür dazu aufgestoßen haben, sich überhaupt mal mit dem Thema zu befassen.
(Da gab es diesen einen US-Wissenschaftler, der von den Fruchtfliegen(?) kam und die menschliche Sexualität erforscht hat. Name ist mir leider entfallen
. Ich hatte den Film gesehen und ich denke, dass der sehr gut zeigt, wie Wissenschaft zu diesem Thema damals funktioniert hat.)
Dann finde ich persönlich auch die Folgerung, dass Mann sich eben bremsen muss, weil Frau halt nun mal fünfmal so lange braucht, einfach falsch. Die richtige Folgerung ist für mich: Eine Frau braucht eben fünfmal so viele Männer, die dann alle in ihrer Standardzeit kommen können.
Auch ist für mich die Fragestellung irgendwie absurd: Ist denn Orgasmus das Ziel der ganzen Veranstaltung? Aber klar: Wenn ich messen will: Wie lange braucht ein Mensch bis zum Orgasmus, dann komme ich auf so ein Ergebnis - oder auch nicht. Aber geht es darum? Mir jedenfalls nicht.
Ich habe vor Kurzem die prägnante Erkenntnis gehabt, dass ich Erotik als Hobby betrachte und deswegen natürlich meine erotischen Begegnungen spielerisch gestalte. Menschen, die Sex nur als Triebabbau betrachten, für die ist vielleicht die Studie besser geeignet als für die, die vom JOYclub sowieso schon in eine andere Umlaufbahn gebeamt wurden?
Jedenfalls ist meine eigene Orgasmusspanne sehr unterschiedlich. Die kann von wenigen Minuten bis zu mehreren Stunden andauern - wobei ich jetzt die ganze erotische Aktion betrachten würde und nicht nur die Penetration. Je nach dem, was in meinem Kopfkino gerade so läuft kann ich alleine jedenfalls sehr schnell kommen - Triebabbau halt. Mit einer Partnerin nehme ich mir dagegen sehr gerne mehr Zeit - ich will ja was davon haben. Quickie geht für mich auch, präferiere ich aber eindeutig nicht.
Die Dauer hängt auch daran, dass meine Orgasmen einfach besser und tiefer sind, wenn ich mir Zeit lasse. Die konkrete körperliche Erregung vor dem Orgasmus spielt dabei sogar eine eher untergeordnete Rolle: Wenn ich den ganzen Abend mit meiner Spielgefährtin gespielt habe - auch mal zwischendurch unterhalten oder zusammen gegessen - dann komme ich heftig - auch wenn ich konkret dann gar nicht mehr so viel spüre.
Nun noch zu ein paar Postings.
***il:
Und so wird es auch immer wieder fleissig vermittelt in vielen Sexualkundebüchern, in Sexratgebern, von einigen Paartherapeuten usw.
Warum nur?
Warum gibt man Frauen vor, wie ihre Lust auszusehen hat.
Warum gibt man Männern vor, wie ihre Lust auszusehen hat.
Warum scheint es da eine Orientierungsrichtung zu geben, nach der sich Mann und Frau sexuell begegnen sollten? "Der "Schwächere" gibt das Tempo vor."
Ja, wer ist denn der "Schwächere"? Wer sagt denn, daß es Schwäche ist, später zum Orgasmus zu kommen?
Wer definiert das?
Welchen Nutzen hat das?
Das ist doch klar welchen Nutzen das hat: Das gibt Orientierung. Genauso wie Schubladen Orientierung geben.
Freiheit ist ja was sehr Schönes, aber halt auch was sehr Anstrengendes: Ich muss mich nämlich permanent selbst orientieren, entscheiden usw. und kann mich nicht irgendwo festhalten. Das will nicht jedeR und muss m.E. auch nicht jedeR. Die Orientierung nicht als Vorgabe zu verwenden ist dann einfach der nächste Schritt - mal abgesehen davon, dass ich eine wissenschaftliche Erkenntnis in diesem Bereich auch niemals als
Vorgabe betrachten würde.
***il:
Fast könnte man meinen, männliche Sexualität bedürfe keiner weiteren Worte.
Ist das so?
Gibt es so wenig dazu zu sagen?
Ich stimme dir völlig zu, dass das Thema unterbelichtet ist - jedenfalls aus meiner Wahrnehmung. Das ist aber ein Thema für Männer-Forum / -Gruppe und hier m.E. nicht ganz passend.
BTW: Habe ich für mich übrigens auch als eine persönliche Aufgabe erkannt, da für mich weiter zu kommen. Ein Thema für die nächsten Jahre.
***il:
Es sind Machtspielchen, die beiderseits gespielt werden, so kommt es mir vor.
Und ich frage mich: Warum spielen wir diese Spielchen?
Was haben wir davon? Im Positiven wie im Negativen?
Und was an Positivem, aber auch an Negativem, würde sich daraus ergeben, wenn wir sie nicht spielten?
Nun, ich denke hier spiele sehr viele Aspekte eine Rolle. Monokausale Argumentationen sind aus meiner Sicht hier grundsätzlich falsch.
*****_WI:
Ich habe das halt anders erlebt. Diese Freiheit der 80er, die meine jungen Erwachsenenjahre geprägt haben - das ist mir manchmal wirklich ein Rätsel, wie „man“ von dieser Strömung unbeeinflusst bleiben konnte (auch wenn mir schon klar ist, dass dies in anderen sozialen Umfeldern durchaus der Fall ist).
Ich freue mich für dich, dass du das so erlebt hast - wie wahrscheinlich viele Frauen. Ich erinnere mich noch gut daran, wie Frauen damals so drauf waren...
Ich fand das hinsichtlich des hier verhandelten Themas alles andere als befreiend. Diese Zeit, in der genau diese Weisheiten - Mann muss Frau "betüddeln" - z.B. mir in den Kopf gehämmert wurde. Ich ringe noch heute darum, mir auch nur vorzustellen wie meine Sexualität aussehen könnte, wenn ich mich fallen lassen könnte oder mir einfach auch nur mal nehmen.
Gruß
Stefan