Greetings to my chief editor.
Bleiben wir doch beim Thema – Anglizismen.
Was ich mich dabei frage, warum diese Ersetzungswut? Sprache ist Kommunikation, Instrument der Verständigung. Wo früher nur die Notwendigkeit bestand, sich mit seinem direkten, räumlichen Nachbarn interaktiv auseinander zu setzen, steht man heute vor den Toren des globalen Dorfes.
Die Welt lebt nicht mehr vernabelt um den Gemeindeacker, sondern mit Frühstück in London, Brunch in Paris, zum Tee nach Madrid, kurzer Halt in Lissabon, und dann nonstop nach Washington, um die Verbindung nach Tokyo noch zu erwischen. Die rasante technische Entwicklung macht’s möglich, für praktisch jeden. Und wir nutzen sie – es gibt so vieles zu entdecken.
Und während die Grenzen einzelner Länder zusehends ideelle Striche auf politischen Weltkarten werden, stellen wir fest, daß die eigentliche Barriere viel solider ist und quer vor den Köpfen der Menschen aufgezogen wird. Konfrontiert mit anderer Kultur, konfrontiert mit anderer Sprache und konfrontiert mit Dingen, die wir nicht kennen. Und das ist für Sprache immer ein gewaltiges Problem.
Verständigung funktioniert nur, wenn beide Seiten identische Informationswerte in einem Wort chiffrieren. In der Gemeinde vergangener Tage war das kein Problem. Da war der Baum hinter den Hütten halt der Baum hinter den Hütten. In der modernen Gesellschaft ist er das immer noch, aber in dem Haus gibt es einen potenten Internetanschluß und damit ein wundervolles Beispiel dafür, daß immer noch der Grundsatz gilt, daß der Vater das Kind erstmals beim Namen nennt. Von Amerika für Amerika, mußte der zwangsläufig englisch sein. Wie vieles, das mit dem Computer zu tun hat, dessen Entwicklungsgeschichte mit den USA so dicht verwoben ist.
Für den Abenteurer ist das blinkende Unding kaum begreifbar. Von den Schiffen des Columbus erzählt man sich, die „Indianer“ hätten sie anfänglich nicht einmal sehen können, so unglaublich sei ihnen das Unbekannte vorgekommen. Gefragt, was „das“ ist, wird einem der Name genannt, mit dem man zunächst nichts weiter anzufangen weiß, als ihn sich zu merken. Bereits in diesem Moment entsteht gemeinsame Sprache, ein Konsens in der Zuordnung von Sache und Wort.
Nun kann man natürlich auf stur schalten, und grundsätzlich sollte man das auch, wenn einem die eigene Herkunft am Herzen liegt. Überlegen, was das fremde Wort beschreibt, was das fremde Ding ist, macht, darstellt, und ob unsere Sprache diese Beschreibung zu leisten vermag.
Konservativ könnte man nun meinen, daß unsere Sprache vielleicht nicht ein identisches Wort kennt, aber ein ungefähr gleiches. Manchmal kann man eins komponieren, ableiten. Manchmal bleibt nur die notdürftige Umschreibung. Sprache will nun aber nicht nur genau sein, sondern auch effektiv. Gegenüber der Definition über anderthalb Zeilen Text wird sich die Ein-Wort-Benennung durchsetzen. Doch ist hier Vorsicht geboten. Allein weil’s hier in der Diskussion aufkam, der Lap Dance, aus dem in der Verdeutschlichung der Hüfttanz wird, der als Tanzen mit der Hüfte fehlinterpretiert wird. Grund dafür, die Art der Aufschlüsselung von Information. Als bekannt gilt uns der Bauchtanz, und der trägt seinen Namen durch die besondere Bewegung des „Bauches“. Der Lap Dance allerdings trägt in seinem Namen nicht das Tanzen mit der Hüfte, sondern das Tanzen (der Dame) auf oder über der Hüfte (des Mannes).
Es gibt also – denke ich – Fälle, in denen der Anglizismus ja fast notwendig ist, um sinnvolle Verständigungsarbeit zu leisten. Sprache muß, auch wenn man Tradition bewahren möchte, flexibel bleiben, sich anpassen, mit der Zeit gehen. Wie sie das übrigens immer schon getan hat, wenn man das einmal bemerken darf. Scheitert man damit, werden sich die nächsten Generationen eine suchen, die leistungsfähiger ist, ausdrucksstärker.
Und gerade dieser Ausdruck ist es, der sich nicht in der Aneinanderreihung der Buchstaben erschöpft. Es geht um die Fülle verschiedenster Information, die Inhalt der Beziehung von Sache zu Wort ist, es geht um Sinn, und um die Darstellung eines kleinen Teils fremder Kultur. Etwas, das wir so nicht kennen, etwas, das für uns ist, wie die Schiffe des Columbus am Horizont.
Und gerade wenn man das weiß, daß Sprache vieles leisten kann, aber nicht alles, wenn man es akzeptiert, wird man sinnvoll adaptieren können, dann wird man die eigene Sprache bereichern.
Dazu aber bedarf es Wissen um sein eigenes Handwerkszeug. Nein, mehr noch, lohender Liebe, unbändiger Hingabe, und eines Quäntchens gesunden Menschenverstandes. Dann würde einem auch solch wirklich peinliches Paradebeispiel an Unverstand erspart bleiben, wie die Onboard-Unit, die selbst der VdS vollkommen gedankenlos mit Bordgerät angibt. Was soll das Sprache nutzen?
Freilich ist das Bordsystem eines der ersten Bauteile, das auf diese Weise in den Verkehr gelangt, das Wort also noch „frei“, aber was ist mit dem nächsten, oder dem danach? Kein Mensch würde auf die Idee kommen, sein Navigationsgerät die Onboard-Unit des sattelitengestützen GPS-Systems zu nennen. Nein, das ist einfach das Navigationsgerät. Warum bei der Maut nicht auch Nägel mit Köpfen machen, und das Ding Mautzähler nennen?
Weil sich keiner darum kümmert, unsere Sprache zusehend unattraktiver wird. Darum. Und eigentlich ist es auch vollkommen egal, wie man die Notbremse zieht, ob man mehr Nachfrage nach guter Sprache, oder mehr Angebot dieser schafft. Hauptsache man tut es.
Mit einem starren Verbot zerläuft einem die eigene Kultur jedenfalls unter den Fingern.