Liebe BlackVelvetHL
ihr, bzw. du, wirkst sehr aufgeklärt und hast eure Erfahrungen beschrieben.
Zumindest die erste Situation kenne ich und ich hoffe ihr habt das gemeinsam gut durchgestanden.
Natürlich gebe ich euch Recht: es geht um Eigenverantwortung, darum die Konsequenzen seines eigenen Handelns abschätzen und vor allem selbst tragen zu können. Das ist aber etwas, bei dem wir uns hier, glaube ich zumindest, alle ziemlich einig sind. Menschen, die nicht verantwortlich handeln können, werden das entweder hoffentlich irgendwann in ihrem Leben einmal lernen oder es aber nie können, für die jedoch spielt es absolut keine Rolle, ob die Pille danach nun frei erhältlich ist oder nicht, denn wer vorher schon ohne Verantwortungssinn gehandelt hat, der wird das auch in Zukunft tun. Leider.
Was mir allerdings ein bisschen nicht so recht einleuchten will ist das hier:
Verantwortung ist das Zauberwort. Wir leben in einem Staat, der sich seiner Verantwortung gegenüber Familie und Kind wohl mehr als jeder Andere auf dieser Welt bewusst ist. Kindergeld, Erziehungsgeld, Erziehungsurlaub (ich befinde mich gerade in Selbigem) und viele andere soziale Leistungen werden geboten.
Fazit: Wer in seinem Beitrag davon spricht, man könne sich in unserem Land kein Kind "leisten" jammert hier auf ganz hohem Niveau.
Übrigens werden Kinder mit Liebe und Zuneigung großgezogen und nicht mit Geld.
Zum Einen ist sich dieser Staat auf einer sehr absurde Art und Weise seiner Verantwortung gegenüber Familie und Kind bewusst. Es gibt, wenn ich mich nicht täusche, über 200 kleinere Gesetze, die sich mit Familie und Kindern beschäftigen. Einige davon gibt es nur, um andere zu revidieren. Ebenso sieht der Staat eine Familie nur als Familie solange wir im klassischen Rahmen bleiben. Das bedeutet nun eben: Mutter, Vater, Kind(er). Es reicht schon alleinerziehend zu sein, um am Existenzminimum leben zu müssen. Meine ehemalige Mitbewohnerin hatte seit ihrer Ausbildung immer eine feste Anstellung, war teilweise zwischendurch auch freiberuflich unterwegs und hat in ihrem Leben immer viel gearbeitet, vor der Geburt ihres Kindes, ebenso wie nach der Geburt, als das Kind dann in die Kita ging. Trotz aller Unterstützung hat es immer nur extrem knapp zum Leben gereicht. Der Vater nämlich konnte nicht wirklich Unterhalt zahlen. Dabei hatte sie noch Glück, da sie eine volle Stelle hatte, es gibt allerdings genug Frauen in Deutschland, die nach der Geburt eines Kindes nur noch Teilzeit arbeiten können und wie es bei denen aussieht, möchte ich mir gar nicht vorstellen.
Sich ein Kind (noch) nicht leisten zu können ist also keine Illusion. Es ist leider eine Tatsache.
Auch hast du Recht, dass ein Kind nicht mit Geld großgezogen wird. Es hilft aber enorm ihm wenigstens einmal am Tag eine warme Mahlzeit vorsetzen zu können.
Zum Thema Selbstbestimmung der Frau oder anders: "Mein Körper gehört mir."
Frage: Wie geht man damit um, wenn eine katholische Ärztin das Medikament ablehnt?
Man wechselt schleunigst die Ärztin, sobald sie einem dieses Medikament verwehrt. Dann muss man sich eben jemanden suchen, der seine moralischen Werte teilt. Eigentlich allerdings ist das etwas, was nicht passieren sollte. Denn die eigenen religiösen Werte und Gefühle sollten niemanden in seiner Freiheit beschränken, doch genau das passiert dann.
Kommen wir nun zum Worst-Case Szenario einer Vergewaltigung...
Will mir hier Irgendjemand tatsächlich erklären, es wäre für eine, vielleicht auch noch minderjährige, Frau besser, Sie könne sich die Pille danach rezeptfrei in der Apotheke holen?
Ach ja, zum Schluss noch eine Frage: In welcher Apotheke lasst Ihr denn so Euren Abstrich machen, wenn das Gummi geplatzt ist?
Fragt Euch die PTA dann auch: "Brauchen Sie nur die Pille danach oder wollen wir eben noch mal schauen, ob auch ein Tripper dabei ist? Wir hätten da heute ein Kombiangebot zum Preis von..."
Ja, ich zum Beispiel. Viele Frauen gehen nach einer Vergewaltigung nicht in ein Krankenhaus, suchen keinen Arzt auf und wenden sich nach einem solchen Verbrechen auch nicht an die Polizei. Es ist erschreckend und traurig, dass es so ist und jede Frau sollte in einer solchen Situation Hilfe bekommen, aber viele trauen sich schlichtweg nicht. Sie haben Angst, sind eingeschüchtert und voller Scham und Ekel für den eigenen Körper. Die Tatsache, dass es durchaus auch sehr mitleidlose Ärzte und Polizisten gibt, macht das nicht leichter. Es gibt in Deutschland sogar einen Staatsanwalt (ich werde den Namen nochmal ergogglen), der selbst meinte, dass er seiner eigenen Tochter nach einer Vergewaltigung wahrscheinlich davon abraten würde zur Polizei zu gehen, da ein möglicher Prozess mit all den hässlichen und triggernden Fragen, die man sich dort stellen muss, wohl schlimmer wären, als gar nichts zu tun und sich lieber privat einen Therapeuten zu suchen.
Weil wir eben in einer Gesellschaft leben, die es immernoch drauf hat einer Frau nach einer Vergewaltigung vorzuwerfen ihr Rock wäre nunmal zu kurz gewesen und victim-blaming in höchster Form betreibt, muss es die Möglichkeit geben sich dem (erstmal) nicht auszusetzen und sich zumindest nachträglich noch vor einer Schwangerschaft schützen zu können und da kann eine rezeptfreie Pille danach sehr hilfreich sein.
Was den Abstrich angeht: stimmt, den kann man nur beim Arzt machen. Aber der kann zur Not auch bis zum nächsten Morgen/Tag warten. Bei der Pille danach zählt allerdings jeder Stunde.
Man darf also nicht immer nur von sich selbst ausgehen, auch wenn bei einem selbst alles gut gegangen ist und man ein gutes Leben hat: nicht alle haben die Möglichkeit dazu, es gibt immer Situationen, die Notfälle und Ausnahmen bedeuten. Nur weil man sie selbst so nicht erlebt, heißt es nicht, dass es sie nicht gibt.