Sozialer Einfluss auf die "individuelle" Beziehung?Of course
Jeder wird in unterschiedlicher Weise und Stärke durch die Gesellschaft geprägt, beginnend in der Kindheit durch die elterliche Erziehung (was eine zentrale Vorprägung des Individuums darstellt), später in der Schule usw., im besten Falle zu einer Person, die kritisch ist und hinterfragt - das heißt aber nicht, dass kritische Menschen gefeit sind von medialen, politischen usw. Suggestionen und somit per se frei von sozialen Einflüssen sind. Wir leben in gesellschaftlichen Gruppen zusammen (Familie, Arbeit, Vereine), daher ist alles sozial, selbst unsere Gedanken sind sozial geprägt, in welche Richtung bestimmt wiederum eine gewisse Konformität zu Milieus, in denen wir verkehren.
Wenn also das Individuum in seinen Handlungsweisen vom kulturellen Bewusstsein (Erziehung samt Übermittlung von Traditionen) wenigstens latent beeinflusst wird, wie soll es dann möglich sein, eine "Liebesbeziehung" (das Wort allein steht schon für die Ausprägung eines bestimmten Verhältnisses zw. zwei Menschen, das sich sozial vor einigen Jahrhunderten herausgebildet hat und mit dem romantischen Liebesverständnis in enger Verbindung zu sehen ist) ohne sozialen Einfluss zu führen? Man interagiert mit anderen Menschen, was in sich schon eine Auseinandersetzung mit deren Vorstellungen impliziert und somit im individuellen Unterbewusstsein zu latenten Veränderungen führt, die sich womöglich später auf der Bewusstseinsebene wiederfinden.
Es gibt auch heute nichts an partnerschaftlichen Beziehungsformen, was es historisch nicht schon früher gegeben hätte. Die Quantität an freien Partnerschaften oder am Single-Leben ist heutzutage evtl. höher als zu anderen historischen Epochen. Ob das allerdings gesellschaftlich tauglich ist? Ich zweifle das sehr an, da es auch zu Verschwendung von Gütern führt, wenn jeder mehr oder weniger separat lebt. Außerdem ist es keine positive Vorbildwirkung für Kinder, wenn diese durch die Eltern oder einen Elternteil lernen (wir gehen einmal davon aus, dass dies nicht bewusst und schon gar nicht böswillig von den Eltern gewollt ist), dass Beziehungspartner wie Ersatzteile ausgetauscht werden können, wenn einmal Differenzen zwischen den Beziehungspartnern entstehen (mit Kindern ist es also denkbar schwer, so offenherzig zu leben, auch strukturell wie zeitlich und ökonomisch kaum machbar). Dieses Agieren steht nämlich in starker Verbindung mit den modernen, äußerst egoistischen, geradezu süchtig nach Freiheit währenden Ansichten. Die Folgen dieses rücksichtslosen, verantwortungslosen und uneinfühlsamen Vorgehens tragen auch zu großen Teilen die Kinder, die zu sozialen Krüppeln herangezogen werden, wenn sie früh lernen, dass Menschen auch willkürlich oft ersetzt werden können (und das dann auch oft in ihren Beziehungen fortführen).
Kann man dann überhaupt noch von "Liebesbeziehung" sprechen, wenn jeder ohne Probleme ersetzbar ist, wenn eine "Liebesbeziehung" den Charakter des besonderen verliert? Interessant ist dann auch, dass einerseits die romantischen Ideale des charmanten, höflichen, starken Mannes und der doch etwas zurückhaltenden, devoten Frau neben dem starken emanzipatorischen Gedanken (aber leider in dem Sinne, das Frauen die „neuen Männer“ und die Männer die „neuen Frauen“ sein sollen, was keine Angleichung der Geschlechterrollen ist, sondern eine merkwürdige Verdrehung dieser), was sich beißt.für zusätzliche Verwirrung zw. den Geschlechtern und somit in den Paarbeziehungen sorgt (wieder ein Beispiel für den Einfluss der Gesellschaft auf die individuelle, "sozialbereinigte"Beziehung), wobei kritische Menschen meist noch irritierter sind, da sie sich mit vielen Perspektiven versuchen auseinanderzusetzen - was bleibt: ein zerrissener, ständig abwägender Mensch mit inneren Konflikten.
Und ob die Joycluber so viel toleranter und offener sind (wie es an obriger Stelle angesprochen worden ist)? Mitnichten. Eher bigott, aber das gewaltig. Single-Frauen, die sich jedenfalls auf dem ersten Blick tolerant geben, möchten dann doch oft keine Männer, die bereits vergeben sind (selbst wenn alle drei Beteiligten von der Menage a trois in Kenntnis gesetzt wären), obwohl sie selbst auch genug Affären nebenbei laufen haben(wo ist das fair, wenn man dem Partner auf Zeit nicht das Gleiche, sprich die absolute polyamore Freiheit, zugesteht, was man für sich ohne wenn und aber in Anspruch nimmt?- Frauen also wirklich die "neuen Männer"?). Paare suchen vor allem Frauen der anderen Paare (der Partner soll am besten stillschweigend seine Dame an der Garderobe abgeben, was wohl oft von beiden Seiten des im moralischen Ungleichgewicht handelnden Paares so verlangt wird - nennt man das Angst vor dem Einfluss eines anderen dominanten Geschlechtspartners, weshalb die dann doch als fragil erscheinende Paarbeziehung akut in Gefahr wäre, wenn ein weiterer männlicher Part anwesend wäre, weshalb von vornherein das Risiko minimiert werden soll? Wo ist dann das Vertrauen zw. den angeblichen Liebespartnern? Und dass hier die Frauen besonders mehr orientiert an gleichgeschlechtlichen Sexpartnern sind, als es im Rest der Gesellschaft der Fall ist, denke ich auch nicht. (Die Auffälligkeiten habe ich nicht allein gemacht, es gibt einen Thread bei Joyclub dazu). Bzgl. der Männer ist mir hier noch nichts Ambivalentes aufgefallen, aber evtl. bin ich aus guten Gründen auf dem "männlichen Auge" blind oder es ist für mich so "normal", dass ich die Falschheit darin nicht erkenne (wer was Ambivalentes, Bigottes, Asymmetrisches im Handeln der Männer bei Joyclub erkannt hat, bitte Info einstreuen!). Mit Liebe hat das hier also oftmals sehr wenig zu tun, mit Machtprinzipien und dem begrenzten Vorhandensein der Ressource Intimität sehr wohl (weshalb latente Machtkämpfe entbrennen und auch Strategien zur Erfüllung des Strebens nach Intimität aufgefahren werden).
Und grundsätzlich und damit abschließend zu dem Thema: Da eine Paar-, Zweier- oder "Liebesbeziehung"(romantisches Verständnis von Liebe zw. zwei Partnern!) immer etwas Soziales ist, ist ergo der soziale Einfluss auf diese immer vorhanden, da sie ein Bestandteil, ein Teil des ganz großen sozialen Systems ist, eben der Gesellschaft, die uns alle betrifft, was heißt, man kann sie nur durch Soziales erklären (( in Anlehnung an Durkheim und Luhmann).