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Turtle_Ike_TM
Ich bin gerade irgendwie zwiespältig in mir, ich lese deinen Text und denke ja da beschreibt er Dinge, die mir auch immer wieder passieren, die mir manchmal aufstossen und die mich auch beschäftigen, aber ich spüre etwas dabei, was in mir auch gleichzeitig Verwunderung entstehen läßt.
Ich frage mich, was ist das, was diese Verwunderung auslöst?
Ich denke, es ist die Herangehensweise und auch mein eigener Umgang mit den Dingen, die mir immer wieder auch passieren.
Es ist eine Art des Umgangs, den ich für mich anders sehe, mit den Dingen, die mich ausmachen.
Ich kenne das Hyperfokussieren ebenfalls genauso wie du, ich kann in schwierigen und auch in gefährlichen Situationen genauso, wie du es beschreibst, in einen Modus wechseln, der mich die Emotionen dann völlig ausblenden läßt. Sowohl meine eigenen als auch die anderer. Ich funktioniere dann sehr rational und durchdacht, so scheint es zu sein, dabei ist es ein Modus, den ich dann einfach in mir habe, der mich in solchen Situationen einfach handeln läßt, Aspekte, die mich von meinem Handeln abhalten liessen, bende ich einfach aus. Eine tolle Eigenschaft, wie ich finde. Wobei ich von mir weiss, das die Emotionen dann wieder auftauchen, wenn ich aus dieser Situation raus bin. Dann schlottern mir genauso die Knie, bin ich erschrocken, oder in einem emotionalen Ausnahmezustand, nur währenddessen, da bin ich klar und rational.
Ich nehme das mal als Beispiel..eine Fähigkeit, die ich durchaus schätze, hat sie mir in sehr vielen Situationen, auch in meiner Arbeit immer wieder sehr geholfen, auch Gefahrensituationen gut zu meistern. aber macht mich diese Eigenheit, die ich habe nun zu etwas Besonderem? Ich denke das nicht, sie ist ein Teil meiner Fähigkeiten, die ich sehr schätze, andere durchaus auch. aber andere Menschen, egal welcher Art sie sind, habe eben andere Fähigkeiten und Talente, die ich sicherlich nicht habe, die ich aber durchaus sehe und ebenso schätze, wie die sie vielleicht bei mir schätzen.
Wie bei allem im Leben hat auch diese Medaille ihre andere Seite und neben meinen Fähigkeiten habe ich auch verschiedene Anteile in mir, die mir das Leben gewiss nicht leichter machen. Aber so ist das im Leben, wo Licht ist, ist auch Schatten. Ich habe mein mir eigenes Päckchen zu tragen, andere haben ein anderes. Kommt immer darauf an, was jeder daraus macht, denke ich.
Das ich unter diesen Schatten auch immer wieder leide, mich damit unwohl und auch immer wieder mal unglücklich fühle, ist meins. Das ich damit immer wieder auch mal anecke bei anderen Menschen ist letztlich aber genauso meins.
Hat aus meiner Sicht auch etwas mit der eigenen Akzeptanz für mich selbst zu tun. Daran sind nicht immer die anderen Schuld.
Auch die Diagnose Asperger sehe ich so. Sie macht mich nicht zu etwas Besonderem, weil jeder Mensch, egal welcher Art er angehören mag, sowohl etwas besonderes an sich hat, als auch eben seine Schattenseiten in sich trägt. Die Diagnose hilft mir aber mich selbst zu verstehen, warum ich so bin, anders möglicherweise denke und manchmal fühle als andere Menschen. Sie hat mir geholfen mich in der Welt zu verorten.
Ob ein Mensch eher Optimist oder eher Pessimist ist, liegt nicht in einer Diagnose verborgen, sondern ist ein Teil seiner Persönlichkeit, unabhängig von allem anderen.
Ich kann für mich sagen, ich bin eher optimistisch, sehe mich nicht als besseren Teil in einer falschen Welt. Ich will die Welt verstehen, die Welt in der ich lebe. Dazu gehört aber auch, dass ich mich selbst verstehen will. Das ich neugierig bin, wie andere die Welt sehen, in ihrer Welt verortet sind. Menschen sind so unterschiedlich. In dem Moment, in dem ich mich verstehe, wenigstens einen Teil von mir, gelingt es mir auch, mich für andere verständlich zu machen. Und darum geht es doch letztlich.
Wer sagt dir denn, dass einer, den du als neuronormalen Menschen ansiehst, nicht ebenfalls ein ganz anderes Problem hat, sich in der Welt der anderen zu verorten?
Ja, es braucht vielleicht mehr Energie, sich in einer Welt, die scheinbar so anders ist als man selbst es wahrnimmt, zurecht zu finden und zu behaupten.
Ist mir genauso gegangen und ich habe meine Quittung dafür auch bekommen. Energie, die weg ist, muss wieder aufgebaut werden, sonst wird Mensch krank. Das verbinde ich gerne mit dem Bild eines Brunnens in der Wüste. Ein Brunnen, der keinen Zufluss an Wasser hat, wird irgendwann kein Wasser mehr hervor bringen. So ist das mit unseren Energiebrunnen genauso. Wenn ich nicht dafür sorge, dass mein Brunnen sich immer wieder selbst füllen kann, weil ich den Zufluss verstopfen lasse, weil ich ihn versanden lasse, dann habe ich keie Energie mehr, wenn alle Energie scheinbar aufgebraucht ist. Auch das ist ein Phänomen, das jeden Menschen treffen kann, ganz unabhängig von der Diagnose, mit der er lebt. Das bedeutet Selbstfürsorge, wie Versuchender gerne schreibt.
Nicht die anderen sind Schuld daran, dass mein Brunnen austrocknet, sondern ich selbst muss dafür Sorge tragen, dass mein eigener Brunnen immer mit ausreichend Energie gefüllt ist.
Für eine Krebserkrankung (meine Quittung) trägt niemand Schuld im Grunde, wenn das Immunsystem sich verschlechtert, weil Energie fehlt, um es gut am Laufen zu halten, dann kann es eben passieren, das sich Zellen in meinem Körper nicht in der gesunden Art und Weise erneuern, sondern mich krank machen. Dann ist es immer noch meine eigene Sorge für mich selbst, dass ich einen anderen Umgang mit mir und meinem Umgang mit bestimmten Situationen lerne. Lerne mein Immunsystem zu stärken und an Situationen, die mir Energie rauben könnten, anders heran zu gehen. Ich bin selbst für mich und meinen Umgang mit mir verantwortlich.
Was meine Empathie angeht..ich bin heute sehr empathisch, das war nicht immer so. Aber ich war schon immer feinfühlig. Irgendwann habe ich bei mir entdeckt, dass ich Empathie auch lernen kann. Ich analysiere Situationen, ich analysiere Menschen und vor allem mich selbst. Das mache ich rational, aber ich kann das eben auch mit Emotionen machen. Denn auch ein Asperger ist nicht nicht fühlend, ganz im Gegenteil. Vielleicht ist meine Empathie heute eher über einen Umweg für mich nutzbar, weiss ich nicht, aber meine Fähigkeit zu analysieren nutze ich auch dafür, mich in einen anderen Menschen hineinfühlen zu können, es ist lernbar und es ist vorallem lernbar auch die eigenen Emotionen zu verstehen und sich damit eben auch abzugleichen.
Ist es nicht eigentlich wunderbar, wie unterschiedlich Menschen sein können?
Und meine Güte es gibt eben immer Menschen, die sind nicht in der Lage, sich in andere hineinzufühlen und nein, ich meine damit nicht einen Menschen, der Asperger ist, sondern so viele andere, die scheinbar ganz normal ihr Leben leben.
Anstatt mich über Ignoranz zu ärgern, sehe ich das heute mit einem Augenzwinkern, freue mich darüber, dass ich so bin wie ich bin..mal so und mal ganz anders