So, jetzt aber...
Vorab muss ich eines sagen, bevor ich mir mal etwas genauer anschaue, was eine Seite wie Joy Club, wohl generell, aber exemplarisch an mir, für Effekte zeitigt, und in welchen gesamtgesellschaftlichen Kontext das meiner Meinung nach steht:
Ich habe mich ja gerade erst hier angemeldet, spontan und eher zufällig, ich dachte mir, dann probiert man das auch einmal aus und so richtig handlungsfähig, mit Premium-Account, bin ich erst seit letztem Wochenende, aber ich muss sagen: das ist ja wirklich prima, was man hier an Möglichkeiten hat, vorher dachte ich, so etwas brauche ich nicht, ich komme auch im Real Life auf meine Frauen, aber wenn man das hier alles so sieht, was man da an Möglichkeiten hat, da wäre man ja direkt der Depp, wenn man das weiterhin ausschließlich analog betreiben würde, wie anno Tobak 1954, ja sonst noch was
Das als Vorschub zu einigen kritischen Betrachtungen, die folgen werden.
Fürs Erste eine Kritik des "Natürlichen", "Authentischen": Ich denke, die Quellen all dieser Vorstellungen sind die, in meinen Worten "sekundären" Klassiker von 1968, also Adorno und Horkheimer, Marcuse, und in einer besonders platten Form Fromm, die sich selbst wieder auf auf die eigentlichen Klassiker, nämlich Marx, Freud und Hegel bezogen haben. Daneben waren auch noch Freud-Dissidenten wie Wilhelm Reich sehr wirkmächtig. Vereinfacht dargestellt: Die Grundidee ist folgende, dass das Gesellschaftliche und das Individuelle, inklusive des Sexuellen, bruchlos aus einem Guss wären. Dieses Individuelle in all seinen Einzelaspekten wäre vom Gesellschaftlichen deformiert und unterdrückt, wäre aber prinzipiell als als natürlich und authentisch vorhanden. Um dieses natürliche Selbst zu befreien, gäbe es zwei Möglichkeiten: Zum ersten natürlich die Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse, die Revolution. Falls dieser Weg aber nicht, oder zumindest nicht sofort, gangbar wäre, ginge es auch anders herum: Man beginne mit der Befreiung des Individuellen und das Gesellschaftliche, die Revolution, würde automatisch folgen. Also nur als Beispiel, das Konzept des "Körperpanzers" bei Reich, den es zu sprengen gälte.
Jetzt wird vielleicht jemand einwenden, gut, wer kannte das überhaupt, gar nicht davon zu reden, wer das dann auch noch gelesen hat. Stimmt, das war nur eine sehr kleine Minderheit. Aber Ideen, Vorstellungen, sind so beschaffen, dass sie sich fortpflanzen, ausbreiten können, wenn sie nur Schritt für Schritt von immer mehr Leuten als nachvollziehbar, vernünftig, "eigentlich" angesehen werden. Und können dadurch eine starke Wirkung entfalten und damit eine neue "Normalität" mitkonstituieren. So auch in diesem Fall.
Man schaue sich zum Beispiel nur diese damaligen sozialutopischen Kommunen an: Da gab es immer einen Guru, der hatte einen Harem, ansonsten noch etliche willige Arbeitsdrohnen, aber über solche Dinge, über solche Machtverhältnisse konnte natürlich nicht gesprochen werden, es waren ja alle gleichermaßen "befreite", "authentische" Individuen am Werk.
Oder auch die momentane Pädophilie-Debatte innerhalb der Grünen: Aus heutiger Sicht fast nicht mehr nachvollziebar, wie sich irgendjemand für so etwas einsetzen konnte, wenn man den von mir beschriebenen Rahmen aber hinzuzieht, wird verständlich, dass es sogar in diesem Bereich aus damaliger Sicht etwas zu "befreien" gab.
Und diese Neunschwänzige Katze der Authentizität ist auch weiterhin sehr wirkmächtig, ist längst auch in alle anderen Lebensbereiche eingezogen, zum Beispiel sogar in die Arbeitswelt, aber auch im Feld des vermeintlich anderen, seines angeblichen Gegenteils, dem großen Feld der Esoterik und privaten Sinnsuche das zentrale Moment.
Was ist nun der konkrete Inhalt dieses "Authentischen"?
"Sei authentisch!", das bedeutet, "Sei immer identisch mit dir selbst!", das ist eine Handlungsanweisung.
Damit kann man jeden und jede, auch sich selbst, jederzeit festnageln. Das geschieht z.B. fortwährend in diesen Frühnachmittags-Proll-Sendungen auf den privaten Kanälen. Die zentrale Frage ist immer: Da hat eine/r gehandelt. War er/sie auch schön brav identisch mit sich selbst? Falls nicht, muss der- oder diejenige dafür abgestraft werden.
Von außen betrachtet, ist das immer so, ist das richtig so, tut man sich selbst und auch anderen damit wirklich einen Gefallen?
Was ist mit den ganzen Brüchen, den ganzen Intransparenzen, dem Changieren, Fließen und Umkippen, das ich an mir selbst feststellen kann. Nicht nur, aber auch im Bereich von Liebe und Sexualität?
Muss und soll ich die um jeden Preis begradigen, vereinheitlichen, nicht zulassen?
Ich denke nicht. Ich bin viele, mein Name ist Legion. Und das ist gut so.
Mehr folgt, auch der Übersicht halber in einem separaten Post. Ich bitte wieder darum, nicht auf meinen nächsten Post zu warten, sondern einfach weiter zu diskutieren.