Sex on the beach
Er räkelte sich genüsslich auf einer der breiten Sonnenliegen aus dunklem Rattan, die alle mit dicken, in weichem hellem Echtleder bezogenen Matratzen bestückt waren, und genoss die leichte Sommerbrise, die sanft über seinen durchtrainierten und schon leicht vorgebräunten Körper strich. Vorsichtig öffnete er die Augen, blinzelte ins gleißende Licht und richtete sich langsam auf. Seine Fußsohlen berührten den warmen weichen Sand, und kurzzeitig war er versucht, mit seinen Zehen Striche, Kreise oder Figuren hinein zu malen. In der Nähe hörte er Papageien rufen, und es dauerte nicht lange, bis ein kleiner Schwarm von vielleicht zehn oder zwölf der prächtigen Vögel tief zwischen den Palmen hindurch direkt auf ihn zu flog, um dann gerade noch rechtzeitig wieder an Höhe zu gewinnen und abzubiegen. Langsam erhob er sich von seiner Liege, streckte sich und ging in Richtung Pool. So kann man es doch wirklich aushalten, dachte er bei sich. Jetzt kurz mal abkühlen, dann einen schönen Cocktail und wieder zurück auf die Rattanliege. Elegant glitt er ins Wasser des Pools mit seinen mehr als olympiaverdächtigen Maßen und stieß sich vom Rand ab. Mit kraftvollen Armzügen kraulte er zur gegenüberliegenden Seite, an der ins flache Wasser eingelassene Sitzbänke zum Entspannen an der Bar einluden.
Die junge Frau hinter dem Tresen begrüßte ihn mit einem leichten Kopfnicken und wie immer freundlichen Lächeln. Das kupferne Namensschild, das sie, wie die übrigen Angestellten auch, an einer aus dem gleichen Material gefertigten und überaus filigran gearbeiteten Kette um den Hals trug, wies sie als Samira aus.
„Was kann ich denn heute für Dich tun, Großer?“ fragte Samira in nahezu akzentfreiem Deutsch. Da sie sich schon näher kannten, wusste er, dass die junge Frau ursprünglich aus Afghanistan stammte, vor ihrer Arbeit hier aber ein paar Jahre in Hamburg studiert hatte und daher Deutsch so ausgezeichnet verstand und auch selber sprach, dass sie sogar mit seinen und anderer Gäste spitzen Bemerkungen und kleinen frivolen Provokationen nicht nur bestens zurechtkam, sondern auch beinahe immer die passende Antwort parat hatte. Das hatte ihm von Anfang an gefallen und sehr imponiert.
Heute aber stach ihn der Hafer anscheinend besonders. Also setzte er sein allerschönstes Herzensbrecherlächeln auf, das ebenso strahlend wie unverschämt war, fuhr sich betont langsam mit der Zunge über seine vollen Lippen, verlinkte seine stahlblauen Augen mit Samiras rehbraunem Blick, brannte Löcher in ihre Iris und sagte dann mit seiner leisen und verführerisch dunklen Stimme:
„Sex on the Beach, Samira, Du Schönste der Schönen und mein Augenlicht! Das wäre jetzt so richtig nach meinem Geschmack…“
Die junge Frau hielt seinem bohrenden Blick locker und ohne zu blinzeln stand. Mehr noch, sie glitzerte frech zurück und erwiderte dann mit einem gleichzeitig unschuldig und lüstern klingenden Unterton: „Aber gerne doch, Dein Wunsch ist mir Befehl!“ Wie zur Bekräftigung beugte sie sich leicht zu ihm vor und gewährte ihm auf diese Weise einen kurzen Einblick in ihr tief ausgeschnittenes und mehr als gewagtes Dekolleté, bevor sie sich lasziv lächelnd und kokett mit ihren Hüften schwingend von ihm wegdrehte. Dann konnte sie aber doch nicht länger an sich halten, prustete laut los und schaffte es gerade noch, mit rauchiger Stimme hinzuzufügen: „Ein großes Glas für den großen Mann, wie immer?“ Kaum dass sie den Satz heraus hatte, brach sich aber auch ihr tiefes kehliges Lachen schon wieder Bahn, und die wandte sich schnell den Cocktailgläsern hinter der Bar zu.
„Och menno“, murmelte er resigniert und seufzte dabei so abgrundtief und herzerweichend, dass es ihm sofort einen aufmunternden Blick Samiras einbrachte. „Nun, mein armer Herr Unverstanden?“ fragte sie, immer noch bemüht, ihre Fassung zurückzugewinnen. „Nein, für heute reicht mir ein ganz normales Glas“, antwortete er und bedachte Samira mit einem sehr gekonnt gespielten waidwunden Blick. Dann glitt er zurück auf eine der im maurischen Stil gekachelten Wasserbänke, legte die Arme auf den Beckenrand und schloss die Augen.
Natürlich wusste er, dass es den Angestellten nicht erlaubt war, mit den Gästen zu flirten und anzubandeln, geschweige denn, etwas mit ihnen anzufangen, wollten sie nicht ihren Job riskieren. Und ganz sicher hätte er niemals gewollt, dass Samira oder irgendjemand anders wegen eines letztlich flüchtigen Abenteuers mit ihm ihren Arbeitsplatz aufs Spiel setzten. Aber er und ganz offensichtlich auch Samira liebten diese kleinen Wortgefechte an der Bar viel zu sehr, als dass er darauf hätte verzichten wollen. Und träumen durfte ja wohl noch erlaubt sein…
Plötzlich spürte er, wie sich jemand links neben ihn kniete: „Your drink, sir“ hörte er eine Stimme sagen, die ganz eindeutig nicht Samiras Stimme war. „Danke, Süße“, murmelte er schläfrig zurück und behielt die Augen auch dann noch geschlossen, als sich auf seiner anderen Seite jemand neben ihm ins Wasser gleiten ließ. Kleine Wellen umspielten seinen Oberkörper, und dann fühlte er eine Hand unter Wasser über seine breite Brust streichen, während zwei andere sich auf seine Schultern legten und ihn zu massieren begannen.
„We’ve heard you’re looking for some fun on the beach…“ flüsterte die verführerische Stimme in sein linkes Ohr. „And see, we might be of help, if you don’t mind.“
Er spürte mit einem Mal, wie ihm volle Lippen einen feuchtwarmen Kuss auf die Wange drückten und die dritte Hand sich auf die Reise weiter nach unten begab. Er öffnete ganz langsam die Augen, drehte seinen Kopf vorsichtig nach links und blickte in die grünsten Augen, die er jemals gesehen hatte. Katzenaugen! Die allerdings eindeutig keinem süßen kleinen Hauskätzchen gehörten.
Nein, das waren die hungrigen Augen einer jungen, starken und geschmeidig-schlanken Raubkatze auf der Jagd, deren Eleganz und Kraft seinen Atem fast stocken ließ. Plötzlich einer solchen wilden, unzähmbaren und zudem noch tiefschwarz glänzenden Pantherkatze mit dem wohl weißesten und augenscheinlich schärfsten Gebiss seit „10,000 B.C.“ Auge in Auge gegenüber zu stehen, traf ihn völlig unvorbereitet...