weiter..
... während ich im Bad entspanne, kommt Thomas wieder.
Laut hörbar rumort er im Untergeschoß umher. Auf mein Rufen kommen nur unverständlcihe Laute und ein „Ich komme gleich!“ als Antwort. Was macht er da??
Na gut, Ruhe bewahren und durchatmen. Mehr als warten kann ich sowieso nicht. Im Radio läuft Johannes Oerding mit „Alles brennt“, mein Lieblingssong zur Zeit, mit einer Aktualität, die ich gestern mir noch gar nicht vorstellen konnte.
Endlich kommt er, 2 Gläser und eine Flasche Rotwein unterm Arm. Er setzt sich zu mir neben die Wanne auf den Boden. Mit großen Augen schaue ich ihn an. Was hat er vor? Lass mich in dein Gehirn schauen, wünsch ich mir. Selbst im Wasser sind meine Hände schweißnass.
Seine Augen gleiten über das, was sich unterm Schaum erahnen lässt. Thomas ist ein Mann und was für einer!! Groß, stark, mit Waschbrettbauch, Humor, Intelligenz, blauen Augen und schwarzen, strubbeligen Haaren. Er ist der einzige Mann, den ich immer heiraten wollte. Wir sind zusammen aufgewachsen, zur Schule gegangen, haben das Abi zusammen gemacht. Ich war während der Studienzeit schwer verliebt in Thomas, bis er mir gestand, dass er Männer liebt.
Nein, es brach keine Welt zusammen für mich. Wer, wie ich, mit 2 schwulen Onkels groß geworden ist, der empfindet Normalität in dieser Sache.
Es hat alles seine Vor- und Nachteile.
Hier ist der Vorteil, ich habe auf Lebenszeit einen Freund. Einen echten Freund.
Der Nachteil, ich kann ihn nicht heiraten.
Egal! Jedoch wurde jeder neue Mann in meinem Leben mit Thomas verglichen und das macht es schwer. Vor allen Dingen, weil ich nicht jedem gleich auf die Nase binde, wie Thomas tickt.
Jetzt sitzen wir hier im Bad.
„Hast du deine Aufgabe gemacht?“ ist das erste, was Thomas sagt.
„Ja, ich hoffe auch zu deiner Zufriedenheit. Ich kann aber nicht verstehen, was das soll. Ganz ehrlich nicht.“, ist meine Antwort.
„Wo ist die Liste?“
„Unten, auf der Couch.“ und während Tom die Liste holt, gieße ich Rotwein in die Gläser und lass warmes Wasser nach.
Schnell ist er wieder da, studiert aufmerksam die Seiten. Unsicher schaue ich ihn an.
„Ja, Laura-Lee, das, was ich dir jetzt sage, höre dir einfach an.
Keine Einwände, keine Vorschläge.
Ich gebe dir soviel Zeit, wie du willst zum Nachdenken und versichere dir, dass ich dir beistehen werde, komme, was da wolle.“
Gebannt schaue ich ihn an.
„Es ist schlimm, wenn man jemanden verliert, der einem am Herzen liegt. Sieh es als Chance. Als Chance dich zu entwickeln. Ich weiß, du trauerst, bist wütend, verletzt, hast Angst.
Aber weißt du, es ist das Beste, was dir zur Zeit passieren konnte. Hör auf, verzweifelt nach Liebe zu suchen und fang stattdessen an, einfach Spaß zu haben.
Ich wünsche, ich möchte, dass du zu leben beginnst. Das du heute und hier 53 Wochen lang lebst. Und zwar das, was du hier auf dieser Liste stehen hast.“
Erschrocken atme ich laut auf.
„Im Ernst, es ist ungeheuer befreiend, deine eigene sexuelle Macht zu entdecken und gleichzeitig zu wissen, das es zu nichts weiter führt, solange du dein Herz aus dem Spiel lässt. Ich verstehe auch, wenn du Nein sagst.
Probiere alles aus! Jede einzelne Position dieser Liste. Mach, das, was du dir schon immer gewünscht hast, dich aber nie getraut hast. Lebe deine geheimsten Wünsche aus. Versuche jede Woche anderen Sex zu haben. Hänge dich nicht gleich wieder an irgendeinen Mann, der dir nicht gut tut. Der dir nicht das geben kann, was du dir wünscht. Es liegt auch an dir, du musst offener werden, freier. Nicht nur sexuell, auch, was Beziehungen angeht.
Du hast einen super Job, bist fast jede Woche in einer anderen Stadt. Verdienst gut dabei, bist unabhängig, kannst dir alles leisten, was du willst. Du musst dich nicht an jemanden hängen.“
Meine Hand krampft sich um das Glas, meine Augen schauen stur nach unten.
Das, was Tom da sagt, hat ganz viel Wahrheit und doch wieder nicht. Ich habe Angst, einfach Angst, aber das trau ich mich nicht zu sagen.
Was soll ich hier in diesem großen Haus? Alleine? Die Vorstellung jeden Freitag in ein leeres Haus zu kommen, ist doch wohl schon beschissen genug. Und dann keiner, der auf mich wartet. Obwohl ich antworten möchte, nehme ich stattdessen einen großen Schluck Wein.
„Ich weiß, das du Angst hast. Deswegen bin ich hier.
Wenn du nichts dagegen hast, dann bleib ich eine Weile bei dir..
Zieh zu dir…“
Aha.... ruckartig kommt mein Kopf hoch.. Nachtigall ich hör dir trapsen...
Ein Grinsen stielt sich auf mein Gesicht..
"Siehst gleich viel besser aus.", grinst auch Tom."und nun allez hopp... der Friseur kommt gleich! Wär doch gelacht, wenn wir aus dir nicht etwas machen können."
Halb lachend streck ich ihm meine Zunge aus...
"Bäh!!! Ich habe dich auch ganz doll lieb!", ist meine Antwort darauf.
Aber dann steh ich auf und trockne mich ab.
Thomas hat schlafenden Hunde geweckt.