Unfertige Gedanken
Es steht geschrieben, dass Alonso Quijano "gerade auf die Fünfzig zuging", als er
plötzlich beschloss, sich Don Quijote de la Mancha zu nennen und ein fahrender Ritter zu werden, der eine gewisse Dulcinea del Toboso zu seiner Minne erkoren hatte. Es ist anscheinend immer schon ein gefährliches Männeralter gewesen, gefährlich auch für sie selbst. Bei manchen Männern, die ich so kenne, kommt mir der Gedanke, dass sie sich anscheinend erst in ihre Pubertät zurückzustürzen versuchen, um endlich richtig erwachsen werden zu können - was beim ersten Mal offenkundig missglückte. Andere sind anscheinend kopfüber auf der Flucht, wirken aber nicht gerade wie glücklich Entkommene. Viele der "altersentsprechenden" Affären, Abenteuer, Süchte, Ausbrüche haben etwas unleugbar Panisches, Kindisches und schnell auch Lächerliches. Ob aber diese Lächerlichkeit nun objektiv vorliegt oder doch nur im Auge des Betrachters, vermag ich nicht wirklich zu sagen. Und noch weniger wüsste ich darüber Auskunft zu geben, ob es immer und unter allen Umständen verwerflich und zu vermeiden ist, sich zum kompletten Narren zu machen.
Bei aller Kritik an solchem zugegeben oft rücksichtslosem, verletzendem Verhalten der unruhig gewordenen Männer, wird doch speziell seitens mancher...
how shall I put it? gereifter Frauen so einiges weitere unfreiwillig deutlich. Nehmen wir irgendeinen dementsprechenden Mann - sei es aus Funk und Fernsehen oder aus dem Bekanntenkreis - welcher sich einer "zu jungen" Frau annähert, vielleicht mit ihr etwas anfängt und womöglich mit ihr beim Angeben in seinem brandneuen, feuerrot lackierten Phallomobil
downtown gesichtet wird: Ich habe schon oft erlebt, dass so jemand mit fast schon triumphaler Verachtung ausgezischt und als Abbild der Erbärmlichkeit verspottet wird. Es kommt darin nicht nur die verständliche Angst zum Ausdruck, selber womöglich irgendwann im Stich gelassen, verraten zu werden. In der höhnischen Herabsetzung der "dummen", "eitlen", "kindischen" und zum Fremdschämen "peinlichen" Anwandlungen des betreffenden Mannes spielen auch die eigene Bitterkeit und Lieblosigkeit, die verinnerlichte Versagung des Erwachsenenlebens eine oft unüberhörbare Rolle. Kann es sein, dass man sich im Lauf der Jahre unter Umständen selber seelisch hat gehen lassen? Dass sich mancher Narr ganz "dumm" nach Wind unter den Flügeln sehnt und sich stattdessen nur noch an Pflicht und Schuld und nochmals Pflicht erinnert findet? Dazu bedarf es nicht einmal einer nörgelnden Frau, denn manche Männer verstricken sich ganz von selbst in solche Empfindungen. Aber ich behaupte dennoch, in meinem eigenen Umfeld so einige Male gesehen zu haben, wie das
midlife-crisis-Syndrom nicht nur durch des Mannes "plötzliche" Narretei entstand. Diese vermeintlichen oder echten Verrücktheiten scheinen mir jedenfalls in einer sauerstoffarmen Atmosphäre voller gewohnheitsmäßiger Sticheleien, "liebevoller" Herabsetzungen und handfester Manipulationen besonders gut zu gedeihen. Das soll kein Plädoyer für weibliche Unterwürfigkeit sein, im Gegenteil. Aber die seltsame Mutterrolle fällt doch auf, in die nicht wenige dem eigenen Gatten gegenüber geraten, und das auch noch gepaart mit "seinen"
midlife-Regressionen.
Wenn eine Frau über ihren überraschende Abwege beschreitenden Gatten sagt: "Ich werde einfach nicht mehr aus ihm schlau!" - habe ich erst neulich wörtlich so gehört - liefert sie mit dieser Formulierung vielleicht einen Mitgrund für seinen (und ihren!) Zustand. Denn damit sagt sie ja eigentlich, dass sie ihn früher für längst von ihr durchschaut (und damit implizit auch kontrolliert) hielt. Es geht mir wohlgemerkt nicht darum, zu beschuldigen, sondern vielmehr darum, in den (in manchen Fällen zu Recht zornigen) Blick mit hinein zu nehmen, dass die
midlife crisis auch als Krise der ganzen Beziehung zu fassen ist. Weil der Mann für all den Ärger sorgt und alles durcheinander zu bringen beginnt, gerät die all dies zunächst einmal passiv erleidende Frau in ihrer angeblichen Passivität in ein falsches und nur oberflächlich schmeichelndes Licht. Ist es denn nicht vielmehr so, dass die Gattin in vielen dieser Konstellationen in die liebevoll besorgte, liebevoll kontrollierende Rolle der "Mutter" - nicht unbedingt aus eigener Schuld - hineingeriet und mit der Zeit den Mann im Gatten und nicht zuletzt sich selbst als Frau aus den Augen verlor?
Das wird alles viel zu lang, sorry. Auf die Gefahr hin, zum Schluss meiner sehr unabgeschlossenen Überlegungen auch noch ins Genre der Glückskeksprophezeihungen zu geraten, sei noch nachdrücklich darauf insistiert, dass eine Krise immer auch eine Chance sein kann, für beide. Und vielleicht sollte man wirklich nie aus dem anderen ganz schlau werden können.