Part II - Vergeltung
„Wozu habe ich die ganze Knoblauch-Zehe klein gehackt, wenn du nur ein Fitzelchen davon nimmst?“ fragte die andere große, blonde Anja in Leipzig gerade.Der Koch ging gar nicht darauf ein, bat Julia, einen knappen Esslöffel Honig in die Gemüsepfanne zu geben.
„Bitte mal die Handkamera auf dieses kleine Tiegelchen! Danke, Jochen! Hier reduziere ich seit zwanzig Minuten ein feines Portwein-Sößchen!“
„Die Zeit drängt, Christian! Wird Zeit, dass du den Lachs jetzt aus dem Ofen holst und anrichtest!“ drängte die blonde Moderatorin.
Der Sternekoch eilte zum Umluftherd und richtete den Lachs auf einer quadratischen Platte an.
„Probier mal bitte den Kokosreis, Julia!“ wies er die Schauspielerin an.
Julia nahm den Deckel ab, griff nach einem sauberen Esslöffel und kostete.
„Noch ein wenig bissfest, schmeckt wie thailändischer Milchreis! Wusstest du, dass man in Thailand auch schwarzen Milchreis zubereitet?“
„Nee, wusste ich nicht! Das Rezept?“
„Schwarzer Klebereis wird nur auf wenigen Flächen im Isaan, dem Nordosten von Thailand angebaut. Angesetzt wie hier mit Kokosmilch und etwas Zucker, dann läßt man ihn abkühlen und serviert ihn mit Mangospalten!“
„Klasse Idee für ein Dessert, muss ich mir merken, danke, Julia!“
Der Koch gab drei Löffel Reis zum Lachs auf die Platte, dann etwas Fenchel-Paprika-Gemüse und verzierte das Ganze mit dunkelroter Portweinsoße.
„Voíla! Unbedingt nachkochen – saulecker!“ Dann verbeugte sich der bayerische Koch, schüttelte Julia die Hand.
„Ich würde mal sagen: Praxistest mit ‚Ausgezeichnet‘ bestanden! Geht in die Annalen der Fernsehgeschichte ein! Mit dir hätte ich auch Currywurst zubereiten können – deine Anwesenheit veredelt jedes Gericht!“
Dieser Mann ging sogar soweit, ihr den Arm um die Schultern zu legen! Julia lächelte dazu…
Die Kameras konzentrierten sich unterdessen auf die blonde Anja, die ein paar Meter weiter weg in einer anderen Kulisse weiter moderierte.
„Unsere Mikrofone, sind die aus?“ vergewisserte sich der Meister-Koch. Man nickte ihm zu.
„Auch von mir alles Gute für dich und das Baby! Pass auf dich auf, ich meine ja nur, wegen der Übelkeit vorhin…Wo bekommt man denn schwarzen Reis her?“
„Weiß ich nicht, vielleicht in einem sehr gut sortierten Asia-Shop oder man kennt eine Thailänderin, die das mitbringt“, zwinkerte sie ihm zu.
Die Moderatorin hatte schlichtweg vergessen, sie zu verabschieden, dafür hatte es der Koch getan.
In der Regie atmete man auf. Julia war entlassen, gab die weiße Schürze ab.
Draußen auf dem Flur vor der Garderobe trat Holger von einem Fuß auf den anderen.
„Mann, hat det lange jedauert! Ick habe noch keen Geschenk für meine Kleene“, maulte er.
Julia musste sich strecken, um dem Hünen auf die Schulter klopfen zu können.
„Danke für deine Geduld, Holger! Konnte ja nicht wissen, dass die mich noch als Küchenfee brauchen! Wie alt ist denn deine Tochter? Wir kaufen etwas gemeinsam, ist ja noch Zeit!“
Julia huschte kurz in die Garderobe, um sich wieder etwas abzuschminken und hakte dann gutgelaunt ihren Bodyguard unter – wohl wissend, dass demnächst der Traumprinz unter den Personenschützern, Ben, einschweben würde.
„Geht mir zwar nüscht an, aber warum kommste nich‘ einfach mit zurück nach Berlin, Julia?“
Sie ließ die Frage unbeantwortet, das Handy meldete sich unüberhörbar. Sie drückte Markus weg – den ließ sie erstmal zappeln.
„Also, was ist, Holger?“ fragte sie auf dem Weg zum herbei georderten Taxi.
Julia glaubte sich zu erinnern, dass die Tochter etwa vier Jahre alt war.
Sie überließ allerdings im Spielzeug-Fachgeschäft in der City dem Papa die Auswahl, der sich für ein Spielzeug-Handy entschied.
Nicht die beste Wahl, wie Julia befand, aber es musste ja der Tochter von Holger gefallen, nicht ihr.
Dann ließ sie sich zum Steigenberger Grandhotel Handelshof kutschieren, die für einen Hollywood-Star angemessene Adresse in der Messestadt.
Und genau wie eine Diva staffierte sie sich jetzt auch wieder aus mit seidenem Kopftuch und verspiegelter Sonnenbrille, obwohl die Sonne gerade über den Dächern von Leipzig unterging.
Sie hatte Glück, obwohl nicht vorbestellt, war noch eine Suite frei.
Dazu musste Julia allerdings die Sonnenbrille ein Stück hoch schieben, damit man sie an der Rezeption erkannte.
Holger fläzte sich in einen Sessel im Foyer, wartete auf die ersehnte Ablösung.
Julia ließ sich von einem Pagen zur Suite bringen, gab ein paar Euro Trinkgeld, vielleicht hatte der junge Mann von so einer berühmten Schauspielerin sogar mehr erwartet.
Fluch des Ruhms! Man musste ständig aufpassen, was man tat.
Zu dem konnte sie nicht einfach runter ins Restaurant gehen oder gar an die Bar – obwohl ihr der Sinn danach stand.
In ihrem Zustand durfte sie nichts trinken und irgendein Journalist oder aufdringlicher Fan würde sie anquatschen.
Blieb nur das Verweilen im luxuriös ausgestatteten Zimmer, der große Flachbild-Fernseher an der Wand und der Griff zum Telefon, um etwas beim Zimmerservice zu ordern.
Julia entschied sich für Hähnchen Cordon bleu mit Reis und eine Flasche Mineralwasser, was hier genau so teuer war wie anderswo eine Flasche Wein.
Noch spielte sie nicht in der gleichen Liga, wie Meryl Streep, Julia Roberts oder ihre Freundin Natalie Portman.
Aber noch ein erfolgreicher Hollywood-Streifen und man würde ihr eine Gage zahlen, wie Jennifer Lawrence.
Julia träumte davon, mit einem Hubschrauber von Leipzig nach Berlin zu fliegen, döste kurz weg, wurde durch ein Klopfen an der Tür wieder geweckt.
„Room-Service, Frau Lindner!“
wird fortgesetzt..