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Making Movies

********mann Mann
910 Beiträge
Themenersteller 
Part II - Vergeltung
Anja hatte keine Höhle gefunden, in die sie sich für die Nacht verkriechen konnte, es war eher eine schmale Felsspalte, in die sie gerade so hinein passte.

Sie war hundemüde, hungrig und durstig, sie blutete an der Schläfe und ihr taten alle Knochen weh.

Dazu kam die Ungewissheit, wo sie sich befand. Die nächtlichen Geräusche im Wald machten ihr als Stadtkind Angst.
Geboren in Berlin-Charlottenburg, jetzt wohnhaft in Wilmersdorf.

Das Jaulen – waren das Kojoten oder Wölfe? Okay, Wölfe gab es inzwischen auch wieder in Sachsen und Brandenburg und nach allem was sie wusste, mieden sie den Menschen.

Aber wussten das auch die Wölfe in den USA? Waren die vielleicht anders drauf?

Es gab doch diese Horrorgeschichten vom Schriftsteller Jack London, dass Wolfsrudel tagelang einen Menschen verfolgten, weil sie Hunger hatten.
Anja tröstete sich damit, dass sich dies vor über hundert Jahren in Alaska zugetragen hatte.

Beim ersten Sonnenstrahl des neuen Morgens suchte sie sich einen klaren Bach, um sich zu waschen und vor allem, um zu trinken.
Frühstück würde es nicht geben, die Beeren an den Sträuchern würden erst in zwei, drei Monaten reif sein, stellte sie resignierend fest.

Ungeachtet der Schmerzen im ganzen Körper lief sie weiter durch den dichten Wald, orientierte sich nach Süden, in der Hoffnung, irgendwann auf eine Straße nach Denver oder Breckenridge zu stoßen.

Anja machte am Mittag Rast, streckte sich aus und hoffte auf einen See, in dem sie endlich ihre schmutzstarrenden Klamotten waschen konnte.

Sie sah Zweige, die sich bewegten, hörte ein merkwürdiges Brummen und erstarrte zur Salzsäule wie einst Lot’s Weib.

Was war das?

Es war so riesig, dass man es für einen Elefanten halten konnte.
Aber freilebende Elefanten gab es hier in diesem Teil der Welt definitiv nicht. Was war es dann?

Ihr blieb nur die Chance, sich wieder einmal tot zu stellen und darauf zu hoffen, dass dieses Untier auf den Trick herein fiel.

Es war etwas anderes, Abenteuergeschichten von Jack London oder Karl May zu Hause im Sessel vor dem Kamin zu lesen, oder live in Amerika zu erleben.

Durch das Gebüsch brach ein riesiger Bär, tappte zum Bach, trank, beäugte die reglos daliegende Anja.
Dann stellte der Bär fest, dass von diesem Lebewesen keine Gefahr ausging und er trollte sich zurück in den Wald.

Anja hatte die Luft angehalten. Das größte Landraubtier, zumindest in diesem Teil der Welt, ein Grizzly!
Der hatte offenbar gut gefrühstückt – ansonsten wäre hier Ende Gelände gewesen!

Wie bei den beiden Folterknechten des FBI blieb sie regungslos liegen, bis sie sicher war, der Bär wäre weit weg.

Sie konnte nicht die Richtung beibehalten, die sie morgens eingeschlagen hatte, denn in Richtung Süden war der Grizzly gelaufen.
Anja entschloss sich, ein Stück nach Osten zu marschieren, überlegte es sich dann wieder anders.

Es war ein Fehler, denn nach einigen Kilometern wäre sie auf die Straße 191 gestoßen – was sie nicht wissen konnte, sie wähnte sich ganz woanders.


Julia hörte einen Schrei aus der anderen Höhle. Man hielt sie von den männlichen Geiseln getrennt.

Irgendetwas musste passiert sein! Vielleicht durfte sie ja bald zu Hasan und der würde sie aufklären…

Der Chef von ISAF ließ alles für einen neuen Video-Dreh vorbereiten, diesmal ohne Julia.

„Ich habe eine betrübliche Nachricht für alle Fans der Rockband The Shadowmen! Die Band ist jetzt kopflos – im wahrsten Sinne des Wortes!“

Hasan hielt den abgeschlagenen Kopf mit spitzen Fingern, als ob er sich ekelte, von sich gestreckt in die Höhe.

Die Kamera zoomte darauf. Ganz Amerika würde entsetzt sein und sich bestätigt fühlen in der Annahme, sie wären keinen Deut besser als die IS-Milizen in Syrien und im Irak.

„Es tut mir leid, aber dieser Frank Doneghan hat wiederholt den Propheten beleidigt! Bleiben noch zwei, die den Untergang der Westhälfte der USA verhindern können…“


In Breckenridge hatte man längst die Sachen gepackt und man siedelte in die Ortschaft West Yellowstone über.
Jürgen war der Meinung, dort wäre man Julia am nächsten.

Es wäre nur eine Frage der Zeit, bis man die Terroristen dort orten würde und alle drei Männer hofften, Julia wäre dann noch am Leben.

„Was hälst du von der Sache mit dem Kernsprengkopf, Jürgen?“ fragte Markus besorgt.

„Halte ich für einen Bluff. Niemand ist so irre und verkauft so etwas. Wenn es zurück verfolgt wird, dann bedeutet es für Nordkorea das Verschwinden von der Landkarte und im Falle Russlands heißt das 3. Weltkrieg…Kann aber gut sein, dass die irgendwo eine genügend große Menge TNT platziert haben, was in Anbetracht der sensiblen geologischen Gegebenheiten im Yellowstone Park auch zu einer Katastrophe führen könnte!“

„Danke, Dr. Bergener! Hoffen wir mal, dass alles gut geht!“ sagte Markus.

Er hatte natürlich auch beim FBI angerufen, um sich nach dem Verbleib von Anja zu erkundigen, aber niemand fühlte sich zuständig.
Wenn sie irgendwo in U-Haft saß, hätte man es ihnen doch sagen können, damit er einen Anwalt beauftragen konnte.

Markus – selbst Jurist – fühlte sich verschaukelt, gab aber nicht auf.
Egal, was Anja getan hatte, sie war seine Mitarbeiterin, verdammt!


Im Krisenstab in Washington, an dem erstmals auch der Präsident der Vereinigten Staaten teil nahm, kam man zu der gleichen Auffassung.

Man hatte Experten der NSA hinzugezogen, um bei der Ortung der Terroristen weiter zu kommen, die aber betrübt die Köpfe schüttelten.
Die würden drahtlos ins Internet gehen, nutzten Server auf dem ganzen Erdball.

Unstrittig war, dass man im Yellowstone Park suchen müsse – ein Gelände von 9000 km² Größe.

Ein Geologie-Professor hielt einen Vortrag darüber, wie plausibel ein Weltuntergangs-Szenario wäre.

wird fortgesetzt...
********mann Mann
910 Beiträge
Themenersteller 
Part II - Vergeltung
Er hielt es nicht für ausgeschlossen, mit einem Kernsprengkopf oder einer großen Menge konventionellen Sprengstoffs, die man tief genug versenkte, eine gewaltige Eruption auszulösen.

„Wie lange?“ fragte Präsident Barack Obama kurz angebunden und blickte in Richtung des Vertreters der NSA.

„Zwei, drei Tage, Mister President!“ kam die zögerliche Antwort.

Man saß im abhörsicheren Situation-Room des Weißen Hauses.

„Ich gebe euch 24 Stunden!“ Obama stand auf und marschierte aus dem Raum.


„Sie haben…Frank Doneghan den Kopf abgeschlagen?“ fragte Julia mit großen, runden braunen Augen.

Ihr lief ein Schauer über den Rücken. Sie wollte Hasan eigentlich bitten, ihr Arabisch beizubringen und vor allen Dingen wollte sie wissen, ob diese Untaten durch den Koran gedeckt wurden – wahrscheinlich nicht.

Es war genau wie das Christentum ursprünglich eine Religion, welche die Nächstenliebe predigte.
Ungeachtet dessen waren in den letzten Jahrhunderten im Namen dieser Religionen unzählige Menschen ermordet worden, hatte man unschätzbare Kunstwerke vernichtet, wie die spanischen Katholiken in Südamerika.

Um des lieben Friedens Willen und auch, um ihr Leben, das des ungeborenen Babys und vielleicht auch das des Journalisten zu schützen, zu dem sie keinen Kontakt hatte, sagte sie:

„Ich bin nach wie vor bereit zu lernen, Hasan! Ich bitte um Entschuldigung für das Missverständnis von gestern. Ich protestiere aber auch gegen die Ermordung von Mr. Doneghan, egal, was er getan hat!“

„Egal, was er getan hat? Er hat den Propheten auf übelste Weise beleidigt, Julia! Der hatte genau wie Sie die Chance, zu bereuen, machte alles nur noch schlimmer. Ich hatte keine andere Wahl.“

Hasan griff nach einem Koran, schlug eine Seite auf, als hätte es den Disput eben gar nicht gegeben, und las eine Sure vor.
Dann übersetzte er sie, las noch einmal das Original vor und bat Julia, es nachzusprechen.

So lange sie im Koran lasen, würde er sie nicht umbringen, dachte Julia pragmatisch. Diesem Hasan war alles zuzutrauen…


Anja hatte Magenkrämpfe, sie würgte, aber außer bitterem Schleim konnte sie nichts erbrechen.

Sie würde in diesen Wäldern, rechter Hand eine malerische Bergkette mit hohen schneebedeckten Gipfeln, schlichtweg verhungern.

Wie hatten das die Indianer gemacht?

Die hatten sich Waffen gebastelt und gingen auf die Jagd. Aber Anja hatte weder ein Messer noch ein anderes Werkzeug zur Hand.
Sie wusste auch nicht, wie man Feuer machte.

Ein Survival-Training in den Wäldern um Berlin wäre hilfreich gewesen – aber sie hatte keines absolviert.

In ihrer Verzweiflung pflückte sie Kräuter, hoffte, die wären nicht giftig.

Verdursten würde sie nicht. Sie traf immer wieder auf Quellen und Bachläufe mit kristallklarem Wasser.

Irgendwann war sie so müde, dass sie einfach ins Gras fiel und einschlief.
Wenn Grizzlys, Wölfe oder Kojoten kamen, um ihr den Garaus zu machen, dann war es eben ihr Schicksal, ihre Strafe für den Verrat.

Anja wachte wieder auf, als samtige Lippen sie sanft anstupsten.

Aber sie träumte mit geschlossenen Augen weiter von einem Kuss, den Jürgen ihr gab und ihr alles verzieh.

Dann stieg ihr ein Geruch in die Nase, den sie nicht zuordnen konnte.
Auf jeden Fall war es nicht das Rasierwasser von Jürgen.
Wäre sie auf dem Lande groß geworden, hätte sie gesagt „Kuhstall!“

Anja öffnete vorsichtig die Augen und blickte in die runden braunen Augen eines Kalbs.

Aber das Kalb war nicht schwarz-weiß, sondern ockerbraun.

Es war ein Tierkind und Anja fand es süß, vergaß für einen Moment, dass sie sich hier in freier Wildbahn befand – und die Tiere auch.

Mama und Papa des Kälbchens waren auch in der Nähe.

Der Vater trabte heran, senkte das eindrucksvolle Haupt mit der dunklen Mähne und den Hörnern, scharrte mit den Hufen und war bald darauf nur noch zwei Meter entfernt.

Anja hatte eine bewährte Methode entwickelt, dem zu begegnen – sie stellte sich tot.
Der Bulle machte keine Anstalten, zu verschwinden, blieb einfach da und begann zu grasen.

Ein Bison, amerikanischer Büffel. In den 1870er Jahren hatte man Millionen davon abgeschlachtet, um den aufsässigen Prärie-Indianern die Lebensgrundlage zu entziehen. Sie waren beinahe ausgerottet worden.

Jetzt gab es wieder ein paar tausend, aber die hier hatten keine Angst vor den Menschen, wurden an der Grenze des Nationalparks nicht bejagt.

Anja konnte nichts tun – sie musste einfach abwarten bis die kleine Herde von etwa zwanzig Büffeln weiter zog auf der Suche nach saftigen Kräutern, die sie selbst ja auch aß um zu überleben.

Seufzend machte sie sich wieder auf den Weg, stolperte mehr als sie lief.

Von Osten hörte sie ein Brummen näher kommen. Was war das nun wieder?

Anja schirmte ihre Augen gegen das helle Sonnenlicht ab, blinzelte nach oben.
Ein dunkel lackierter Hubschrauber! Der konnte einer Privatperson, einer Behörde, wie der Forstverwaltung, oder – dem FBI gehören!

Anja musste den schlimmsten Fall annehmen. Die beiden Folterknechte hatten sie als tot gemeldet, man hatte ihre Leiche jedoch nicht gefunden – logisch, dass man sie jetzt suchte.

Anja hetzte in Richtung des Waldrandes, Zweige schlugen ihr ins Gesicht, Sträucher zerkratzten ihre Beine.
Neben einer Quelle warf sie sich zu Boden.

Die Wasserstelle dampfte, blubberte – eine heiße Quelle, hier? Es rettete ihr das Leben…

Oben im Apache-Hubschrauber saß ein FBI-Agent am Bildschirm der Wärmebildkamera und sagte zum Piloten:

„Ich habe da was, könnte ein Mensch, aber auch ein Tier sein. Leider verfälscht etwas das Bild, kannst du mal tiefer gehen, Jack?“

„Sorry, zu gefährlich, der Wind frischt auf und wir sind schon dicht über den Baumwipfeln!“

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********mann Mann
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Themenersteller 
Part II - Vergeltung
Der Agent hatte den strikten Befehl, eine Weiße mit kastanienbraunem Haar und hellblauen Augen zu verhaften oder zu eliminieren – aber leider konnte man nur ein Stück entfernt landen.

Er warf noch einmal ein Blick auf das Foto. Eine bemerkenswert schöne Frau, aber Befehl ist Befehl.

„Da vorn ist freies Gelände, Jack, geh‘ mal runter!“

Der Pilot befolgte die Anweisung, sah, wie eine kleine Büffelherde wegen des Lärms davon stiebte.

Agent Donovan stieg aus, wurde vom Luftstrom der Rotorblätter fast zu Boden gedrückt, rannte geduckt weiter.

Ihm gefiel das Ganze nicht, er war hier allein. Um die Frau aufzuspüren, hätte er sich noch einen weiteren Agenten gewünscht oder zumindest einen Führer, der sich hier auskannte.

Nach fünfzehn Minuten fand er auch die heiße Quelle – aber da war nichts – außer Abdrücken im Gras.

Agent Donovan gab auf. Mit einem Spurenleser, am besten einem Indianer, wäre er der Fährte gefolgt.

Er lief zurück zum Hubschrauber und gab die Anweisung, weiter zu suchen, starrte auf den Monitor…


Hasan Mohamed Al-Faruq lief die Zeit davon. Es war eine Frage von Tagen, vielleicht nur noch Stunden, bis die NSA ihn mit ihren Hochleistungscomputern genauer ortete.

Dass sie sich im Yellowstone Nationalpark befanden, war ja nun kein Geheimnis mehr.

Er musste aufs Ganze gehen, um wenigstens einen Teilerfolg zu erringen und gleichzeitig den Erzfeind ein wenig zu demütigen.

Unter dem Vorwand, Julia weiter die arabische Sprache näher zu bringen, von der sie ja seit den Dreharbeiten in Israel schon ein paar Brocken verstand, befahl er die Schauspielerin aus Deutschland zu sich.

Er schlug wieder den Koran auf und sagte freundlich lächelnd:

„Sprich mir nach: Aschhadu an la-ilaha-ill-allah wa aschhadu anna muhammadan rasulullah!“

Markus hatte einst in Berlin heraus gefunden, dass sie devot ist. Sie wollte Männern gefallen – erst recht einem, der unberechenbar schien.

Sie plapperte nach: „Aschhadu an la-ilaha-ill-allah wa aschhadu anna muhammadan rasulullah!“

Julia merkte nicht, dass insgeheim eine Kamera mitlief, mehr Wächter als sonst herum standen, die in ihre Bärte grinsten.

Hasan bat sie, die Kette mit dem goldenen Kreuz abzulegen und ihm zu übergeben.
Julia zögerte, ahnte vielleicht, was hier schief lief, aber um den Mann nicht zu erzürnen, der bereits einen Rockmusiker ermorden ließ, öffnete die den Verschluss und übergab die Kette.

Die Scheinwerfer flammten auf, der Kameramann trat an das Gerät, das bereits die ganze Zeit lief und zoomte auf den Anführer von ISAF.

Ein Wächter legte Julia einen Schleier über das lange, hellbraune Haar. Sie bemerkte es kaum.

Hasan hielt das goldene Kreuz in die Kamera.

„Betet nicht länger ein Folter- und Hinrichtungs-Instrument des Römischen Reiches an, gehet in euch und findet zum wahren Glauben – wie Julia Lindner es getan hat!“

Julia glaubte, sich verhört zu haben, das ging zu weit! Was bildete sich dieser Hasan ein?

Sie machte eine Bewegung, um wieder in den Besitz der Kette zu gelangen, aber sie traf ein Bannstrahl aus dunkelbraunen Augen.

Julia erstarrte – wenn sie jetzt nicht weiter mitmachte, was passierte dann?
Sie wollte sich das nicht vorstellen, sie hatte den Schrei von Frank Doneghan noch im Ohr, obwohl sie nicht direkt Zeuge der Hinrichtung gewesen war.

„Ihr Statement zum Film bitte, Julia!“

Und sie fügte sich – nur, um zu überleben.

„Mein Mann Markus hat mich vor dem Filmprojekt ‚The Life Of Leah Levni‘ gewarnt. Ich sah nur die einmalige Chance, international berühmt zu werden, ignorierte den politischen Inhalt. Ich habe weder das Drehbuch geschrieben, noch Regie geführt, bitte aber das palästinensische Volk um Entschuldigung für die Mitwirkung an einem Film, der einseitig ist. Ich glaube aber nach wie vor daran, dass ein friedliches Zusammenleben zwischen Muslimen, Juden und Christen möglich ist!“

„Danke, Julia!“ sagte Hasan und atmete auf.

Daraus konnte man etwas machen. Bei einem richtigen Zusammenschnitt würde es einschlagen wie eine Bombe!

Schwieriger gestaltete sich der Disput mit dem erfolgreichen Journalisten Jeff Milner, der behauptete, nur die Realität abzubilden, die Menschen darüber zu informieren.
Es wäre seine Pflicht als Journalist, den Dingen auf den Grund zu gehen.

Hasan verzweifelte beinahe. Er musste diesem Mann etwas entlocken, das man verwenden konnte.
Und Jeff Milner tat ihm unwissentlich den Gefallen – sagte, der Islam wäre ursprünglich eine tolerante, friedliebende Religion…
Leider würde es immer wieder Prediger geben, die etwas heraus deuteten, was im Koran gar nicht stand.

Hasan Mohamed Al-Faruq überwachte selbst den Schnitt. Genial war natürlich, was diese Julia gesagt hatte.

Von Milner übernahm er nur den Satz, dass der Islam eine tolerante Religion sei.
So funktionierte die Manipulation der Medien nun mal. Hasan passte sich den üblichen Gepflogenheiten nur an…

Man sendete dies über den Aether und die amerikanischen TV-Stationen brachten es wie gewünscht zur besten Sendezeit am frühen Abend.

Es dauerte nur wenige Minuten, bis der Shitstorm los brach, vor allem in den sozialen Netzwerken.

Man forderte Julia Lindner auf, den Oscar zurück zu geben, da sie ja nun zur Terroristen-Hure mutiert war.

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********mann Mann
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Themenersteller 
Part II - Vergeltung
Die Wachmannschaft gab Al-Faruq ein Zeichen. Man solle hier schleunigst verschwinden, man hätte am Horizont bereits den ersten Hubschrauber entdeckt.

Die Technik wurde in aller Hast abgebaut und zum Höhleneingang geschleppt.
Der eigene Hubschrauber, getarnt mit der Aufschrift „US Forest Service“ wurde herbei geordert.
Hoffentlich war es nicht zu spät!

Die beiden übrig gebliebenen Geiseln bemerkten die Unruhe.
Man scherte sich nicht mehr um die strikte Trennung – Jeff Milner hatte erstmalig Gelegenheit, der Schauspielerin aus Germany etwas zuzuraunen.

„Du bist wirklich zum Islam konvertiert?“

„Nein, natürlich nicht!“ zischte Julia.

„Aber genau so werden sie es verkaufen!“

„Shut up!“ knurrte ein Wächter und drohte Milner Schläge an.

Sie wurden vorwärts gestoßen, blinzelten in das ungewohnte Sonnenlicht und mussten einen Helikopter besteigen.

Julias langes, hellbraunes Haar wurde zerzaust – aber das war im Moment ihre geringste Sorge.
Sie spürte instinktiv, das hier ging dem Ende entgegen, sie wusste nur nicht, welchem Ende.

Der Helikopter hob zwar ab, aber nach fünf Minuten stand Hasan vor einer schwierigen Entscheidung.
Die Deutsche hatte sich ihm widerwillig gefügt. Sollte er nur sie oder auch den Journalisten frei lassen?
Was brachte es jetzt noch, diesen Milner umzubringen?

Hasan Mohamed Al-Faruq gab die Anweisung, den Hubschrauber kurz aufsetzen zu lassen und die Gefangenen auf die Wiese zu werfen.

Er drückte auf die Fernbedienung, aber der Sprengsatz explodierte nicht!

Es würde keinen Vulkan-Ausbruch und auch keinen neuen Geysir im Yellowstone Park geben, den dann die Touristen bestaunten.

Inschallah – es war Gottes Wille!

Julia purzelte unsanft ins Gras, hatte Angst um das ungeborene Leben in ihrem Bauch.

Zum Glück hatte dieser Gentleman-Terrorist ihr einen Gefährten an die Seite gestellt, den sie allerdings kaum kannte.
Sie konnte nur hoffen, dass sie es gemeinsam bis zu Markus, Ben und Jürgen schafften – obwohl sie keine Ahnung hatte, wo die sich befanden.

Einen Kilometer entfernt entbrannte ein kurzer, heftiger, aber sehr ungleicher Luftkampf, denn einer der Hubschrauber war mit Stinger-Raketen und Bordkanone ausgerüstet.

Verzweifelt versuchte der kleinere Helikopter durch gewagte Flugmanöver zu entkommen, aber als man den Fehler machte, mit Handfeuerwaffen die Kanzel des größeren Hubschraubers unter Beschuss zu nehmen, wurde dem Spuk mit einer Stinger-Rakete ein Ende bereitet.


Anja sah den hellen Lichtblitz am östlichen Nachthimmel und wusste auf Grund der Entfernung nicht, wer da eigentlich gegen wen gewonnen hatte.

Sie rannte einfach weiter nach Süden, immer der Gefahr bewusst, dass auch der Helikopter des FBI Jagd auf sie machen würde.

Sie kam das erste Mal seit zwei Tagen an eine Straße, wusste natürlich nicht, welche das war.
Hinter der Straße sah sie das Blau eines malerischen Sees.

Anja war alles egal. Sie überquerte die Straße, riss sich die schmutzstarrenden Klamotten vom Leib und sprang nackt in das eiskalte Wasser.

Sie hatte es bis hierher geschafft – sie würde es überleben, obwohl ihr Magen ihr signalisierte: Nicht mehr lange!

Anja ließ sich treiben, spülte allen Schmutz der vergangenen Tage von ihrem schlanken Körper, der jetzt mindestens drei Kilo weniger wog.
Die Schmerzen in den Gelenken, die Blutergüsse, all das war weit weg, sie spürte es kaum noch im kalten Wasser.

Sie schwamm im Hebgen Lake nordwestlich von West Yellowstone – aber das wusste sie nicht.

Zitternd vor Kälte, begann sie, die dreckigen Sachen zu waschen, breitete alles im Sonnenschein aus und sich selbst auch.

Sie war versucht, sich selbst zu einem Höhepunkt zu streicheln – aber dazu fehlte ihr die Kraft.

Auf der Straße, nur hundert Meter entfernt, fuhr die ganze Zeit kein Auto vorrüber. Es war ihr egal.

Anja schloss kurz die Augen, in der wärmenden Sonne konnte man es aushalten.

Als die Sachen trocken waren, schlüpfte sie wieder hinein, fühlte sich sauberer.

Die Ungewissheit blieb, wie man ihr Verhalten bewerten würde, aber sie war nach wie vor entschlossen, sich dem zu stellen.
Sie liebte Jürgen, und er sie auch. Oder hasste er sie inzwischen für ihren Verrat?

Sie lief die Straße entlang. Irgendwann müsste doch ein Auto vorbei kommen, wo sie mittrampen konnte.
Falls nicht, würde sie hier vor Entkräftung sterben.

Sie musste immer wieder Pausen machen, weil die Füße sie nicht mehr trugen.

Nach einer Stunde hatte sie eine Erscheinung, schrieb es ihrem überreizten Hirn zu.

Das konnte nicht sein, das war unmöglich!

Im flirrenden Sonnenlicht torkelten ihr zwei Gestalten entgegen.

Eine Frau, von einem Mann gestützt. Als die beiden näher kamen, wurde ihr Gesicht aschfahl.
Die hatte sie hier zuletzt erwartet, das musste ein Trugbild sein!

Julia war genau so verblüfft. Sie riss sich von Jeff Milner los und schlug Anja heftig ins Gesicht, die sofort zu Boden ging.

Die hatte seit Tagen nichts gegessen und keine Kräfte zur Gegenwehr.

„Du elendes Miststück! Du hast dich an meinen Mann heran gemacht und vermutlich den Terroristen verraten, wann ich das Hotel verlasse!“

Sie trat nach der am Boden Liegenden.

Jeff Milner ging dazwischen. Er wusste nicht, was zwischen diesen beiden Frauen vorgefallen war.

„Bitte, Julia! Siehst du nicht, dass die völlig fertig ist?“

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********mann Mann
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Part II - Vergeltung
„Hure, Miststück, Verräterin!“ Julia hatte sich kaum noch unter Kontrolle.

Jeff Milner schaffte es, sie abzudrängen. Diese Schauspielerin war drauf und dran, die andere Frau umzubringen!

„Ich hasse dich!“ wimmerte Julia und sank ins Gras.
Irgendwie hatte sie kein Glück mit den Assistentinnen des Managements.

Die Norwegerin Marit Johannsen hatte sich zu Tode gestürzt, nach dem sie ein Bombenattentat organisiert hatte, und diese Schlampe war keinen Deut besser!

Julia konnte sich ihre Aggressivität selbst kaum erklären. Vielleicht, weil alle Spannung von ihr abgewichen war und sie überlebt hatte.
Und für das Erlebte musste es eine Schuldige geben – Anja!

Als sie sich einigermaßen beruhigt hatte, wurde sie vom besonnenen Journalisten Jeff Milner zur Rede gestellt, was sie der anderen Frau konkret vorwerfe.

„Sie hat den Security-Mann Jürgen Bergener daran gehindert, auf die Reifen des Fahrzeugs der Entführer zu schießen! Ich konnte es kurz durch das Rückfenster sehen“, schniefte sie.

Die Schauspielerin war entführt worden, obwohl sie eigene Security dabei hatte?
Diese Araber verstanden ihr Handwerk! Ihn selbst hatte man ganz primitiv mit einem Schlag auf den Hinterkopf kampfunfähig gemacht.

Was für eine Logistik! Drei Teams entführen gleichzeitig die Schauspielerin, den Sänger und ihn selbst! Was für eine Story!

Jeff Milner würde umgehend eine Reportage verfassen über das Leben in der Höhle.
Dazu musste er aber erst einmal mit den beiden Frauen, die sich spinnefeind waren, zurück in die Zivilisation, wo es Telefone und Internet gab.
Das eigene Mobiltelefon hatte man ihm ja abgenommen.

Endlich kam auf dieser Straße – Milner glaubte sich zu erinnern, dass es die 287 war – ein Pick-Up angeschaukelt.

Der Journalist hoffte inständig, drin säßen welche, die nicht ständig TV guckten.
Dämliche Fragen, ihn und die deutsche Schauspielerin betreffend, konnte er jetzt am wenigsten gebrauchen.

Jeff Milner hatte Glück. Vorn saßen zwei junge Männer in Jeans und karierten Baumwollhemden und gemäß der Aufschrift gehörte der Pick-Up einer Bauschlosserei in Bozeman.

Milner legte kurz den Zeigefinger auf die Lippen zum Zeichen, die Frauen sollten den Mund halten und ihn machen lassen.
Im Erfinden von Geschichten war er gut, das gehörte zum Handwerk eines freien Journalisten, wenn am Einsatzort nichts passierte.

„Sorry, Jungs, aber mein Wagen ist verreckt, steht irgendwo am Grayling Arm des Hebgen Lake. Meine Frau und ich“ – er deutete auf die überraschte Julia – „haben eine junge Frau aufgegriffen, die ziellos durch den Wald irrte und sich an nichts erinnert. Vielleicht hatte sie einen Unfall – ich weiß es nicht…“

„Dein Name, Mann?“ fragte der eine junge Bauschlosser mit einem kaugummibreiten Grinsen.

„Jeff…“

„Okay, Jeff, wir haben einen Auftrag in West Yellowstone, der Boss zieht uns die Ohren lang, wenn wir da nicht rechtzeitig aufkreuzen! Wenn ich dein Gelaber richtig deute, sollen wir euch mitnehmen! Dann bitte Einsteigen, die Herrschaften! Die Lady, deren Magen knurrt wie ein alter Berglöwe, hier bei uns vorne, du und deine Olle, sorry, hinten zu den Gerüststangen, bis West Yellowstone wird’s schon gehen!“

Julia musste wieder einmal an den Fötus denken, als sie hinten auf der Ladefläche gemeinsam mit Jeff Milner durchgerüttelt wurde und der Fahrtwind an ihren langen Haaren zerrte.

„So, so, Mrs. Milner!“ Julia rang sich ein Lächeln ab, aber Jeff blieb ernst.

„Ich glaube, du sitzt knietief in der Scheiße, Julia. Das Ausmaß werden wir vielleicht in West Yellowstone erfahren“, unkte der Journalist, der schon allerlei erlebt hatte, zuletzt in Syrien.

Julia brütete vor sich hin, verstand die Welt nicht mehr. Was meinte Milner damit?
Sie war doch Opfer, hatte nichts Böses getan…

Nach ein paar Meilen war man schon am Ziel. Anja – mehr tot als lebendig – registrierte, dass sie dieses Nest wahrscheinlich auch zu Fuß erreicht hätte.
Viel wahrscheinlicher war aber, dass sie vorher umgefallen wäre.

„Grizzly and Wolf Discovery Center“, sagte der Fahrer. „Wir setzen euch hier ab, hier sind jede Menge Hotels, wo ihr einchecken könnt, um euch frisch zu machen und den Pannendienst zu rufen. So long!“ Er tippte an die Hutkrempe und brauste davon.

Anja zeigte auf ein Gehege mit einem kuppelartigen Gitter.

„Da muss ich nicht hin, ich habe unterwegs schon einen echten Grizzly getroffen!“

Milner schüttelte den Kopf. Fieberfantasien einer Frau, die völlig unterzuckert war.

Die musste dringend in ein Hotel und etwas essen.

„Die gute Nachricht ist, Ladies, die Terroristen haben mir die Brieftasche gelassen. Ich kann also Zimmer buchen, in der Hoffnung, irgendwann bekomme ich es wieder…“ lachte Jeff.

Die Story! Man würde sie ihm aus der Hand reißen und auch die Bezahlung würde stimmen, frohlockte er.

Sie stapften über einen Parkplatz, so groß wie mehrere Fußballfelder, wild entschlossen, das erste Hotel zu nehmen, das drei Zimmer frei hatte.

Beim ersten bedauerte man an der Rezeption, man wäre ausgebucht.
Wahrscheinlich wirkten sie auch in ihrer abgerissenen Kleidung nicht sonderlich solvent.

Bei den Explorer Cabins at Yellowstone hatten sie mehr Glück.
Und das in mehrfacher Hinsicht. Jeff buchte gerade drei Blockhütten, als die Ladies in seinem Rücken aufschrien!

Anja fiel in die Arme von Jürgen und Julia in die ihres Mannes Markus.

„Ich sehe, jemand war bei der Buchung schneller“, sagte Milner schulterzuckend zur Rezeptionistin und fügte hinzu:
„Also nur eine Hütte für mich!“

Man traf sich in der Hütte von Markus, die eine Küchenzeile, einen Schlafraum, aber kein Bad hatte.

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********mann Mann
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Part II - Vergeltung
„Zum Duschen müssen wir rüber ins Hauptgebäude“, sagte Markus entschuldigend.

Zu ihrem Entsetzen wurde Julia etwas distanziert behandelt, sogar vom eigenen Mann.
Sie konnte sich noch immer keinen Reim darauf machen.

Jürgen spürte, seine Freundin würde jeden Moment abklappen.
Er schickte Ben rüber ins Hotel, um etwas Suppe zu besorgen.

Markus stellte keine Fragen, nahm aber Julia dann doch in den Arm. Die konnte jeden Trost der Welt gebrauchen.

Anja verschluckte sich beinahe an der dampfenden Haferschleimsuppe, die Ben organisiert hatte, löffelte hastig weiter.
Jürgen ermahnte sie, langsam zu essen, sie würde sich sonst übergeben.

Anja hätte sich am liebsten schlafen gelegt, ahnte aber, dass sie zunächst Rede und Antwort stehen müsste, denn die wussten ja nicht, was ihr widerfahren war.

Also begann sie stockend zu erzählen: Von der geheimen Wohnung, die ein Spezialteam des FBI nutzte – Markus zeigte ihr eine Karte.
Ihr Ausgangspunkt war nicht Denver, sondern Bozeman gewesen. Anja hatte nicht mitbekommen, dass man sie dahin verschleppt hatte.
Insofern hatte Jeff nicht einmal gelogen, als er behauptet hatte, sie würde an Amnäsie leiden.
Wieso Bozeman? Sie wusste es nicht…

Julia hörte nur mit einem Ohr zu. Mit jedem Wort wuchs der Hass weiter in ihr.

Die Verräterin wurde verhätschelt und gefüttert und sie, das Entführungsopfer, hockte hier auf einem Sofa und niemand interessierte sich für das, was ihr widerfahren war. Niemand? Wenigstens Ben gesellte sich zu ihr, durfte aber in Anwesenheit von Markus nicht den Arm um ihre Schultern legen, wie er es gern getan hätte.
Er war im Moment der Einzige, der Julia als Entführungsopfer bedauerte.

Anja sprach weiter von FBI-Agenten, die grundsätzlich alle Zeugen umbrachten.
Sie konnte sich nur mit einem Sprung in einen Abgrund retten, trug nur ein paar Prellungen davon.

Ein Grizzly, der sie nicht angriff, weil er satt war, eine Herde Büffel, zwischen denen sie aufwachte, ein FBI-Hubschrauber, der nach ihr suchte.
Ein Agent, der sie erschießen sollte – und sie war wieder entkommen…

Für Julia waren das alles Lügengeschichten und Fantastereien.
Blöd war nur, dass Jürgen und Markus geneigt waren, das zu glauben. Das wiederum fand sie unglaublich!

Als Anja vom Bad im Hebgen Lake erzählte und wie sie danach zu ihrer Verblüffung auf Jeff und Julia traf, kippte ihr Kopf nach hinten und sie schlief umgehend ein.
Jürgen bettete sie auf das zweite Sofa, zog liebevoll eine Decke über die erschöpfte Anja.

Bald darauf hörte man nur noch die gleichmäßigen Atemzüge.

„Keine Frage an mich?“ äußerte sich Julia pikiert und nippte an ihrem Mineralwasser.

Nein, hatte man nicht, über sie wurde täglich stundenlang berichtet.
Selbst Markus war auf die Berichterstattung herein gefallen, obwohl er als Jurist eigentlich wissen musste, dass man erst beide Seiten anzuhören hatte, bevor man ein Urteil fällte.

„Ich bitte dich, Julia, leg dich hin, ruh‘ dich aus! Morgen sehen wir weiter!“ sagte Markus.

„Nein! Ich will jetzt wissen, was Phase ist! Warum schaut ihr mich an, als wäre ich Täterin und nicht das Opfer?“

Sie sprang auf und ihre Augen funkelten.

Beinahe hätte sie mit dem rechten Fuß aufgestampft, aber Markus hinderte sie daran, zeigte auf die schlafende Anja.

„Verräterin, Schlampe!“ zischte sie. „Ich hätte ihr schon unterwegs die Augen ausgekratzt, wenn Jeff mich nicht daran gehindert hätte!“

„Bereit für die ganze Wahrheit, Julia? Du musst jetzt ganz tapfer sein!“ sagte Markus, schaltete den modernen Flachbild-Fernseher ein und zappte zu einem Privatsender.

Eine Talkrunde. Ein Bischof forderte, diese deutsche Schauspielerin müsse exkommuniziert werden, wenn sie denn katholisch ist.
Er wurde vom Moderator belehrt, die wäre evangelisch-lutherisch.

„Dann muss eben der Bischof von Berlin, oder wer da auch zuständig ist, handeln!“ ereiferte sich der Geistliche.

Desweiteren wurde die Frage erörtert, ob die Forderung, den Oscar zurück zu geben, die in den sozialen Netzwerken erhoben wurde, rechtmäßig sei.

Diesen Fall habe es noch nie gegeben, sagte ein Vertreter der Academy of Motion Picture Arts and Sciences.

Mrs. Lindner habe den Award für ihre künstlerische Leistung erhalten und man stehe dazu.
Natürlich könne man die Annahme des Preises verweigern, wie es Marlon Brando einmal getan hätte, der eine Indianerin schickte, die auf die Unterdrückung ihres Volkes aufmerksam machte.
Aber die Forderung einer Rückgabe sei in den Statuten gar nicht vorgesehen.

„So geht das jeden Tag, Julia!“ seufzte Markus. „Auf jedem Programm!“

„Weißt du, woran mich das erinnert?“ sagte Jürgen, der schon etwas älter war, aber nicht alt genug, um es selbst gesehen zu haben.

„John Lennon hatte mal behauptet, die Beatles wären nun populärer als Jesus, woraufhin in den USA Schallplatten der Band verbrannt wurden!“

Markus drehte einen Laptop in Richtung von Julia und startete ein Video, wo in Kentucky auf einem Parkplatz ein Pick-Up über DVD’s mit ihren Filmen rollte.

„Der Film ‚Crazy For You‘ wird in den Kinos nicht mehr gezeigt, das Video mit der Band The Shadowmen verschwand im Giftschrank. Da wir gerade bei Popmusik waren: Die Shadowmen gaben bekannt, weiter zu machen, es wäre im Sinne des Märtyrers Frank Doneghan…“

Langsam begann Julia zu begreifen, obwohl sie immer noch nicht alles verstand.

„Sehe ich das richtig: Den Amerikanern wäre es lieber gewesen, wenn dieser Hasan meinen Kopf ohne Körper in die Kamera gehalten hätte? Weil ich überlebt habe, bin ich die Böse?“

„Stark vereinfacht kann man das so sagen“, bestätigte Markus.

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Part II - Vergeltung
„Julia, wir stecken in der Scheiße! Durch dein Bekenntnis zum Islam, egal, wie es zustande kam, wirst du in den USA nie mehr ein Bein auf die Erde bekommen! Wir müssen uns damit abfinden – nur noch Nebenrollen im ‚Tatort‘ – denn in Deutschland sieht man es nicht ganz so verkrampft wie hier!“

„Schau dir das an, Markus!“ sagte Ben mit ausgestrecktem Arm Richtung Parkplatz.

Das große Areal bevölkerte sich langsam. Irgendwie hatte man Wind davon bekommen, dass die verhasste Julia Lindner in West Yellowstone Quartier bezogen hatte.
Einige TV-Stationen parkten bereits ihre Übertragungswagen.

„Ich habe das alles doch nur für uns getan, Markus, für unser Baby, damit wir überleben!“ wimmerte Julia, der dieser Medienhype langsam zuviel wurde.

„Dieser Hasan hat mich rein gelegt! Ich habe etwas nachgeplappert, kannte nicht die Bedeutung!“

Julia brach beinahe zusammen, wurde von Ben aufgefangen, der allerdings behutsam vorgehen musste, damit Markus nicht mitbekam, wie sehr er diese Frau liebte.

„Zum Glück kann dieser Hasan seine Lügen nicht weiter verbreiten, er ist tot, sein Hubschrauber wurde abgeschossen“, sagte Julia mit Tränen in den Augen.

„Nein, der lebt, behauptet weiter, die wärst unter Zeugen zum wahren Glauben konvertiert und Jeff Milner habe die Toleranz des Islam gelobt. Im Hubschrauber saßen nur Mitstreiter, der ist offenbar vorher umgestiegen, sitzt in einem Land, das nicht ausliefert!“

„Ich glaube, wir müssen die Mädels aus der Schusslinie nehmen“, mischte sich Jürgen ein.

„Anja ist in Lebensgefahr und wenn Julia vor die Tür geht, bewirft man sie mit Feuerzeugen und faulen Tomaten. Wie sieht der Evakuierungsplan aus?“

„Ich habe einen Kumpel in der Nähe, der betreibt eine Ranch und bietet Reittouren durch Montana an. Ich habe ihn beim Studium kennen gelernt, er war in Berlin, hat später das Studium abgebrochen, aber der Kontakt ist nie abgerissen. Wir bringen die Mädels da unter, bis wir einen neuen Pass für Anja und Flugtickets von Vancouver nach Europa haben!“ sagte Markus.

Um diesen Plan in die Tat umzusetzen, war es heute viel zu spät, außerdem musste erst Anja wieder aufgepäppelt werden.
Man entschied, niemand vor die Tür zu stellen, damit die Reporter der amerikanischen TV-Stationen keine Rückschlüsse ziehen konnten, wo sich Julia befand.

Sie selbst war viel zu müde, um darüber zu diskutieren. Mit der Bitch zusammen auf einer Ranch!
Julia schüttelte den Kopf – schlief aber bald darauf ein.
Sie umklammerte das goldene Kreuz aus Jerusalem, das dieser hinterhältige Hasan ihr wiedergegeben hatte.

Man hatte die Rezeptionistin der Explorer Cabins at Yellowstone bestochen.
Die Meute wusste nun, auf welche Hütte sie sich zu konzentrieren hatte.
Das machte die Aufgabe für Markus und seine zwei Mitstreiter nicht gerade leichter, die beiden jungen Frauen zu evakuieren.

Die Geschichten, die im Internet und im amerikanischen Fernsehen verbreitet wurden, klangen immer abenteuerlicher:
Julia Lindner habe das lange geplant, vielleicht sogar selber organisiert!
Sie wäre bei den Dreharbeiten im Nahen Osten mit dem Gedankengut des Islam infiziert worden.

Markus schaltete das TV-Gerät am frühen Morgen wieder ab, das wurde immer irrer, was da verbreitet wurde.
Die Medien konnten jemand hoch pushen, so wie man damals Julia in Frankreich in den höchsten Tönen gelobt hatte, aber auch schnell wieder vernichten…

Es gestaltete sich schon zum Spießrutenlauf für Ben, nur ein paar Lebensmittel zu besorgen, wie Kaffee, Toast, Eier, Schinken und Butter.

Bis jetzt hatte noch niemand eine zündende Idee, wie man die beiden Frauen – die eine auf der Abschussliste einer geheim operierenden Abteilung des FBI und die andere scheinbar zum Islam konvertierte Terroristen-Nutte, zumindest nach Ansicht der Welt da draußen – aus diesem Belagerungsring heraus schaffen könnte.

Anja konnte inzwischen wieder feste Nahrung zu sich nehmen ohne gleich zu kotzen.
Niemand freute das mehr als Jürgen, der durch das Fenster ein Fahrzeug einer Firma sah, das von dem Kojotenrudel da draußen gar nicht beachtet wurde.

Er stimmte sich kurz mit Markus ab, der auch keine bessere Idee hatte, stopfte sich den letzten Rest Toast in den Mund, trank noch einen Schluck Kaffee, der diesen Namen, da selbst gebraut, auch verdiente – dann huschte er aus dem Hinterausgang.

Diesen gab es eigentlich nur für den Fall eines Brandes – so etwas wie ein Notausgang.

Er hatte in Afghanistan gelernt, sich auch im feindlichen Gelände zu bewegen, wunderte sich, dass hier hinter dem Haus niemand lauerte – dann schlich er zum Hotel-Hauptgebäude.

Obwohl die Touristen in den Cabins selbst kochen konnten, gab es ein Hotel-Restaurant, wo Lunch und Diner angeboten wurden.
In so einer Küche fielen im Laufe eines Tages jede Menge Essensabfälle an, die von einem Unternehmen zwei Mal täglich entsorgt wurden.

Genau dies war der Plan von Jürgen. Er traf die beiden Mitarbeiter der Entsorgungsfirma bei den Bio-Tonnen im Hinterhof an und überzeugte sie mit zwei Hundert-Dollar-Scheinen davon, später kurz Halt am Hinterausgang der Hütte Nr. 7 zu machen.

Nach zehn Minuten war es soweit. Julia und Anja schlichen sich zum Hinterausgang, bereit, in den vorfahrenden Kastenwagen zu springen, während Jürgen draußen zum Dodge Grand Caravan zu gelangen versuchte, immer wieder behelligt von Fragen der Journalisten-Meute.

Das war kein reines Ablenkungsmanöver – die beiden Mädels würden später irgendwo auf dem Targhee Pass Highway umsteigen, um von ihm zur Ranch von Pete Richards gebracht zu werden.

Julia hatte sich wohl oder über in dieses Szenario gefügt, nach dem bekannt geworden war, man habe Präsident Obama gebeten, sie zur unerwünschten Person zu erklären – mit allen Konsequenzen.

Sie konnte sich etwas Besseres vorstellen, als mit der Bitch gemeinsam Pferde auf einer entlegenen Ranch in Montana zu striegeln.

Das Entsorgungsfahrzeug fuhr vor, sie sprangen hinein, und wie abgesprochen brachte man sie zu einem Punkt westlich von West Yellowstone.

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********mann Mann
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Part II - Vergeltung
Die beiden Fahrer verlangten von Jürgen mehr Geld, da sie erkannt hatten, wen sie da eigentlich im Laderaum zwischen stinkenden Küchenabfällen befördert hatten.

Markus hatte sich geizig gezeigt, aber zwei weitere Hunderter für jeden waren drin.
Aber es war wohl nicht genug, um sich das Stillschweigen der beiden zu erkaufen.

Julia brütete darüber nach, was sie falsch gemacht hatte.
Klar, dieser Hasan hatte sie rein gelegt, sie hatte einfach das Glaubensbekenntnis des Islam nachgeplappert.
Aber alle Welt war der Überzeugung, sie habe es aus freiem Willen und im vollem Bewusstsein dessen, was sie tat, gesagt.

Und Schuld an der ganzen Misere hatte die Schlampe, die ihr gegenüber saß und frech genug war, das Wort an sie zu richten!

„Bitte, Julia! Verzeih‘ mir! Ich wurde erpresst, wenn ich nicht mitgemacht hätte, dann hätten sie jemand geschickt, der mir ein Messer an den Hals legt. Ich habe bereits gebüßt, man hat mir den Arm ausgekugelt, meiner ärgsten Feindin wünsche ich nicht diese Schmerzen! Erinnerst du dich nicht auch daran, was wir gemeinsam bereits erlebt haben, der Trip zum Grundstück von Tom?“

„Halts Maul, Bitch!“ lautete die ernüchternde Antwort.

Jürgen bog nach rechts vom Targhee Pass Highway ab und nach einigen Meilen erreichte man die Horseshoe-Ranch von Pete Richards, einst ein Jura-Student, der dann doch das väterliche Anwesen übernommen hatte.

Die Wahl war auch auf ihn gefallen, da er, wie Markus wusste, weder Fernseher noch Internet-Anschluss besaß und daher die Damen unbefangen aufnehmen würde.

Natürlich betrieb die Ranch eine Website, die ein Kumpel in Denver City betreute, sonst hätte sich nie ein Tourist in diese Einöde in Montana verirrt.

Angesichts des überaus freundlichen Empfangs durch Pete, seine Mutter und seine Mitarbeiter beschloss Julia, das Kriegsbeil zunächst zu begraben.
Sie würde wieder einmal eine Rolle spielen müssen, und zwar die der guten Freundin von Anja – auch wenn ihr dies unendlich schwer fiel.

Es gab deftiges Essen, Steaks, Salat und Ofenkartoffeln mit saurer Sahne.
Anja haute kräftig rein – sie hatte einiges nachzuholen, während Julia darin herum stocherte wie ein Magermodell.

Pete, ein großer stattlicher Mann mit wachsamen braunen Augen befand, die beiden deutschen Frauen wären ein Blickfang für die Touristen und er hoffte, die würden ein paar Tage bleiben.

Allerdings waren die nicht nur zum Faulenzen und zum Ferien machen hier.
Mit Markus war abgesprochen, sie sollten auch mithelfen.

Deshalb fanden sich die beiden Rivalinnen nachmittags im Pferdestall wieder.
Die Horseshoe-Ranch war bekannt für ihre Pferdezucht. Hier gab es relativ kleinwüchsige Indianer-Ponys, Nachkommen der Wildpferde, die die Prärie-Indianer einst domestiziert hatten, aber auch edle Fuchs-Stuten.

Sie mussten ausmisten – für zwei Mädels aus der Großstadt Berlin eine ziemlich ungewohnte, schweißtreibende Arbeit.

Plötzlich hatte Anja die dreckigen Zinken einer Mistgabel am Hals.

„Sag‘ mir warum, Anja?“ wurde sie von Julia angezischt.

„Habe ich dir doch schon gesagt! Ich wurde mit Sexfotos erpresst. Es tut mir leid, Julia, ich hätte Jürgen die ganze Wahrheit sagen müssen, nicht nur einen Teil!“

Julia hörte Schritte, nahm die Gabel runter.
Nein, sie hätte es nicht übers Herz gebracht, zuzustoßen, dafür reichte der Hass nicht aus.

Aber hatte Anja nicht auch gesagt, dass Jürgen teilweise Bescheid wusste?
Das rückte die Entführung in ein neues Licht. Dann war das Ziehen der Pistole nur vorgetäuschter Aktionismus, die beiden steckten unter einer Decke?

Manchmal wünschte sie sich nach Israel zurück.
Hier in den USA wusste sie nicht mehr, wem sie eigentlich noch trauen konnte…

Wie aus dem Boden gestampft stand plötzlich Pete neben ihnen. Hatte er etwas mitbekommen? Julia hoffte, nicht.

„Schon fertig, Ladies? Wie ich sehe, geht euch das noch nicht so von der Hand. Wo kommt ihr her? Berlin? Verstehe – aber könnt ihr wenigstens reiten?“

Anja nickte – sie hatte als kleines Mädchen regelmäßig Reitstunden genommen, aber die Bitte nach einem eigenen Pferd war ihr von den Eltern nicht erfüllt worden.

Die Reaktion von Julia fiel etwas verhaltener aus. Zu dem dachte sie an das Baby.
War da das Reiten über Stock und Stein nicht sogar gefährlich?
Sie beschloss, diesem Pete zumindest in dieser Hinsicht die Wahrheit zu sagen.

„Ich…ich bin schwanger von Markus, im zweiten Monat, ich weiß nicht, ob reiten eine so gute Idee ist…“ wandte sie ein.

„Herzlichen Glückwunsch! Davon wusste ich nichts! Ich kann aber Entwarnung geben, die meisten Touristen sind keine erprobten Reiter, deshalb geht es nur im Schritttempo über die Hochebene. Manchmal sehen wir auch wilde Tiere…“ lächelte Pete sie an.

Anja befand, ihr Bedarf an Sichtungen wilder Tiere in Montana wäre bereits gedeckt.

„Ich frage auch deshalb, weil nachher gegen 16:00 Uhr Touristen kommen, ein paar Männer aus Frankreich und Belgien und ich hätte euch gern dabei…“

Pete ließ unausgesprochen, dass er sie als Blickfang, als Cowgirls dabei haben wollte, zwei bildhübsche Mädels, Vordergrund für die Landschaftsfotos der Touri’s.

„Können wir uns kurz besprechen?“ fragte Anja freundlich, zur nicht gelinden Überraschung von Julia.

„Okay, Ladies, meldet euch nachher bei mir!“ sagte Pete und entschwand in Richtung des Hauptgebäudes.

„Du könntest Schwangerschaftsübelkeit vortäuschen und nur ich reite mit“, schlug Anja vor.

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********mann Mann
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Part II - Vergeltung
„Was mischt du dich überhaupt ein?“ zischte Julia.

Aber sie waren nun einmal hier gemeinsam geparkt worden und sie würde wohl oder übel mit Anja kooperieren müssen.

„Na, ja, vielleicht reicht es ja, wenn ich einen Stetson aufsetze, mein Haar darunter verstecke und eine Sonnenbrille trage…“ seufzte Julia.

Anja frohlockte insgeheim. ‚Sie redet wieder fast normal mit mir!‘

„Das könnte klappen“, sagte Anja. „Wer rechnet schon damit, dich hier anzutreffen! Außerdem sind das Touristen, die waren in den letzten Tagen im Yellowstone unterwegs und haben nicht ständig TV geguckt oder im Internet gesurft…“

Da war sich Julia nicht so sicher. Sie gingen rüber zum Hauptgebäude und sagten dem erfreuten Pete, sie würden bei der Bespaßung der Gäste mitmachen.

Er wies einen seiner Mitarbeiter an, eine sanfte Stute zu holen, damit Julia einen Crash-Kurs im Reiten absolvieren könne.
Bald darauf saß Julia hoch zu Ross, allerdings hielt Pete eine Longe, so dass sie nur im Schritt im Kreis herum reiten konnte.

Sowohl Pete als auch Anja befanden, sie stelle sich geschickt an, man könne sie mit ins Gelände nehmen.

Nun hätte Anja auch gern eines der Pferde ausprobiert, aber die Touristen trafen ein, drei Franzosen und zwei Belgier, Männer zwischen 40 und 50 Jahren.
Julia atmete tief durch, aber sie wurde nicht erkannt.

Pete hielt eine zehnminütige Rede, in der es vor allem um Sicherheitsfragen ging.
Julia unterbrach ihn lächelnd und übersetzte es unaufgefordert ins Französische.

Die Teilnehmer der Reitexkursion mussten ein Papier unterschreiben, dass sie bei Unfällen auf Schadenersatzklagen gegen die Horseshoe-Ranch verzichteten.
Auch dies übersetzte Julia. Pete zog den Hut. Sein Kumpel Markus hatte nicht nur eine hübsche, sondern auch intelligente und weltgewandte Frau.

Dann ging es los. Anja hatte eine etwas temperamentvollere Stute erwischt, kam aber mit ihr zurecht.
Sie musste sich nur an die Reitstunden in ihrer Jugend erinnern.

Julia blieb, getarnt durch Sonnenbrille und Stetson, vorn bei Pete, um seine Erklärungen der Landschaft und der Tiere, die sie nicht sahen, ins Französische zu übersetzen.

Der Führer erzählte von Büffeln, Wölfen und Grizzlies.
Anja ließ sich zurück fallen, zumindest einige davon hatte sie bei ihrer Odyssee getroffen.

Sie machten Rast. Pete entfachte ein kleines Lagerfeuer und wie erwartet, nutzten die Gäste die Gelegenheit, Fotos zu schießen – eine der beiden jungen, hübschen Frauen im Vordergrund, der Bald Peak im Hintergrund. Julia nahm die Sonnenbrille nicht ab.

Ein untersetzter etwa 50Jähriger Franzose gesellte sich zu Anja, die kein Problem damit hatte, ohne Hut zu posieren, und fragte sie beiläufig.

„Deine Freundin – sie kommt mir bekannt vor. Ich habe sie schon mal gesehen, entweder im Fernsehen oder im Kino…“

„Oh, das kann nicht sein, wir beide sind ganz normale Büroangestellte in Berlin, in Deutschland, machen hier nur ein paar Tage Urlaub, weil der Ehemann von Julia den Ranchbesitzer gut kennt!“

Der Franzose war nicht ganz zufrieden mit der Antwort, war er sich doch sicher, die andere Frau schon mal gesehen zu haben.
Aber so lange die weder Brille noch Cowboyhut abnahm…

In der herein brechenden Dämmerung ging es schnellen Schrittes zurück zur Horseshoe-Ranch.
Wilde Tiere hatte man nicht gesehen, aber die Landschaft war einmalig.

Die Touristen bezahlten, winkten und stiegen in ihre Mietwagen, um in die Hotels nach Bozeman oder Butte zurück zu fahren.
Julia und Anja hatten unwahrscheinliches Glück, denn niemand von denen hatte in West Yellowstone Quartier bezogen.

Glück ist ein sehr temporärer Zustand, wie die beiden jungen Frauen bald merkten.

Sie mussten die Pferde alle trocken reiben und striegeln und in die Boxen führen. Inzwischen war es dunkel geworden in Montana.

Der erfolglose Agent Donovan war abgezogen worden und musste sich einen Vortrag über die Verschwendung von Steuergeldern anhören:
Hubschrauber, Wärmebildkamera – und keine Ergebnisse!

Die geheime Ermittlergruppe in Bozeman beauftragte einen Profi-Killer, um das Problem Anja Maria Ludwig ein für alle mal aus der Welt zu schaffen.

Dieser Jack Williams – nur einer von vielen Namen, die er benutzte – verstand sein Handwerk.
Er hatte schnell heraus gefunden, dass sich das Geschehen auf West Yellowstone konzentrierte; man hatte dort die zwei Frauen gesehen.

Eine war aus dem Fernsehen sattsam bekannt, auf die andere passte die Beschreibung.
Wenn man die nicht außer Landes geschafft hatte – und nichts deutete darauf hin – dann mussten sie noch irgendwo in der Nähe sein.
Viele Versteckmöglichkeiten gab es nicht.

Zur Tarnung eignete sich ein abseits liegendes Gehöft. Er musste nur drei abklappern, dann war er fündig geworden.

Williams hätte sich irgendwo in der Hochebene auf die Lauer legen können, um die Zielperson abzuknallen, aber er kannte den Tourenplan nicht.
Außerdem lautete die strikte Anweisung, zu viel Aufsehen und vor allem Panik bei Unbeteiligten zu vermeiden.

Der Sniper baute in aller Seelenruhe die Präzisionswaffe auf und legte sich daneben.
Irgendwann musste ja die ganze Bagage zurück kommen.

Als die plappernden Touri’s endlich weg waren, trafen sich die Frauen vor dem Pferdestall.

Das Licht war schlecht, man konnte sie kaum auseinander halten, aber die Silhouetten zeichneten sich deutlich genug ab.

‚Jetzt oder nie!‘ dachte Williams und drückte ab.

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********mann Mann
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Part II - Vergeltung
Anja neigte gerade den Kopf, um besser zu verstehen, was Julia sagte – wenigstens redete die wieder mit ihr, ohne gleich Beleidigungen auszustoßen.

In die Bretterwand schlug nur wenige Zentimeter entfernt beinahe lautlos ein Projektil ein.

Julia reagierte sofort, fast so wie damals in Jerusalem.
Sie riss Anja zu Boden und griff nach einer herum liegenden Satteltasche.
In die schlug das nächste Projektil ein und blieb in einer Feldflasche stecken.

„Heute ist nicht mein Tag!“ knurrte Williams, „aber morgen seid ihr fällig, ihr blöden Fo…!“

Zu seiner Entscheidung, hier zunächst zu verschwinden, trug auch bei, dass der Ranchbesitzer mit einer Taschenlampe angewackelt kam.

„Du hast mir das Leben gerettet!“ sagte Anja ungläubig, nach dem klar war, der Heckenschütze habe aufgehört mit Ballern – zumindest vorläufig.

„Ich dachte, du hasst mich!“

„Nimm‘ es nicht persönlich! Man lernt aus solchen Sachen, wie Bombenanschlägen in Jerusalem. Ich habe nur instinktiv gehandelt, der Blödmann hätte ja auch mich treffen können!“

Pete Richards betrachtete mit finsterer Miene die beiden Einschusslöcher – eines in der Wand, das andere in der ledernen Satteltasche.

„Ich weiß zwar nicht, warum man euch jagt – aber ich weiß zwei Dinge: Markus ließ mich im Unklaren darüber, wie gefährdet ihr seid und ich bin der Meinung, ihr müsst verschwinden – umgehend!“

Dann fügte er noch einen Fluch hinzu, wahrscheinlich galt er seinem alten Kumpel Markus in West Yellowstone.

„Was hast du vor? Wo geht es hin?“ Julia tippelte hinter Pete her, darauf hoffend, der Heckenschütze hätte sich zurück gezogen.

Anja agierte da etwas vorsichtiger, da sie genau wusste, der Anschlag galt ihr und nicht Julia.

Im Wilden Westen war man kein Freund großer Worte, einst wie jetzt.
Pete reagierte nicht auf die auf ihn einprasselnden Fragen, sondern zog ein Tor auf und machte sich an einem Pferdetransporter zu schaffen.

„Du kannst mir helfen!“ knurrte er und zerrte an der Deichsel.

Inzwischen war auch Anja da, die sich rückwärtig heran geschlichen hatte und zu dritt beförderten sie den Transporter ins Freie.

„Du willst so spät noch ein Pferd transportieren?“

Pete nahm innerlich die Adjektive, mit denen er Markus‘ Frau versehen hatte wieder zurück. ‚Mann, ist die naiv!‘

„Der Transporter ist für euch, Ladies, gute Fahrt!“

Bald darauf wurde klar, was der Ranchbesitzer vorhatte.
Um den Heckenschützen zu täuschen, der vielleicht noch irgendwo in der Nähe war, ließ er einen Mitarbeiter ein Pferd holen und sie verluden es.
Der Hengst wieherte laut, dem passte das gar nicht, er wäre lieber nachts im Stall geblieben.

Dann fuhren sie zu zweit los und hinter dem Haus, wo man annahm, der Schütze könne es nicht einsehen, fand der Austausch statt – der Hengst wurde wieder ausgeladen und die beiden Frauen hüpften schnell hinein.

Jack Williams befand sich nur hundert Meter westlich, hatte in der kurzen Zeit natürlich nicht das Gelände umkreisen können, um einen Blick hinter das Haus zu werfen.
Also ging er davon aus, dass hier tatsächlich ein Pferdetransport stattfinden würde.
Vielleicht hatte man einen weiten Weg bis an die Pazifikküste vor sich und fuhr deshalb in der Nacht los.

Genau so gut konnte es sein, dass die Zielperson und deren Freundin da drin saßen und er ausgetrickst wurde.
Er würde abwarten müssen, was morgen geschah.

Williams rollte den Schlafsack aus, es war immer noch empfindlich kühl, aber zum Glück war auch in den Rockies der Winter vorbei.
Am liebsten hätte er einen Schluck Bourbon genommen, aber Alkohol war während eines Einsatzes tabu – den gab es erst nach einer erfolgreichen Mission…

Nach einer Stunde Fahrzeit hielt Pete, befreite Julia und Anja aus dem Anhänger mit der Strohschütte.
Sie durften sich abklopfen und dann vorn bei ihm im Ford Expedition Platz nehmen.

Inzwischen befand man sich auf der Interstate 15 und Pete fuhr mit zusammen gekniffenen Augen stur nach Norden.
Julia hielt es nicht mehr aus. Dieser Cowboy brachte sie an den Rand des Wahnsinns!

„Lust auf ein Frage- und Antwortspiel?“

„Nein!“ knurrte der Fahrer.

„Ich versuch’s trotzdem. Du sagst uns, wo du uns hin bringst und ich sage dir, warum wir hier durch die Nacht schaukeln!“

Pete stopfte sich einen Kaugummi in den Mund, um wach zu bleiben, dann reichte er das aufgerissene Päckchen weiter.

„Granny Gardener ist achtzig Jahre alt, betreibt dennoch eine kleine Pension in Butte. Sie ist meine Großtante…“

Kleine Pension klang großartig, da würden weder Journalisten noch der Killer gleich drauf kommen, freute sich Julia.

Sie hatte aber auch in Israel und hier in den USA gelernt, sich nicht zu früh zu freuen.

Julia versuchte es, in wenigen Sätzen zusammen zu fassen, eine nicht ganz leichte Aufgabe.

„Anja ist Management-Assistentin bei uns, wurde in Berlin erpresst, Informationen zu liefern, wann ich wohin reise. Diese Leute gehören zu einer Terrororganisation, welche Al-Qaida den Rang abläuft. Sie haben mich, einen Journalisten und den Rocksänger Frank Doneghan in Breckenridge entführt und in den Yellowstone Park verschleppt. Doneghan verspottete die Entführer und wurde enthauptet…“

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********mann Mann
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Part II - Vergeltung
An dieser Stelle wurde sie von Pete unterbrochen. „Was? Frank ist tot? Ich mochte seine Songs!“

Das SUV mit Anhänger schlingerte kurz über die rechte Spur der Interstate, dann hatte Pete den Wagen wieder in der Gewalt.

Es spielte keine Rolle, man befand sich nicht auf einer deutschen Autobahn, nur selten kamen ihnen Lichter entgegen.

„Wir sollten zum Islam konvertieren, ich kooperierte mit den Entführern, weil ich für zwei verantwortlich bin…“

„Verstehe“, sagte Pete, „das Baby!“

„Lange Rede, kurzer Sinn – sagt man zumindest im Deutschen so: Ich wurde herein gelegt. Ich sprach einen Satz auf Arabisch nach – es war das Glaubensbekenntnis zum Islam. Der Journalist und ich kamen frei, dann brach der Shitstorm los, ich wurde als Terroristenhure verunglimpft. Anja wurde vom FBI festgenommen, weil man bei ihr ein Krypto-Handy gefunden hatte. Sie wurde von einer speziellen Anti-Terror-Einheit gefoltert, sollte umgebracht werden, sie konnte entkommen und wurde durch halb Montana gejagt. Habe ich das richtig dargestellt, Anja?“

Die Angesprochene spürte eine Veränderung im Verhalten von Julia und beeilte sich „Ja!“ zu sagen.
Es war noch gar nicht so lange her, da wurde sie mit einer Mistgabel bedroht.
Pete hatte das auch gesehen, aber die Mädels verhielten sich friedlich – Schwamm drüber…

„Wir trafen uns alle in West Yellowstone wieder, wo es von Journalisten wimmelte, weshalb Markus beschloss, uns zu deiner Ranch zu bringen. Der Rest ist bekannt.“

Julia lehnte sich ins Polster zurück.

„Markus wollte mich nicht mit hinein ziehen, aber er hätte dennoch sagen müssen, warum ihr da verschwinden müsst.
Und vorhin die Schüsse? Ein Killer, im weitesten Sinne jemand, der für die Regierung arbeitet?“

Pete schüttelte den Kopf, das passte nicht in sein Weltbild.

Jetzt mischte sich Anja ein. „Ich weiß nicht, ob die Leute, die mich jagen, direkt dem FBI unterstellt sind oder noch jemand anderem. Damit ich nicht herum erzählen kann, mit welchen Methoden die arbeiten, stehe ich bei denen auf der Abschussliste!“

Pete schüttelte immer noch den Kopf. Das klang für ihn wie das Drehbuch zu einem drittklassigen Action-Film.
Da waren ihm Western lieber, da gab es nur Gut oder Böse, auch wenn damals in der rauen Realität manchmal das Böse gesiegt hatte.

Wenn das stimmte, was Anja widerfahren war, dann verschwammen die Konturen.
Die den Terror bekämpften waren nach Darstellung der jungen Frau nicht besser als die Terroristen selbst.

Gegen vier Uhr morgens wurde die schwerhörige Granny Gardener aus dem Schlaf geklingelt.
Es dauerte eine ganze Weile, bis sie den Morgenmantel übergeworfen und die Brille gefunden hatte.

„Wer zum Henker raubt mir den Schönheitsschlaf?“ keifte sie durch den Türspalt.

Dann erkannte sie das Gesicht eines ihrer Großneffen.

„Granny, ich bin’s, der Pete!“

„Bin doch nicht blind! Und schrei nicht so, weckst noch die Nachbarn auf! Findest du nicht auch, dass früh um Viere eine recht ungewöhnliche Uhrzeit für einen Besuch ist?“

Dann sah sie die beiden jungen Frauen, nahm zunächst Anja ins Visier.

„Deine neue Freundin, Pete?“

„Leider nicht! Aber ich bitte dich, sie für ein, zwei Tage aufzunehmen, Granny!“

Mrs. Gardener rückte die Brille gerade, die von der Nase zu rutschen drohte. Dann versteifte sie sich.

„Nein, Pete, die Hexe nehme ich nicht auf!“

Die Alte schlug ein Kreuz in die Luft, um das vermeintlich Böse abzuwehren.
Diese Deutsche flimmerte seit Tagen über alle TV-Kanäle und die Kommentare waren nicht gerade schmeichelhaft.

„Das ist alles ein Missverständnis, Granny! Julia glaubt nach wie vor an Jesus Christus, sie wird dir morgen alles erklären, bitte! Ich muss auch wieder zurück, bye, Granny, ich komme dich besuchen, sobald ich wieder in der Gegend bin!“

Dieser verdammte Großneffe ließ sie tatsächlich hier so einfach stehen, mit zwei Mädchen, die sie gar nicht kannte – das heißt, die eine zumindest aus dem Fernsehen.
Granny Gardener fixierte die vermeintlich zum Islam Übergelaufene und sagte fest:

„Sprich mir nach: Our Father which art in heaven, hallowed be thy name. Thy kingdom come. Thy will be done in earth…”

Julia kam dies bizarr vor. Sie stand hier in einer amerikanischen Kleinstadt morgens um Vier in einem Türrahmen und musste das Vaterunser in einem altmodischen Englisch nachsprechen. Sie faltete die Hände und betete.

„Okay, kannst rein kommen! Eine Hexe hätte sich geweigert. Zu dem trägst du ein Kreuz an einer Halskette…“

Julia und Anja waren müde und unendlich froh, von dieser zu Recht misstrauischen Alten endlich eingelassen zu werden.
Mrs. Gardener zeigte ihnen das Zimmer, das Bad, dann wünschte sie eine gute Nacht.

„Sollen wir sie nicht vielleicht nach einem zweiten Einzelzimmer fragen?“

Anja war immer noch misstrauisch, was Julia betraf. Sie hatte die dreckigen Zinken der Mistgabel an ihrem Hals noch in lebhafter Erinnerung.

„Oh, nein, du bleibst hier, husch, ins Bad!“ sagte Julia lächelnd.

Als sie zurück kehrte, wurde Anja auf’s Bett geworfen, ihre Arme nach oben durchgestreckt, die Handgelenke mit einem Gürtel gefesselt und ans Gestell fixiert.

‚Also doch‘, dachte Anja. ‚Sie ist mit ihrer Rache noch nicht durch!‘

Sie musste sich in Bauchlage drehen und Julia befand, ein langer Schuhanzieher wäre ein geeignetes Schlaginstrument.

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*****854 Paar
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liebe Mitleser
ist es so schwer bei ener so spannenden geschichte mal den DANKE bouten zu drücken *wink*
********mann Mann
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Danke...
... für 6000 Klicks! Da es viele spannende Geschichten gibt, weiß ich es zu schätzen!
********mann Mann
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Dieser Beitrag wurde als FSK18 eingestuft.
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********mann Mann
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Part II - Vergeltung
Die drei Männer redeten aufgeregt miteinander, allerdings auf Deutsch, so dass Jenna kaum ein Wort verstand.

„Kann mich bitte mal jemand aufklären, wenn’s geht auf Englisch?“ maulte die Studentin, die aussah wie die jüngere Schwester von Anja.

Sie blickte Ben so flehentlich an, dass er ihr erklärte, man habe Julia und eine Mitarbeiterin aus der Schusslinie nehmen müssen, daher auf einer abgelegenen Ranch untergebracht und der gute Mann beschwere sich nun zu Recht, man habe ihn nicht ausreichend informiert.

Es dauerte nicht einmal eine Stunde, da waren sie auf dem Gehöft und Markus bekam, wie versprochen, „den Kopf gewaschen.“

Pete wollte ihnen noch hinterher rufen, ob es eine gute Idee wäre, ein Double von Anja spazieren zu fahren, aber man hatte die Türen des Dodge Grand Caravan bereits zugeknallt und fuhr wieder an.

Jack Williams rieb sich die Augen. Das konnte nicht sein! Hatte sich das Warten in dieser Einöde also doch gelohnt!

Alles stimmte, Haarfarbe, Statur. Er konnte nur nicht wissen, dass die vermeintliche Zielperson nicht auf der Ranch, sondern lange vorher zugestiegen war.

Sie saß vor einem Mann, es würde nicht leicht sein, sie zu eliminieren ohne andere zu verletzen.
Er musste es riskieren – jetzt!

Der Dodge bewegte sich nur langsam von der Ranch weg, was das Vorhaben erleichterte.

Langsam krümmte sich der Zeigefinger um den Abzug…


Anja hatte nach ihrer eigenen Ansicht noch ein Kaloriendefizit und stopfte den zweiten leckeren Pancake mit Ahornsirup in sich hinein, während Julia nur an einem Toast knabberte, das sie hauchdünn mit Butter bestrichen hatte.

„Sag‘ mal, Julia“, fragte Anja mit vollem Mund, „hast du keinen Hunger, in deinem Zustand?“

„Was? Du bist schwanger?“ kreischte Granny Gardener auf. „Du musst essen, Mädchen! Soll ich dir eingelegte Essiggurken zu deinem Toast holen?“

Die alte Dame wartete die Antwort gar nicht erst ab, huschte umgehend in die Küche.

Julia nutzte die Pause. „Du bist wieder eingestellt, Anja! Nicht nur das, ich befördere dich auch zu meiner PR-Managerin – du bist künftig Markus gleichgestellt!“

„Danke, Julia, aber müsste das nicht der Boss von MBM, also Markus bestätigen?“

„Mit dem werde ich schon einig! Also, was schlägst du vor, wie fahren wir die Karre aus dem Dreck?“

Es gab geeignetere Augenblicke als diesen, das PR-Management von Julia zu übernehmen.
Eine Sysiphus-Arbeit – aber Anja war gewillt, sich dem zu stellen.
Sie würde Zeit ihres Lebens in der Schuld der Schauspielerin stehen.

Julia wiederum wollte keinen zweiten Fall „Marit Johannsen“.

Sie hatte Anja verziehen, stellte ihr aber eine besonders schwierige Aufgabe, um ihre Loyalität zu testen.

Zunächst wurden sie durch Granny Gardener unterbrochen, die einen Teller saure Gurken herein balanzierte, zwar nicht so gut wie die aus dem Spreewald, aber genießbar.

„Sehr lecker, Mrs. Gardener“, sagte Julia artig.

„Ach, nennt mich Granny oder Barbara, Mädels, lasst es euch schmecken!“

Anja spürte den lauernden Blick von Julia, musste sich schleunigst etwas einfallen lassen.

„Sagen Sie mal, Barbara, kennen Sie den lokalen Redakteur der Tageszeitung hier?“

„Der Hawkins war ein ganz frecher Nachbarsjunge, spielte mir immer Streiche! Jetzt wohnt er allerdings drei Straßen weiter und ja, er arbeitet beim ‚Montana Standard‘, ist hier der Lokalredakteur!“

„Prima! Rufen Sie an, sagen Sie ihm, er bekommt ein Exklusiv-Interview mit Julia Lindner, wenn er den Aufenthaltsort geheim hält – vorerst!“

Dann wandte sie sich an Julia, die große Augen machte.

„Als nächstes drehen wir ein Video, wie du mit Granny Gardener betest, auf die Bibel und das Kruzifix schwörst, du bist eine gläubige Christin…“

Julia schüttelte zunächst den Kopf, das kam ihr alles zu kleinkariert vor angesichts des Medienhypes da draußen.

„Erst erobern wir Butte, dann den Wilden Westen und zum Schluss die ganzen Vereinigten Staaten zurück!“ Es klang wie ein militärischer Schlachtplan.

Julia musste Anja zubilligen, dass sie versuchte, ihren neuen Job mit Leben zu erfüllen.

Granny Gardener war bereits zum Telefon geschlurft.

Beim „Montana Standard“ schlug der Anruf ein wie eine Bombe, fast so, als habe sich jemand gemeldet, der im Sommer 2001 die Sprenglöcher ins World Trade Center New York gebohrt haben wollte…

Matt Hawkins wusste, die alte Gardener mochte schrullig sein, aber die trank kaum Alkohol, nahm keine Drogen – es musste etwas dran sein!
Er machte sich umgehend auf den Weg…

Ein Exklusiv-Interview mit der zur Zeit unbeliebtesten Frau, sozusagen „the talk of all the U.S.A.“
Den Popsong kannte Hawkins natürlich nicht, Middle Of The Road waren in den USA nie so erfolgreich gewesen, wie in Europa…


Ben sah einen Schatten, riss Jenna herunter, auch Jürgen – der in Afghanistan mit fiesen Sprengfallen konfrontiert worden war - spürte, etwas war im Gange!

Die linke hintere Scheibe des Dodge zerbarst.
Ben schützte die unter ihm Liegende, konnte aber nicht verhindern, dass sie von einem Splitter oberhalb des linken Auges getroffen wurde.

„Fahr‘ in den nächsten Hohlweg, Markus!“ schrie Jürgen. „Den greifen wir uns!“

‚Bist du wahnsinnig geworden?‘ wollte Markus zurück brüllen, unterließ es aber, als eine zweite Kugel einschlug, die keinen größeren Schaden anrichtete.

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Part II - Vergeltung
Der Dodge stand jetzt außerhalb des Schussfeldes des Killers.

Ben kümmerte sich um die verletzte Jenna, versuchte, die Blutung zu stillen.
Die Studentin hatte unwahrscheinliches Glück gehabt – nur zwei Zentimeter tiefer und sie wäre auf einem Auge blind gewesen!

Jürgen riss die Tür auf, ging sofort in Deckung, aber der Killer konnte ihn hier nicht sehen.

Wohl oder übel schloss sich Markus dem Selbstmordkommando an.

„Wir sind zwei, der da ist Einzeltäter, die operieren immer allein!“ zischte Jürgen.

Williams sah zwei Männer aus der Deckung kommen, dachte noch, die sind völlig bescheuert, schoss, ohne zu treffen.
‚Was ist nur los mit mir? Werde ich langsam alt?‘

Die Selbstzweifel lähmten ihn für wenige Sekunden, Zeit genug für die durchtrainierten Berliner, um sich zu trennen und den Mann zu verfolgen.

Um Land zu gewinnen, musste Williams notgedrungen das teure Scharfschützengewehr zurück lassen, es hätte ihn nur behindert.

Er wandte sich nach Osten – ein Fehler, denn auf der Horseshoe-Ranch hatte man ungeachtet der Entfernung die Schüsse bemerkt und Pete selbst sowie drei Mitarbeiter versperrten den Fluchtweg.

Selbstverständlich waren die alle bewaffnet. Williams zog noch den Revolver, den er für alle Fälle mitführte, aber er wurde am Arm verwundet, musste die Waffe fallen lassen.

Widerstand war zwecklos geworden – Fünf gegen Einen…

Williams hatte nur eine Genugtuung: Die Zielperson war getroffen worden, aber er wusste nicht, ob sie tot war, oder noch lebte…


Anja half Granny Gardener beim Abräumen und hatte bereits eine neue Idee.

„Wenn du hier wieder frei herum laufen kannst, ohne gleich angespuckt zu werden, gehen wir in die Kirche. Am besten, du lässt dir das Abendmahl geben.“

Julia verstand langsam die Strategie ihrer neuen PR-Managerin.
Dieser Hasan hatte es auf eine religiöse Ebene gezogen, die Medien ritten darauf herum…

Es klingelte an der Tür. Granny Gardener öffnete und Anja vergewisserte sich, dass der Reporter niemand mitgebracht hatte.
Es stand auch kein TV-Team unten vor den Fenstern.

Matt Hawkins legte das kleine Aufnahmegerät auf den Tisch, begrüßte freundlich Mrs. Gardener, die er seit Jahrzehnten kannte.

Vielleicht würde man ihn Teeren und Federn, aber das war die Story seines Lebens – so viel war sicher.
Denn bis jetzt hatte noch niemand Julia Lindner befragt.

„Ihre Sicht der Dinge, Mrs. Lindner, ich bin gespannt!“

Julia straffte sich. Dieser Provinz-Reporter wirkte nicht einmal unsympathisch, auch nicht voreingenommen, der sah nur eine dicke Chance, berühmt zu werden.

Und Julia begann zu erzählen, von der Einladung zum Filmfestival in Breckenridge, über die Entführung bis zu den Vorkommnissen in der Höhle.
Sie wäre von der Ermordung des Rockmusikers so eingeschüchtert gewesen, dass sie einen arabischen Satz nachplapperte, ohne die Bedeutung zu erfassen.

Sie erwähnte allerdings nicht, dass dieser Hasan das Glaubensbekenntnis schon einmal gesprochen hatte – sie hätte es also wiedererkennen müssen.

Und noch eines blieb völlig außen vor: Die Rolle von Anja, denn das wusste nur das FBI, sie selbst und das Team, das unterwegs nach Butte war.


Man schleifte Jack Williams zur Horseshoe-Ranch, wo seine Fleischwunde und auch die von Jenna notdürftig versorgt wurden.
Williams wurde blass. Das war nicht die Zielperson, sondern nur eine, die aussah, wie die jüngere Schwester.
Zu dem hatte er sie nur verletzt!

Sollten die nur den Sheriff von Gallatin County anrufen, was sie gerade taten. Es war ihm egal.
Das Szenario für solche Fälle war klar: Das FBI würde beim Sheriff erscheinen, versehen mit amtlichen Papieren, dass sie den Fall an sich rissen und den Gefangenen überführen würden.

Das eigentliche Problem war: Er konnte den Job an den Nagel hängen, würde keine Aufträge mehr bekommen, schon gar nicht von irgendwelchen geheim operierenden Teams, deren Existenz, wenn etwas schief ging, geleugnet wurde.
„Government denies knowledge…“

Jenna, die drei Deutschen und Pete ahnten nicht, dass der Mann morgen bereits wieder frei sein würde.
Einzige Strafe: Arbeitslosigkeit.

Es wurde entschieden, Jenna nicht zurück nach West Yellowstone zu bringen, sondern in ein Krankenhaus in Butte, wo man die Verletzung über dem Auge nähen würde.


„Danke, Mrs. Lindner, das war sehr aufschlussreich! Aber Sie und ihre Freundin wissen sicher auch, dass es sehr schwer ist, einen beschädigten Ruf wieder herzustellen“, sagte Matt Hawkins, der Lokalredakteur des „Montana Standard“.

Hier geschah nicht viel, zuletzt hatte man über einen Trapper berichtet, der eine neue Art von Fallen entwickelt hatte, in denen die Tiere weniger leiden mussten.

Das hier hatte eine ganz andere Dimension! Ein Exklusiv-Interview mit einer Oscar-Preisträgerin, die bei einer ganzen Nation in Ungnade gefallen war.

„Wenn es Ihnen etwas hilft, Mrs. Lindner, ich bin geneigt, Ihnen zu glauben! Der Artikel ist heute Abend online und morgen in der Print-Ausgabe! Vielen Dank und alles Gute für Sie! Und Entschuldigung für die kaputte Fensterscheibe, Mrs. Gardener!“

„Ach, das ist doch 30 Jahre her, Junge!“ lachte die rüstige Alte.

„Moment bitte, Mr. Hawkins!“ rief Anja. “Haben Sie noch einen Moment Zeit? Ich möchte gern die Szene nachstellen, wie Julia gemeinsam mit Granny Gardener das Vaterunser gebetet hat, sonst hätte sie die vermeintliche Hexe gar nicht eingelassen. Sie haben doch sicher ein Smartphone dabei?“

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Part II - Vergeltung
„Ja, sicher“, bestätigte Hawkins mit hoch gezogenen Augenbrauen.

„Ich würde mich freuen, wenn Sie das aufzeichnen und das Video auf die Online-Plattform des ‚Standard‘ stellen!“

Granny Gardener rührte bereits wieder in einem Kochtopf, um den Lunch vorzubereiten, obwohl noch alle satt waren, da wurde die kleine Pension regelrecht gestürmt.

Zunächst klingelte ein groß gewachsener Farbiger im schwarzen Mantel an der Tür, der im Schlepptau zwei junge Männer in dunklen Anzügen hatte.

Hinter ihnen stürmten Markus und Jürgen die Treppe herauf, wurden aber von den bereits im Türrahmen stehenden Männern am Eintreten gehindert.

Anja drückte sich an eine Wand und wurde aschfahl.
Sie stand als Informantin des ISAF immer noch auf der Fahndungsliste des FBI!

Sollte es hier zu Ende sein? Würde sie die nächsten Jahre in einem Hochsicherheitstrakt eines amerikanischen Gefängnisses verbringen?

„Dwight B. Johnson, FBI!“ sagte der Farbige, der eine tiefe, befehlsgewohnte Stimme hatte.

‚Also doch!‘ dachte Anja, ‚die sind meinetwegen hier. Aber wie haben die das so schnell heraus gefunden?‘

„Kann ich mit Miss Ludwig ein paar Minuten alleine sprechen?“ fragte Johnson.

Granny Gardener beeilte sich, die Tür zum ersten Gästezimmer zu öffnen, entschuldigte sich, die Betten wären noch nicht gemacht, sie wäre noch nicht dazu gekommen.
Johnson sah geflissentlich darüber hinweg, es störte ihn nicht.

Anja war immer noch blass. Wenn die Männer sie abführen wollten, warum hatten sie ihr dann nicht gleich Handschellen angelegt?
Sie sank auf einen Stuhl.

„Meine Erkenntnisse haben ergeben, ihre Informationen waren nicht entscheidend für die Durchführung der Operation durch die Kommandoeinheit der ISAF. Man hätte Mrs. Lindner und die anderen beiden auch so entführt. Insofern war ihre Überstellung an ein spezielles Undercover-Team unverhältnismäßig.“

Anja hörte mit großen blauen, staunenden Augen zu. Was wurde das jetzt? Ein Freispruch?

„Schildern Sie mir doch bitte, was in dieser sicheren Wohnung in Bozeman vorgefallen ist.“

Anja begann stockend, spürte wieder den höllischen Scherz, als man ihr den Arm ausgekugelt hatte.
Man hatte ihr auch mit einem Serum gedroht, welches schmerzhafte Krämpfe auslösen sollte.
Die Fahrt zu einem Abhang, ihre Flucht quer durch die Rocky Mountains.

Der groß gewachsene Farbige überreichte ihr einen Umschlag.

„50000 Dollar Schmerzensgeld. Sie unterschreiben mir jetzt bitte ein Papier, in dem sie sich zu Stillschweigen gegenüber den Medien, auch in Deutschland, verpflichten. Für den Fall, dass Sie unterschreiben, weitere 200000 Dollar auf ihr Konto in Deutschland.“

Johnson legte ein vorbereitetes Dokument vor und Anja unterschrieb, ohne es zu lesen.

„Wer sind Sie wirklich, Sir?“ keuchte sie.

Sie konnte immer noch nicht glauben, was gerade geschah.

„Sagte ich doch schon: Dwight B. Johnson – mit dem Zusatz: Neu ernannter Vize-Direktor des FBI. Mir wurde die Aufgabe übertragen, Strukturen zu überprüfen, welche nach dem 11. September 2001 entstanden sind. Manches davon ist kaum noch kontrollierbar, obwohl offiziell eigentlich uns unterstellt. Ich werde den Stall ausmisten – aber das bleibt unter uns, Sie haben ja gerade die Verschwiegenheitserklärung unterzeichnet…“

Der Vize-Direktor des FBI zwinkerte ihr tatsächlich zu.

„Ich hoffe, ich kann mich auf Sie verlassen? Ach, noch eines. Um auszureisen, brauchen Sie ihren originalen Reisepass. Wenn ich recht informiert bin, hat Mr. Beyer da draußen schon Leute kontaktiert, die so etwas fälschen. Um dieser Straftat vorzubeugen, hier ihr Pass, Miss Ludwig!“

Anja wähnte sich immer noch in einem Traum. 250000 Dollar und rehabilitiert?
Gleich würde man die Pension stürmen und diesen Mr. Johnson als Hochstapler entlarven…

„Kommen Sie, Miss Ludwig, gehen wir rüber zu Mrs. Lindner und überbringen ihr die frohe Botschaft, dass wir die Medien-Meute zurück pfeifen. Sie auf ihre – ich auf meine Weise! Der Anfang ist ja schon gemacht, wir haben den Redakteur vom ‚Montana Standard‘ gesehen, wie er verkehrswidrig davon raste!“


Markus saß in einem Straßencafé in Vancouver, nicht weit entfernt vom L’Hermitage-Hotel, wo man sich einquartiert hatte.
Die Stadt gefiel ihm, denn hier hatte man beides: Einen Ozean und teils noch schneebedeckte Berge im Osten.

Ursprünglich wollte man schon wieder in Berlin sein, denn die Synchronisation von „Crazy For You“ musste ja noch fertig gestellt werden.

Aber zwei, drei Erholungstage hatten sich alle verdient – vor allem die Mädels.

Wo steckten die nur wieder? Hoffentlich nicht am Rockzipfel eines Bischofs in irgendeiner Kirche.
Was kam als Nächstes? Eine Reise nach Rom zum Papst Franziskus und Seligsprechung von Julia?

Aber nein, das ging ja nicht – selig und heilig wurden ja nur Tote gesprochen…

Markus wollte nicht ungerecht sein: Die neue PR-Managerin machte das schon richtig und er glaubte auch nicht, dass sie überdosieren würde.

Wenn schon Seligsprechung – dann eher Anja, denn die hatte mehrere Wunder vollbracht:

Niemand war ihr noch böse wegen des unfreiwilligen Kontaktes zur Terrorgruppe ISAF, sie war einem Verhörteam entkommen, die normalerweise Zeugen beseitigten und sie hatte einen mehrtägigen Hungermarsch durch die Wildnis von Montana inklusive Grizzlies und Büffel überstanden.

Die Aufgabe von Markus war nicht einfach. Er nahm noch einen Schluck vom Cappuccino und wartete auf die nächste Kandidatin.

Eine war gerade gegangen. Giselle, eine aschblonde Franko-Kanadierin aus Montreal, die jetzt in Vancouver lebte.
Die Chemie hatte nicht gestimmt.

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Part II - Vergeltung
Wie sollte man auch einer jungen Frau in kürzester Zeit schonend beibringen, dass man außer einer Sekretärin auch noch so etwas wie eine offizielle Geliebte suchte – von seinen sehr speziellen Neigungen ganz zu schweigen?

Er hatte alle zur Verfügung stehenden Plattformen des Internets genutzt, aber entscheidend war wohl die Anzeige hier in British-Columbia gewesen.

„Hallo, ich bin Alissa Jones!“ wurde Markus aus seinen Gedanken gerissen.

Vor ihm stand eine bildhübsche Afro-Kanadierin mit bronzeschimmernder Haut und langen schwarzen Korkenzieher-Locken.

‚So eine fehlt noch in meiner Sammlung!‘ dachte Markus erfreut, was nichts an seiner Liebe zu Julia änderte und an seiner Verantwortung als künftiger Papa.

„Bitte nehmen Sie doch Platz, Alissa! Möchten Sie etwas trinken?“

„Danke, gern, einen Espresso!“ sagte sie und senkte die langen Wimpern.

Markus winkte die Bedienung heran und tätigte die Bestellung.

„Danke, dass Sie gekommen sind, Alissa! Die erste Assistentin meiner Firma ist zur PR-Managerin aufgestiegen und ich suche Ersatz. Ich sage bewusst ‚erste Assistentin‘, weil ihr Aufgabenbereich weiter gefasst sein wird als der einer herkömmlichen Sekretärin. Sie werden gegebenfalls selbst Entscheidungen treffen müssen, wenn weder ich, noch Julia Lindner oder Miss Ludwig zugegen sind…“

Alissa nickte freundlich und sagte, sie freue sich auf die neue Aufgabe, auch auf Europa, ein Problem, das sich aber beheben ließe, wären ihre nicht vorhandenen Deutschkenntnisse.

„Ich bin aber gern bereit, Deutsch zu lernen!“ Diesmal hoben sich die langen schwarzen Wimpern.

‚Was für ein hübsches, ovales Gesicht!‘ befand Markus und beschloss, subtil zum zweiten Teil überzugehen.
Er flirtete die hübsche Afro-Kanadierin unverblümt an und erntete ein Lächeln aus strahlenden dunkelbraunen Augen.

Alissa ahnte, der 1,90-Meter-Hüne mit dem blonden Haar und den stechenden blauen Augen würde das Aufgabengebiet einer Assistentin/Sekretärin sehr weit definieren.
Aber es störte sie nicht, der Mann war ihr auf Anhieb sympathisch und außerdem reizte sie die Aufgabe, denn sie hatte die Hetzkampagne gegen Julia Lindner in den USA mitbekommen.
Hier in Kanada sah man das deutlich liberaler und entspannter.

Alissa nippte am Espresso, dessen Koffein ihre Aufregung noch beförderte.
Vielleicht hätte sie etwas anderes bestellen sollen…

„Keine Fragen zu meiner Qualifikation, vorherigen Arbeitsstelle, Mister Beyer?“

„Ich gehe mal davon aus, dass ausreichend Berufserfahrung als Sekretärin oder Bürokauffrau vorhanden ist. Übrigens: Markus und ‚Du‘ – wir reden uns bei MBM alle mit Vornamen an! Okay, also warum bist du arbeitssuchend, Melissa?“

Sie hatte die Frage befürchtet, aber mit der Wahrheit kam man immer am weitesten.
Was brachte es, jetzt Lügen aufzutischen, in die man sich später verstrickte?

„Ich war bis vor Kurzem Mitarbeiterin in einer Werbeagentur hier in Vancouver. Es gab ein paar rassistische Bemerkungen, in Kanada anders als in einigen Teilen der USA eher unüblich. Als ich mich beim Chef beschwerte, wurde ich mit Arbeit zugedeckt, musste Überstunden machen, schaffte dennoch nicht alles, wurde deswegen gemobbt – dann bin ich gegangen!“

„Danke für die offenen Worte, Melissa! Ich kann dir aber nicht garantieren, dass dies in Berlin – außerhalb von MBM versteht sich – nicht passiert…In der ersten Zeit empfehle ich ohnehin die Begleitung durch Security!“ sagte Markus.

Melissa erschrak. „Ist es denn in Berlin wirklich so gefährlich, Markus?“

„Nein, natürlich nicht! Zumindest nicht gefährlicher als Paris oder London, Melissa! Aber wegen der jüngsten Ereignisse habe ich eine besondere Sorgfaltspflicht, was die Sicherheit von Julia und meinen Mitarbeitern betrifft“, zog sich Markus aus der Affäre.

„Komm‘ bitte heute Abend zum Diner gegen 19:00 Uhr ins L’Hermitage-Hotel, ich stelle dich dem Team vor!“

„Soll das heißen, ich bin eingestellt?“

Wieder klappten die Wimpern nach oben und Markus versank für einen Moment in diesen schönen dunkelbraunen Augen.

„Aber sicher doch!“ Markus stand auf und reichte ihr die Hand.

Er hätte den Arm auch gern um die Schultern gelegt – aber das verbat er sich noch…


Im Stanley Park von Vancouver hielt Ben Händchen mit Jenna. Man hatte die Schnittwunde über ihrem linken Auge in Butte nicht genäht, sondern geklebt.
Ein Fibrinkleber, aus Blutkonserven gewonnen. Darüber hatte man so etwas wie Flüssigpflaster gesprüht.

Das Ergebnis konnte sich sehen lassen: Es würde später kaum eine Narbe zurück bleiben, im Moment trug Jenna allerdings noch ein Tape über dem Auge.

Ben hätte dies bis vor wenigen Tagen kaum selbst für möglich gehalten, was gerade passierte.
Aber was brachte die Schwärmerei für eine Frau, der er zwar nah war, die aber dennoch unerreichbar schien.

Als er Jenna ins Krankenhaus begleitet hatte, war es nur Fürsorge um eine junge Frau gewesen, die man in Gefahr gebracht hatte.
Aber beide hatten schnell bemerkt, dass es mehr als nur Fürsorge war, Zuneigung – vielleicht sogar Liebe?

Ben hatte sich nie besonders für Anja interessiert, um so überraschender die Gefühle für Jenna, die aussah wie die jüngere Schwester.

Da die Studentin keine weiteren Verletzungen davon getragen hatte, auch keine Gehirnerschütterung diagnostiziert wurde, wurde sie nach wenigen Stunden entlassen.

Hier in Kanada saß sie in diesem großen Park auf einer Halbinsel nur, weil sie Ben gebeichtet hatte, sich schon vor einiger Zeit sich für ein Auslandssemester beworben zu haben, unter anderem in Großbritannien und Deutschland, Berlin – Humboldt-Universität.

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Part II - Vergeltung
„Da habe ich in Berlin ja gleich eine Unterkunft!“ hatte ihn Jenna strahlend angelächelt.

Das war Ben noch nie passiert, er hatte den Kopf geschüttelt und das Mädchen hatte sich enttäuscht abgewandt, es als „Nein!“ bewertet…

Es hatte ihn viel Zeit und Mühe gekostet, Jenna davon zu überzeugen, dass es nur ein ungläubiges Kopfschütteln war wegen der Überraschung.
Alles war gut. Die Studentin schmiegte sich an ihn. Sie genossen den Frühsommertag in einer der schönsten Städte der westlichen Hemisphäre…


Nein, Julia war diesmal nicht bei einem kirchlichen Würdenträger gewesen.
Dieser Teil der „Reconquista“ – der Rückeroberung Amerikas – wie es die PR-Managerin Anja nannte, war durch.

Seit Butte waren die beiden wieder wie ein Herz und eine Seele.
Allein das „Vaterunser“ mit Granny Gardener hatte inzwischen eine halbe Million Klicks im Internet, was aber auch an der schauspielerischen Qualität der schrulligen Alten aus Montana lag, die immer wieder medienwirksam beteuerte, dass Julia ein ganz liebes Mädel sei, die nur den Herrn Jesus Christus liebe und ihren Mann.

In Frankreich hatte man dazu eine differenziertere Meinung, schmunzelte aber darüber…

Im Moment schmunzelte Julia vor sich hin und ihre Begleiterin, Freundin und PR-Managerin fragte vorsichtig nach dem Grund der Heiterkeit.

„Gestern Abend hatten Markus und ich nach langer Zeit mal wieder eine Session…“

„Ach wirklich?“ Die Ungläubigkeit stand Anja ins Gesicht geschrieben.
„Und ich dachte, wegen deiner Schwangerschaft…?“

„Er hat Öl heiß gemacht und es ganz langsam auf meine Brüste, meinen Körper tropfen lassen. Zuerst Schmerzen wie bei einer Behandlung mit Kerzenwachs – aber dann, das Einmassieren – himmlisch!“

Anja konnte sich das gut vorstellen, nahm es als Anregung für Spielchen, die Jürgen gerne mit ihr treiben konnte…

Weit weg die Gedanken, dass sie mal selbst scharf auf Markus gewesen war, kurz vor dem Amerika-Trip, der so vieles veränderte.

„Muss schön gewesen sein, Julia! Augenbinde?“

„Na klar, das volle Programm!“

Sie schlenderten zu Fuss zurück zum Hotel, obwohl es ein Stück entfernt war.
In den USA oder in Berlin ein Ding der Unmöglichkeit, so ganz ohne Security.
Zum Glück wusste Markus nichts davon, er wäre vermutlich ausgerastet.

„Lust auf eine Runde im Außenpool nachher, so wie einst in Breckenridge?“ fragte Anja vergnügt.

Sie war immer noch dankbar, dass es so glimpflich für sie ausgegangen war, sah man einmal davon ab, dass man sie beinahe umgebracht und sie sich beinahe in den Wäldern Montanas verlaufen hätte.

„Ich fürchte, dazu haben wir keine Zeit, Anja! Habe gerade eine SMS von Markus erhalten, um 19:00 Uhr Diner, Vorstellung der neuen Management-Assistentin“, seufzte Julia.

„Wo hat er die so schnell aufgetrieben?“ fragte Anja und schüttelte die kastanienbraune Mähne.

Im L’Hermitage-Hotel wurde festlich aufgetafelt – daran wollte Markus nicht sparen, aber ein Online-Blick auf die Konten hatte ihm verraten, dass Julia dringend ein neues Engagement brauchte, und sei es auch nur eine Nebenrolle in einer deutschen TV-Produktion.

Julia musste zugeben, die neue Assistentin machte was her, eine hübsche Afro-Kanadierin, die ihren schlanken Körper in ein beiges Abendkleid gezwängt hatte und sie selbst und Anja im wahrsten Sinne des Wortes blass aussehen ließ.

Es war fast so, als hätte man die Uhr dreihundert Jahre zurück gedreht.
Der König stellte seine neue Mätresse vor und die Königin musste sich lächelnd fügen, Hauptsache, sie behielt die Kontrolle.

Und wie einst am Hofe des Sonnenkönigs von Versailles spann Julia eine Intrige – ihr fehlte nur ein Fächer, um die Hinterhältigkeit ihrer Gedanken zu verbergen.
Aber dafür war sie ja eine talentierte Schauspielerin…

„Avez-vous déjà visité Berlin, ma chère?“ Julia’s Lächeln geriet so, dass Alissa keinen Verdacht schöpfte.

Sie antwortete in einem holprigen Französisch mit grammatikalischen Fehlern.

Julia setzte daher das Gespräch auf Englisch fort, dachte sich ihren Teil.
Wenn Alissa von entlaufenen Sklaven abstammte, die um 1860 von Louisiana bis nach Kanada geflohen waren und sie selbst nach eigener Angabe auch in Quebec gelebt hatte, müsste sie eigentlich fließend Französisch sprechen.

Irgend etwas stimmte auch mit dieser Management-Assistentin nicht.
Oder war sie nur besonders misstrauisch wegen Marit Johannsen und Anja – mit der sie allerdings längst wieder einig war?

Jürgen würde sich mit Anja vergnügen, Ben hüpfte mit Jenna Kowalski in die Kiste, Markus befummelte…

„He, Markus, ich dachte, du nimmst noch einen Absacker mit Alissa an der Bar?“ Julia räkelte sich verführerisch auf dem Bett.

„Sie ist nach Hause gefahren, um zu packen! Julia, sie ist in erster Linie unsere neue Mitarbeiterin – im Moment kann ich noch nicht sagen, was sich daraus entwickelt. Wenn sie und du ‚Nein!‘ sagst, ist es auch okay…“

Markus knöpfte sein Hemd auf, schlüpfte aus der Hose.

„Du bleibst die Königin meines Herzens, Julia!“

Sie staunte nicht schlecht. Eine Liebeserklärung von Markus – das hatte es relativ lange nicht gegeben.

„Komm‘ ins Bett, mein Göttergatte!“ lachte Julia.

Markus schwang sich neben sie, umklammerte wieder einmal die Handgelenke, streckte die Arme nach oben.

„Du hast mir nichts zu befehlen, Jule!“

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Wenn er ihren Sklaven-Namen benutzte, bedeutete es das Eintauchen in eine andere Welt.

„Ja, mein Herr, verzeiht mir mein vorlautes Mundwerk!“

Sie musste sich in die Bauchlage begeben und erhielt zehn Schläge auf den Po.

Hatte Markus nicht gesagt, wegen ihrer Schwangerschaft würde es das nicht mehr geben?

Aber ihr Mann hielt es mit dem ersten Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, Konrad Adenauer:
„Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern!“


Julia war ihrem Ziel ganz nahe! Das Drehbuch zu den Erlebnissen in den USA war fast fertig!

Zwar hatte sie nur zwei Varianten eines Arbeitstitels – zum einen „Nightmare At Yellowstone Park“ oder verkürzt und damit prägnanter „Yellowstone Park“ – aber es war eine Geschichte, die sie der Welt da draußen erzählen musste!

Sie hatte sich mit Anja in ein Kloster zurück gezogen, in die Abtei Sankt Gertrud, Alexanderkloster, südlich von Berlin, in der Nähe von Trebbin.
Weitab vom Weltgeschehen, aber nahe genug an der Basis.

Julia schmiegte sich an ihre Vertraute Anja.
Seitdem Markus die Vorzüge von Alissa im Bett kennen gelernt hatte, stieg sie wieder öfter mit der PR-Managerin in die Koje.

Einmal wären sie beinahe raus geflogen. Sie hatten es heftig miteinander getrieben, danach verschlafen und waren um 7:00 Uhr von Schwester Hildegard geweckt worden, die die Hände über dem Kopf zusammen schlug, als sie die nackten Körper der beiden Frauen sah und etwas von „Sünde!“ murmelte.

Die Mutter Oberin hatte es etwas toleranter gesehen und gesagt, sie seien Gäste, sollten sich aber an die Gepflogenheiten des klösterlichen Lebens halten.

Man gelobte Besserung und Anja sorgte dafür, dass die Videos einer in Andacht versunkenen Julia, die an ihrem Comeback arbeitete, ins Internet gelangten.

Genau wie in Kanada hatte man auch in Deutschland ihren vermeintlichen Übertritt zum Islam nicht so thematisiert, wie in den Vereinigten Staaten.

Das lag vielleicht auch an der zunehmenden Säkularisierung, denn viele junge Menschen interessierte es schlichtweg nicht.

„Der nächste Schritt ist das Casting für den Film…“ seufzte Julia.

„Du weißt, ich bin der Meinung, du solltest dir einen professionellen Regisseur an die Seite holen“, sagte Anja, während sie weiter durch den Klostergarten lustwandelten.

Sie hatte – obwohl Julia es eigentlich selbst machen wollte, die sich als neue Angelina Jolie sah – bei allen angefragt, die Rang und Namen hatten:
Von Tom Tykwer bis hin zu Florian Graf Henckel von Donnersmarck.
Die Zusammenarbeit mit Letzterem wäre der Knüller gewesen! Zwei deutsche Oscar-Preisträger produzieren einen Film!

Der Graf hatte allerdings den Oscar nicht für seine Regiearbeit allein bekommen, sondern das Stasi-Drama „Das Leben der Anderen“ war als bester ausländischer Film ausgezeichnet worden. Der hatte sofort abgesagt – leider…

Tom Tykwer hatte zunächst auch abgesagt, war jetzt aber wieder zu Verhandlungen bereit.

Ähnlich verhielt es sich mit der Hauptdarstellerin. Julia hatte einen Narren an der Russland-Deutschen Emilia Schüle gefressen – die zunächst ebenfalls wegen anderer Projekte absagte, aber nun wieder Interesse bekundete…
Keine leichte, aber dafür interessante Aufgabe für Anja…

„Ich würde am liebsten selbst Regie führen“, seufzte Julia – und Anja seufzte im Stillen mit.
Das alte Lied. „Aber vielleicht hast du Recht, ich habe keinerlei Erfahrung…“

„Wenn wir einen großen Namen wie Tom Tykwer zur Zusammenarbeit gewinnen wollen, wirst du dich damit abfinden müssen, im Abspann nur als Drehbuchautorin zu stehen“, sagte Anja forsch.

Sie hatte die ewigen Diskussionen langsam satt, wollte aber Julia nicht vor den Kopf stoßen.

„Ich bin nicht mal alleinige Drehbuch-Autorin – Markus ist auch beteiligt…“


Markus hatte die Handgelenke von Alissa gefesselt und am Bettgestell fixiert.
Er hatte auf eine Augenbinde verzichtet, um jede Gefühlsregung an den dunkelbraunen Augen und dem hübschen Gesicht ablesen zu können.

Langsam führte er eine Feder von den Wangen über die Halsbeuge zu den wohl geformten Brüsten.
Alissa atmete schneller, als die Feder ihre Rippen kitzelte, dafür Markus‘ Zunge ihre dunkelbraunen Brustwarzen umkreiste, bis er plötzlich zubiss.

Sie stöhnte auf. Der Biss war nicht heftig, aber spürbar gewesen.
Obwohl sie nie darüber gesprochen hatten, waren sich beide einig, sich nicht in den jeweils anderen zu verlieben.
Das würde alles nur komplizierter machen. Intimität ja – aber kein emotionales Chaos.

Markus war dies besonders wichtig – er wollte keinen zweiten Fall „Marit Johannsen“ erleben.
Es war Leidenschaft – aber seine Zuneigung gehörte nach wie vor Julia.
Weil er sie liebte, sie ein Kind von ihm erwartete und das ökonomische Zugpferd war – in der Reihenfolge.

Alissa’s Augen flehten ihn an, ja nicht aufzuhören. Die Feder näherte sich ihrer Körpermitte.

Irgendwann warf Markus die Feder einfach neben das Bett und machte das, was er am liebsten tat:
Er benutzte den makellosen Körper als Musikinstrument. Seine Lippen und seine Hände schienen gleichzeitig überall zu sein.

Dieses Erlebnis hatten andere Frauen auch schon gehabt, aber für Alissa war es vergleichsweise neu.
Sie bäumte sich auf, spreizte die Beine, wollte ihn endlich in sich spüren!

Markus ließ sie noch ein wenig zappeln. Er versenkte seine Zunge in ihrem Bauchnabel, sein Mund wanderte tiefer, küsste die Lustperle, die einladend geöffneten Schamlippen.

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Part II - Vergeltung
Man würde diesen Emre, der sich auch mal Bülent nannte, ausquetschen und dann die Polizei informieren.
Damit die unschuldige Freundin das nicht herum posaunte, wurde sie gleich mitgenommen.

„Wer ist in Berlin?“ fragte Jürgen, nachdem sich der Wagen in den fließenden Verkehr geschlängelt hatte.

„Na wer schon, ISAF! Rache für den Verrat von dieser Schauspielerin, für die ihr arbeitet!“ schniefte Emre.

Seine Freundin Tugce verstand die Welt nicht mehr.

Dann galt ab sofort die höchste Sicherheitsstufe – unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Aussage!
Jürgen rief den Security-Mann Holger an, Julia nicht aus den Augen zu lassen, dann informierte er Markus.

In der Villa in Grunewald blickte Alissa zufällig aus dem Fenster und erbleichte.
Natürlich kannte sie das junge Pärchen nicht, das man gerade aus dem Audi zerrte, aber es bedeutete nichts Gutes!
Sie rannte in ihr Zimmer, um das zu holen, was sie gebastelt hatte.

Sie hätte nicht geglaubt, es so bald einsetzen zu müssen. Auf alle Fälle wollte sie vorbereitet sein…

Man hatte neben dem Sekretariat und dem Büro von Markus einen Besprechungsraum eingerichtet, in dem man auch Gäste empfing oder Journalisten zu Interviews.

Emre und Tugce wurden genötigt, sich auf Stühle zu setzen, hinter ihnen standen mit grimmigen Mienen Jürgen, Ben und Holger.

Das Tribunal bestand aus Julia, Markus und Anja, der nicht wohl bei der ganzen Angelegenheit war.

„Eure Namen?“ knurrte Markus.

„Emre Badak!“ – „Tugce Öztürk!“

„Okay, Emre, erzähl‘ mal, wer dich aufgefordert hat, vor ein paar Wochen Kontakt mit der hier anwesenden Anja Maria Ludwig aufzunehmen!“

„Er nannte sich Abdullah…“, begann der junge Türke stockend, „kam irgendwo aus dem Nahen Osten, keine Ahnung, Jordanien oder so und er sagte, ich könne meine Brüder beim weltweiten Kampf gegen den Zionismus und US-Imperialismus unterstützen. Dazu müsse ich nur Kontakt zu Frau Ludwig aufnehmen – er gab mir einen Umschlag mit Fotos, ich warf einen Blick drauf, pfiff durch die Zähne…“

Anja wurde abwechselnd rot und blass. Das hier musste ein Ende haben!
Entweder liquidierte man den Türken noch heute – oder…

„Was auf den Fotos zu sehen war, wissen wir! Wie kam dieser Abdullah gerade auf dich?“ fragte Markus mit lauernder Stimme.

„Na, ja, weiß ich nicht, ich kam gerade aus unserem Treffpunkt in Neukölln…“

„Salafisten-Treff!“ stellte Markus fest und erwartete keine Bestätigung.

„Frau Ludwig hatte gerade bei euch hier angefangen“, Emre warf Anja einen schnellen Blick zu, „und mit den Fotos sollte sie gefügig gemacht werden, Informationen zu liefern…“

Anja wurde immer unbehaglicher zumute. Sie dachte an den Augenblick in einer Berliner Kneipe, als sie nahe daran war, Jürgen alles zu erzählen, es aber nicht getan hatte.

„Und dann weiter?“ insistierte Markus wie ein Untersuchungsrichter oder Staatsanwalt.

Er ging ganz in seiner Rolle auf. Ohne Julia wäre er jetzt vielleicht Anwalt oder Staatsanwalt in Berlin.

„Im Verweigerungsfalle hätte man die Fotos an ihre Eltern verschickt, im Internet veröffentlicht…“ sagte Emre, aber auch das war den meisten Anwesenden schon bekannt.

„Es ging also nur darum, den günstigsten Zeitpunkt zu ermitteln, um Julia zu entführen?“

„Ja, aber von der größeren Aktion in Amerika wusste ich nichts, ich schwöre!“ jammerte Emre.

Tugce warf ihrem Freund einen schnellen Blick zu. Hier offenbarten sich Dinge, die sie dem eher zurück haltenden Emre niemals zugetraut hätte!
Aber sie würde zu ihm halten und auch die Elternpaare waren sich längst einig…

Würde sie ihn nächster Zeit im Gefängnis besuchen müssen?

„Kleiner Handlanger“, konstatierte Markus und wandte sich an Anja.
„Und die Sache mit dem Krypto-Handy, das war jemand anderes, sehe ich das richtig?“

Anja’s Gesichtsfarbe wechselte immer noch im Minutentakt.

„Ja, das war jemand anderes, weiß nicht, vermutlich von ISAF…Darf ich noch etwas hinzufügen, Markus?“

Die Sache musste geklärt werden – jetzt!

„Bitte, Anja!“ Markus lehnte sich zurück.

Er wäre nicht so ruhig geblieben, wenn er geahnt hätte, welche Entwicklung dies noch nehmen würde…

„Wie geht das hier weiter? Wollen wir Emre der Berliner Polizei übergeben? Was passiert dann? Alles wird wieder aufgerollt, es kommt zum Prozess, Negativschlagzeilen für uns, und nebenbei bemerkt auch für mich! Es gibt nur zwei Lösungen: Die erste scheidet aus, da wir keine Mörder sind…“

Alle hielten den Atem an, auch und vor allem Emre und seine Freundin, denn es ging um ihr Schicksal.

„Es gibt meines Erachtens nur eine Lösung: Wir lassen die beiden laufen, mit der Auflage, nichts herum zu erzählen! Wer ist dafür?“

Julia dachte nach, die Auflage müsste man allerdings auch durchsetzen und überwachen.

Sie hob zögerlich die rechte Hand.

„Ich bin dagegen, werde aber überstimmt“, sagte Markus.

„Wir wissen, wo du und Tugce wohnen!“ knurrte Jürgen.

Er war überrascht von der Entwicklung, aber für seine Freundin schien es die beste Lösung zu sein.

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Part II - Vergeltung
Zwar wusste man nicht wirklich, wo die beiden in Neukölln wohnten – aber das war leicht heraus zu bekommen.

„Ihr könnt gehen!“ rief Markus und Emre glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen.
„Bedankt euch bei Anja und Julia!“

Emre ergriff die Hand seiner zitternden Freundin und stand auf.

„Wir rufen euch sogar ein Taxi! Aber eine Frage habe ich noch: Mein Sicherheitsexperte erwähnte, du hättest sinngemäß gesagt ‚Sie sind hier!‘?“ fragte Markus.

„War ne Übertreibung Mann, ich habe nur läuten gehört, sie haben jemand bei euch platziert!“

Im gleichen Moment biss sich der junge Türke auf die Lippen.
Das hätte er besser nicht gesagt, sondern lieber zusehen sollen, wie er und Tugce Land gewannen, bevor hier wirklich noch etwas passierte.

Alissa – mit richtigen Namen Aliyah Kamal – hatte auf dem Flur fast alles mit angehört, atmete tief durch, schickte ein Stoßgebet zu ihrem Schöpfer, ihr viel Kraft für die kommenden Minuten zu geben.

Emre griff nach dem Handgelenk seiner Freundin, wollte durch die angelehnte Tür verschwinden, aber Jürgen hinderte ihn daran.

„Moment, Freundchen! Ich glaube, wir haben immer noch Klärungsbedarf!“

Emre war auch der Erste, der sie sah und „Scheiße!“ knurrte.

Man saß in der Falle!

Die Frau, die alle als Alissa kannten, stand im Türrahmen, versperrte den Weg und hatte die linke Hand am Auslösemechnismus eines Sprengstoffgürtels.

Alle waren verwirrt, am meisten Markus. Eine Kanadierin als Selbstmord-Attentäterin?

Das überstieg die Fantasie aller Anwesenden, nur Emre hatte etwas geahnt, ohne die komplexe Vorgeschichte zu kennen. Jetzt war es zu spät!

Wenn die dunkelhäutige Frau durchdrehte, würden binnen Sekundenbruchteilen alle im Raum zerfetzt werden, ohne Ausnahme – auch die Rechtgläubigen!

„Bitte, Schwester, lass‘ uns gehen, warum willst du alle töten?“ flehte Emre.

„Ich bin nicht deine Schwester, Türke! Ich bin die Schwester von Amir Kamal – Aliyah Kamal!“ schrie die Attentäterin.

Jürgen hatte von amerikanischen Kameraden in Afghanistan die unglaubliche Geschichte gehört, einer ihrer Scharfschützen habe einem Selbstmordattentäter mit einem gezielten Schuss das linke Handgelenk zertrümmert.
Alle hatten überlebt, sogar der Attentäter, dem allerdings die Hand amputiert werden musste.

Bei einer Pistole war die Streuung viel zu groß, die Idee taugte nichts.

Amir Kamal – der Sudanese, der für Marit Johannsen den Anschlag in Jerusalem organisiert hatte. Julia und Markus wussten sofort Bescheid.

Saß der nicht irgendwo in Israel in Haft? Hatte sich die ISAF die persönlichen Motive dieser Frau zunutze gemacht, um sie zu rekrutieren?
Wenn ja, warum?

Es blieb wahrscheinlich keine Zeit mehr, darüber nachzusinnen.

Julia befand nur, man hätte es merken müssen, den Unterschied zwischen einer Afro-Kanadierin und einer Sudanesin – selbst wenn diese aus dem tiefen Süden des Landes stammte.

Sie hatte sie auf Französisch angesprochen und eine holprige Antwort erhalten – jetzt erschien alles dies in einem neuen Licht…

Es gab nur eine Chance, auch wenn dies Selbstmord bedeutete. Julia stand auf und näherte sich der Attentäterin.
Wie erwartet keuchte diese:

„Bleib stehen, Verräterin! Du bist zum wahren Glauben übergetreten, um dann wieder zu dementieren! Mein Bruder wurde von den Zionisten gefoltert und ist irgendwo verschwunden! Ich weiß nicht, ob er noch lebt – alles deine Schuld!“

Wenn diese Aliyah ihre linke Hand nur drei Zentimeter nach unten bewegte, würde es eine riesige Sauerei geben und die Berliner Kripo hätte jede Menge Arbeit – auch die Gerichtsmediziner.

Alle im Raum hielten den Atem an. Was Julia da tat, war Selbstmord!

„Es gibt nur einen Gott, Aliyah! Abraham, Mose, Jesus und Mohamed – sie alle waren Propheten, kündeten von seiner Allmacht!“

Was faselte Julia da? War sie von allen guten Geistern verlassen?

Aliyah war für einen Moment verwirrt, musste zugeben, dass dieser Jesus auch im Koran als Prophet anerkannt wurde.
Aber diese Verräterin stand jetzt direkt vor ihr!

„Ich hasse dich!“ keuchte Aliyah Kamal.

„Alle Religionen predigen Liebe statt Hass. Warum willst du sterben, Aliyah, warum?“

Anja gesellte sich zu Julia. Es war alles ihre Schuld! Wenn diese Verrückte Julia in den Tod riss, wollte sie dabei sein.

Tugce hatte ganz andere Motive. Sie entwand sich dem Griff ihres Freundes Emre und schloss den Kreis um die Selbstmord-Attentäterin.

Kein Grund zum Aufatmen bei den Männern, aber wenn der Sprengsatz jetzt in die Luft ging, hätte man eine Chance zu überleben.

Die junge Türkin bewunderte den Mut der beiden deutschen Frauen.

„Ich bin deine Schwester im Glauben, bete mit mir, alles wird gut! Wir versprechen dir, alles zu tun, um deinen Bruder zu finden – ist doch so, oder?“

Tugce wandte sich hilfesuchend an Anja und Julia.

„Es war Marit Johannsen, die deinen Bruder angestiftet hat und dann kalte Füße bekam“, sagte Julia, die sich selbst am meisten über den Klang ihrer Stimme wunderte.

Sie klang ein paar Töne tiefer als sonst, einschmeichelnd, beruhigend, hoffte sie.

Falls sie das überlebte, würde sie die Situation abspeichern, um es es in irgendeiner Filmrolle wieder anwenden zu können.

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Sie umklammerte das linke Handgelenk von Aliyah, wie sie es in BDSM-Rollenspielen mit Anja gelernt hatte.

Sie nickte ihrer Freundin zu, die sich hinter der Sudanesin postierte und die Klettverschlüsse langsam löste.

Die Männer im Raum gingen in Deckung. Jeden Moment würden ihnen die Einzelteile der Frauen, die sie doch liebten, um die Ohren fliegen!

Julia war jetzt ganz dicht an Aliyah’s linkem Ohr.

„Wir finden deinen Bruder und setzen alles in Bewegung, um ihm Hafterleichterung zu verschaffen! Seine Entlassung können wir allerdings nicht versprechen!“

Es funktionierte tatsächlich! Der Widerstand von Aliyah erlahmte, sie sackte zusammen, wurde von Tugce aufgefangen.

Anja nahm ihr mit aller gebotenen Vorsicht den Sprengstoffgürtel ab, legte ihn zu Boden.

Julia nahm die Attentäterin in den Arm.

„Ich verzeihe dir – und du verzeihst mir, einverstanden?“

Die Männer kamen langsam wieder aus der Deckung, die sie hinter Schreibtischen und anderem Möbiliar gesucht hatten und trauten ihren Augen kaum!

So ging es also auch!

Aliyah – die man noch vor einer Stunde Alissa genannt hatte – wurde auf einen Stuhl gesetzt und bekam ein Glas Mineralwasser.

„Polizei?“ fragte Markus tonlos.

„Wo denkst du hin? Sie bleibt bei uns, wird es nicht wieder tun!“ sagte Julia.

Markus schüttelte den Kopf, kam aber nicht umhin, den unglaublichen Mut, gepaart mit Leichtsinn, der drei Frauen zu bewundern – allen voran seine Julia!

Es war nicht mehr viel übrig von der schüchternen Büroangestallten aus Berlin-Neukölln, die er kennen gelernt hatte – oder war dies schon immer in ihr gewesen?
Ihr schauspielerisches Talent, ihre Rettungsaktionen in der Südsee oder die Nummer, die sie gerade eben abgezogen hatte?


Diesmal war man im Sheraton Tel Aviv und nicht im Carlton abgestiegen.
Dieses Luxus-Resort hatte den Vorteil fast direkt am Strand des Mittelmeeres zu liegen.

Die jungen Frauen hatten sich auf Liegestühlen der Sonnenterrasse ausgestreckt.

Alissa, die sich jetzt wieder Aliyah nannte, streichelte über die leichte Wölbung des Bauches von Julia.

„Weißt du schon, was es wird?“

„Nein, aber bei der nächsten Ultraschall-Untersuchung…“

„Bedanke dich bei ihm oder ihr. Es gab da diesen einen Moment, da wollte ich wirklich alle in die Luft jagen, aber was gibt es Unschuldigeres als ungeborenes Leben? Ich konnte es nicht, Julia…“

Woher kam dieses Vertrauen zu einer Frau, die noch vor einer Woche bereit gewesen war, zu töten?
Julia wusste es nicht, es war ein Gefühl, das Markus inzwischen teilte.

Nur die Security-Leute trauten dem Frieden nicht.

Problematisch gestaltete sich auch die Sache mit dem Pass.
Aliyah hatte zugeben müssen, den Pass von einer islamischen Untergrundorganisation in Montreal gekauft zu haben.
Die echte Alissa Jones sei plötzlich und unerwartet verstorben, hatte man ihr mit einem schiefen Grinsen offeriert.
Sie war also in Kanada im Besitz eines echten Reisepasses gewesen.

Um allerdings den Behörden in Israel zu beweisen, dass sie die Schwester des inhaftierten Amir Kamal sei, brauchte sie einen Pass, der sie als Aliyah Kamal auswies.

Den hatte die Sudanesische Botschaft in Berlin nach einer Verlustmeldung ausgestellt, was durch einen Umschlag beschleunigt worden war.

Markus, Aliyah und Julia hatte man tatsächlich nach einigen Hin und Her beim Schin Bet in Tel Aviv vorgelassen – aber nur, weil Ariel Baruch, der Hauptabteilungsleiter, die beiden Deutschen gut kannte.

Genau wie die USA und Großbritannien, betrieb auch Israel offizielle und nicht-offizielle Gefängnisse.
Der Weltöffentlichkeit wurden immer Bilder von Guantanamo gezeigt, während die „schweren Jungs“ zumindest zeitweilig auf dem Luftwaffenstützpunkt Diego Garcia im Indischen Ozean einsaßen.

Das kleine Land Israel hatte nicht so viele Möglichkeiten, Gefangene zu verstecken.

Ariel Baruch hatte versprochen, sich darum zu kümmern.
Wahrscheinlich saß Amir Kamal in irgendeinem Loch in der Negev-Wüste – das war der Stand der Dinge…

Aliyah umklammerte die Hand von Julia. Sie und Markus hatten Wort gehalten, taten alles, damit ihr Bruder Hafterleichterung bekam.
Er war doch kein politischer Attentäter, sondern hatte es für eine attraktive blonde Norwegerin getan, die ihm schöne Augen machte.

Markus kam in einer knappen Badehose angestapft, verfolgt von den bewundernden Blicken einheimischer Mädchen und Touristinnen.

Am liebsten hätte er die beiden Bikini-Miezen, die sich auf den Liegen räkelten, an die Hand genommen und einzeln nacheinander auf dem Hotelzimmer vernascht.

Aber ein Blick auf die Armbanduhr verriet ihm, er müsse aus anderen Gründen mit den beiden Frauen auf das Zimmer verschwinden.

„Sorry, tut mit leid, Ladies, aber wir haben jetzt einen Termin – ein Video-Chat!“ sagte Markus mit wichtigtuerischer Miene.

„Wer ist es, Markus? David O. Russell?“ wollte Julia wissen, aber Markus hüllte sich in Schweigen.

Man hatte natürlich bei dem Mann angefragt, der Julia einst zu einem Oscar verhalf.

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Part II - Vergeltung
„Zieht euch was über, Mädels, sonst denkt der gute Mann sonst noch was“, schmunzelte Markus und schlüpfte behände in Hosen und Hemd.

Dann baute sich die Verbindung nach Amerika auf. Auf dem Bildschirm erschien ein Mann, den Julia kannte, aber nicht sofort identifizierte.
Russell war es jedenfalls nicht.

Ein älterer Mann, der aber immer noch wie ein Hippie wirkte, der gern mit Drogen experimentierte.

„Hi, Markus, hi Julia…und die Milchkaffee-Beauty im Hintergrund?“

„Aliyah Kamal!“ beeilte sich die Sudanesin zu sagen.

Der Amerikaner antwortete nicht sofort, sondern kritzelte etwas auf ein Blatt Papier und hielt es dann vor die Kamera.

„Kerry Washington“ stand darauf. „Sie könnte dich spielen, Aliyah, aber am Casting arbeiten wir noch. Ich habe hier Fotos einer deutschen Schauspielerin – Emilia Schüle – soll Julia spielen, von deren Qualitäten muss ich mich erst überzeugen…“

Julia ging das alles zu schnell, hier wurde bereits über Details geredet, ohne dass sie wusste, wer da überhaupt…
Dann dämmerte es Julia!

„Mr. Stone? Oliver Stone?“

Julia hatte in ihrer noch jungen Karriere schon allerlei erlebt, aber sie hatte das Staunen nie verlernt.

„Platoon“, „Geboren am 4. Juli“, „JFK – Tatort Dallas“ – der Meister des Antikriegs- und politischen Films! Wie war Markus an den gekommen?

„Ich sehe an deinen großen Augen, Julia, dass du zu Recht Fragen hast! Ihr habt das Drehbuch an David O. Russell geschickt, der der Meinung war, ich könne damit mehr anfangen. Mich haben immer schon persönliche Dramen in einem besonderen Umfeld interessiert. Wenn du nichts dagegen hast, Julia, übernehme ich den Job!“

Julia musste schlucken, war im Moment zu keiner direkten Antwort fähig, weshalb Markus die Gesprächsführung wieder übernahm.

„Okay, machen wir Nägel mit Köpfen, wie man in Deutschland sagt, Mr. Stone…“

„Oliver!“ wurde er unterbrochen.

„Oliver, ich habe die Film-Förderungs-Töpfe der Bundesländer in Deutschland angezapft, aber wir hätten immer noch eine Finanzierungslücke von 30 Millionen Dollar…“

„Kein Problem, ich besorge Produzenten und Geldgeber! Ich garantiere euch auch Dreharbeiten an Original-Schauplätzen, wie dem Yellowstone Park, bekommen wir alles auf die Reihe!“

Das klang alles viel zu schön um wahr zu sein, Julia hatte immer noch ihre Zweifel.
Es war doch ihr Filmprojekt! Sie wollte die vollständige Rehabilitation für das, was man ihr in den USA angetan hatte!

„Ich habe allerdings ein paar Bedingungen“, ließ sich Oliver Stone vernehmen.
„Vielleicht sollte man daraus ein Biopic machen, die ganze Geschichte von Julia erzählen, von Anfang an?“

„Nein!“ schrie Julia gegen den Bildschirm des Laptops.

Sie wollte auf keinen Fall das einst gestörte Verhältnis zu ihrer Mutter auf einer Leinwand sehen!

„Sorry, Julia, sollte ein Scherz sein! Nein, wir beschränken uns auf die Ereignisse in Breckenridge, im Yellowstone Park und was danach passierte! Aber auf eine Drehbuch-Änderung poche ich, auch wenn ihr zunächst denkt, das ist Schwachsinn…“

Der berühmte Regisseur machte eine bedeutungsschwangere Pause.
Markus, Aliyah und Julia wechselten verwunderte Blicke. Was sollte jetzt noch kommen?

„In der Schlussszene klatschen sich die vermeintlichen Terroristen ab und sagen auf Englisch: ‚Wieder mal eine gute Show geliefert!‘“

Julia befand, der gute Mann habe Drogen konsumiert und nicht mehr alle Nadeln an der Tanne!

Aber er würde ihnen den Schwachsinn sicher gleich erläutern – darauf war sie gespannt…
Und vor allem hatte sie ein paar Argumente dagegen – sie war dabei gewesen – Oliver Stone hingegen nicht!

„Es geht schon mit der Abkürzung ISAF los! International Security Assistance Force – die NATO-Streitkräfte in Afghanistan! Wer denkt sich so was für eine angebliche Terrororganisation aus? Zyniker? Comedians? Islamic State American Forces – das klingt konstruiert und ist es sicher auch…“

Alle drei lauschten angespannt dem, was Mr. Stone noch so aus dem Hut zauberte.

„Es gibt keine gesicherten Untersuchungen und Zahlen, aber ein großer Teil der Katastrophen, die uns in den Nachrichten präsentiert werden, fanden so gar nicht statt! Warum zum Beispiel sollten zwei gut gewartete Flugzeuge derselben Airline binnen weniger Monate abstürzen? Die Antwort ist: Sie sind gar nicht abgestürzt!“

Julia machte eine Scheibenwischer-Bewegung.

„Habe ich gesehen, Julia! Soll ich ins Detail gehen? Nehmen wir nur den vermeintlichen Abschuss von Malaysian Airlines Flug MH17 über der Ukraine. Was hat man da gefunden? Trümmerteile, die in eine Galaxy-Transportmaschine passen und Leichen, die bereits stanken, vor allem nach Formalin! Aber das ist nicht unser Thema! Schon was von Crisis Actors gehört? Die sind mindestens genau so gut wie du, Julia, als Schauspieler, nur bekommen sie dafür nie einen Oscar, wenn sie Opfer von Katastrophen oder Angehörige spielen. Ich habe den Film ‚World Trade Center‘ gemacht – würde ich heute ganz anders darstellen, nach den Erkenntnissen, die ich jetzt habe…“

„Ach, ja, und welche Erkenntnisse sind das?“ fragte Julia, die diesen Stone immer noch für völlig übergeschnappt hielt.

„Kann ich über diese Leitung nicht sagen!“ Oliver Stone grinste in die Kamera des Laptops.

Markus wechselte einen schnellen Blick mit Julia.

Auf diesen erfahrenen Mann wollten sie nicht verzichten, aber irgendwie musste man es schaffen, die Realität darzustellen, statt Verschwörungstheorien.

„Okay, Oliver, wir freuen uns auf die Zusammenarbeit!“ grinste Markus in das Crystal Eye.

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