BDSM und Innigkeit - Ein Essay
Wenn auch so manche genervt und betroffen klangen, zeigt es ein Verteidigungsmechanismus darin
Mir liegt daran meinen Horizont zu erweitern, zu verstehen, auch wenn es mir in manchen Bereichen etwas schwerer fällt als in anderen.
Als Hobbopsychologe ist es einfach zu verlockend, diese beiden Aussagen miteinander in Realation zu bringen. Den ersten Satz weitergedacht, kann man daraus für den zweiten ableiten: "Dass du es verstehen möchtest ist ein Indiz für einen Teil in dir, gegen den du dich noch wehrst, weil...." (hier kann nun einigest stehen: Sozialisation, Erfahrungen etc.).
Mir bei mir aufgefallen, dass ich auf dominantes Verhalten sehr empfindlich reagiere, weil es mir extrem unangenehm ist. Ja, man könnte sagen ich fühle mich dann bedroht.
Dieser Satz untermauert meine oben genannte These, denn viele Menschen lehnen etwas Äußeres als eine Art "Stellvertreter-Kampf" ab, weil sie eigentlich etwas Inneres ablehnen.
OK, Hobbypsychologiemodus aus. (Schade, dafür gibt's kein Icon...)
xy, ich finde es bemerkenswert, dass du dich mit diesem Thema befassen willst trotz deiner Vorbehalte, die vielleicht auch auf Klischeevorstellungen oder eindimensionalen Betrachtungen beruhen, weil du das Ganze bisher nur von außen betrachtet hast. Die Motive, warum du dich damit befasst, sind für mich tatsächlich zweitrangig, denn das ist allein dein eigenes Thema. Ich stand am Anfang meiner Entdeckungsreise trotz meines Kopfkinos und der Entdeckung, dass viele Fantasien als Skizzen schon in sehr jungen Jahren vorhanden waren, BDSM auch sehr kritisch, ambivalent gegenüber. Wenn es dich interessiert, findest du in meinem Profil und v.a. der Homepage "Entwicklung" mehr dazu.
Vielleicht erklärt ihr mir, was euch bewegt, wenn ihr eurer Präferenz nachgeht.
Ich bin ein eher sanftmütiger Mensch, der buchstäblich keiner Fliege etwas zu Leide tun kann. Der Frauen eher auf Händen trägt als sie zu schänden. Und doch tue ich letzteres sehr gerne. Die Vereinbarkeit liegt für mich darin, dass meine Lust, eine Frau zu dominieren, sie zu benutzen und (vermeintlich) zu erniedrigen, untrennbar mit der Lust meiner Partnerin verbunden ist. Auch wenn ich sie gelegentlich "diszipliniere", dann hat das weniger mit Gewalt zu tun als mit der Erziehung eines Kindes, die vor allem Führung bedeutet. Eine erwachsene Frau ist kein Kind, und so sehe ich sie auch nicht (meine Vita kennt tatsächlich vor allem sehr selbstbewusst, toughe, eher dominant wirkende Frauen). Doch es gibt diese Ebene zwischen uns, auf der das Gefühl wohl mit dem vergleichbar ist, was liebende Eltern für ihre Kinder haben: Sie wollen ihre Grenzen, sie brauchen sie als einen Rahmen, in dem sie sich geborgen und sicher entwickeln können - um dann und wann auch dageggen aufzubehren und ausbrechen zu wollen. Der Rahmen jedoch ist das Maßwerk, was jede Beziehung in ihrem Innersten zusammenhält - zwischen Eltern und Kindern ebenso wie zwischen Partnern - und auch zwischen zwei Menschen, die nur Sex und Lust miteinander teilen wollen. Der Rahmen ist ein in der Natur jedes Gruppenwesens angelegtes Prinzip, in der Tierwelt ebenso wie bei Menschen, damit das Zusammenleben gelingen kann.
Wie zwei oder mehr Menschen ihr Rahmenwerk gestalten und empfinden, ist etwas höchst Persönliches, dass auch nur für die daran teilhabenden Menschen von Interesse und Relevanz ist und nicht für Außenstehende.
Wenn ich eine Frau schlage, dann empfinde ich vor allem Zärtlichkeit. Sie gestattet mir, sie auf eine Art tief in ihrem Inneren zu berühren, wie es streichelnde Hände und Küsse nicht vermögen, denn diese Berührung erfolgt auf einer anderen Ebene. Es ist ein Kontakt an der Grenze zu den Teilen deines Selbst, (im Aktiven wie im passiven partner), die in diesen Momenten danach streben, Eins zu sein. Grenzen werden aufgehoben und ein Mensch kann sich in seinem Ganzen empfinden. Auch jeden Bereiche, die wir gerne und oft reflexhaft wegsperren, weil wir Angst vor ihnen haben oder weil wir meinen, sie gehörten nicht zu uns.
Was mich noch ganz verblüfft, ist das Vertrauen, was offenbar dazugehört wenn man BDSM auslebt. Das geht doch vermutlich nur in festen Beziehungen, in denen sich eben schon Vertrauen zum anderen aufgebaut hat. Einem Fremden zu vertrauen halte ich für leichtsinnig bis leichtfertig.
Warum verblüfft dich das Vertrauen? Ist Vertrauen eine Empfindung des Zusammengehörens, die deinem Bild von "Gewalt" zwischen Menschen widerstrebt? Dann liegt darin sicher ein Schlüssel zum Verständnis, um dass es dir geht.
Mein Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Eigenverantwortung ist mir sehr wichtig und das scheint bei euch zu einem gewissen Teil ähnlich zu sein ...
Es gibt submissive Menschen, die tatsächlich danach streben, ihre Selbstbestimmung gänzlich abzugeben. Ihre Eigenverantwortung besteht darin, diesen Weg als den ihren zu wählen. Doch in der Regel sind selbst diese Menschen, die nur einen winzigen Teil aller ausmachen, die eine oder mehrere Facetten von BDSM leben und lieben, keine lebensunfähigen Menschen, die einen anderen brauchen, damit er ihnen ihr Leben vorgibt (Ausnahmen bestätigen wie meist auch hier die Regel). Tatsächlich sind die meisten BDSMler bei allem, was sie zu dem gemacht und geführt haben mag, durchaus sehr Willens und in der Lage, ihren eigenen Weg zu gehen, den Kopf erhoben. Sie lieben es jedoch, genau diese Anforderungen und Anstrengungen, diese Eigenverantwortung, immer wieder abzugeben und sich fallenzulassen.
Wenn du in ein Flugzeug steigst, vertraust du auch den Fähigkeiten des Piloten, sich sicher an dein Ziel zu bringen und stiefelst nicht ins Cockpit, um das Ruder selbst in die Hand zu nehmen (selbst dann nicht, wenn du einen Pilotenschein hast...)
Und zum Ende dieser doch etwas länger gewordenen Essays noch eine Betrachtung:
Sex ist nicht nur die romantische, zärtliche Versenkung zweier Menschen, die sich begehren. Das ist nur eine Seite. Sex hat auch eine archaische Urkraft, eine Energie, die in allen Menschen vorhanden ist. Diese Energie ist für sich wie alle Energie weder gut noch schlecht, weder schön noch erschreckend. Sie ist einfach. Ob daraus Gewalt und Zerstörung resultieren oder Schöpfungskraft liegt an jedem Einzelnen von uns. Yin und Yang.
Für mich sorgt diese Schöpfungskraft für ein sehr intensives Gefühl von Innigkeit mit meiner Partnerin. Das natürlich um so stärker ist, je länger man sich kennt und die Beziehung auf gewachsenen Gefühlen ruht. Doch auch lustvolle, punktuelle Begegnungen ohne den Rahmen einer festen Beziehung können diese Kraft wecken. Sie können sogar einfacher sein, die archaische Kraft zu spüren, weil es weniger Interferenzen mit anderen Beziehungsebenen gibt. Und das wiederum kann sehr inspirierend sein.