Kein Orgasmus - na und?
Hallo ihr Lieben,
als ich das Thema gesehen hab, wusste ich sofort: da muss ich meinen Senf dazugeben, und zwar weil es da etwas an der ganzen ''Problematik'' stört, als der nicht vorhandene Orgasmus selbst.
Ich gehöre zu der Fraktion, die beim Sex einfach nicht kommt, sondern nur, wenn ich selbst Hand anlege - an sich offensichtlich keine Seltenheit, aber scheinbar sehen das die meisten Frauen (zumindest die, mit denen ich bis jetzt gesprochen habe), aus einer ganz anderen Perspektive als ich: sie empfinden es als belastend, als störend, ein Problem, und wollen unbedingt wissen, was sie dagegen tun können.
Ich bin zwar erst 20, habe aber mittlerweile genug Erfahrung, um sagen zu können: bei mir liegt es nicht am Partner. Wenn ich selbst Hand anlege, brauche ich teilweise nur eine Minute, und nie mehr als fünf, selbst wenn ich mir Zeit lasse. Mit Partner tut sich auch nach einer Stunde nichts, egal wie sehr wir uns ins Zeug legen. Ein einziges Mal ist es meinem damaligen Partner gelungen, mich zum Höhepunkt zu bringen, und das nur nach etwa einer halben Stunde für ihn sehr anstrengenden und mich sehr verkrampften Cunnilingus. Ja, gut, ich bin gekommen, sogar recht intensiv - aber es war angespannt, frustrierend und freudlos. Lust kam da erst recht nicht auf, das war einfach nur die Reaktion überstrapazierter Nerven, das ziemliche Gegenteil von gutem Sex. Und genau daraus ergibt sich auch meine Meinung: ein Orgasmus muss doch gar nicht sein.
Ich genieße lieber ganz unentspannt den Sex, als mich konstant darauf zu konzentrieren, meine Nervenenden da unten so intensiv wahrzunehmen, dass es für einen Höhepunkt reicht. Für die Frauen, die keine ''Blockade'' und den passenden Partner haben und so relativ unkompliziert zum Höhepunkt kommen, ist das natürlich wirklich toll. Aber das sind eben längst nicht alle, eher im Gegenteil. Und trotzdem ist es ein Problem? Ich weiß von vielen meiner Freundinnen, dass sie es als regelrecht stigmatisierend empfinden, nicht zu kommen, als würden sie damit ihren Partner herabwürdigen oder sich nicht genug konzentrieren. Und das ist meiner Meinung nach viel schlimmer als das eigentliche ''Problem'' - dass es so aufgebauscht wird. Und eben durch diese verkrampfte Haltung, dieses ''ich muss jetzt aber kommen''-Denken, wird das alles noch viel schlimmer.
Vielleicht geht es da nur wenigen wie mir, aber ich habe mich, nach einiger Zeit des mit-mir-Haderns, damit abgefunden, und sogar die Vorteile zu schätzen gelernt. Ich kann mich viel mehr auf meinen Partner einlassen, bin nicht dadurch gehemmt, dass ich kurz vor meinem Höhepunkt stehe und mich in dem Moment lieber auf mich konzentrieren will. Es ist ja nicht so, dass ich keine Lust empfinde oder nicht in Ekstase gerate, aber ich habe keinen Leistungsdruck, und wenn ich nicht komme falle ich nicht sofort (wie es scheinbar leider weit verbreitet ist) in das Denkschema: der Sex war schlecht. Im Gegenteil, seitdem ich mich damit abgefunden habe, dass es bei mir eben so ist, wie es ist, erlebe ich das alles meiner eigenen Meinung nach viel intensiver und bin eher in der Lage, mir eine Meinung über das ''Gesamtpaket'' zu bilden, ohne so schrecklich ergebnisfokussiert zu sein.
Zugegeben, ich lasse mich häufig dazu hinreißen, so zu tun als ob... warum, weiß ich selber nicht genau. Da meine aktuellen ''Beziehungen'' eher unverbindlicher Natur sind, sehe ich keinen Sinn darin, meinem Gegenüber mein komplettes Innenleben und etwaige psychische Blockaden zu erklären, da halte ich es lieber traditionell weiblich-passiv: die Frau genießt, schweigt und streichelt sein Ego. Der Höhepunkt wird nunmal als eine Art Beleg für guten Sex angesehen, leider, und auch wenn ich nicht damit übereinstimme, so spare ich mir lieber die ewigen Diskussionen und die daraus resultierenden Gefühlswallungen meines Partners. Wenn ich Glück habe, ist es Verständnis, wenn ich Pech habe, wird er vielleicht weinerlich, versinkt in Schuldgefühlen, fühlt sich in seiner Männlichkeit untergraben oder gibt sogar mir der Schuld, und es kommt zu einem unnötigen Streit.
In einer festen Beziehung würde ich das Thema vielleicht auf den Tisch packen, bei flüchtigen oder unverbindlichen Arrangements spare ich mir das Ganze einfach. Ganz einfach, weil der magische Orgasmus, von dem alle Welt so schwärmt, mir weder beim Sex begegnet ist noch irgendeinen großartigen Reiz auf mich ausübt.
Das wären soweit meine Gedanken zu dem Thema... ich sage nicht, dass ein Orgasmus nichts erstrebenswertes ist, und dass Frauen sich damit abfinden sollten, in dieser Hinsicht ''benachteiligt'' zu sein. Aber vielleicht sollte man sich eher auf den Austausch von Intimitäten, die Lust und den Spaß und den Sex an sich konzentrieren, als auf das Ergebnis. Mir zumindest hat das sehr geholfen.
Puh, das ist um Einiges länger geworden als geplant... aber vielleicht findet sich ja jemand in meinen Gedanken wieder.
Liebste Grüße
MissRaven