Die Entdeckungsreise
Es ist mal wieder spät geworden, eine laue Sommernacht, die Stadt vibriert vor guter Laune und Vorfreude auf das Wochenende.Margaux lässt sich atemlos in den Sitz des Regionalexpress fallen, den sie so gerade noch erwischt hat. Die Kunden hatten an diesem Tag wieder ein Mal ein überaus großes Gesprächsbedürfnis, und dann musste sie ja noch unbedingt ein neues Buch für die tägliche Fahrt zur Arbeit besorgen.
Nachdem sich ihr Herzschlag wieder etwas beruhigt hat, kramt Margaux ihre neue Errungenschaft aus der Tasche und vertieft sich erst ein Mal in den Kladden-Text.
'Na toll, Margaux! Prima! Ein erotischer Roman mit allem was dazu gehört, geheimnisvoller, super toll aussehender Mann, eine mitten im Leben stehende und genauso hübsche Frau und.....der zweite Teil einer Trilogie!' „Ganz prima, Margaux“ schimpft sie mit sich selbst, vertieft sich dann aber doch in die ersten Seiten.
Schon nach wenigen Augenblicken hat Margaux ihre Umgebung völlig vergessen, und ein leichtes Kribbeln macht sich zwischen ihren Beinen breit, ihr Kopfkino läuft auf Hochtouren. Das ganze spielt in einem Kontext, der ihr sehr zusagt, den sie aber selbst noch nie erlebt hat, so gerne sie es auch wollte. Erst spät hat Margaux ihre devot-masochistische Ader entdeckt, sich aber nie getraut, ihre Vorliebe auch auszuleben, ganz abgesehen davon, dass ihr bis jetzt der richtige Mann dazu gefehlt hat. Bis jetzt.
Als Margaux an ihrem Zielort aus dem Zug steigt, umspielt ein leises Lächeln ihre Mundwinkel. Sie muss an Benedict denken, den sie vor einigen Wochen im Internet kennengelernt hat, und macht sich gut gelaunt zu Fuß auf den halbstündigen Weg nach Hause, wo sie hofft, eine neue Mail von ihm vor zu finden.
Die warme Sommerluft umspielt ihre nackten Beine, sie ist mit ihrem 176cm und ihrer schlanken Figur eine gut aussehende Frau. Mit ihrer frechen Kurzhaarfrisur und den leuchtend blauen Augen sieht sie jünger aus, als sie in Wirklichkeit ist, und die rote Farbe ihrer Haare gibt ihr das gewisse Etwas. Margaux lässt ihre Gedanken schweifen.
Drei Jahre ist es her, dass sie, wie aus heiterem Himmel, beschlossen hat, in die Hauptstadt zu ziehen. Sie hat sich eine neue Arbeit gesucht und ein kleines, preiswertes Häuschen am Stadtrand gemietet, sich von ihren Freunden und Bekannten verabschiedet und hat noch ein Mal ganz von vorne angefangen.
Sie ist glücklich, hier in dieser Stadt, die vor Leben übersprudelt und die sie in ihrer wenigen Freizeit mit immer größer werdender Neugierde und Freude tagsüber und auch nachts erkundet. Mit ihren Kollegen versteht sie sich gut, und die Kundschaft scheint sie zu mögen und freut sich, wenn sie zur Versorgung kommt, auch wenn es immer nur für ein paar Minuten ist.
Nur manchmal schleicht sich ein wenig Wehmut ein, Momente, in denen Margaux sich wünscht, dass jemand da ist, wenn sie nach Hause kommt, jemand, bei dem sie sich anlehnen und geborgen fühlen kann. Einen Menschen, um ihre Gedanken, Gefühle und Wünsche zu teilen. Jemand, bei dem sie schwach und sie selbst sein darf.
Aus diesem Impuls heraus hat sie vor einigen Wochen auf einer Dating-Plattform im Internet ein Profil angelegt und eine ihrer geheimen Phantasien eingestellt. Wie nicht anders zu erwarten, war am nächsten Tag ihr Postfach voll mit mehr oder weniger eindeutigen Mails.
Margaux hat sich Stunden Zeit genommen und sehr sorgfältig ausgewählt, hat die Männer, die nicht sofort durch ihr Raster gefallen sind, aufgefordert, ihr eine kleine Geschichte zu schreiben, ihre Fantasie fort zu führen. Ein Anschreiben hat ihr Interesse ganz besonders geweckt.
Spürst Du die Reitgerte, die an Deiner rechten Flanke herunter streicht und Dich dann mit kleinen Schlägen gegen die Innenseiten Deiner Schenkel dazu bringt, Deine Beine weiter auseinanderzunehmen?
Nur ein einziger Satz, der sie so im Inneren angesprochen hat, dass sie es kaum abwarten konnte, bis sie die Fortsetzung in ihrem Postfach hatte. Was dann jedoch kam, hatte sie nicht erwartet. Fünf Seiten hatte er geschrieben. Hatte sich als Benedict vorgestellt und dann begonnen, ihre Fantasie weiter zu entwickeln. Woher er so genau ihre Wünsche und Begierden kannte, konnte sie sich nicht erklären, aber sie war sofort in seinen Bann gezogen und hatte sich in derselben Nacht noch hingesetzt, um ihrerseits ein Kapitel zu schreiben.
Den ganzen nächsten Tag war sie unkonzentriert und aufgeregt und fragte sich ein ums andere Mal, ob Benedict wohl ihre Antwort gefallen hatte. Als sie nach Hause kam, hatte sie alles erst mal in eine Ecke geworfen und ihren Laptop hochgefahren.
Benedict hatte ihr mit einem großen Kompliment und einem weiteren Kapitel geantwortet.
So hatten sie begonnen, täglich jeder ein Kapitel zu schreiben. Margaux saß Nächte lang am Laptop, damit Benedict morgens vor der Arbeit noch ihre Geschichte lesen konnte, und mehr als einmal hatte sie nach der Arbeit ihre Haltestelle verpasst oder war in die falsche Bahn gestiegen, weil sie so in seine Geschichten, die sie auf dem Handy aufgerufen hatte, vertieft war.
Das ging jetzt schon seit fast fünf Wochen so und in der Zwischenzeit hatten sie sich auch schon einige Mal auf neutralem Terrain getroffen, um sich auch persönlich kennen zu lernen. Sie waren essen gewesen, hatten Cocktails getrunken und sich vorsichtig aneinander herangetastet, sich umarmt und auch geküsst. Sie waren stundenlang spazieren gegangen und hatten die Stadt gemeinsam erkundet, oft schweigend ohne sich miteinander zu langweilen.
Margaux fühlte sich wohl mit Benedict, und jetzt hatten sie beschlossen, sich auch in naher Zukunft einmal bei ihr zu treffen und gemeinsam zu spielen. Ihre Adresse hatte sie Benedict schon gegeben, es fehlte nur noch ein Termin, damit Margaux endlich auch ein Mal erfahren würde, was es heißt, dominiert und gestraft zu werden.
Dieses Wochenende hätte sich so schön angeboten, denn sie hatte frei und auch sonst nicht viel vor, aber Benedict hatte leider abgesagt, da er beruflich unterwegs sei, wie er ihr mit Bedauern in der Stimme gestern am Telefon mitgeteilt hatte.
Seufzend fischt Margaux ihren Schlüssel aus der Tasche, als sie das Grundstück betritt, und stellt sich auf ein weiteres ruhiges Wochenende ein. Leise über den mal wieder nicht funktionierenden Bewegungsmelder fluchend, biegt sie um die Hausecke und bleibt wie angewurzelt stehen. Langsam breitet sich ein Strahlen auf ihrem Gesicht aus.
Vor ihr steht Benedict, fast 1,90 m groß und schlank, grinst er sie aus seinen whisky-braunen Augen an. Seine schon etwas lichten weißen Haare geben ihm ein distinguiertes Aussehen und das schwarze T-Shirt und die ebenso schwarze Hose betonen seine natürliche Dominanz noch zusätzlich.
Erst auf den zweiten Blick bemerkt sie, dass er Augenbinde und Handschellen in seinen Händen hält. Leise befiehlt er ihr, sich auszuziehen bis auf Strümpfe und Schuhe. Er tritt an sie heran und verbindet ihr die Augen, verbietet ihr gleichzeitig, auch nur ein Wort zu sagen und führt sie dann in Handschellen durch den Garten.
Margaux fühlt sich etwas unsicher und fragt aus einem Impuls heraus, was er mit ihr vorhat, und weiß doch im selben Moment, dass nun eine ihrer Fantasien wahr werden und Benedict sie, sobald er sie an die große Buche gefesselt hat, bestrafen wird.
tbc
© DieTraumweber April 2015