Ich hab da mal vor langer langer Zeit was zu geschrieben und stelle es mal ein, weil es IMHO immer noch passt...
Ein kleines Eigeninterview von vor langer Zeit
Unsanfte Landung - Der Absturz
Mags: rosa, wir haben uns heute getroffen, um über ein Thema zu reden, das die meisten BDSMler gerne totschweigen. Abstürze. Keiner hatte sie jemals, jeder trachtet danach sie zu vermeiden. Man tuschelt darüber, aber selten wird konkret gesagt "ich kenne das". Du hast vor kurzem einen recht massiven Absturz erlebt. Erzähl doch einfach mal, wie es dazu gekommen ist.
rosa: Eigentlich war es ein normales Spiel in einer normalen, sehr innigen, D/s Beziehung. Ich hatte Mist gebaut, ich hatte die entsprechende Strafe zu bekommen und das war auch völlig in Ordnung so. Trotz dieser normalen Situation lief es schon bei den ersten Hieben aus dem Ruder. Die Situation wandelte sich für mich vom Spiel in de partnerschaftliche Ebene. Ich habe das, was da geschah als völlig surreal gesehen, habe meinen Partner als jemand Fremden wahrgenommen. All das Vertrauen, das ich in ihn habe, war mit einer Sekunde dahin. In mir war nur noch ein eisiges, ungutes Gefühl. Ich fühlte mich verraten, verkauft, missverstanden, missbraucht, in einem Augenblick. Meine ganze Gefühlswelt ist in diesem Moment ins Schleudern gekommen, die Gründe hierfür weiß ich nicht genau. Ich kann nur jetzt, zu einem späteren Zeitpunkt, Vermutungen darüber anstellen. Die Empfindungen damals haben mich erschreckt, ich fühlte mich unendlich allein, obwohl er da war, obwohl er derjenige war, der mit mir spielte.
Vielleicht lag es an meiner Tagesform. Ich hatte auf der Arbeit sehr viel Stress gehabt und war eigentlich nicht in der Laune zu spielen. Da sub aber natürlich perfekt sein will, baut sich mitunter ein gewisser, eigenerzeugter Druck auf. Ich hätte ihm etwas sagen können, habe das aber nicht getan.
Vielleicht hat sich auch einfach mit der Zeit etwas in unserer Beziehung aufgestaut. Die Zeit zuvor hatten wir mit unglaublicher Intensität gespielt. Im Gegensatz zu früher dauerte unser Spiel jetzt an, mit definierter Hierarchie. Es gab nur noch den Herrn und die sub, nicht mehr die Menschen dahinter. Und dabei sollten die doch im Vordergrund stehen. Ich hatte das Gefühl zu kurz zu kommen. Schließlich liebe ich ihn als den Menschen, der er ist, nicht nur als den Dom. Eigentlich war an dem Tag nichts wie sonst.
Ich habe einfach im Spiel hemmungslos angefangen zu weinen, dann kam dieser emotionale Absturz. Das Gefühl von Kälte in meinem Herzen, wie sich alles in mir zusammenzog. Ich mich in mich selbst emotional zurückzog. Ich habe mich allein gefühlt und er konnte nicht das geringste dagegen tun.
Mags: Wie hat er reagiert, was hat er gemacht? Konnte er Dir nicht helfen?
rosa: Mags, er hatte keine Chance. Wenn die Absturzspirale im Kopf anfängt, dann hängt man in ihr fest Man saust kopfüber talwärts in die endlose Dunkelheit hinein, auf den Boden zu, der sich, wenn man aufschlägt, nicht einmal unangenehm kalt anfühlt, eher lauwarm und klebrig. Er hält einen fest, hält das Denken gefangen, blockiert die Vernunft.
Wenn man stürzt, dann kann der aktive Part alles mögliche tun, aber in manchen Fällen hilft das nicht. Mein Partner hat mich losgemacht, mich in den Arm genommen, mich gestreichelt, mir einfach Nähe geben und das Gefühl vermitteln wollen, dass er für mich da ist und dass ich sicher bin. Einfach nichts sagen, nur fühlen, zuhören, Tränen trocknen, mit mir kuscheln, mir klar machen, dass alles gut ist, dass nichts passiert ist, dass alles wie vorher ist.
Ich habe ihn nicht an mich heran gelassen, ihn der mir so weh getan hat, der mich missbraucht und verletzt hat. Das klingt unglaublich paradox, wenn man weiß, wie sehr ich ihm vertraue, aber in diesem Augenblick spielte das alles keine Rolle mehr. Es ist als ob man eine Mauer um sich errichtet, nur um zu verhindern, dass noch mehr seelischer Schmerz auf einen zukommt, also blockt man.
Mags: Man blockt?
rosa: Ja, ich habe seine Nähe in diesem Augenblick nicht ertragen, habe ihn körperlich abgewehrt und mich aus seiner Umarmung befreit. Ich habe ihm nicht erlaubt, dass er mich berührt. Ich hatte ja die irrige Empfindung, er ist das gar nicht. Es ist irgend jemand anderes, der mir wehgetan, der mich verletzt hat. Nicht er, denn er würde das ja niemals tun. Das einzige, was ich in mir spürte, war Kälte. Da war kein anderes Gefühl mehr in mir. Vor allem fehlte die Wärme, die sonst da ist, wenn ich nur an ihn denke, keine Liebe, nur ein leeres Nichts...
Mags : Wie hat sich der Absturz für Dich und Deinen Top in Folge ausgewirkt? Hatte er Auswirkungen über das Spiel hinaus?
rosa: Die Gedanken rasten, die Nacht hindurch, es hört gar nicht mehr auf dieses verlorene Gefühl. Gerade so als ob man ein winziger Punkt in einer riesigen Wüste aus Eis ist. Anders kann ich es gerade nicht beschreiben, ich wüsste im Augenblick nicht wie. Ich habe mich, während ich gestürzt bin, trotz seiner Anwesenheit mehr als nur verloren gefühlt, allein gelassen, habe ihn hinter dem Herrn nicht mehr erkannt, den, der mir doch so vertraut war.
Ich habe die ganze Zeit nachdem er gegangen war, nur noch geheult, die ganze Nacht. Selbst wenn er geblieben wäre, er hätte nichts tun können, ich musste das mit mir selbst abhandeln...
Die nächsten Nächte ging das so ... selbst mein Hausmittel bei solchen Fällen hat versagt. Normalerweise dusche ich bei so etwas ewig lange, eine halbe Stunde Minimum. Das mache ich meistens, wenn es mir nicht gut geht, so als könnte das warme Wasser alle Unbill meiner Welt von meinem Körper herunter- und aus meiner Seele herauswaschen ...
Manchmal klappt das und in das Chaos meiner Gedanken kehrt die Ruhe der Klarheit wieder und ich weiß, was zu tun ist oder wie ich handeln sollte... das war da nicht der Fall...
Ich stand vor dem Spiegel, schaute mich an und wusste nicht, wen ich da sehe ... Wer bin ich? Was bin ich? Und ich fand trotz aller Überlegung keine Antwort auf die Frage. Ich sah nur ein paar verwirrte Augen, die die Spiegel der Seele sind, die genauso verwirrt war im Augenblick.
Mags: Du hast gesagt, das ganze ging ein paar Tage lang. Wie bist Du damit fertig geworden? Was hast Du gemacht?
rosa: Im wesentlichen nachgedacht ... sobald ich Muße fand, nachzudenken. Meine Zeit auf der Arbeit war pure Erholung, denn sobald ich wieder zur Ruhe kam, liefen die Mühlsteine in meinem Kopf wieder los. Aber das war auch gut so, denn ich habe langsam und stetig realisiert, was passiert war. Meine größte Angst war, dass unsere Beziehung Schaden nehmen könnte, dass ich mein Vertrauen nicht wieder finden werde. Im Nachhinein hat sich das Gott sei Dank als nicht zutreffend erwiesen. Es ist wieder alles in Ordnung.
Ich habe mir auch Gedanken um ihn gemacht, was er fühlt, wie es ihm geht ... weil ich weiß, wie wichtig ich ihm bin und dass seine Gedanken darum kreisen, dass er schuld daran ist, dass er es nicht früh genug bemerkt hat, um mich aufzufangen zu können.
Wir haben viel telefoniert in dieser Zeit. Es ist nun mal der Nachteil einer Wochenendbeziehung, dass man sich nicht direkt auseinandersetzen kann. Wir haben es wohl jeder für sich in größeren Stücken getan.
Ich habe mir die Situation immer und immer wieder ins Gedächtnis gerufen, reflektiert und überlegt, was der Grund war und ob es sich hätte vermeiden lassen. Ob ich hätte bremsen können... warum ich nicht einfach das Spiel unterbrochen habe ... wozu gibt es denn ein Safeword.
Irgendwann wurde mir folgendes bewusst: Als ich gefesselt im Rahmen hing und am seelischen Runterkrachen war, konnte ich es nicht stoppen. Ich war in einer Spirale, die in rasendem Galopp nach unten rauschte und mich mitzog. Wie soll man stoppen, wenn man das Gefühl hat allein zu sein? Mit wem soll man kommunizieren?
Der Kopf, meine Ratio, funktionierte nicht auf die übliche Art und Weise. Kein einziger interner Schutzmechanismus arbeitete. Ich konnte nicht stoppen und war irgendwie vollkommen abgeschottet, eingepackt in mich selbst. Mein Verstand, der das wohl im Nachhinein betrachtet mitbekommen hat, auf welcher Bahn ich da laufe, hat es nicht geschafft, zu reagieren und mich da rauszureißen.
So etwas passiert einfach. Es ist nicht steuerbar und keiner der Beteiligten trägt die Schuld daran ...
Mags: Also hältst Du Abstürze für nicht zu vermeiden?
Rosa: Nein, ich glaube mittlerweile nicht mehr, dass es am besonders guten Top oder bottom liegt, dass beiden noch nie ein Absturz passiert ist, sondern, dass sie lediglich Glück hatten.
Wir spielen oftmals am Rand mit den Emotionen, mit der Angst, mit Abneigungen und Vorlieben, überwinden Grenzen, verschieben sie und manchmal erkennt man das Ende halt nicht so gut. Und man saust talwärts, weil man zu nahe am Rand gestanden und der vermeintlich sichere Hang nachgegeben und das Seil nicht gehalten hat. Unfälle passieren nun mal... auch wenn seelische Unfälle oftmals schwerer zu überwinden sind ...
Aber sag mal ... ich habe mal von Abstürzen bei Tops gehört. Hast Du so etwas schon mal erlebt ...?
Mags: Ja, ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass Top Drop etwas mir unbekanntes ist. Die von Dir geschilderten Gefühle sind bei mir ähnlich aufgetreten, bei mir kam jedoch noch ein übergroßes Gefühl, die Kontrolle nicht mehr zu haben, versagt zu haben und eine irgendwie geartete Hilflosigkeit dazu.
Meine Top-Drops waren immer Reaktionen auf einen Absturz bei einem sub, den ich zumeist gerade noch abfangen konnte, aber mir schon mehr als klar war, wie haarig die geschehene Situation gewesen war.
Was folgt ist das schlagartige Bewusstwerden, dass man letztendlich auch nur ein Mensch ist und nicht die große Göttin auf dem Olymp. Ein ruckartiges Rausreißen aus dem Top-Space in die Niederungen der Realität, das mitunter mehr als schmerzhaft sein kann und auf die Seele schlägt ... Und auch bei mir hat das schon einmal mehrere Nächte harten Kampfes mit meinem Kopf und Ego erfordert, wobei ich mir immer überlegt habe, ob ich den ganzen BDSM Krams nicht vergessen sollte und stattdessen vanilla werden ... Aber da man nicht sein kann, was man nicht ist, bin ich natürlich im toppigen Lager geblieben.
Auch als Domme ist man von den üblichen einflussnehmenden Parametern wie Stress im Alltag oder bloße Unlust nicht gefeit. Das geht mir genauso, wie Du es oben schon geschildert hast. Manchmal habe ich keine Lust zum Spielen, lasse mich aber trotzdem dazu verleiten, weil sub ja von mir erwartet, dass ich die perfekte Domme gebe.
Eigentlich ist es wohl kein so großer Unterschied, auf welcher Seite man spielt, wenn man sich selbst unter Druck setzt, Erwartungen erfüllen zu müssen. Und manchmal überfordert es einen. Und dann ist die Gefahr, dass etwas schiefläuft, natürlich eher gegeben, als in trauter Entspannung.
rosas und mein Gespräch dauerte noch eine ganze Weile länger. Wir sind Freundinnen und kennen uns schon relativ lang. Ich denke aber, dass in diesen offenen Worten das zum Ausdruck kommt, was wir beide hiermit erreichen wollen.
Nämlich dass mal jemand anspricht, was so viele verschweigen. Wenn man abgestürzt ist, geht das enorm aufs Ego. Zumal, wenn das den anderen, die man so kennt, angeblich noch nie passiert ist. Das erzeugt neue Angst zu versagen und führt zu sehr viel weniger Spaß am Spiel, weil man ständig auf der Hut ist, dass ja nichts Unvorhergesehenes passiert. Neuer Druck baut sich auf und man ist wieder da, wo die Spirale mitunter beginnt. Abstürze sind menschlich.
Sie passieren eben. Niemand ist besser oder schlechter, weil er so etwas kennt oder nicht kennt. Sie sind Unfälle der Seele in einem Spiel am Rand.
Reden hilft und viel miteinander reden ist auch nötig, um die verletzte Vertrauensbasis wieder herzustellen. Und zwar auf beiden Seiten und in sich selbst.
Abstürze sind keine Beinbrüche. In der Regel sind sie unserer Meinung nach unterbewusste Stopsignale, wenn der Verstand die Notwendigkeit zu stoppen nicht erkennt. Man sollte das Spiel dann erst einmal für eine Weile aussetzen, abwarten, nach Gründen für das Geschehene suchen. Versuchen herauszufinden, was der Grund war, auch wenn es zunächst keinen ersichtlichen Grund gibt. Manchmal ist es wohl das Gefühl, nicht als das akzeptiert zu werden, was man ist. Nur noch sub oder Dom zu sein, ohne dass der Mensch Berücksichtigung findet. Und manchmal hat man einfach nur einen schlechten Tag, andere Dinge im Kopf, würde lieber etwas anderes tun oder einfach einen Kuschelabend mit seinem Partner zu verbringen.
Wenn es einem nicht gut geht, gilt es für den anderen aus seiner Rolle herauszukommen und Mensch zu sein. Das "Spiel" muss unter solchen Rahmenbedingungen auch mal hintenanstehen.
In diesem Sinne: Passt auf Euch auf ...
(c) MdF 2002
Ein kleines Eigeninterview von vor langer Zeit
Unsanfte Landung - Der Absturz
Mags: rosa, wir haben uns heute getroffen, um über ein Thema zu reden, das die meisten BDSMler gerne totschweigen. Abstürze. Keiner hatte sie jemals, jeder trachtet danach sie zu vermeiden. Man tuschelt darüber, aber selten wird konkret gesagt "ich kenne das". Du hast vor kurzem einen recht massiven Absturz erlebt. Erzähl doch einfach mal, wie es dazu gekommen ist.
rosa: Eigentlich war es ein normales Spiel in einer normalen, sehr innigen, D/s Beziehung. Ich hatte Mist gebaut, ich hatte die entsprechende Strafe zu bekommen und das war auch völlig in Ordnung so. Trotz dieser normalen Situation lief es schon bei den ersten Hieben aus dem Ruder. Die Situation wandelte sich für mich vom Spiel in de partnerschaftliche Ebene. Ich habe das, was da geschah als völlig surreal gesehen, habe meinen Partner als jemand Fremden wahrgenommen. All das Vertrauen, das ich in ihn habe, war mit einer Sekunde dahin. In mir war nur noch ein eisiges, ungutes Gefühl. Ich fühlte mich verraten, verkauft, missverstanden, missbraucht, in einem Augenblick. Meine ganze Gefühlswelt ist in diesem Moment ins Schleudern gekommen, die Gründe hierfür weiß ich nicht genau. Ich kann nur jetzt, zu einem späteren Zeitpunkt, Vermutungen darüber anstellen. Die Empfindungen damals haben mich erschreckt, ich fühlte mich unendlich allein, obwohl er da war, obwohl er derjenige war, der mit mir spielte.
Vielleicht lag es an meiner Tagesform. Ich hatte auf der Arbeit sehr viel Stress gehabt und war eigentlich nicht in der Laune zu spielen. Da sub aber natürlich perfekt sein will, baut sich mitunter ein gewisser, eigenerzeugter Druck auf. Ich hätte ihm etwas sagen können, habe das aber nicht getan.
Vielleicht hat sich auch einfach mit der Zeit etwas in unserer Beziehung aufgestaut. Die Zeit zuvor hatten wir mit unglaublicher Intensität gespielt. Im Gegensatz zu früher dauerte unser Spiel jetzt an, mit definierter Hierarchie. Es gab nur noch den Herrn und die sub, nicht mehr die Menschen dahinter. Und dabei sollten die doch im Vordergrund stehen. Ich hatte das Gefühl zu kurz zu kommen. Schließlich liebe ich ihn als den Menschen, der er ist, nicht nur als den Dom. Eigentlich war an dem Tag nichts wie sonst.
Ich habe einfach im Spiel hemmungslos angefangen zu weinen, dann kam dieser emotionale Absturz. Das Gefühl von Kälte in meinem Herzen, wie sich alles in mir zusammenzog. Ich mich in mich selbst emotional zurückzog. Ich habe mich allein gefühlt und er konnte nicht das geringste dagegen tun.
Mags: Wie hat er reagiert, was hat er gemacht? Konnte er Dir nicht helfen?
rosa: Mags, er hatte keine Chance. Wenn die Absturzspirale im Kopf anfängt, dann hängt man in ihr fest Man saust kopfüber talwärts in die endlose Dunkelheit hinein, auf den Boden zu, der sich, wenn man aufschlägt, nicht einmal unangenehm kalt anfühlt, eher lauwarm und klebrig. Er hält einen fest, hält das Denken gefangen, blockiert die Vernunft.
Wenn man stürzt, dann kann der aktive Part alles mögliche tun, aber in manchen Fällen hilft das nicht. Mein Partner hat mich losgemacht, mich in den Arm genommen, mich gestreichelt, mir einfach Nähe geben und das Gefühl vermitteln wollen, dass er für mich da ist und dass ich sicher bin. Einfach nichts sagen, nur fühlen, zuhören, Tränen trocknen, mit mir kuscheln, mir klar machen, dass alles gut ist, dass nichts passiert ist, dass alles wie vorher ist.
Ich habe ihn nicht an mich heran gelassen, ihn der mir so weh getan hat, der mich missbraucht und verletzt hat. Das klingt unglaublich paradox, wenn man weiß, wie sehr ich ihm vertraue, aber in diesem Augenblick spielte das alles keine Rolle mehr. Es ist als ob man eine Mauer um sich errichtet, nur um zu verhindern, dass noch mehr seelischer Schmerz auf einen zukommt, also blockt man.
Mags: Man blockt?
rosa: Ja, ich habe seine Nähe in diesem Augenblick nicht ertragen, habe ihn körperlich abgewehrt und mich aus seiner Umarmung befreit. Ich habe ihm nicht erlaubt, dass er mich berührt. Ich hatte ja die irrige Empfindung, er ist das gar nicht. Es ist irgend jemand anderes, der mir wehgetan, der mich verletzt hat. Nicht er, denn er würde das ja niemals tun. Das einzige, was ich in mir spürte, war Kälte. Da war kein anderes Gefühl mehr in mir. Vor allem fehlte die Wärme, die sonst da ist, wenn ich nur an ihn denke, keine Liebe, nur ein leeres Nichts...
Mags : Wie hat sich der Absturz für Dich und Deinen Top in Folge ausgewirkt? Hatte er Auswirkungen über das Spiel hinaus?
rosa: Die Gedanken rasten, die Nacht hindurch, es hört gar nicht mehr auf dieses verlorene Gefühl. Gerade so als ob man ein winziger Punkt in einer riesigen Wüste aus Eis ist. Anders kann ich es gerade nicht beschreiben, ich wüsste im Augenblick nicht wie. Ich habe mich, während ich gestürzt bin, trotz seiner Anwesenheit mehr als nur verloren gefühlt, allein gelassen, habe ihn hinter dem Herrn nicht mehr erkannt, den, der mir doch so vertraut war.
Ich habe die ganze Zeit nachdem er gegangen war, nur noch geheult, die ganze Nacht. Selbst wenn er geblieben wäre, er hätte nichts tun können, ich musste das mit mir selbst abhandeln...
Die nächsten Nächte ging das so ... selbst mein Hausmittel bei solchen Fällen hat versagt. Normalerweise dusche ich bei so etwas ewig lange, eine halbe Stunde Minimum. Das mache ich meistens, wenn es mir nicht gut geht, so als könnte das warme Wasser alle Unbill meiner Welt von meinem Körper herunter- und aus meiner Seele herauswaschen ...
Manchmal klappt das und in das Chaos meiner Gedanken kehrt die Ruhe der Klarheit wieder und ich weiß, was zu tun ist oder wie ich handeln sollte... das war da nicht der Fall...
Ich stand vor dem Spiegel, schaute mich an und wusste nicht, wen ich da sehe ... Wer bin ich? Was bin ich? Und ich fand trotz aller Überlegung keine Antwort auf die Frage. Ich sah nur ein paar verwirrte Augen, die die Spiegel der Seele sind, die genauso verwirrt war im Augenblick.
Mags: Du hast gesagt, das ganze ging ein paar Tage lang. Wie bist Du damit fertig geworden? Was hast Du gemacht?
rosa: Im wesentlichen nachgedacht ... sobald ich Muße fand, nachzudenken. Meine Zeit auf der Arbeit war pure Erholung, denn sobald ich wieder zur Ruhe kam, liefen die Mühlsteine in meinem Kopf wieder los. Aber das war auch gut so, denn ich habe langsam und stetig realisiert, was passiert war. Meine größte Angst war, dass unsere Beziehung Schaden nehmen könnte, dass ich mein Vertrauen nicht wieder finden werde. Im Nachhinein hat sich das Gott sei Dank als nicht zutreffend erwiesen. Es ist wieder alles in Ordnung.
Ich habe mir auch Gedanken um ihn gemacht, was er fühlt, wie es ihm geht ... weil ich weiß, wie wichtig ich ihm bin und dass seine Gedanken darum kreisen, dass er schuld daran ist, dass er es nicht früh genug bemerkt hat, um mich aufzufangen zu können.
Wir haben viel telefoniert in dieser Zeit. Es ist nun mal der Nachteil einer Wochenendbeziehung, dass man sich nicht direkt auseinandersetzen kann. Wir haben es wohl jeder für sich in größeren Stücken getan.
Ich habe mir die Situation immer und immer wieder ins Gedächtnis gerufen, reflektiert und überlegt, was der Grund war und ob es sich hätte vermeiden lassen. Ob ich hätte bremsen können... warum ich nicht einfach das Spiel unterbrochen habe ... wozu gibt es denn ein Safeword.
Irgendwann wurde mir folgendes bewusst: Als ich gefesselt im Rahmen hing und am seelischen Runterkrachen war, konnte ich es nicht stoppen. Ich war in einer Spirale, die in rasendem Galopp nach unten rauschte und mich mitzog. Wie soll man stoppen, wenn man das Gefühl hat allein zu sein? Mit wem soll man kommunizieren?
Der Kopf, meine Ratio, funktionierte nicht auf die übliche Art und Weise. Kein einziger interner Schutzmechanismus arbeitete. Ich konnte nicht stoppen und war irgendwie vollkommen abgeschottet, eingepackt in mich selbst. Mein Verstand, der das wohl im Nachhinein betrachtet mitbekommen hat, auf welcher Bahn ich da laufe, hat es nicht geschafft, zu reagieren und mich da rauszureißen.
So etwas passiert einfach. Es ist nicht steuerbar und keiner der Beteiligten trägt die Schuld daran ...
Mags: Also hältst Du Abstürze für nicht zu vermeiden?
Rosa: Nein, ich glaube mittlerweile nicht mehr, dass es am besonders guten Top oder bottom liegt, dass beiden noch nie ein Absturz passiert ist, sondern, dass sie lediglich Glück hatten.
Wir spielen oftmals am Rand mit den Emotionen, mit der Angst, mit Abneigungen und Vorlieben, überwinden Grenzen, verschieben sie und manchmal erkennt man das Ende halt nicht so gut. Und man saust talwärts, weil man zu nahe am Rand gestanden und der vermeintlich sichere Hang nachgegeben und das Seil nicht gehalten hat. Unfälle passieren nun mal... auch wenn seelische Unfälle oftmals schwerer zu überwinden sind ...
Aber sag mal ... ich habe mal von Abstürzen bei Tops gehört. Hast Du so etwas schon mal erlebt ...?
Mags: Ja, ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass Top Drop etwas mir unbekanntes ist. Die von Dir geschilderten Gefühle sind bei mir ähnlich aufgetreten, bei mir kam jedoch noch ein übergroßes Gefühl, die Kontrolle nicht mehr zu haben, versagt zu haben und eine irgendwie geartete Hilflosigkeit dazu.
Meine Top-Drops waren immer Reaktionen auf einen Absturz bei einem sub, den ich zumeist gerade noch abfangen konnte, aber mir schon mehr als klar war, wie haarig die geschehene Situation gewesen war.
Was folgt ist das schlagartige Bewusstwerden, dass man letztendlich auch nur ein Mensch ist und nicht die große Göttin auf dem Olymp. Ein ruckartiges Rausreißen aus dem Top-Space in die Niederungen der Realität, das mitunter mehr als schmerzhaft sein kann und auf die Seele schlägt ... Und auch bei mir hat das schon einmal mehrere Nächte harten Kampfes mit meinem Kopf und Ego erfordert, wobei ich mir immer überlegt habe, ob ich den ganzen BDSM Krams nicht vergessen sollte und stattdessen vanilla werden ... Aber da man nicht sein kann, was man nicht ist, bin ich natürlich im toppigen Lager geblieben.
Auch als Domme ist man von den üblichen einflussnehmenden Parametern wie Stress im Alltag oder bloße Unlust nicht gefeit. Das geht mir genauso, wie Du es oben schon geschildert hast. Manchmal habe ich keine Lust zum Spielen, lasse mich aber trotzdem dazu verleiten, weil sub ja von mir erwartet, dass ich die perfekte Domme gebe.
Eigentlich ist es wohl kein so großer Unterschied, auf welcher Seite man spielt, wenn man sich selbst unter Druck setzt, Erwartungen erfüllen zu müssen. Und manchmal überfordert es einen. Und dann ist die Gefahr, dass etwas schiefläuft, natürlich eher gegeben, als in trauter Entspannung.
rosas und mein Gespräch dauerte noch eine ganze Weile länger. Wir sind Freundinnen und kennen uns schon relativ lang. Ich denke aber, dass in diesen offenen Worten das zum Ausdruck kommt, was wir beide hiermit erreichen wollen.
Nämlich dass mal jemand anspricht, was so viele verschweigen. Wenn man abgestürzt ist, geht das enorm aufs Ego. Zumal, wenn das den anderen, die man so kennt, angeblich noch nie passiert ist. Das erzeugt neue Angst zu versagen und führt zu sehr viel weniger Spaß am Spiel, weil man ständig auf der Hut ist, dass ja nichts Unvorhergesehenes passiert. Neuer Druck baut sich auf und man ist wieder da, wo die Spirale mitunter beginnt. Abstürze sind menschlich.
Sie passieren eben. Niemand ist besser oder schlechter, weil er so etwas kennt oder nicht kennt. Sie sind Unfälle der Seele in einem Spiel am Rand.
Reden hilft und viel miteinander reden ist auch nötig, um die verletzte Vertrauensbasis wieder herzustellen. Und zwar auf beiden Seiten und in sich selbst.
Abstürze sind keine Beinbrüche. In der Regel sind sie unserer Meinung nach unterbewusste Stopsignale, wenn der Verstand die Notwendigkeit zu stoppen nicht erkennt. Man sollte das Spiel dann erst einmal für eine Weile aussetzen, abwarten, nach Gründen für das Geschehene suchen. Versuchen herauszufinden, was der Grund war, auch wenn es zunächst keinen ersichtlichen Grund gibt. Manchmal ist es wohl das Gefühl, nicht als das akzeptiert zu werden, was man ist. Nur noch sub oder Dom zu sein, ohne dass der Mensch Berücksichtigung findet. Und manchmal hat man einfach nur einen schlechten Tag, andere Dinge im Kopf, würde lieber etwas anderes tun oder einfach einen Kuschelabend mit seinem Partner zu verbringen.
Wenn es einem nicht gut geht, gilt es für den anderen aus seiner Rolle herauszukommen und Mensch zu sein. Das "Spiel" muss unter solchen Rahmenbedingungen auch mal hintenanstehen.
In diesem Sinne: Passt auf Euch auf ...
(c) MdF 2002