gut - schlecht?
Hey,
also es wurde ja jetzt schon sehr viele Aspekte abgeklappert und viel dazu geschrieben.
Also ich denke wir sind uns einig, dass in der Regel zwischen den vier Formen Monogamie (klassisch), "geöffnet" (gemeinsame Erlebnisse), "offen" (sexuelle Alleingänge) und "polyamor" (Erweiterung der offenen beziehung um die "emotionale" Komponente") unterschieden. Natürlich sind diese vier Formen nur Schubladen und es gibt zahlreiche unterschiedliche Ausgestaltungen. Ein Problem bei Diskussionen über Beziehungsformen ist daher denke ich, dass jeder ein anderes Bild von der jeweiligen Schublade hat.
Schubladen sind aber per se nicht schlecht, solange man nicht andere einfach hineinsteckt. Meiner Meinung nach dienen sie vor allem zur persönlichen Orientierung und lassen danach eine weitere Differezierung zu. Es wäre aber reichlich ungeschickt, wenn hier jeder zunächst sein exaktes Bild der Beziehungsform detailiert vorstellen müsste.
Nun zur Frage gut? schlecht? besser? möglich? ...
Es ist eigentlich unmöglich eine allgemeingültige Aussage zu treffen. Sicher kann man nicht von dem Einzelnen auf die Allgemeinheit schließen und die Allgemeinheit kennt hier ziemlich sicher niemand zu genüge, da keiner in die Köpfe aller Menschen schauen kann. (Wir sollten mal beim BND nachfragen :P)
Ich denke es gibt eine Wahrheit, welches Beziehungssystem das richtige ist, allerdings immer auf eine Person und die äußeren Umstände zugeschnitten. Wir könnten also sagen, für Person X ist das Beziehungssystem Y unter den Umständen Z optimal. Das Problem von X ist jetzt erstmal rauszufinden, welches das perfekte Beziehungsmuster ist und das unter sich verändernden Umständen und solange X nicht autark für sich alleine leben möchte, muss X auch noch weitere (meistens eine zweite) Person(en) finden und sich mit diesen auf ein gemeinsames Modell einigen, mit dem alle gut Leben können, welches sich mit der Zeit aber auch verändern kann. Schubalden helfen hier dann übrigens bei der Suche nach dem richtigen gemeinsamen Modell. Die Gründe warum ein jeweiliges Modell das richtige ist können übrigens sehr unterschiedlich sein.
Es hat mich übrigens beim Lesen gefreut, dass viele auch nur von ihren eigenen Erfahrungen/Eindrücken gesprochen haben und kaum generalisiert wurde.
Meine Meinung ist übrigens, dass alle vier Modelle funktionieren können, wenn sie durch die passenden Personen gelebt wird. Ich glaube auch nicht, dass geteilte Liebe halbe Liebe ist, kann hier aber auch nicht aus persönlicher Erfahrung sprechen. Aber selbst angenommen es wäre halbe Liebe und jemand ist mit zwei mal halber Liebe glücklicher als mit einmal ganzer, wäre das ja auch okay.
So bis hier, war das ganze eher theoretisch und sehr unkonkret, weswegen ich noch ein wenig meine Meinung zu den einzelnen Formen loswerden möchte. Dabei möchte ich auch auf die ursprüngliche Fragestellung von bru84 eingehen, wobei es vielleicht ganz interessant wäre, wieso du dich dafür interessierst. Ich vermute, dass du dir vorstellen könntest, oder dich zumindest der Gedanke reizt, deine Beziehung zu öffnen.
Also auf der Achse "Monogamie" -> "Polygamie" werden die Beziehungsformen denke ich zunehmend komplizierter, einfach weil zunehmend mehr Personen auf einem wachsenden Intensitätsgrad involviert sind. Das heißt aber bitte nicht, dass eine Form der anderen überlegen ist, oder das Personen die etwas in einer offenen Beziehung leben reifer sind oder per se Bindungsängste haben.
Da zunehmend mehr Personen involviert sind ist Kommunikation denke ich sehr wichtig. (Wobei man sich nach Vereinbarung auch Deteils verschweigen darf.) Offenheit und Ehrlichkeit sind denke ich wichtige Grundpfeiler einer jeden Beziehungsform.
Ich würde sagen, dass ich bisher drei der vier oben genannten Beziehungsformen gelebt habe. Zunächst, wie vermutlich bei den meisten, monogam und sollte ich wieder eine neue Beziehung starten, würde ich persönlich auch so wieder anfangen, da für mich am Anfang das Vertrauen noch nich da wäre und vermutlich die Verlustängst zu groß. Auch wäre das Bedürfnis nach weiteren Personen am Anfang vermutlich auch nicht so groß.
Der nächst Schritt war bei mir ganz chronologisch die "geöffnete" Beziehung. Das heißt, wir hatten uns verständigt weitere Personen in unser Sexualleben einzubinden, dies aber immer stets gemeinsam zu machen. Wir hatten im Prinzip aber erstmal keine weiteren Einschränkungen, also kein "PT ohne GV" oder so. Wichtig war aber vor allem, dass wir immer nur so weit gehen wie es für beide okay ist und auch versuchen dies stets ehrlich und offen zu kommunizieren. Insgesamt lässt sich sagen, dass diese Zeit nicht nur einfach und immer heiter war. Also vor allem für meine Freundin war es eine Grenzerfahrung, die uns beide aber denke ich noch mehr zusammengeschweißt hat. (Man wächst mit seinen Aufgaben). Diese Phase war jetzt aber nicht nur schlecht, und manchmal muss man Grenzen austesten um zu sehen was für einen richtig ist und was nicht. Ich würde sagen, dass wir beide viel über uns und jeder auch über sich gelernt hat.
Schließlich sind wir zu einer offenen Beziehung übergegangen, die aber klare Regeln hat. (Die höchste Freiheit ist die Freiheit der Selbstgesetzgebung im kurz philosophisch zu werden.) Die Regeln sind, dass wir uns über Unternehmungen im nachhinein erzählen und der andere jederzeit die Sache beenden kann (noch nicht vorgekommen). Auch sollte keiner der Partner alleine zuhause sitzen, sondern das ganze sollte möglichst statt finden, wenn der andere eh unterwegs ist. Wir können aber auch mal einen Tag der offenen Beziehung machen, wo beide was machen können. Ansonsten sind enge Freunde eigentlich tabu. Der Schritt war wieder erwarten eigentlich keine sonderlich große Herausforderung, weder für mich noch für meine Freundin. Also keine weitere Grenzerfahrung.Wir leben damit jetzt schon eine Weile sehr gut, was nicht heißt, dass wir diese Form für immer beibehalten werden.
Polygamy hab ich persönlich noch nicht erlebt und kann ich mir für mich auch nicht vorstellen.
Ich hoffe, dass ich damit auf die ursprüngliche Fragestellung ganz gut eingengannen bin, also wir trennen Sex und Liebesgefühle eigentlich, wobei der Sex mit der eigenen Freundin und anderen Partner natürlich unterschiedlich ist. Ersteres ist vertrauter und in einer gewissen Hinsicht besser, zweiteres in einer gewissen hinsicht aufregender. Die Erfahrungen die wir gemacht haben waren im großen und ganzen positiv, aber nicht nur. Schlechte Erfahrungen sind vor allem deswegen enstanden, weil der weitere Partner gegenüber nicht harmoniert hat, oder weil wir zum ersten mal Grenzen ausgelotet haben.
Achja einen Punkt wollte ich noch ansprechen, weil gefragt wurde, ob nicht nur der Polygame Partner, der zwei Beziehungen führt davon profitiert und die anderen das Nachsehen haben. (So oder so ähnlich war glaube ich die Frage.) Wenn man das ganze etwas reflektiert betrachtet und sich von diesem Bild eine Frau(ein Mann) vögelt völlig egoistisch mit vielen Männern/Frauen loslösst, würde ich sogar sagen, dass der in der Mitte auch eine sehr komplizierte und anspruchsvolle Rolle einnimmt. Also ich war ja noch nicht polygam, aber mir geht es so, dass es für mich komplizierster, anspruchsvoller und ein Stück weit auch belastender ist etwas mit einer weiteren Person zu machen, als wenn dies meine Freundin tut. Mache ich etwas mit einer weiteren Frau achte ich automatisch auf die Gefühle meiner Freundin, auf die Gefühle und Bedürfnisse der dritten Person und mich sollte ich ja auch nicht vergessen. So ist es also schwieriger allen gerecht zu werden und ich kann mir vorstellen, dass die mittlere Person in einer Dreiecksbeziehung auch sehr genau darauf achten muss es allen drei irgendwie recht zu machen, was einem Drahtseilakt gleichen kann.
Sry für den langen post.