Alternativen?
Wir sind gezwungen mit unseren biologischen, lebensweltlichen, aber auch narrativen Vorgaben zu leben und zurechtzukommen zu kommen. Dabei entwickeln sich unterschiedliche Ansichten und Überzeugungen, und ein gesellschaftlicher Konsens liegt in weiter Ferne. Diese unterschiedlichen Ansichten müssen wir respektieren, und ein Verurteilen verbietet sich schon aus dem Grund, dass der oder diejenige, der ein negatives Urteil ausspricht, sich gewöhnlich selbst dem Vorwurf des „tu quoque” aussetzt.
Es gibt eine große Menge von Männern und Frauen, die mehrere und lange Beziehungen hinter sich haben und trotz der Erfahrung, dass selten eine Partnerschaft so verläuft, wie die Beteiligten es anfangs erwartet und gewünscht haben, auf der Suche nach dem einem Menschen sind, der sie für den Rest des Lebens begleitet.
Wer nach einem halben Jahrhundert auf dieser Welt und nach drei Ehen, einigen Affären und diversen losen Beziehungen seiner Erfahrung nicht vertraut und immer noch mit den gleichen Vorstellungen, Bedingungen und Vorgaben nach der lebenslangen Partnerschaft sucht, vergrößert seine Chancen mit zunehmendem Alter zwar immens, weil ihn irgendwann tatsächlich einmal der Tod von seinem Partner scheidet, gehört aber in meinen Augen zu den unbelehrbaren Fällen. Wenn ein Experiment immer wieder misslingt, müssen entweder die Bedingungen geändert werden, damit der Versuch endlich gelingen kann – oder die Erwartungen.
Für diejenigen, die aus ihrer Erfahrung gelernt haben, ist die lebenslange Partnerschaft keine wirkliche Option mehr. Aber welche Alternativen bieten sich an? Bei demoskopischer Betrachtung scheinen drei Lebensmodelle favorisiert zu werden, die jedes für sich auf den ersten Blick von mehr Pragmatismus als Romantik geprägt zu sein scheinen: Die Lebensabschnittspartnerschaft, die offene Beziehung und das Alleinsein.
Einer temporären Partnerschaft ohne Bindung muss es nicht an Verbindlichkeit mangeln. „Ohne Bindung“ und „Verbindlichkeit“ ist kein Widerspruch. Das eine bedeutet das Nicht-Vorhandensein einer (vertraglichen) Bindung mit gegenseitigem Anspruch auf Erfüllung, das andere meint die Integrität der Aussagen, d. h. ist freiwillig und ohne Anspruch an den Partner. Keine Ansprüche oder Erwartungen an den Partner zu stellen, bedeutet auch noch keine Beliebigkeit, sondern ist ein Ausdruck von Bedingungslosigkeit.
Im Unterschied zum Modell der Lebensabschnittspartnerschaft, die möglicherweise vom häufigen Wechsel des jeweils exklusiven Partners geprägt ist, wird in einer freien und offenen Liebesbeziehung keine serielle Monogamie praktiziert, sondern eine primäre Monogamie. Zwei Partner leben in der Sicherheit, jederzeit einen Menschen zu haben, der sie auffängt, der sie bis in ihr tiefstes Inneres kennt und dem sie bedingungslos vertrauen können.
Sobald jedoch mehr als zwei Personen
gleichzeitig involviert sind, bedingt die Empathiefähigkeit, sofern vorhanden, auch die Berücksichtigung der Befindlichkeit
aller beteiligten Personen. Und da fangen aus meiner Sicht die Probleme an.