Was ich meiner Mutter zu verdanken habe...
...und der Tatsache, dass ich lange Zeit nicht erkannt habe, dass ich bewußt etwas ändern mußte.
Liebe Pesmoutizitas,
sehr schöne Fortführung/Erweiterung Deines anderen Themas! Und wie aus vielen Beiträgen dort zu lesen war, haben die Erfahrungen und Prägungen aus der Kindheit
zunächst sehr wohl großen Einfluß auf die Art und Weise, wie man als Heran- und Erwachsener in der Lage ist, Beziehungen zu führen (solange, bis man refektiert und ggf. willentlich und bewußt an seinem Verhalten etwas ändert).
Darf ich vielleicht etwas anmerken? (Etwas überspitzt, damit es deutlich wird, was ich meine:) Die Formulierung "Liebesstil pflegen", bzw. das Wort "pflegen" insinuiert eher eine bewußte Entscheidung, ein bewußt gesteuertesVerhalten. Etwas, was man nach reiflicher Überlegung tut.
Und dies ist ja
zunächst mMn gerade nicht der Fall. Gerade was das Thema Nähe angeht wird dies besonders deutlich. Bei manchen führt diese Distanz sogar bis hin zu einer Beziehungsunfähigkeit (Extremfall). Und die ist sicherlich nicht gewollt.
Zwar kenne ich das Buch nicht, kann daher nur meinen Eindruck, den ich aus dem Eingangspost habe und in wie fern dies auf mich/uns zutrifft, ausführen.
Eigentlich habe ich zu verschiedenen Zeitpunkten meines Lebens mehr oder weniger alle drei Stile gepflegt, wobei 2. am wenigsten ausgeprägt war - lediglich "Es fällt mir schwer, einem Menschen vollkommen zu vertrauen. Ich mag es nicht so, von anderen abhängig zu sein." traf zu (= ich hatte nie die Möglichkeit, Urvertrauen aufzubauen), und 3. sich am hartnäckigsten hielt und mir die meisten Probleme bereitete und bescherte. Heute, nach langer "Arbeit", allein und gemeinsam mit meinem Mann, würde ich meine Gefühlslage bei 1. ansiedeln.
Wobei ich - zurückblickend - einen sehr engen Zusammenhang zwischen diesen Stilen und meiner Kindheit, vor allem in der Beziehung zu meiner Mutter sehe.
Und die Frage nach dem Liebesstil sollte ja auch nur einen Einstieg bieten in die Diskussion der Frage, die mich vor allem interessiert: ob Ihr, wenn Ihr Euren ganz persönlichen Liebesstil betrachtet, das Gefühl habt, daß dieser Liebesstil durch Eure Eltern (und, ich ergänze: gegebenfalls vergangene Beziehungen) geprägt wurde.
....., und ziemlich viele Probleme bereitet hat... Denn Defizite nehmen Kinder zwar gefühlsmäßig wahr (und leiden, es fehlt ihnen bestimmtes zur weiteren Entwicklung, etc.), aber ERKENNEN und VERSTEHEN tun sie es nicht. Alles, was sie von ihren Eltern erleben, ist für Kinder zunächst einmal normal und richtig. Ihr Überleben ist ja auch ganz eng an ihre Eltern geknüpft.
Heute habe ich "Frieden" geschlossen mit meiner Mutter. Ich betrachte sie als Naturgewalt, die man eh nicht kontollieren kann, schütze mich allerdings vor ihr. Ich will mal versuchen, zurückblickend, mit damaliger Sicht meine Mutter zu beschreiben, wie ich sie als Kind erlebt habe, und wie sich dies später auf mich auswirkte. Ja klar, die eine oder andere Therapiestunde hat mir geholfen. Allerdings DER Augenöffner für mich war Erich Fromm, "Die Kunst des Liebens", das Kapitel "Die mütterliche Liebe". ALs ich das las, verstand ich, dass meine Mutter GAR NICHT IN DER LAGE war, mütterlich zu lieben. Damit änderte sich schlagartig etwas für mich: SIE war liebesunfähig, und nicht ich nicht liebenswert. (Ich scanne gerne das Kapitel hier ein wenn Interesse besteht).
Meine Mutter war/ist einerseits eine übermächtige, besitzgierige, streitbare, unberechenbare Glucke, sehr gehemmt aggressiv, hatte häufig, wenn etwas nicht nach ihrem Gusto ging oder sie sich überfordert fühlte (leidenschaftliche
) Wutausbrüche (mit Schlagen, Sachen kaputt machen, anpöbeln, weglaufen, verlassen. O-Ton: "Ihr kotzt mich an, ich gehe jetzt und komme nicht wieder." So war sie dann weg, irgendwann kam sie wieder, TOTAL überschwenglich in ihren Liebesbeteuerungsanwandlungen und tat so, als wäre das alles nur zum lachen gewesen. Meine Ängste, die ich als noch recht kleines Kind hatte (unter 10) wischte sie weg. Je älter ich wurde, je mehr eigene Persönlichkeit ich entwickelte, je eigenständiger ich sein wollte, desto schlimmer wurden die Auseinadersetzungen mit ihr. Entfernung von ihr empfand sie als Treuebruch (oder was auch immer für einen Blödsinn..)
(Wobei ich zur "Verteidigung" meiner Mutter sagen muss, dass sie sehr wohl ihr mangelhaftes Verhalten erkannt hatte, aber sich ausserstande sah, sich anders zu verhalten. Ironischer- oder vielmehr logischerweise - war wiederum ihr Verhältnis zu ihren Eltern GRUSELIG. Entschuldigen tut dies ihr Verhalten allerdings nicht. Denn sie hat nie auch nur den ANsatz zu einer Änderung gezeigt.) Sie betrachtete mich als IHRE Tochter, IHR Besitz, welchen sie nach Gutdünken und Lust und Laune heranzog oder wegstieß. (Noch heute.. versucht sie es. Aber ich lasse es nicht zu.)
Ich konnte nie vorhersagen, wie sie reagieren würde, nicht einmal, wie sie "drauf" war, unabhängig vom Verhalten anderer. Verlässlichkeit in ihrem Verhalten gab und gibt es nicht.
Mein Vater (er starb als ich 17 war) entzog sich dem Familienleben durch Arbeit und lange Geschäftsreisen (sie hielten die Ehe aufrecht, um nicht das Familienleben zu zerstören... es wäre
wenn es nicht so
gewesen wäre). Dafür unterhielten beide Verhältnisse, gingen sich aus dem Weg. Ich hatte nie das Gefühl, dass meine Eltern eine Partnerschaft hatten. Meist wurde ich von meiner Mutter gegen meinen Vater aufgehetzt und sollte Partei ergreifen (was ich nicht tat). Direkt nach seinem Tod bestand ich darauf, auf ein Internat zu gehen, da ich nicht länger zuhause bei ihr bleiben wollte.
Als ich dann als Heranwachsende und später als Erwachsene immer wieder die gleichen Probleme in Beziehungen hatte, immer wieder die gleichen Verhaltensmuster zeigte und anfing darunter zu leiden und mich zu fragen, was das alles wohl mit Liebe zu tun haben soll (extreme Eifersucht, extreme Verlustängste, Veränderungen machten mir ANGST, Klammeraffenverhalten, Hinschmeissen der Beziehung, wenn es nicht rund lief, denn ich entliebte mich genauso fix, wie ich mich verliebte, ich immer dieses alles-muss-perfekt-und-ohne-fehler sein und himmelhochjauchzend-zutodebetrübt als Beziehungsmerkmal erkannte (hallo leidenschaftlich...) fing ich an, mich mal am Kopf zu kratzen.
Man muss, glaube ich, kein toller Psychologe sein, um den Zusammenhang zu erkennen. OK, in diesem Thread und zusammengefaßt geschrieben ist der Zusammenhang klar.
Ich möchte noch immer mit meinem Partner verschmelzen, allerdings ohne Besitznahme, ohne Selbstaufgabe, ohne Verlust der Differenzierung und Weiterentwicklung. Verschmelzen wie zwei Puzzelteile, die ihre klaren Grenzen behalten vielleicht. Und wie Fromm es sagte: "Ich brauche dich, weil ich dich liebe und NICHT Ich liebe dich weil ich dich brauche."
So war es nämlich früher für mich. Ich habe gar nicht wirklich den anderen Menschen geliebt, sondern das, was er für mich sein sollte, bzw. geben sollte: Die bedingungslose, mütterliche Liebe.
Durch die häufigen ABwesenheiten meines Vaters und seinem frühen Tod konnte ich leider keine nachhaltige Beziehung zu ihm aufbauen. Allerdings habe ich vom Wesen her recht große Ähnlichkeit mit ihm (zum Glück nicht mit Muttern...).
Einen Satz hatte ich mit verinnerlicht (leider weiss ich nicht mehr, wer mir den gesagt hatte; ich bin dankbar für ihn):
Ich nehme mir das Beste von dem, was Ihr mir zu geben habt/hattet und lasse das, was nicht gut für mich ist, zurück und bei Euch. Das ist Euers und soll Euers bleiben.
Das Herausfinden, was "gut für mich ist", wirklich gut im Sinne von "mir und meinem Wesen entsprechend" ist das schwerste. Vieles von dem eigentlichen, ureigenen Wesen ist von Prägungen, Erziehung, Beeinflußungen zugeschüttet und muss erst freigeschaufelt werden. Und mit den Beulen in der Lebensrüstung muss man auch umgehen lernen, manche Kinken werden wohl bleiben. Manch einer humpelt fürchterlich, der nächste haut sich immer wieder selbst auf dem Kopf herum, wieder ein anderer zieht es vor, das Visier herunter geklappt zu lassen, und dann gibt es einige, die beulen die Kinken so gut es geht zurecht und gehen ihren eigenen Weg.
Mein größter Wunsch als Mutter war und ist es, eine liebevolle, Lebensfreude vermittelnde und lebensbejahende Mutter zu sein, die immer verläßlich hinter ihren Kinder steht, auffängt, wenn es sein muss, aber nicht festhält oder meine eigenen Vorstellungen überstülpt.
An alle, die eine glückliche Kindheit mit liebevollen Eltern hatten: Behaltet es gut in Erinnerung! Es ist einer der schönsten Geschenke, die man erhalten kann.