Sommerkrimi
Mörderische Hitze (Part 1)© Ginger2014
Blutrot versank die Sonne am Horizont. Dunkel und moorig lag der kleine, tiefe See im Abendlicht. Hoher Schilf säumte das Ufer, in dem träge die Bienen summten, müde vom Tagewerk. Der Kommissar sah gedankenverloren auf den Toten. Ein nackter Mann mit einer Plastiktüte über dem Kopf, das aufgedunsene, rote Gesicht mit den von Zyanose verfärbten Lippen. Kein schöner Tod, kein schöner Anblick, wenn man den Blick talwärts der Leiche gleiten ließ. Ihr war der Penis abgetrennt worden, säuberlich mit einem Skalpell, wie die erste kriminalistische Untersuchung ergab.
„Hoffentlich war der schon tot.“ So der lakonische Kommentar des Gerichtsmediziners. „Ja, Sie sagten es schon, Fengler.“ Barsch knallte die Stimme des Kommissars durch die trügerische Idylle des Sommerabends. Welch eine Sauerei! Der kurz vor dem Anruf verzehrte münsterländische Speckpfannekuchen rumorte in den Eingeweiden des Kriminalisten. Auch seine 35-jährige Diensttätigkeit mit all ihren Schreckensbildern konnte sein Mitleid für das Opfer nicht schmälern.
Der Tote war ungefähr 1,90 groß, schlank, blond. Er trug einen Ehering. Kommissar Heller konnte sich kaum vorstellen, dass er sich hier am abgelegenen See ein trautes Stelldichein mit der Ehefrau geliefert hatte. Die Abgeschiedenheit des Fundorts schrie eher nach Heimlichkeiten, einem verstohlenen Treffen in der Mittagspause, einem hastigen Fick zwischen Kantinenfrass und Feierabendbier. „Habt Ihr irgendwas gefunden, woraus sich die Identität des Toten entnehmen lässt?“
„Nichts, Boss, keine Papiere, keine Kleidung, gar nichts; der liegt hier, als sei er geradewegs aus dem Baumwipfel gefallen“ Das Gesicht des Toten war verzerrt, entstellt von der Hitze, voller Panik und Schmerz. Der rote Ball der Sonne verschwand zusehends und eine kühlere Brise vertrieb den kupfrigen Geruch des Lebenssaftes, der das satte Grün des Grases verfärbte. Heller beugte seinen kahlen Kopf über den Unterleib des Mannes. Auf dem geronnenen Blut ließen sich gierige Fliegen nieder, berauscht von dem üppigen Mahl.
„Beeilt Euch, der wird uns bei der Hitze hier noch von den Schmeißfliegen aufgefressen.“ kommandierte Heller den Trupp der Spurensicherung. „Der Alte ist ja wieder bester Laune.“ raunte Fengler, der Gerichtsmediziner, seinem Assistenten zu. Der grinste nur schief. Oh, ja, Heller war berühmt und berüchtigt. Berühmt für seine manches Mal nahezu hellseherischen Fähigkeiten, berüchtigt für seinen rüden Ton.
Vor ihm kuschten fast alle, sogar der Polizeipräsident bemühte sich bei einem Aufeinandertreffen mit Heller um einen ausreichenden Abstand. Die hohe Aufklärungsquote der Verbrechen bescherte dem sperrigen Kommissar allerdings einen nahezu unantastbaren Status, so, dass man über seine zwischenmenschliche Inkompetenz großzügig hinweg sah. Heller war ein Bluthund mit dem Gehirn eines Profilers. Die Fährte war frisch und der Kommissar nahm bereits Witterung auf. Die Jagd auf die mordende Bestie war eröffnet.