Ich glaube, in den kommenden Tagen wird mir hierzu noch mehr einfallen.
Heute dazu etwas, was ich vor Jahren mal gelesen habe: Tief in unserem Innern haben wir einen bestimmten Archetyp davon, wie ein Mann zu sein hat. Eine Art Schablone, die sich aus den Männern zusammensetzt, mit denen wir bisher zu tun hatten, ganz zu Anfang unser Vater. (Wenn Väter viel mit ihren Töchtern spielen und sie liebhaben, führt das zu einer sehr schönen inneren Männerschablone, wenn die Väter herablassend mit den Müttern umgehen und nie zu Hause sind, führt das zu einer weniger schönen inneren Männerschablone etc.). Die Männerschablone wird auch durch nette Kollegen etc. geprägt.
Und auch durch das Lesen von Liebesromanen mit perfekten, romantischen Alphamännern, die aber irgendwie auch neurotisch abhängig von einer Frau sind ... Bestimmte Arten von Kitschromanen funktionieren nach diesem Muster. Da sind es auch immer Alphamänner, die alles im Griff zu haben scheinen, aber hinter den Kulissen total fixiert auf die Frau sind und von ihr geheilt werden wollen. Und in solchen Romanen ist das sogar der Gipfel an Romantik. Etwas, was ich nie verstehen werde, aber da solche Romane oft gekauft werden, scheinen viele Frauen eine solche innere Alphamann-Schablone mit sich rumzuschleppen. Dabei unterscheidet sich dieses Alphamann-Bild deutlich von den meisten Männern, die ich durch meine Hobbys kenne. Die wenigsten davon verbringen 80 % ihrer Zeit damit, an Frauen zu denken, sondern leben ihr Leben.
Und wenn sie nicht in der Lage sind, ihr Leben einfach zu leben, vielleicht auch als Mann unter Männern Anerkennung zu erfahren, dann ... werden sie zum Poser, erscheinen Frauen gegenüber dominant und als Problemlöser und hoffen, dass eine Frau ihre Probleme löst.
Als ich das gelesen und für plausibel befunden hatte, hatte ich überlegt, dass es doch bestimmt auch möglich ist, eine solche innere Schablone zu ändern. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen - aber vielleicht von heute auf in zwei Jahren?
Ich bin manchmal ein recht verstandeslastiges Menschenwesen. Ich bin dann also rational durchgegangen, was für Dinge ein Mann haben müsse, damit ich mit ihm tatsächlich auf Dauer glücklich sein könnte. Das waren teilweise andere Dinge als das, was ich auf den ersten Blick sexy fand.
Mein Ziel war dann nicht mehr, einen sexy Mann zu finden, sondern nach guten, tauglichen Männern zu suchen und Zeit mit ihnen zu verbringen, obwohl ich sie in dem Moment NICHT sexy fand bzw. sie unberührbar waren. Dazu gehörte zum Beispiel der neue Freund meiner Mutter, ein wirklich intelligenter Mann. Ein Cousin. Mein Schwager. Ein verheirateter Musiker, mit dem ich Musikprojekte auf die Beine gestellt habe. Ich habe auch wieder mehr mit meinem Vater telefoniert und ihn mit den Augen einer Erwachsenen neu kennengelernt. Mit anderen Worten, gute Männer, wo klar war, dass nichts laufen würde, aber die mir gut getan haben. Ziel war, langfristig meine innere Männerschablone zu ändern. Dadurch, dass ich mit guten Männern zu tun hatte, fing ich also langsam an, gute, ehrliche, liebesfähige und auf den ersten Blick nicht Alpha-Mega-Charmant-Männer als "männlich" zu empfinden und andere Sorten als "Poser". Denn ganz ehrlich, Männer, die immer stark sein wollen und Frauen zerbrechen und klein halten wollen, um sich überlegen zu fühlen und gebraucht zu werden, sind nicht dominant. Wirklich nicht. Das sind Poser. Dadurch habe ich ganz, ganz langsam und schrittweise geändert, was ich in meinem tiefsten Innern überhaupt als männlich empfinde.
Und irgendwann merkte ich, dass ich auf andere Männer reagierte als früher. Männer, die viel von den guten Eigenschaften der guten, "unberührbaren" Männer in meinem Umfeld hatten, aber frei waren, zu lieben und geliebt zu werden.
Von denen habe ich mir dann einfach den besten ausgesucht. Eine Freundin, die auf Alphamänner/Poser abfuhr, erklärte mich für verrückt, weil er weder Anwalt war noch Anzüge trug, aber ich bin glücklich mit meinem echten Mann, der lieben, lachen, weinen, anpacken, aufräumen und nein sagen kann. Ach ja, wie jeder Mensch schleppt er auch das eine oder andere Päckchen mit sich herum und braucht manchmal Hilfe. Das tu ich auch. Aber wir kämpfen gemeinsam.
Wir kämpfen gemeinsam. Das klingt manchmal so wenig.
Aber jemanden zu finden, bei dem ich das so sagen kann ... Es war ein langer Weg. Ich drücke dir die Daumen, dass du das auch findest. Es gibt solche Männer. Aber oft sind sie nicht die perfekten Verführer, weil sie eben nicht posen, sondern ehrlich und manchmal auch unsicher sind. Es lohnt sich, mit ihnen Zeit auch ohne sexuelle Interessen zu verbringen, wenn sie interessante Hobbies o. ä. haben, wenn man seine innere "männlich"-Schablone langsam ändern möchte.