sex ex machina | Schöne neue, maschinenfreundliche Welt
Braucht eine Sex-Puppe Hirn? Unbedingt! Sie ist momentan lediglich (noch) ein aus Gründen der technischen Komplexität und der damit verbundenen Kosten sehr unvollkommenes Abbild und Ersatz für eine reale natürliche Person. Sie ist (noch) lediglich ein Ersatzkörper, der mit Austauschgesicht und Ersatzmöse, vorliebengerechter Wahl von Brustwarzenhofgröße und -farbe als 3-d-Abbild mit immerhin schon recht naturalistischer, „gefühlsechter” Haptik der Silikonhaut für den spezifischen Zweck der Verfügbarkeit zur Lustbefriedigung.
Sie ist willfähriges „Objekt”, eine Puppe eben, ohne Chance zu mehr als sie „herzunehmen” und wieder weg zu hängen (sonst knittert die Silikonhaut). Die Interaktion ist „Einweg”, es besteht keine Möglichkeit zum Dialog, sich gar zu identifizieren und einen Bezug zum eigenen Tun und Sein herzustellen.
Ganz anders sieht es aus im Bereich der Service- und Produktionsroboter und der humanoiden Helfer: es wird mit Hochdruck entwickelt und die Ergebnisse haben zwar viel länger gedauert als noch vor 20 Jahren vermutet, aber die Leistungsfähigkeit ist inzwischen ausgesprochen beachtlich. Und da wird es nun wirklich interessant: wenn Arbeiten im Haushalt abgenommen, sinnbezogene Unterhaltungen geführt und situativ angemessene, menschenähnliche Reaktionen gezeigt werden können. Noch bestimmen zwar die spezifischen Anforderungen den Funktionsumfang und natürlich auch die Erscheinung und ein Katastrophen-Rettungsroboter oder ein Haushaltshelfer, lächelt (noch) nicht mit naturalistisch ausgeprägtem Silikonkussmund und die Greifer streicheln gegenwärtig noch ganz schön technisch kühl mit ihrer 6-Achsen-Robo-Hand ,-).
Wenn allerdings eine Sprudelflasche aufgeschraubt und ein Glas Wasser eingeschenkt oder ein rohes Ei unbeschadet in einen Behälter gelegt werden kann, ist der Weg zur sensiblen Berührung anderer „Oberflächen” vorgezeichnet und vorstellbar und wer ein Telefonat selbstständig führen kann, für den ist der Weg zum liebevollen Gurren und orgiastischen Stöhnen nur noch eine Aufwands-, Kosten- und eine ethische Frage.
Wer sich inspirieren lassen möchte, kann sich das Schlaueste und Subtilste zum Thema in Form der durchweg genialen und absolut sehenswerten schwedischen Fernsehserie „Real Humans – Echte Menschen” ansehen, die inzwischen auch komplett auf DVD erhältlich ist.
Real Humans – Echte Menschen
Schweden (Originaltitel: Äkta människor), 2012, 20 Episoden mit jeweils 58 min in 2 Staffeln
Deutsche Erstausstrahlung: April 2013, Arte; Idee und Regie: Lars Lundström
„Hubots”, Human Robots, nennt Lars Lundström die Maschinenmenschen, die in der Normalität der schwedischen Reihenhaussiedlungen die Bedürftigen der Dienstleistungsgesellschaft so richtig zum Grübeln bringen: Sie sind willfährige, dauerlächelnde, bedürfnislose, wenn man von der Akkuladung einmal absieht und lasterfrei programmierte Gefährten, die als Kinder- oder Seniorensitter, Fitnesstrainer, Gesundheitswächter, Haushaltshilfen, Arbeitssklaven ohne Gewerkschaftsausweis, Liebhaber oder Sexsklaven perfekt abgerichtet sind. Hubots sind die „bessere Hälfte” – sie machen keinen Ärger, keinen Dreck und keinen Stress; bekommen keinen Schluckauf, keine Depression, sie furzen nicht, werden weder zickig noch fett, sind weder macht- noch neugierig und drehen die Zahnpastatube hinter ihren Besitzern zu. Und: sie lassen sich jederzeit vom Strom nehmen oder umprogrammieren.
Dumm nur, wenn sie uns alt aussehen lassen und die Frau den Mann lieber durch einen Hubot ersetzt...
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„Die Serie ist originell, weil sie den alten Golem-Mythos (der Mensch schafft sich einen künstlichen Gefährten und verliert die Herrschaft über ihn) umdreht: Das Problem ist nicht die neue Maschine, das Problem ist der alte Mensch. Er hält nicht mit. Das Unechte ist das neue Echte: (…)”
Iris Radisch, Die Zeit Nr. 16, 11. April 2013
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„Über diese multiperspektivische Behandlung des Themas gelingt es der Serie, wichtige Fragen zum Menschsein im Allgemeinen aufzuwerfen (…) eine atemberaubende, intelligente und originelle Vision einer vielleicht nicht allzu fernen Zukunft.”
Jurybegründung – Prädikat besonders wertvoll. Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW), Mai 2014.
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