Total spannende Frage
Hey White Man He!
Vielen Dank für die Frage! Ich glaube, ich habe den selben Beitrag gesehen und bin ähnlich stutzig geworden. Dabei höre ich das nicht zu ersten Mal, von der Einsamkeit hochqualifizierter und/oder sehr gut verdienender Frauen.
Ich denke: Kein Wunder! Unsere Gesellschaft ist nach wie vor - und trotz vieler Jahre emanzipatorischer Frauenbewegung - patriarchisch strukturiert. Auch wenn es viele Leute anders haben wollen, Männer verdienen für gleiche Arbeit mehr Geld, Männer haben im Vergleich zu Frauen die deutlich stetigeren Erwerbsbiographien, Männer machen eher Karriere als Frauen. Wenn ich das schreibe, will ich damit keine Bewertung abgeben, dass ich das so gut oder gar richtig finde.
Aktuell definieren wir Männer uns überwiegend über unsere Leistungskraft, über den Beweis, arbeiten und Geld verdienen zu können. Auf dem Fleischmarkt gilt in weiten Teilen die Hackordnung des potentesten Einkommens. Ob bewusst oder unbewusst, so finden wir unsere Partner und Verhaltensforscher, Soziologen, Psychologen und viele andere weisen nach, dass Frauen in der Partnerwahl differenzieren zwischen Samenspender und Ernährer.
Wenn Paare Kinder kriegen, ist die es nach wie vor so, dass es die Gesellschaft akzeptiert, wenn Mütter aus dem Erwerbsleben (evtl. nur vorübergehend) ausscheiden und Väter noch mehr arbeiten (Studien belegen, das Väter im Schnitt ein bis zwei Stunden pro Woche länger arbeiten als kinderlose Männer), um nicht nur ihre eigene Existenz sondern auch die von Kind und Mutter zu sichern. Der umgekehrte Fall, dass Väter über einen längeren Zeitraum zu Hause bleiben, also länger als ein paar Monate, vielleicht sogar einige Jahre, ist in der Öffentlichkeit kaum wahrzunehmen.
Wenn das tatsächlich mal anders werden soll, dann müssen wir Männer zu einem neuen Selbstverständnis und Rollenmodell kommen, in dem es uns gestattet ist, auch ohne das Prüfkriterium "Erfolgreich im Beruf" mit den Symptomen Rolex, Cabrio, Golf Handicap, etc... attraktiv, sexy, begehrenswert, etc. zu sein.
Zumindest im Patriarchat (siehe oben) scheint es so zu sein, dass Frauen in ihrem männlichen Partner einen Ernährer für sich und den Nachwuchst suchen. Suchten sie etwas anderes, müsste sich auch "der Markt" früher oder später danach ausrichten. Meine These ist, solange die hochqualifizierten und erfolgreichen Frauen trotz ihres Erfolges einen Ernährer suchen, der also noch erfolgreicher sein muss als sie selbst, dann wird das Angebot zwangsläufig sehr, sehr dünn.
Ich als Mann finde es mittlerweile richtig gehend albern, dass das gesellschaftliche Echo so wenig Verständnis dafür aufbringt, wenn Männer keinen Bock haben, sich 40 Jahre und mehr ausschließlich dem Hamsterrad Arbeit auszuliefern. Wann endlich fordern wir Männer konsequent ein, in der Partnerschaft zu gleichen Teilen, als hälftig für die Existenzsicherung verantwortlich zu sein und geben damit den Frauen die Chance und die Verantwortung, ebenfalls ihre Frau zu stehen?
Ich als Mann finde es nicht leicht, diese Fixierung auf die Arbeit allein zu hinterfragen und mir vorzustellen, ich komme in Lebensphasen, in denen ich vom Einkommen meines Partners abhängig bin, weil ich mir es gestatte, im Broterwerb kürzer zu treten.