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Ich komme aus einer Kultur, Lakota-Sioux, und bei uns leben Betroffene schon so lange wir existieren, ganz offen unter uns. Für uns ist es nicht entweder oder, sondern ein "anders". Allein schon diese ganzen Hormon und Op-diskussionen.
Vor 200 Jahren konnte man das nicht, und braucht man auch nicht. Um die Menschen dann in solche Muster zu zwingen anstatt sie mal eine Weile den Zustand einfach mal leben und DANN erst mal zu fragen wie sich dies oder jenes an-FÜHLT.
Vor etlichen Jahren sind Menschen auch an Lüngenentzündung und was-weiß-ich-noch gestorben, die Menschheit hat es trotzdem überlebt. Dieser Argumentation zufolge bräuchten wir so manche medizinische Erungenschaft nicht.
Dass ein Bedarf nicht gedeckt ist, bedeutet nicht, dass dieser Bedarf nicht existiert. Ein etwas weniger martialisches Beispiel: Kitas. Nur, weil es nicht genug davon gibt, lässt nicht den Umkehrschluss zu, dass sich nicht viele Menschen eine (bezahlbare) Kita in ihrer Nähe wünschten.
Aktuell gibt es den Film "The Danish Girl" im Kino (ich möchte - abgesehen davon, dass der Film die zugrundeliegende Geschichte eben tatsächlich
nicht vorlagengetreu abbildet - hier nicht auf weitere Kritikpunkte dazu eingehen). Die Hauptperson unterzieht sich als eine der ersten transsexuellen (vermutlich sogar intersexuellen) Menschen einer geschlechtsangleichenden Operation; und stirbt an deren Folgen.
Mein Punkt dabei: Sobald es möglich war, haben Menschen diese Möglichkeiten genutzt.
Und um aus einer persönlichen Perspektive zu sprechen: Ich selbst bin froh, dass mittlerweile Behandlungsmethoden existieren, die meine Leiden lindern können. Und ich möchte auch nicht, dass außenstehende Menschen darüber urteilen, wie notwendig solche Maßnahmen sind, das entscheidet jeder Mensch bitte für sich allein. Das ist ein ganz existenzieller Punkt der Forderung nach geschlechtlicher Selbstbestimmung.
Dabei ist es tatsächlich wichtig, auf die Tatsache hinzuweisen, dass therapeutisch-medizinische Behandlungsrichtlinien sich immer am Wohle der Betroffenen zu orientieren haben. Das Bundesverfassungsgericht hat in Deutschland zum Glück einige Punkte des TSG ("Transsexuellengesetz - eigentlich "Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen") für nichtig erklärt, die eben diese Aspekte überhaupt nicht berücksichtigten (Stichwort Zwangssterilisation), zu einer tatsächlichen am Wohl des einzelnen Menschen orientierten Praxis ist es aber noch ein weiter Weg....
Und um noch etwas zum eigentlichen Thema zu sagen, den Begrifflichkeiten: Ich schwanke in der Selbstbezeichnung irgendwo zwischen Frau und Trans*Frau. In irgendeinem der vorherigen Posts habe ich eine interessante Sicht bezüglich der Phasenhaftigkeit der Vorsilbe trans* gelesen. Ein Stückweit empfinde ich das als zutreffend, sehe ich meine Transition doch noch immer in vollem Gange, mein Coming-Out ist gerade einmal 1,5 Jahre her, der Beginn der medizischen Behandlung erst neun Monate.
Und dennoch: Der Wunsch, diese Phase irgendwann abschließen zu wollen, um am Ende (Achtung, sprachlicher Stolperstein, deshalb in Tüdelchen!) "nur noch" Frau zu sein, verdeutlicht in meinen Augen durchaus eine Internalisierung der gesellschaftlich Cis-(hetero-)Normativität, die noch immer den Status quo darstellt. Leider finde ich gerade keinen Link dazu, aber es gab z.B. eine schöne Kampagne "Trans - Na und!" mit Aufklebern mit eben diesem Slogan. Der Wunsch, das Trans*Sein unbedingt ablegen zu wollen, deutet für mich durchaus darauf hin, dass es auch von vielen Betroffenen noch immer (eben aufgrund der Internalisierung geltender Normen) als Mangel empfunden wird(analog zum immer noch vorhandenen Problem der internalisierten Homophobie).
Um am eigenen Beispiel zu bleiben: Natürlich wünsche ich mir irgendwann einen Zustand, in dem mein Trans*Sein nicht mehr das alles bestimmende Thema sein wird. Allerdings werde ich gewisse (äußere) Beschaffenheiten nicht mehr loswerden, die mich von (zumindest dem Großteil der) Cis*Frauen unterscheidet; eben weil dazu das Testosteron einfach zu viele Jahre den bestimmenden Einfluss auf die Entwicklung meiner Körperlichkeit hatte.
Es wäre also durchaus einige Überlegungen wert, ob es (analog zur Pride-Bewegung der Schwulen und Lesben) nicht sehr viel wünschenswerter wäre, einen gesellschaftlichen Zustand zu erreichen, in dem ich sagen kann (und selbiges auch von der Mehrheitsgesellschaft anerkannt wird): Ich bin trans* und das ist gut so!, als ständig danach streben zu müssen, diesen "Mangel" loszuwerden (was aber bitte nicht als Gegenargument gegen die indivuell gewünschte medizinische Angleichung missverstanden werden soll!).
In diesem Sinne: Frohes Ihr-selbst-Sein
Anna