Blindfolded Dinner (18) Anreise
Auch M. hatte sich sorgfältig auf den Abend vorbereitet. Das Taschepacken mit Bedacht zelebriert. Im Geiste war er alle anwesenden Damen durchgegangen. Die schamlose Margot von Hohenwald, die verrückte Inga aus Baden Baden, die neugierige Tina Bellheimer, die hemmungslose Sybill van Houwten, die ihm noch unbekannte Nadine, das junge adlige, württembergische Ding, und natürlich seine Stella, das frisch erweckte Lustluder.
M. lächelte in sich hinein, das klang doch äußerst vielversprechend. Der Zirkel war aktiv, alle Gäste bereit, eine ausschweifende, hemmungslose Nacht zu erleben.
Für M. sollte Stella der Mittelpunkt des Dinners sein. Nicht nur, um die Zirkelrunde angenehm zu überraschen, sondern ihm stand sehr der Sinn danach, endlich eine Frau und Begleiterin an seiner Seite zu haben, mit der sich möglicherweise eine Fortsetzung entwickeln könnte. Eine Frau, die ihm ebenbürtig war und auf Augenhöhe mit ihm stand. Eine Frau, nicht nur attraktiv und lustvoll, sondern auch intelligent, lebenserfahren und selbstbewusst. Dass sie sich auf sein Spiel, seine unverfrorene Annäherung, eingelassen hatte, ließ M.s Herz höher schlagen, beschleunigte seinen Puls und in Gedanken stellte er sich vor, wie er Stella den schwarzen Seidenumhang beiseite ziehen würde, um sie zu begutachten, ihr in die Augen zu schauen, und das in real bestätigt zu bekommen, was er auf den beiden Fotos bereits entdeckt hatte.
Oh Stella … ich bin neugierig auf dich! Gestand er sich ein. Wirst du die Frau und Freundin für mich sein, nach der ich mich so sehr sehne? Bist du nervös, Stella? Aufgeregt? Erregt? Wir werden in einem Bett schlafen, später … nach der Party. Du und ich. Miteinander einschlafen, dein Kopf auf meiner Schulter. Wir werden unsere Düfte einatmen und am nächsten Morgen nebeneinander aufwachen. M. spürte, wie seine Vorfreude sich genau auf diesen Moment – das Aufwachen neben Stella – fokussierte, die Party für einen Moment in den Hintergrund rückte und nur der Gedanke ihn durchströmte, wie sich wohl dieses Aufwachen für ihn – und vor allem auch für sie – anfühlen würde. Am Morgen danach.
M. entschied sich spontan, auch den dünnen Morgenmantel im Kimonoschnitt mit einzupacken.
Die Herren der Gesellschaft würden ihre Damen pünktlich um 20:00 Uhr in die Villa führen. Alfred von Hohenwald, als Hausherr und Gastgeber, die Ladys einzeln ausführlich und entgegenkommend begrüßen. Erneut konnte sich M. ein lüsternes Lächeln nicht verkneifen und er spürte, wie seine Stimmung ihn zunehmend erregte. Er freute sich auch auf seinen Kollegen Eric van Houwten, mit ihm zusammen hatte er schon manch wollüstiges Dreiertreiben genossen. Sie waren sich in gewisser Weise ähnlich. Nicht nur an Statur und männlicher Ausstattung, sondern auch in ihren Gelüsten. Erics Gattin Sybill wusste die beiden Herren sehr zu schätzen.
Auf den Opelrennsportfreund Carlo Bellheimer war M. sehr gespannt. Dieser war der einzig männliche Gast, den er noch nicht kannte. Bellheimers Vita las sich beeindruckend. Die Fotos, die Carlo auf Facebook eingestellt hatte, zeigten einen kräftigen und sportlichen Mann in den besten Jahren. Und da Margot ihn im Zirkel angenommen hatte, war davon auszugehen, dass auch er ordentlich versaut war. Und mit ihm dann wohl auch seine Tina.
M. spürte, wie sich sein Schwanz bemerkbar machte. Neue Gäste näher kennen zu lernen, bereitete ihm immer wieder ein ganz besonderes Vergnügen. Wie Tina wohl schmeckt? Er würde sie küssen, erst zärtlich dann fordernd und sie mit seinen Händen und Fingern erkunden. Ihr zeigen, was er will und wie er es will. Ihre Nässe kosten. Sie schlecken.
Die Gedanken an Tina erregten ihn. Was Stella dann wohl in dem Moment erleben würde? Mit wem würde sie dann zugange sein? Ob Tina und Stella sich mögen würden? Schön wäre es, dachte M., denn Stuttgart und Frankfurt liegen nicht so weit auseinander. Wer weiß, was sich noch alles ergibt in Zukunft. Vielleicht ja eine heiße Viererfreundschaft mit gemeinsamer Urlaubsreise? Oder zu sechst mit Eric und Sybill noch? Oder zusammen mit Inga und Guido geschwind mal nach Mailand oder Paris zum shoppen jetten?
General Harras von Grantow mochte M. zwar auch, doch dessen mitunter etwas zackige Art war nicht immer nach seinem Geschmack. M. benötigte jedes Mal eine Weile, um mit Harras auf einem Lustlevel der Sympathie zu gelangen. In Zeiteinheiten ausgedrückt: In etwa drei Gläser Champagner.
Der General, der nebenher noch in vertraulicher, beratender Funktion und mitunter auch Mission, für das LKA Baden Württemberg tätig war, mit Sitz in Stuttgart, brauchte stets eine gewisse Vorlaufzeit, bis er in jene besondere, gesellschaftliche Zirkelstimmung geriet, die ein Miteinander ohne Hierarchie pflegte. Es war erstaunlich wie von Grantow immer wieder an die hübschesten Frauen gelangte. Ein Charmeur der alten Schule und ausgewiesener Weinkenner kommt eben gut an, grinste M., und gut ausgestattet und aussauernd ist auch er. Ein Schwanz wie ein Kanonenrohr mit reichlich Ladung zum Verschießen, wie der General hier und da in ausgelassener Runde betonte.
Wenn die adlige Nadine sich auf ihn eingelassen hatte bedeutete dies, dass auch sie ein sehr heißer und williger Feger sein musste. M. war gespannt auf die junge Lady. Zumal er natürlich von Grantows Vorliebe für üppige Balkone kannte.
Blieb noch Guido. Ingas „Hündchen“. Der ehemalige Politiker und Regierungsbeamte aus Niedersachsen war der Einzige im Zirkel, der über eine Affäre gestolpert war und seinen Hut nehmen musste. Wochenlang hatte er damals in den Schlagzeilen des Landes gestanden, weil er von Paparazzi in Lyon nach einer Razzia in einem zweifellhaften Nachtclub erwischt worden war. Die Enthüllungen waren brisant und äußerst delikat gewesen. Um nicht zu sagen: Skandalös!
Das französische Sondereinsatzkommando hatte Guido Börnsen im Keller des Etablissements vorgefunden, weil man ihn in der Hektik vergessen hatte, aus einer eindeutigen und misslichen Situation zu befreien. Nackt an ein Andreaskreuz gebunden. Bedauerlicherweise trug er noch die lederne Hundemaske und aus seinem Hintern ragte eine Art Stöpsel. Der begleitende Pressefotograf war geistesgegenwärtig genug, dies festzuhalten, und als nach Feststellung der Identität des Perversen klar wurde, wer ihnen da ins Netz gegangen war, ging der bedauernswerte Guido als das „Hundegate“ in die Geschichte der Niedersächsischen Landesregierung und des Deutschen Bundestages ein.
Kurzum, Guido wurde untragbar! Man ließ ihn fallen wie glühende Kohle. Die Medien schlachteten den Vorfall bis zum geht-nicht-mehr aus. Guido zog sich – verständlichererweise – aus der Öffentlichkeit zurück und gönnte sich, knapp ein Jahr später, als die Wogen sich geglättet hatten, eine Privatkur in … Baden Baden. Und lernte Inga kennen. Die, wenig zimperlich, verstand sich auf Anhieb mit dem Gestolperten und wusste dessen bizarre Neigung sehr zu schätzen. Der sexuell devot, masochistisch veranlagte Guido war aber alles andere als ein Weichei und heulender Hund. Seine politische Karriere verdankte er in erster Linie einer knallharten und bestimmenden Linie. In einem Exklusivinterview hatte er es so erklärt, dass er seine - für brave Bürger nur schwer nachzuvollziehende – Lust lediglich als Ventil betrachtet, einen Ausgleich zu besitzen für seine dominante, politische Führungsrolle im Beruf. Das Loslassen und die Hingabe wären sein Ausgleich. Auf die Frage, ob denn noch weitere hochrangige Persönlichkeiten ähnlichen Ausgleich betrieben wie er, antwortete Börnsen mit den berühmt gewordenen und gern zitierten Worten: „Der bunga Bungalow der Lust ist groß und dunkel.“
Für M. war Guido ein Switcher. Es war absolut in Ordnung, dass Inga den Expolitiker unter ihre weiblichen Fittiche genommen hatte, dass er aus dem Rampenlicht des Interesses verschwunden war und fortan seine Lüste mit ihr zusammen auf Privatgesellschaften auslebte. Denn Guido konnte durchaus dominant, fordernd und bestimmend sein. So wurde er ein sehr belebendes Element der wollüstigen Zirkelrunde.
M. klappte den Kofferraumdeckel seines Wagens zu und setzte sich hinter das Steuer. Es war Zeit. Da er der einzige männliche Gast war, der alleine anreiste, hatte er mit Alfred und Margot abgesprochen, schon etwas eher in der Villa zu erscheinen und mitzuhelfen, die letzten Vorbereitungen für den Abend zu treffen. M. war vorbereitet, gut vorbereitet. Seinen kleinen Reisekoffer hatte er mit Bedacht gepackt, das spezielle Lustspielzeug und seine Maske in einer separaten Tasche verstaut, seinen Anzug, Hemd und Schuhe perfekt abgestimmt.
Es war bereits dunkel, als M. die Villa erreichte. Einmal mehr war er von dem Anwesen der von Hohenwalds beindruckt. Das Unternehmerehepaar bewohnte seit ewigen Zeiten die alte Familenvilla. Alfred war hier aufgewachsen und nicht ein einziges Mal umgezogen. Warum auch? Margot war die perfekte Ergänzung des heimatverbunden Alfred, der sein Hessen liebte, gern zu feiern wusste und Wohlstand und dezentem Luxus überaus zugewandt war. Doch anstatt sich in modischem Design und technologischem Schnickschnack – wie er es nannte – zu erfreuen, bevorzugte Alfred das Nostalgische, die Antiquitäten und das Pflegen der Kultur. Entsprechend eingerichtet war das Haus. Lediglich die Küche war auf dem allerneusten Stand der Technik, dafür hatte Margot direkt nach ihrem Einzug gesorgt, und den wichtigsten Raum im Haus – wie sie es nannte – immer wieder dem technischen Wandel angepasst. Alfred hatte es akzeptiert, dass Magot die Alleinherrscherin des kulinarischen Bereichs wurde und ließ ihr in allen Entscheidungen – was die Küche betraf – freie Hand.
Bei ihrer letzten Komplettrenovierung vor einem Jahr hatte sie sich für Küchenschränke entschieden, die sich auf Sensordruck hin öffnen und schließen ließen. Lediglich schmale Schlitze deuteten darauf hin, dass sich eine Vielzahl von Schränken hinter der glatten Holzwand verbarg. Es gab weder Griffe oder Metalleisten, noch Knöpfe oder Kerben. Auch die beiden großen amerikanischen Kühlschränke, einer davon mit den typischen Eisspendern, blieben dem ersten Blick verborgen. Genauso wie der Ofen mit Grill und die große Mikrowelle. Zwei lange Arbeitsplatten von knapp fünf Metern Länge hätten eine ganze Kompanie mit einem Buffet versorgen können, heute jedoch war alles blitzblank aufgeräumt und vorbereitet, das von dem Cateringservice eines Nobelrestaurants angelieferte Menu zu servieren. An der riesigen Spültheke brachte selbst der Abwasch Spaß, obwohl selbstverständlich auch eine professionelle Gastronomiespülmaschine für schnelle Geschirrreinigung integriert war.
So fokussierte sich alles auf den mächtigen Mittelblock, der das Zentrum der Küche bildete. Sechs Herdplatten luden zum Kochen ein. Heute jedoch waren sie mit einem exakt angepassten Deckel plan abgedeckt. Die große kupferne Dunstabzugshaube über dem Gasherd war ein Geschenk Margots für Alfred gewesen, der dieses Material liebte. Putzen und wienern allerdings musste dies die Haushälterin.
M. hatte sich telefonisch angekündigt, und als er seinen Wagen an der Seite des Hauses geparkt hatte, stand die Küchentüre offen. Er klopfte und trat ein. Margot und Alfred erwarteten ihn bereits. Natürlich waren sie noch nicht umgezogen, denn es war noch zwei Stunden Zeit, bis die Gäste eintreffen würden. Alfred trug zu seiner Valentino Blue Jeans einen leuchtend blauen Kaschmirpulli, Margot ein dunkelrotes, dünnes, knielanges Kleid und weiße Slipper. Die kastanienroten, schulterlangen Haare trug sie offen.
„M.!“, rief sie und lief lachend auf ihn zu. „Heute durch den Lieferanteneingang?“
„Margot! Hallo, du meine Liebste! Schön, dich zu sehen!“
Er umarmte erst Marot, dann Alfred.
„Einen kleinen Willkommensaperitif, mein Lieber?“, fragte Alfred und ohne Antwort abzuwarten tippte er gegen die glatte Holzwand. Mit einem leisen Klick sprang die Kühlschranktür auf. „Champagner?“
„Nein, Alfred, danke dir, noch nicht. Ein kaltes Bier wäre mir jetzt aber sehr recht.“
„Klar doch, und da schließe ich mich gerne an. Partytime. Guck nicht so, Margot! Du bekommst natürlich deine heißgeliebte Prickelbrause.“
„Männer!“, lachte Margot. „Aber genauso liebe ich euch!“
Kurz darauf stießen sie miteinander an. Wie es sich für einen Küchendrink gehört, tranken Alfred und M. direkt aus der Flasche, Margot aus einem hochstiligen Sektglas mit Moussierpunkt. Feine Perlen stiegen auf.
M. lehnte an dem Küchenblock, Margot und Alfred standen ihm gegenüber an der Anrichte. Sie sahen sich an und augenblicklich baute sich eine spürbare erotische Spannung auf.