Blindfolded Dinner (20) – Erzieherische Kurzmaßnahme
„Zeigst du unserem Gast sein Zimmer, Schatz? Ich überwache hier derweil den Buffetaufbau“, schlug Alfred vor. M. war froh über die Unterbrechung des Intermezzos, denn noch war es nicht an der Zeit, sich eingehend zu verlustieren. Er nahm sein Gepäck auf und folgte Margot aus der Küche, während draußen vor dem Haus mehrere Männer von dem Cateringservice eines Nobeltestaurants damit beschaftigt waren, das Buffet herein zu tragen. Aus dem Blickfeld zu verschwinden war sehr in M.s Interesse.„Wir haben euch das Rote Zimmer vorbereitet, dir und deiner Stella“, lächelte Margot, als sie die Treppe voran sich nach M. umdrehte. „Im zweiten Stock. Das kennst du ja schon, nicht wahr?“
Ihr kokettes Lächeln verkündete unmissverständlich ihr Wissen um manch delikates Geheimnis von ihm.
Einem ertappten Schulbub gleich flötete M. ein lustig Liedlein und folgte der Gastgeberin mit seinem Handkoffer und der Reisetasche. Blickte ihr aber dabei gar nicht schulbubengleich auf die wiegenden Hüften und den Po.
„Das Rote Zimmer? Wie pikant!“, lachte er zur Antwort.
Die alte Holztreppe knarrte vereinzelt unter seinen schweren Schritten, der Teppichboden jedoch dämpfte sie. M. liebte dieses Haus. Er war gerne hier zu Gast. Der kleine Rokokosekretär mit seinen anmutig wirkenden Verzierungen stand wie eh und je an seinem Platz in der Diele, von der mehrere Zimmer abgingen. Warm und weich tauchte das Licht von einer Alabasterdeckenleuchte und zwei Stehlampen mit roten Schirmen den Flur in Gemütlichkeit, ließen die beiden Gemälde an den Wänden nicht zu üppig erscheinen und erneut wunderte sich M., dass die Opulenz der alten Zeit ihn nicht erdrückte oder schwermütig werden ließ. Im Gegenteil, eine behagliche Wohligkeit hatte ihn erfasst, als er hinter Margot in das Zimmer trat.
Rot und dunkelgrün waren tatsächlich die vorherrschenden Farben in dem großen Zimmer. Einzig das weiß bezogene Kingsize-Bett fiel aus dem Rahmen, ansonsten waren die Tapeten, der große Paravent, der Teppich und auch die Polster der beiden Sessel einheitlich aufeinander abgestimmt.
„Voila Monsieur, das Rote Zimmer!“, sagte Margot, nicht ohne ein wenig Stolz in der Stimme. Das Zimmer war ein Traum!
Sie hielt ihm die Tür auf und trat nach ihm mit ein.
„Dann wollen wir doch hoffen, dass Stella und ich es dem alten Schweden und Autor August Strindberg zur Ehre gereichen werden. Bigotterie und Scheinheiligkeit sich erfolgreich in Ausschweifung und Lasterhaftigkeit wandeln.“
„Oooohhh … M., du folgst dem Credo unseres Zirkels aufs Trefflichste! So will ich dich! Führe uns fehlgeleiteten Bürgersfrauen zurück auf den rechten Weg und treibe uns unsere unzüchtigen Gedanken aus, auf dass wir uns klar bekennen.“
Im nächsten Moment fiel sie ihm um den Hals und küsste ihn gierig.
„Zeige mir, was für ein wollüstiges Weib ich bin, M.!“, keuchte sie. „Und führe mich in Versuchung! Führe mir deine Stella vor. Ich will mich an ihr erregen!“
„Gemach, Margot, gemach!“, sagte M. leise uns löste sich bestimmend von ihr. „Du wirst heute so rangenommen, wie es sich für unseren Lustzirkel gehört. Dafür kommen wir zusammen, um uns zu erregen und unseren Gelüsten nachzugehen. Doch noch musst du dich gedulden, Schamlose! Bis Alfred dich uns vorführt und freigibt!“
„Ach Menno, M.!“, maulte Margot gespielt enttäuscht und zog eine Jungmädchenschnute. „Wenn du wüsstest, was ich leide heute! Ich kann es wirklich kaum noch abwarten!“
Sie tastete an seinen Schritt, fasste zu. „Ich weiß doch, wie scharf du bist! Und ich fühle es bereits in dir pulsieren. Darf ich ihn nicht mal haben? Ganz kurz nur?“
M. lachte auf. Bettelte sie um seinen Schwanz?
„Alle werden wir dich vögeln heute, Margot. Alle! Hörst du?“
„Ja, das werdet ihr! Und meine Brüste kneten!“
„Genau! Und jetzt lass uns wieder hinunter gehen. Ich möchte nachher noch genügend Zeit haben, mich vorzubereiten.“
M. hatte sein Gepäck abgestellt, einen kurzen Blick in den Spiegel und auf die Uhr geworfen, dann ging er zur Tür, hielt sie für Margot offen, damit sie an ihm vorbei das Zimmer verlassen konnte. Doch kaum war sie neben ihm, packte er sie mit festem Griff, zog sie an sich, küsste sie mit Leidenschaft und fasste ihr noch einmal von vorne unter das Kleid. Erschrocken stieß Margot einen kleinen, spitzen Schrei aus. Mit der Attacke hatte sie nicht gerecht. Seine Hand an ihrem Schritt, die die Schamlippen zusammenkniffen.
„Du geiles Stück!“, zischte er ihr ins Ohr. „Glaub ja nicht, dass ich dich heut verschone!“
Für einen kurzen Moment schien M. wie verwandelt, hatte sich sein Blick verändert, dunkel wirkten seine Augen nun. Dunkel, hart und streng. Ein Schauer lief Margot über den Rücken und sie keuchte auf. Es war gefährlich, M. zu reizen, das wusste sie. Binnen einer einzigen Sekunde konnte er vom charmanten Essensgast zum dominanten Herrscher werden. Sich wandeln.
„Oh Gott …“, stotterte sie und wagte nicht, sich zu rühren. Im nächsten Augenblick drehte M. sie energisch um, zog ihr hinten das Kleid hoch und gab ihr zwei feste Schläge mit der flachen Hand auf den nackten Po. Laut klatschte es auf. Kurz. Denn der Teppich, die Möbel und die mit dicken Tapeten überzogenen Wände ließen keinen Hall zu.
„Hast du mich verstanden, Luder?“, zischte er erneut.
„Ja, M.! Das habe ich!“
„Dann los jetzt! Ab nach unten!“
Er schritt voran und Margot folgte ihm mit zittrigen Knien. Oh Gott, dachte sie, ... M., genau so liebe ich dich! Streng und unerbittlich, fordernd und dominant auf der einen Seite, auf der anderen aber ganz der Weltlebemann. Umsichtig, charmant, herzlich und einfühlsam. Sie beneidete Stella ein wenig um diesen Mann. Auch wegen seiner Qualitäten im Bett, um seinen Einfallsreichtum und schamlosen Fantasien. Wie er Margot eben kurzerhand gemaßregelt hatte war sehr nach ihrem Geschmack. Was ihre Lust nicht gerade minderte. Sie stieß einen kleinen Seufzer aus, auf den M. aber natürlich nicht einging. Entschieden setzte er seinen Weg fort. Margot folgte ihm mit einem Glänzen in den Augen die Treppe herab. Sah nicht sein Lächeln auf den Lippen und auch das Funkeln seiner Augen nicht. Margot, dachte er, du heißes Luder, heute Nacht bist dran! Und das weißt du!
Alfred erwartete sie bereits. Mit keiner Miene verriet er, was er dachte, sondern sagte lapidar: „Das Buffet ist aufgestellt. Seht nur!“
Die vorhin noch blanken Anrichten waren jetzt gut gefüllt. Mehrere Bain-Maries standen verteilt, je ein Stapel Geschirr in den Zwischenräumen. Tiefe Teller, flache Teller, Schüsseln und Schälchen, alles hatte seinen erkennbar festen Platz.
„Hier, die Speisekarte! Gefällt sie euch?“
Da M. bis zu diesem Moment noch nicht wusste, was am heutigen Abend serviert werden wird, nahm er sie sich sogleich neugierig zur Hand.
Amuse Gueule
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Spargelsalat mit Erdbeeren und grünem Pfeffer
in Balsamicodressing
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Klare Ochsenschwanzsuppe mit Sherry
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Fangfrische Bodenseefelchen mit Meerrettich-Sahnesauce auf hausgemachtem Kartoffelsalat
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Passionsfruchtsorbet
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Rinderfilet Wellington
mit Champignon-Kräuter-Mantel
im Blätterteig gebacken,
an Sauce Bernaise, mit Gemüsebukett
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Duett von weißem und braunem Schokoladenmousse
an Pfefferminz-Himbeermark mit gebackenen Kokosröllchen
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„Filet Wellington für zwölf Personen?“, rief M. überrascht. „Deliziös! Ich bin begeistert! Wer aber soll all dies tranchieren, auflegen, portionieren? Wir sprechen hier von einem sechs Gänge Menü!“
Unruhig sah er sich in der Küche um. Wer würde den Überblick haben über all das Aufgebaute und Zurechtgestellte? Den professionellen Durchblick? Vor allem … wer würde diskret genug sein?
„Ach M.“, sagte Alfred jovial und klopfte ihm auf die Schulter. „Entspann dich. Kommt, wir genehmigen uns jetzt auch ein Glas Champagner, und dann zeige ich dir, wo und wie wir heute tafeln werden, und was Margot und ich, nebst ein paar freundlichen Helferlein, schon alles für heute Abend vorbereitet haben. Gewiss, du bist früher angereist, weil du mithelfen wolltest. Den Tisch einzudecken, Weine zu dekantieren und Champagnerflaschen zu öffnen. Doch es hat sich etwas anderes ergeben. Sehr zu unserer Freude und zu unserer Entspannung. Wir werden später noch arg genug gefordert werden. Wenn du verstehst was ich meine.“
Margot kicherte auf und M. schaute verdutzt.
„Wie meinst du das, Alfred?“, fragte er nach.
Alfred reichte die Gläser an, füllte den Champagner ein, es prickelte und schäumte wie erwartet, doch Alfred enthielt sich einer Antwort, schwieg und wirkte sehr professionell. Er mochte es, den Connoisseur zu spielen und gleichzeitig für die Bewirtung zu sorgen. Gemeinsam stießen sie an.
„Wie versprochen, Veuve Clicquot, Jahrgangschampagner La Grande Dame 2004, Brut Rosé!“
„Auf euer Wohl!“, sagte M. und schaute fasziniert auf das glänzend kupferfarbene Rosa mit den bersteinbraunen Reflexen. Ein feines Moussieren, ein gleichsteigendes Perlen.
Bevor er den ersten Schluck zu sich nahm, atmete er das kräftige und doch sinnliche Bukett ein, das einen vollen Körper nicht nur versprach, sondern im Geschmack auch hielt. Der erste Schluck war überwältigend. Der Abgang stark und nachwirkend. Erneut war M. überrascht, im ersten Moment traute der Verkoster und Genießer dem zarten Rosa einen solchen Nachhall nicht zu. Und doch! M. nahm direkt noch einen Schluck.
„Grandios, meine Lieben, grandios“, sagte er und nickte anerkennend.
Und doch beunruhigte ihn die heitere, gelassene Entspanntheit seiner Gastgeber. Es war bereits kurz nach 19:00 Uhr und sie machten keinerlei Anstalten, sich in die Vorbereitungen zu begeben. Stattdessen füllte Alfred nach einer Weile erneut die Gläser auf, und auf ein Kopfnicken hin tischte Margot zwei weitere langstilige Champagnergläser auf, die Alfred ebenfalls mit dem Rosé befüllte.
Margots verschmitztes Lächeln verriet M., dass sie eine Überraschung geplant und vorbereitet hatten. Alfred blieb wie gewohnt souverän gelassen. Er und Margot nahmen sich je zwei Gläser und Alfred meinte:
„Nun denn, dann begeben wir uns jetzt in den Bereich der kulinarischen Genüsse und Exzesse. Bitte folgt mir.“
M. war gespannt, was sie sich ausgedacht hatten, und gemeinsam schritten sie hinüber in das Esszimmer. Überrascht blieb M. bereits in der Türe stehen, denn das was er erblickte, ließ ihn kurz den Atem stocken.