Ich trenne gern zwischen Alltag und SM ...
... und ich halte es in meinem Fall auch für absolut richtig so. Warum? Weil ich als Domse eine gemeine, hinterhältige Schlampe bin, der es Spaß macht, Menschen zu zerbrechen bzw. schrittweise an die Stelle zu führen, wo etwas zerbricht. Mittels körperlicher und seelischer Schmerzen, Demütigungen, Hilflosmachungen, schamlosem Missbrauch meiner verbalen Überlegenheit etc.
Weder möchte ich diesen Teil meiner Persönlichkeit im Alltag jederzeit ohne Rücksicht auf die Wünsche meines Partners abrufen, noch möchte ich es dürfen. Bin ich deswegen nicht dominant? ^^
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BDSM ist für jeden anders. Am Anfang hilft es, sich damit auseinanderzusetzen, was für Modelle andere leben, um dazwischen die Eckpunkte für die eigene Entwicklung zu finden. Deswegen hier gern ein kleiner Überblick über meins:
Ich bin Switch. Das heißt, dass ich manchmal (häufig) dominant bin und manchmal (selten, aber heißgeliebt) Sub. Ach ja, und ansonsten bin ich noch Hobbymusikerin, Katzenfreundin, Herstellerin zu trockener Cookies (ich gebe nicht auf, irgendwann gelingt das Rezept!), eine miserable Hausfrau, Mitglied eines Schreibzirkels und Larperin. Ich mag Star Trek-Filme, besonders Next Generation, weil die Menschen da so erwachsen und respektvoll miteinander umgehen und fundamentale Fragen darüber gestellt werden, was es ausmacht, ein Mensch zu sein. Mein Lieblingsparfüm habe ich selbst gemischt aus zerstoßener Myrrhe, Styrax, Jojobaöl und folgenden ätherischen Ölen: Rose, Patchouli, Fichte, Lavendel und Neroli. Eigentlich wollte ich auch noch eine Spur Moschus reinmischen, aber das Öl dafür konnte ich mir in dem Monat nicht mehr leisten, also habe ich es nicht mitbestellt und bin seitdem nicht mehr dazu gekommen.
Warum diese Ausführung?
Mir ist wie dir sehr wichtig, dass ich eben mehr bin als "nur" eine Herrscherin, die am besten noch ausschließlich die Bedürfnisse ihres Partners erfüllt, oder schlimmer noch, eine Sub, die immer gehorchen muss. Ich bin ein Mensch mit vielen Facetten, jemand, der Sinnlichkeit mag und manchmal, nur manchmal, neue Dinge ausprobiert, um das Leben oder die Partnerschaft schöner oder romantischer zu machen. Für mich sind Sessions Ausnahmezustände und Höhenflüge.
Für mich hat eine Session auch wenig bis gar nichts mit Dienen zu tun (auch wenn ich meinen Schatz im Alltag gern mit einem Kännchen Earl Grey und besagten trockenen Keksen verwöhne und er mir gern was zu Essen von der Arbeit mitbringt oder mir zwischendurch den Nacken massiert). Und bei Dingen wie Hausarbeit streiten wir völlig gleichberechtigt darum, wer was macht, bzw. ich schmolle und mache dann gefühlt viel mehr als er. Das ist verdammt unsexuell, gehört aber nun mal zum Zusammenleben in einer Partnerschaft dazu. Genau wie der Teil, dass ich manchmal ankomme und sage, mir geht es scheiße, ich brauch dich, nimm mich bitte in den Arm, oder hilf mir bitte, mir über dieses und jenes Problem klarer zu werden und eine Lösung zu finden. Er sagt das auch manchmal zu mir.
Trotzdem sind unsere Sessions in meinen Augen so echt, wie etwas nur sein kann. Eine Mischung aus Lust, Angst, Schmerz und Psychoterror. Eine wilde Achterbahnfahrt, die Angst macht, und die tatsächlich im Ernstfall durch ein Safeword unterbrochen werden kann - und manchmal auch sollte (wie uncool ...) Momente größter Intimität, in denen nichts existiert als der andere und man völlig auf ihn fixiert ist, intensiver, als wir beide das je zuvor bei normalem Sex erlebt haben. Das ist es, was ich suche, was mir wichtig ist und was ich finde. Und meiner Ansicht nach handelt es sich dabei um "echtes" BDSM, weil nämlich die meisten Leute überhaupt nicht darauf abfahren würden, weil es viel zu sehr wehtut, viel zu gemein und demütigend ist und so weiter. Wenn es aus diesen Gründen also kein Vanilla ist, muss es BDSM sein, denke ich.
Lifestyle? Immer gern. Ich mag den Lebensstil, bei dem man alles mitnimmt und genießt, was das Leben zu bieten hat, in voller Intensität, sei es sexuell, BDSM-mäßig, beim Mischen von Parfüm oder beim Offroadfahren. Das Wort hat für mich nichts Abwertendes, auch wenn ich weiß, dass andere es gern so verwenden. Ich lebe gern intensiv. Das ist doch ein Lifestyle? Und es gibt schlechtere.
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Ein ganz klein bisschen kennen wir das auch, dass BDSM in den Alltag herüberschwappt. Nicht auf einer bierernsten, düsteren Ebene, wie in deinen Befürchtungen formuliert - sondern eher wie in einem Flirt oder einer humorvollen Neckerei. Natürlich nichts, was man tut, wenn der andere gerade schlecht drauf ist und von der Arbeit erschöpft, aber eine Beziehung besteht ja aus mehr als solchen Momenten. Oft wird gemeinsam gelacht, geblödelt ... Und manchmal eben auch geflirtet. Flirten ist jederzeit möglich, wenn man sich liebt. Flirten ist nicht böse, nicht dunkel, gemein oder ernst, sondern hell, flirrend und vergnüglich.
Flirten kann tatsächlich zu einer Einleitung für eine BDSM-Session werden, die muss man nicht jedes Mal total bierernst absprechen, wenn man sich gut kennt und aufeinander eingestimmt ist. Das ist der Teil, wo das Machtgefälle (in beide Richtungen, weil Switch) tatsächlich jederzeit abgerufen werden kann. Bzw. im Flirt kann man etwas sagen, was sowohl ein Scherz wie auch ernst gemeint sein könnte ("Was fällt dir ein, Sklave, so mit mir zu reden!"). Wenn der andere gerade mehr in Blödelstimmung ist, gibt es eine geblödelte Antwort zurück und alles bleibt ein Flirt. Wenn der andere durch den Spruch plötzlich in die devote Haltung verfällt, und sei es ganz kurz ... Dann erstirbt das Lachen, Augen finden sich und etwas verändert sich. Etwas Schönes, Reines und Gutes, etwas voll tiefer Verbundenheit.
Vielleicht wird der Moment kurz danach mit einem Kuss beendet und man kehrt zurück im Alltag. Auch in Vanillabeziehungen führt nicht jeder Flirt, jeder verliebte Blick sofort zum Sex. Aber die Möglichkeit, dass es dazu kommen könnte, liegt immer irgendwie latent in der Luft, manchmal mehr, manchmal durch andere externe Stressfaktoren bedingt oder Streit eher weniger. Genauso ist es m. E. mit dem Machtgefälle.
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Es gibt auch Menschen, bei denen es noch mehr in den Alltag reinspielt als bei uns. Andere, bei denen es viel weniger ist. Andere, die es gar nicht mögen. Alles ist okay. Jeder darf und muss seinen Weg dazwischen finden, der für ihn oder sie passt.
Ich drück dir die Daumen für das Finden deines Weges :).