Mehr brandheiße Inhalte
zur Gruppe
Geschichte der O
2647 Mitglieder
zur Gruppe
Kopfkino
1592 Mitglieder
zum Thema
Die Villa - Ein Kurzurlaub in acht Episoden14
Liebe Leserinnen und Leser, vielen Dank für eure Treue.
zum Thema
Der neue job4
Neuer Job Mit der Übernahme meines neuen Jobs als Einkaufsleiter bei…
Das Thema ist für dich interessant? Jetzt JOYclub entdecken

Die Wasserburg

********mann Mann
910 Beiträge
Themenersteller 
Die Wasserburg
Auf diesem Trip war Linda längst, nur würde niemand auf die Idee kommen, dass ausgerechnet der Jan dies bei ihr auslöste.

Um davon abzulenken, fragte Linda irgendwas, obwohl sie das Video schon am Sonntag gesehen hatte.

„Wo waren Sie, Herr Friedrichs, am Samstag gegen 16:00 Uhr?“

„Ich war Veranstalter und Organisator des Events, hatte alle Hände voll zu tun, sprach mit den Feuerwehrleuten und den Pyrotechnikern wegen des Feuerwerks – aber daraus wurde dann leider nichts mehr, es wurde am Sonntag abgebaut, schade drum. Dafür kann ich ein Dutzend Zeugen aufbieten, zufrieden? Haben Sie schon einen Verdacht, Frau Behrends?“

„Lieber Herr Friedrichs! Nicht einmal in den realitätsfernen Krimis im Fernsehen würde ein Kripobeamter den Stand der Ermittlungen preis geben!“, lachte Linda und Kurt stimmte ein.

In Gedanken machte Linda einen Strich durch den Namen – der war es nicht. Welches Motiv sollte er haben?
Dann fiel es Linda wie Schuppen von den Augen!

„Eine letzte Frage! Sie waren und Sie bleiben Geschäftsführer – ist nicht eine junge Frau wie Lena leichter beeinflussbar als ein – verzeihen Sie den Ausdruck – alter, starrsinniger Mann?“

„Das mag sogar sein, Sie haben es ja selbst erlebt. Aber es gilt, was ich vorher gesagt habe: Ich hatte schlichtweg keine Zeit für einen Mord, war nicht im Büro, habe Lena hingeschickt, damit sich Walter als Schirmherr auch nach der Eröffnung mal wieder beim Volk blicken lässt – was aber nicht passierte!“

„Danke, Herr Friedrichs, für heute habe ich genug gesehen und gehört! Ciao!“

Linda lief durch die Gänge, auf den lichtüberfluteten Burghof, wo sie die Sonne blendete, über die Zugbrücke am grüßenden Security-Mann vorbei zum Parkplatz und lehnte sich an das heiße Blech des Peugeot.

Jan war ihr unbemerkt gefolgt, berührte sie an der Schulter, Linda erschrak.

Sie zog ihn in den Schatten und hinter dem Auto ging sie auf die Zehenspitzen und küsste ihn leidenschaftlich.

„Komm‘ bitte mit, Jan, ich brauche dich!“, keuchte sie.

Ihre Stimme klang rau, als hätte sie zu einem Glas Whisky Zigaretten geraucht, was sie nie tat.

Jan schlüpfte in seine neue Rolle als dominanter Mann, was ihm zunehmend Spaß bereitete.

„Nein, Linda! Ich komme, wann es mir passt! Entweder heute Abend, morgen oder zu einem anderen Zeitpunkt! Ich habe noch ein paar Vorkehrungenzu treffen – du darfst gespannt sein, Süße!“

Jan gab ihr einen Klaps auf den Po, dann einen sanften Stoß in die Rippen.

„Fahr‘ los, man sieht sich!“

‚Der Kerl versteht es tatsächlich, die Spannung ins Unermessliche zu treiben!‘, dachte Linda und stieg benommen in ihr Auto …

„Nun, Frau Fallanalytikerin – schon den Fall analysiert?“, grinste der leitende Ermittler Klaus Lorenz sie an.

Linda lächelte nur zurück – in Gedanken teils schon beim Feierabend – und sie wusste inzwischen, wie sie die Macho-Sprüche zu werten hatte.
Die hielten sich für so oberschlau – dabei hatten die Herren Haupt-Kommissare einiges übersehen.

„Es ist noch zu früh, zu sagen, die war es, der nicht, ich habe auch nicht mit allen sprechen können. Aber sag mal, Klaus, haben wir hier Panzerschrank-Knacker?“, fragte sie mit kessem Wimpernaufschlag.

„Nein, Egon Olsen ist leider bereits verstorben“, lachte Klaus – aber Linda verstand den Witz nicht, denn die Olsenbanden-Filme waren nur in Dänemark und der DDR Kino-Knüller gewesen.

„Du meinst das ernst, Linda?“

„Oh, ja, im Büro des Opfers hängt ein Bild und darunter ist ein Tresor. Vielleicht finden wir da etwas, das uns weiter hilft …“

„Und weder Frau Kreuzer, noch Frau Berger oder Herr Friedrichs haben den geöffnet?“

„Nein, dann hätte ich das bei den Befragungen heraus gefunden!“, sagte Linda kühn – in Wirklichkeit hatte sie gar nicht danach gefragt.

„Okay, ich organisiere das! Dazu brauchen wir einen Durchsuchungsbeschluss eines Richters und einen Profi vom LKA! Ich bitte dich, das Ergebnis der heutigen Befragungen aus deiner Sicht schriftlich niederzulegen mit Einschätzung der Glaubwürdigkeit der Zeugen - aber das muss ich dir ja nicht sagen!“

Linda trottete zu ihrem provisorischen Schreibtisch. Die spannendsten Kriminalfälle bestanden zu achtzig Prozent aus Papierkram – was nur in den „Tatort“-Krimis nicht gezeigt wurde.

Gegen 17:00 Uhr war Linda fertig, fragte Klaus, ob ihm die Textdateien reichen würden oder sie es noch ausdrucken solle.
Langsam wurde sie unruhig. Würde Jan heute noch kommen, oder sie zappeln lassen?

Hatte sie ihre Paarungswilligkeit zu deutlich gemacht?
Wollten nicht die Männer zunächst ein „Nein“ hören, weil dies ihren Jagdinstinkt weckte?

„Mir genügen die Textdateien, danke, Linda! Wie ist es denn nun mit einem Feierabenddrink?“

„Sorry, tut mir leid, Jungs, ich habe noch was vor!“ Linda raffte ihre Sachen zusammen und joggte zu ihrem Wagen.

Klaus und Rolf schauten ihr hinterher.

„Man könnte fast meinen, die hat noch ein Date!“, sagte Klaus.

„Vielleicht hat sie das auch, wer weiß …“

Rolf lehnte ebenfalls das Bierchen ab – auf ihn warteten die schönste Frau und das liebste Mädchen der Welt – Sandra und Sofia.

wird fortgesetzt ...
********mann Mann
910 Beiträge
Themenersteller 
Dieser Beitrag wurde als FSK18 eingestuft.
Zur Freischaltung

********mann Mann
910 Beiträge
Themenersteller 
Dieser Beitrag wurde als FSK18 eingestuft.
Zur Freischaltung

********mann Mann
910 Beiträge
Themenersteller 
Die Wasserburg
„Wenn das so ist, kann ich Ihnen und Frau Behrends so lange ein größeres Zimmer anbieten, hat sogar einen Balkon, kostet aber auch ein paar Euro mehr!“, lächelte Frau Meyer.

„Vielen Dank, ich komme auf ihr Angebot zurück, Frau Meyer!“

Jan beeilte sich, frische Brötchen zu besorgen, bevor Linda erwachte.

Als er zurück kam, fand er das Zimmer leer vor. Hatte die Pensionswirtin nicht etwas von einem größeren Zimmer gesagt?
War Linda bereits umgezogen?

Eine Tür ging auf und Linda strahlte ihn an, schön wie der Spätsommertag da draußen.

„He, wie hast du das hinbekommen? Ist auch Frau Meyer deinem Charme verfallen?“

Jan wirbelte sie herum und küsste sie leidenschaftlich. Er trug sie sogar über die Schwelle.

Sie tranken Instant-Kaffee und aßen belegte Brötchen, obwohl Linda nach eigenem Bekunden auf Diät war.
Der Ausblick vom Balkon, der mit einem Bistro-Tisch und zwei Rattanstühlen bestückt war, ging auf einen gepflegten Garten und nicht auf die Straße.

„Du ziehst endgültig weg von der Burg und hier ein, Jan?“, fragte Linda zwischen zwei Bissen.

„Ein Zimmer mit Jenny – das geht nicht mehr, ich habe mich von ihr getrennt!“, sagte Jan nachdenklich.

„Wenn Jenny es erfährt, kredenzt sie mir den Kaffee nicht freundlich lächelnd, sondern schüttet ihn mir den Ausschnitt!“

„Sie wird es unweigerlich erfahren! Wir gehen in fünf Stunden zur Beisetzung von Walter von Beckstein, Süße! Ich bekenne mich zu dir, ich liebe dich!“

Es war zwar in einem Nebensatz versteckt, aber eine deutliche Liebeserklärung gewesen!

Linda verschluckte sich beinahe am Brötchen, musste husten. Jan sprang auf und klopfte ihr auf die Schulter.

„Ich liebe dich auch, Jan!“, krächzte Linda.

Lag es am Krümel in ihrer Luftröhre oder an der ungewöhnlich schnellen Entwicklung der Dinge?

Es war nicht mehr so drückend schwül wie an den Tagen zuvor – dennoch schwitzte die Trauergemeinde.

Linda hätte sich gern einen anderen Anlass für den ersten gemeinsamen öffentlichen Auftritt mit ihrem neuen Freund Jan gewünscht, als ausgerechnet die Trauerfeier für Walter August von Beckstein, der zwar schon alt, aber eines gewaltsamen Todes gestorben war.

In den TV-Krimis nahmen Kripo-Beamte manchmal an Begräbnissen teil, weil sie sich vom Verhalten der Trauernden Rückschlüsse auf deren Verhältnis zum Opfer erhofften.
War die Trauer nur gespielt oder beweinte man ehrlich den Verlust eines geliebten Menschen?

Rolf Becker und Linda Behrends waren nicht in erster Linie als Kripobeamte hier, sondern privat als Begleitpersonen von Menschen, die dem Opfer nahe standen.

Der evangelische Pfarrer hob die Verdienste des Verblichenen hervor, der Investor aus dem Westen, der Wort gehalten und Arbeitsplätze geschaffen und erhalten hatte.

Während der Rede musterte die angehende Psychologin Linda alle Trauergäste.

Jenny im schwarzen Kostüm hatte sie und Jan nur kurz mit leerem Blick gemustert – es wirkte als habe sie resigniert, sich damit abgefunden, dass der attraktivste Mann in diesem Teil Deutschlands eine andere mit zur Trauerfeier brachte.

Lena im taillierten schwarzen Kleid – spielte sie die trauernde Witwe, obwohl sie gar nicht verheiratet waren – oder waren die Tränen echt?
Linda spürte, wie auch schon bei der Befragung, dass es echt zu sein schien.

Sandra – ebenfalls in einem engen schwarzen Kleid, aber eine Frau mit Modelmaßen konnte alles tragen, wie Linda neidvoll konstatierte – schmiegte sich an Rolf Becker, weinte ebenfalls scheinbar echte Tränen.

Dann war da noch eine schwarzhaarige Frau mit einem Nasenpiercing, die Linda nicht kannte.
Sie trug einen dunkelblauen Rock und eine schicke weiße Rüschenbluse.
Das musste die neue Sub von Kurt Friedrichs sein – diese Ina aus Berlin!

Im Folgenden konzentrierte sich Linda auf die Männer, die sie noch nicht kennen gelernt hatte:
Der große Dicke, der in seinem schwarzen Anzug schwitzte, war offenbar der Bauunternehmer Karl-Wilhelm Brunner, Generalauftragnehmer und Sponsor der Burg.
Er würde dafür sorgen, dass der Geldfluss nicht versiegte, dass es weiter ging.

Daneben mit kurzärmeligen weißem Hemd und schwarzer Krawatte ein junger Mann mit roten Haaren, den Linda wieder erkannte: Peter Brunner!

Sie sah, wie Rolf Becker ebenfalls den Rotschopf scharf musterte. Hatte der Hauptkommissar etwas heraus gefunden, das sie noch nicht wusste?
Gab es Gründe, die in der Vergangenheit lagen, dass der Brunner-Clan womöglich hinter der Ermordung steckte? Aber warum? Was war das Motiv?

Es kam leichte Unruhe in die Trauergemeinde, denn ein Gast hatte sich verspätet.

Ein schwitzender Mann mit Halbglatze im grauen Anzug entschuldigte sich leise, drängte aber nach vorn in die erste Reihe.
Aufgrund der Ähnlichkeit mit Karl-Wilhelm Brunner schloss Linda messerscharf, dass es sich um den Bruder, Rudolf Brunner, handeln musste.

Sie würde später Rolf danach fragen, der hatte sich intensiv mit den Geschäftsbeziehungen befasst.

Es war eine flüchtige Bewegung gewesen, aber Linda hatte es aus den Augenwinkeln gesehen:

Jenny Kreuzer schloss beim Auftauchen von Rudolf Brunner kurz die Augen, ballte die linke Faust, öffnete sie nach einer Sekunde wieder.

wird fortgesetzt ...
********mann Mann
910 Beiträge
Themenersteller 
Die Wasserburg
Plötzlich fasste sich Linda benommen an den Kopf, Jan wollte sie schon fragen, ob es ihr gut ginge, aber sie machte eine beruhigende Handbewegung.

Die stammten alle nicht von hier! Walter von Beckstein, Karl-Wilhelm, Rudolf und Peter Brunner sowie Jenny Kreuzer – sie alle kamen aus Baden-Württemberg!
Dieser Rudolf Brunner wohnte sogar noch dort – war extra mit dem Auto angereist!

Linda zwang sich, objektiv zu bleiben. Das hieß noch lange nicht, dass alle unter einer Decke steckten, vielleicht sogar den Mord geplant hatten.
Blödsinn – das hieße, die Alleinerbin Lena Berger war auch eingeweiht gewesen …
Sie würde ihren Verdacht nachher mit Rolf besprechen und tags darauf auch mit Klaus Lorenz, der nicht zugegen war.

Der Pfarrer kam zum Ende. Helfer räumten die vielen Kränze und Blumengebinde vom Sarg, man stand draußen Spalier zum vorletzten Geleit.
Der Sarg wurde verladen und zu einem Krematorium gebracht. Die Urnenbeisetzung würde ein paar Tage später im kleinsten Kreis stattfinden – so hatte es die Alleinerbin Lena bestimmt.

„Willkommen im Club!“, Linda wurde von Rolf Becker aus ihren Gedanken gerissen und zuckte zusammen.

„Wie meinst du das, Rolf?“, fragte sie, immer noch benommen.

„Na, ja, wir beide ermitteln in einem Mordfall, sind aber mit Tatverdächtigen privat liiert. Allein die Tatsache, dass du hier mit Jan Sommer aufkreuzt, lässt tief blicken, Linda! Darf ich dich und Jan nachher zu Kaffee und Kuchen in mein Haus einladen? Es gibt zwar eine Trauerfeier von Lena Berger organisiert, aber ich glaube nicht, dass wir als ermittelnde Beamte da sonderlich willkommen sind.“

Linda zögerte einen Moment. Jan würde da auf seine Ex Sandra treffen und sie wusste nicht, ob das so eine gute Idee war.

Sandra und Jan beantworteten dies auf ihre Weise: Sie gaben sich die Hand, umarmten sich kurz, Jan klopfte ihr auf die Schulter.

„Sandra sagte mir, sie wären wie Bruder und Schwester, es gäbe nichts und niemanden, das dieses Band durchtrennen könnte“, zischte ihr Rolf ins Ohr.

„Aber sie sind nicht Bruder und Schwester!“, schluckte Linda und spürte eine leichte Anwallung von Eifersucht aufsteigen.

„Nein, aber eben deshalb hatten sie auch Sex miteinander, mit und ohne Kamera“, sagte Rolf ganz leise, denn sowohl Sandra und Jan, als auch einige Trauergäste standen noch ganz in der Nähe.

Sie fuhren mit dem Peugeot zurück zur Pension, um sich frisch zu machen.
Linda hing ihren Gedanken nach und Jan spürte – jetzt dürfe er seine neue Flamme – falsch, die Frau fürs Leben – nicht von der Seite anquatschen.

Und er wusste auch – sie konnte sich von diesem Fall nicht lösen, würde in jeder Situation Tatverdächtige analysieren – das war ihr Job als Profilerin im Praktikum.

Womöglich war er selbst immer noch auf der Verdächtigen-Liste.
Jan hatte allerdings zum Tatzeitpunkt gefesselt in einem Zelt gelegen und sich von diesem Benno benutzen lassen und er wusste, Sandra war zum Tatzeitpunkt ebenfalls gefesselt gewesen.

Auf der Wasserburg nahm das Unheil seinen Lauf.

Klaus Lorenz hatte das geschickt eingefädelt, niemand leistete Widerstand, protestierte und drohte mit Anwälten.
Es hätte auch nichts geholfen. Der Security hielt man einen Durchsuchungsbeschluss unter die Nase, den ein Richter auf Drängen eines jungen, ehrgeizigen Staatsanwaltes hin unterschrieben hatte.

Und Linda hatte nicht zu viel versprochen!
Nach dem der Experte des LKA Potsdam mit Hilfe von Sensoren und eines Laptops den Safe geöffnet hatte, wurde man schnell fündig:

Geheime Akten über die Beteiligung von Walter von Beckstein an einem Firmengeflecht, dessen Strippenzieher offenbar Rudolf Brunner war, ein handschriftliches Tagebuch des Mordopfers und eine Ampulle mit einer wasserklaren Flüssigkeit.

„Labortechnische Untersuchung!“, wies Klaus Lorenz an. „Wo geht es schneller? Berlin oder Potsdam?“, fragte er den Mann vom LKA.

Der warf sich in die Brust.

„Ganz klar Potsdam, Herr Hauptkommissar! In Berlin ist die Kriminalitätsrate höher, mehr Arbeit für KTU und Gerichtsmedizin!“

Klaus Lorenz blätterte gedankenverloren im Tagebuch, hoffte nicht, so schnell etwas zu finden, das sie weiter brachte.
Da fiel sein Blick auf einen Eintrag vom 30. Juni 2015 und er erstarrte!

„Anne traf sich mit einem Typen, der mir sofort verdächtig erschien. Ich parkte am Straßenrand, sie sahen mich nicht. Anne kaufte eine Ampulle für ein paar hundert Euro, die sie in ihrer Handtasche verschwinden ließ. Ich fuhr im Schritttempo hinter ihr her, bat sie einzusteigen und um Herausgabe der Ampulle. Sie war in Tränen aufgelöst und gab zu, dass es ein langsam wirkendes pflanzliches Gift enthalte, behauptete aber, es nie anwenden zu wollen. Die sanfte Anne – was hatte ich ihr nur angetan, wenn sie zu solchen Mitteln griff? Ich brachte sie zum Friedhof, konfrontierte sie mit den Schicksalen ihrer Urgroßmutter und Großmutter. Mein Gott, ich liebe sie doch, sie sieht ihr doch so ähnlich …“

Klaus Lorenz ließ das Tagebuch sinken. Was für ein Beweismittel!
Sein Partner Rolf würde ihn dafür steinigen! Aber für Klaus stand fest: Wer es einmal plant, zieht es beim nächsten Mal durch!
Jetzt musste nur noch das Alibi dieser Sandra alias Anne ins Wanken gebracht werden …

„Ich bitte auch um Untersuchung auf Fingerabdrücke und Abgleich mit Walter von Beckstein und Alexandra Langner. Die sind im System und wurden elektronisch erfasst!“

„Wird gemacht, Herr Hauptkommissar!“, sagte der Mann vom LKA.

Er wusste – wenn diese Provinz-Polizisten nicht bald jemand überführten, würde das LKA den brisanten Fall im Handstreich übernehmen.
Aber das musste er ja diesem Herrn Lorenz nicht auf die Nase binden.

Sandra servierte mit einem strahlenden Lächeln Kaffee und Kuchen im gepflegten Garten hinter dem schicken Haus von Rolf Becker.

wird fortgesetzt ...
********mann Mann
910 Beiträge
Themenersteller 
Die Wasserburg
„Blaubeer-Käse-Kuchen, selbst gebacken!“

Sandra probierte selbst als Erste ein kleines Stück mit der Kuchengabel, kaute und befand, das könne man den Gästen anbieten.
Dann schob sie das Stück weiter zu Sofia.

‚So bleibt man gertenschlank‘, dachte Linda, pfiff auf ihre Diät und haute rein.
Es schmeckte ausgezeichnet, bei Kuchen konnte sie schlecht nein sagen.

Vielleicht hatte sie auch deshalb zehn Kilo mehr auf den Rippen als diese Gazelle, die sich gerade ganz auszog und in ein aufblasbares kleines Planschbecken für Kinder fallen ließ.

„He, das ist mein Becken, Sandra!“, schimpfte Sofia, stopfte sich den letzten Rest Kuchen in den Mund, zog sich ebenfalls aus, um mit ihrer Pflegemutti im seichten Wasser zu tollen.

„Unglaublich, diese Frau!“, schwärmte Rolf Becker.

„Ich weiß!“, grinste Jan und fing sich einen Knuff von Linda ein.

Das würde noch Folgen haben, allerdings nicht hier und heute.

„Linda, ich möchte voraus schicken, dass du privat hier bist, alles was gesagt wird …“

Rolf Becker hatte sich über den Tisch gebeugt, aber Linda verstand auch so.

„Es bleibt unter uns, was gesagt wird, versprochen!“

„Ich war gestern mit Sandra im Wald, habe sie auf einen umgestürzten Baumstamm gefesselt. Sie hasst Ameisen – genau deshalb habe ich welche über ihre Beine und ihren Unterleib krabbeln lassen.“

Linda und Jan wechselten einen schnellen Blick, dachten beide an ihre erste gemeinsame Session, wo eher Lebensmittel zum Einsatz gekommen waren.

„Rote Waldameisen habe die unangenehme Eigenschaft, Ameisensäure abzusondern, mikroskopisch kleine Verätzungen der Haut, aber Sandra hat es tapfer gemeistert. Ich habe dann Kühlgel drauf geschmiert … Es geht mich zwar nichts an, Linda und Jan, aber darf ich fragen, auf welcher Basis ihr eure Leidenschaft auslebt?“

Linda wand sich, ihr war es sichtlich unangenehm, dass ein ranghöherer Polizist, mit dem sie zusammen arbeitete, diese Frage stellte.
Jan sah das wesentlich lockerer, warf auch immer wieder einen Blick auf die sonnengebräunte Haut von Sandra, die sich wie ein kleines Mädchen gebärdete und nichts dabei fand.

„Um es kurz zu machen: Neuneinhalb Wochen in eineinhalb Stunden!“, sagte er lächelnd.

Rolf kannte den Film und verstand die Anspielung, nickte wissend. Lindas Wangen waren rot überflammt.

Sandra kam zurück zum Tisch, triefend nass und schön wie eine Elfe.

„He, Linda, Lust auf eine Abkühlung?“

„Das Planschbecken ist viel zu klein und außerdem habe ich keine Badesachen mit!“, wich sie aus.

„Verstehe“, sagte Sandra lächelnd mit Blick auf ihren Rolf. „Schade!“

„Kann ich dich kurz unter vier Augen sprechen, Rolf?“, bat Linda.

Becker stand auf, nahm sie bei der Hand und führte sie an Sträuchern und Kübeln mit Palmen vorbei.
Dann versenkte er seinen Blick in die blauen Augen von Linda.

„Was ist es, komm, spuck es aus, Linda!“

„Wir beide sind mit Tatverdächtigen zusammen, würden uns die linke Hand abhacken lassen, um die Unschuld von Sandra oder Jan zu bezeugen, richtig? Was bleibt dann noch, Rolf? Mein Bauchgefühl sagt mir, der Grund liegt in der Vergangenheit, sei es, von Beckstein hat jemand übers Ohr gehauen, oder es gibt ein sehr persönliches Motiv, das wir noch nicht kennen. Wir sollten die schwäbische Connection näher unter die Lupe nehmen, was meinst du?“

„Das hier ist eine private Garten-Party, Linda! Aber du hast Recht – ich bleibe am Ball, mal abgesehen davon, dass Jenny Kreuzer aus Titisee-Neustadt im Schwarzwald kommt und nicht aus Balingen, wie alle anderen …“

Rolf Becker drückte sie kurz an sich.

„Ist dein erster Fall – ich verstehe deinen Ehrgeiz, Linda! Komm, wir köpfen jetzt eine Flasche Wein, nicht aus dem Badischen, sondern aus Sachsen!“

Nach dem zweiten Gläschen Wein war Linda zwar noch nicht beschwipst aber bereits so enthemmt, dass sie sich das Kleid auszog und in Unterwäsche in die Pfütze des Kinder-Planschbeckens hüpfte.
Sie hatte außerdem nicht bedacht, dass sich durch den nassen dünnen Stoff ihre Brustwarzen und ihre weiblichen Formen abzeichneten.

Es war ihr egal – Rolf würde schon kein Foto machen und es in der Dienststelle herum zeigen …
Als sie sich abtrocknete, erschrak sie dennoch: Sie hatte keine Wäsche zum Wechseln mit!

Sandra nahm sie bei der Hand und sie liefen lachend ins Haus.

„Sag‘ mal, Sandra, läufst du hier immer im Evakostüm herum?“, wollte Linda wissen.

„So lange Sommer ist, ja! Einmal habe ich gesehen, wie der Nachbar mit einem Fernglas – jedenfalls bin ich hin zur Hecke und habe ihn freundlich gegrüßt!“, lachte Sandra.

Linda zog die nasse Unterwäsche aus und hängte sie zum Trocknen auf.

„Kannst du mir was borgen, Sandra?“

Statt einer Antwort fand sie sich auf einem Bett wieder und ihre Beine wurden sanft gespreizt.
Sandra leckte sie so intensiv wie ein Kätzchen an einer Schüssel mit Sahne.

Linda hatte das noch nie mitgemacht, befand aber, so eine zarte, geschickte Frauenzunge wäre noch einmal etwas anderes, als wenn ein Mann mit seinem vergleichsweise rauen Waschlappen …
Schon nach wenigen Minuten hob sie ihr Becken, klopfte auf die Matratze, als wolle sie um Erlösung bitten, dämpfte ihr Stöhnen und kam in einem Orgasmus.

wird fortgesetzt ...
********mann Mann
910 Beiträge
Themenersteller 
Die Wasserburg
Für Sandra war so ein Service genau so selbstverständlich wie das hüllenlose Flanieren und Blumen gießen in Rolfs Garten.

Damit nicht Jan, Rolf oder Sofia nach ihnen suchten, schritt man rasch zur Anprobe.
Da Linda eine schmale Taille hatte, fand sich schnell ein passendes Höschen.
Es gab nur Probleme mit dem Büstenhalter. Lindas üppige Oberweite ließ sich nicht so leicht in die Körbchen zwängen, die Sandra sonst bevorzugte – wenn sie überhaupt mal einen BH trug.

Sandra huschte schnell nach draußen und brachte Linda das zerknitterte Kleid.

„Soll ich es rasch bügeln?“

„Nein, geht schon, danke!“

Dann wurde sie von Sandra umarmt. „Bitte mach‘ ihn glücklich! Er ist … wie ein Zwillings-Bruder für mich!“

Das hatte Linda schon einmal gehört und irgendwie spürte sie, dass es dieser Sandra wirklich nur darum ging, andere Menschen glücklich zu sehen und ihren Teil dazu beizutragen.

Übertragen auf den Fall hieß das – sie wäre schlichtweg nicht in der Lage, einen anderen Menschen umzubringen, weil sie damit andere unglücklich machen würde.
Soweit die psychologische Theorie. Aber Kriminalisten in aller Welt hatten schon Serienmörder überführt, denen man es nun wirklich nicht zugetraut hätte.

„Danke, Sandra, das werde ich, versprochen!“

Sie löste sich aus der Umarmung und war sich sicher, so eine selbstlose junge Frau noch nie getroffen zu haben.

Nach dem die Männer die Steaks vom Grill und die Frauen die Veggie-Burger verzehrt hatten, der Wein alle war, machten sich Linda und Jan mit einem Taxi auf den Heimweg, da keiner von ihnen mehr fahrtauglich war und der Kriminal-Haupt-Kommissar es auch nicht zugelassen hätte.


Rolf Becker hatte sich eine Stunde frei genommen, obwohl alle Teammitglieder der Soko „Wasserburg“ fieberhaft an dem Fall arbeiteten.

Es schwebte immer noch das Damokles-Schwert über ihnen, dass das Landeskriminalamt den Fall an sich riss, weil zwei bekannte Bauunternehmer und der Erbe eines Medienkonzerns darin verwickelt waren.

Es ging darum, für Sofia Schulsachen und eine Zuckertüte zu kaufen, da sie in wenigen Tagen eingeschult wurde.
Rolf war noch in einem Laden, der gefüllte Zuckertüten anbot – da passierte es!

Zwei Streifenwagen mit Blaulicht kamen mit quietschenden Reifen an der Bordsteinkante zum Stehen.
Uniformierte sowie Klaus Lorenz sprangen heraus, legten der völlig verblüfften Sandra Handschellen an, drückten ihren Kopf herunter und verfrachteten sie in den ersten Streifenwagen. Alles ging so schnell wie bei einer professionellen Entführung.

Die kleine Sofia stampfte mit dem rechten Fuß auf und begann zu brüllen wie am Spieß.

„Papa, Papa!! Sie schaffen Sandra weg!“, kreischte sie.

Rolf Becker war mit zwei Panthersätzen draußen auf dem Gehweg, das erste Polizeiauto fuhr gerade an, Klaus Lorenz stand noch da, war seinem Partner eine Erklärung schuldig.

„Wir haben eine Ampulle mit Gift gefunden mit ihren Fingerabdrücken drauf sowie einen Tagebucheintrag des Opfers, dass sie es schon einmal versucht hat! Dem Staatsanwalt hat das gereicht – U-Haft wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr, Rolf!“

Becker wollte dem davon rasenden Wagen hinterher sprinten, wurde aber festgehalten.

„Tut mir leid, Rolf, du bist raus! Suspendiert, beurlaubt, wenn du mir nicht glaubst, ruf‘ Braun an!“

„Sie ist unschuldig, du Arsch!“, schrie Rolf Becker außer sich.

Sie hatten gemütlich gegrillt und sein Kumpel und Partner hatte Nägel mit Köpfen gemacht, ein Indiz, das Sandra belastete, hatte ihm genügt.
Plötzlich realisierte Rolf was vorging und er griff nach dem Kragen des Ex-Freundes.

„Verstehe, um des schnellen Erfolges willen habt ihr sie verhaftet, du Karriereschwein – sie ist unschuldig!!“

Ein uniformierter Polizist ging dazwischen. Das hatte er auch noch nicht erlebt, dass sich zwei höher besoldete Beamte auf offener Straße beinahe prügelten!

Sofia begann wieder zu weinen, Rolf Becker ließ von Lorenz ab, um seine Tochter zu trösten.

Sie hatte gerade eine Ersatz-Mutti gefunden – und jetzt das!

Linda Behrends kam leicht verkatert zur Arbeit, hätte eher erwartet, weiße Mäuse auf dem Gang zu sehen – aber eine leichenblasse Sandra Langner in Handschellen?
Sie musste sich die Augen reiben.

„Hilf mir, Linda, Rolf wird es nicht können, bitte!“, zischte Sandra im Vorbeigehen, aber ihr wurde sofort von einer Polizistin der Mund verboten.

Was ging denn hier ab? Drehten jetzt alle am Rad?

Ihr Handy bimmelte, Rolf war dran. „Bin suspendiert, Linda! Lege bitte für mich Beschwerde beim Chef ein, weil Sofia Zeuge wurde, wie man Sandra in ein Auto zerrte! Verfolge den Ansatz weiter, den du hast, du verstehst, die Baden-Württemberg-Connection, irgendwo da liegt der Schlüssel, danke!“

Linda starrte das Display des Handys ratlos an.

Im Großraumbüro herrschte eine frostige Atmosphäre, ungeachtet des warmen Spätsommer-Wetters da draußen.

Klaus Lorenz, ja sogar Lars Möller musterten sie mit finsteren Mienen, denn sie war mit einem weiteren Tatverdächtigen liiert, dessen Rolle noch zu klären war und sie hatte sich privat mit Becker und dieser dringend Tatverdächtigen Sandra Langner getroffen.

Linda spürte das Absinken der Raumtemperatur, griff sich an den Kopf.
Hätte sie doch nur heute Morgen eine Aspirin in Wasser aufgelöst. Der Weißwein gestern Abend …

wird fortgesetzt ...
********mann Mann
910 Beiträge
Themenersteller 
Die Wasserburg
Sie straffte sich und bat bei der Sekretärin um eine Privataudienz beim Kriminalrat, die ihr auch gewährt wurde.

„Herr Kriminalrat Braun“, begann sie förmlich. „Mir ist zu Ohren gekommen, dass Frau Sandra Langner ungeachtet ihres Alibis auf offener Straße im Beisein eines kleinen Mädchens verhaftet wurde. Ich lege hiermit – auch im Namen des Vaters des Mädchens – Protest ein! Hätte man dies nicht etwas feinfühliger abwickeln können? Frau Sandra Langner einfach bitten, Stellung zu nehmen zur neuen Beweislage?“

Linda lehnte sich zurück. Ihr Kopf dröhnte. Der Weißwein aus Meißen hatte es in sich.

„Werte Frau Behrends! Ich bedaure, dass Sofia Becker Zeugin einer Verhaftung wurde. Ich muss Sie nicht an ihre Rolle als Praktikantin erinnern? Dem Staatsanwalt genügte die Indizienlage, um einen Haftbefehl bei einem Richter zu erwirken. Nach erneuter Befragung wird Frau Langner einem Haftrichter vorgeführt. Es liegt nicht mehr in unserer Hand! Ich ersuche Sie dringend, in der Richtung weiter zu ermitteln, die Herr Haupt-Kommissar Lorenz vorgibt! Haben Sie mich verstanden, Frau Behrends?“

„Ja, Herr Kriminalrat, ich habe verstanden! Es wird mich aber niemand daran hindern, auch weiterhin andere Spuren zu verfolgen, selbst wenn dies zur Entlastung von Frau Langner führen würde!“

Linda stand auf und straffte sich. Die Kopfschmerzen waren verflogen – sie hatte eine Aufgabe!
Sie musste die unschuldige Sandra da wieder raus holen.

Das Zeitfenster war vorgeben: Sofia wollte ihre Pflegemutti zur Einschulung dabei haben – in acht Tagen!

Klaus Lorenz ahnte, dass Linda sich im Auftrag von Rolf Becker beim Chef beschwert hatte, sagte aber nichts.

Linda bat förmlich darum, den Aufgabenbereich von Rolf Becker übernehmen zu dürfen, der ja suspendiert war.

Lorenz stimmte dem zu, aber nur, um die Lage nicht eskalieren zu lassen. Vielleicht war es ganz gut, das sich Linda mit Nebensächlichkeiten beschäftigte.
Für ihn ging es darum, das Alibi der Langner zu erschüttern. Er würde sie sich jetzt gleich vorknöpfen, denn der junge, ehrgeizige Staatsanwalt verlangte ein Geständnis. Eine Ampulle mit Fingerabdrücken reichte nicht für einen Prozess.

Sandra schaute sich um, die Hände immer noch gefesselt, aber eine Polizistin hielt einen Schlüssel in der Hand und befreite sie.
Sandra rieb sich die Handgelenke. Hinter dem Spiegel rechts verbarg sich sicher ein Raum, von dem man aus sie beobachten konnte.

Die Polizistin brachte tatsächlich einen Plastikbecher Wasser und stellte ihn auf den Tisch.
Klaus Lorenz kam geräuschvoll herein und nahm ihr gegenüber Platz.

„Machen wir es kurz, Frau Langner! Ein Geständnis erleichtert uns die Arbeit und Ihnen ihr Gewissen!“

‚Netter Versuch!‘, dachte Sandra, aber da sie unschuldig war, hatte sie nichts zu beichten.

Selbst eine Folterung, die hier natürlich verboten war, schreckte sie nicht, das hatte sie alles schon durchlebt – und sei es nur für einen Porno.

Der Kriminal-Hauptkommissar las ihr unbeeindruckt einen Tagebucheintrag von Walter von Beckstein vom 30. Juni vor.

Was hatte sie nur verbrochen, dass der Alte sie über seinen Tod hinaus mit seiner Rache verfolgte?
Hing es mit ihrer Oma zusammen? Sie wusste es nicht …

Sandra erzählte wahrheitsgemäß die ganze Geschichte, dass sie die Ampulle gekauft habe, weil ihr alles zu viel geworden war auf der Burg und sie eigene Ideen umsetzen wollte. Aber sie hätte es nie übers Herz gebracht, Walter das tatsächlich in den Tee zu schütten.

Der Haupt-Kommissar grinste nur, sie hätte ihm eine scheuern können, aber eine Polizistin stand hinter ihr in Hab-Acht-Stellung.

Eines war sonnenklar: Walter hatte sie rein gelegt!
Er hatte vor ihren Augen eine Ampulle vernichtet – eine Attrappe – und die echte in seinem Tresor versteckt.

Zusammen mit dem Tagebucheintrag genügte das diesem Lorenz und dem Staatsanwalt, sie hier festzunageln.
Das Dumme war nur – sie war zur Tatzeit von Rolf Becker in der Momo-Shibari-Position gefesselt gewesen, konnte da nicht weg!

Dieser Kommissar ging offenbar davon aus, dass Rolf wissentlich falsche Zeitangaben gemacht habe, um sie zu schützen!

Sandra betete stumm, Rolf, Jan und diese Linda – sie würden sie hier raus holen! Es war ihre einzige Hoffnung!

Linda Behrends setzte sich an ihren provisorischen Arbeitsplatz, verfolgt von den argwöhnischen Blicken von diesem Lars.
Offensichtlich hatte er von Haupt-Kommissar Lorenz den Auftrag, sie im Auge zu behalten.

Linda nahm rief die Dateien auf: Ein Firmengeflecht, das von Baden-Württemberg bis Brandenburg reichte, Baufirmen, Beteiligungsgesellschaften, Immobilien-Firmen, Architekturbüros. Und überall hatten Rudolf und Karl-Wilhelm Brunner die Finger drin, manchmal auch der verstorbene Walter von Beckstein.

Aber es fand sich kein Hinweis auf unrechtmäßige Machenschaften, weder Steuerhinterziehung oder eine Abmahnung von der Kartellbehörde wegen illegaler Preisabsprachen – in der Baubranche nichts Ungewöhnliches.

Im Gegenteil: Es sah fast so aus, als ob sich die Brunners aus allem heraus hielten, das Ärger bedeutete.
So waren sie auch nicht am Bau des Großflughafens „Willy Brandt“ Berlin-Brandenburg beteiligt – eine kluge Entscheidung.

Linda wusste nur eines: Dieses Firmenkonsortium hatte mit Peter Brunner einen Aufpasser in die Geschäftsführung der Wasserburg Lobenau Betriebsgesellschaft mbH entsandt – aber warum? So kam sie nicht weiter …

Linda nahm sich ein Blatt Papier, legte keine neue Textdatei im Computer an, auf die später auch Lorenz und dieser Lars Möller zugreifen könnten.

Darauf setzte sie die Namen aller Mitarbeiter auf der Wasserburg. Zuoberst Sandra Langner – die war in ihren Augen genau so unschuldig wie die kleine Sofia Becker.

wird fortgesetzt ...
*********iams Paar
2.141 Beiträge
liest sich prima
lange nicht mehr bei dir gelesen und jetzt so eine lange fortsetzung - respekt - gefällt uns - danke und ein schönes wochenende *top* *top*
*****l38 Mann
252 Beiträge
toll geschrieben
Faszinierend geschrieben....mit hohem Suchtpotential! Da freut man sich auf die Fortsetzung... lg. Anderl
********mann Mann
910 Beiträge
Themenersteller 
Die Wasserburg
Linda machte einen dicken Strich durch den Namen – die war es nicht. Egal, was die laufende Vernehmung gerade ergab.

Lena Berger: Die hatte das hervorstechenste Motiv überhaupt, weil sie Immobilien im Wert von mehreren Millionen Euro geerbt hatte.
Linda machte auch durch diesen Namen einen Strich. Sie hatte diese Lena zweimal genauestens beobachtet und ihr Gefühl sagte ihr, die war es nicht, obwohl sie den Ermordeten als Letzte lebend gesehen und auch den Leichnam gefunden hatte.
Hätte sie als Mörderin nicht abgewartet, dass jemand anderes die Leiche fand um erst dann die trauernde Witwe zu spielen?

Jennifer Kreuzer, genannt Jenny: Die hatte sich sehr merkwürdig verhalten – aber machte sie das gleich zur Mörderin?
Um zu klären, welche Verbindungen es zum Opfer in der Vergangenheit gab, sah Linda nur eine Möglichkeit:
Sie musste ein Team in den Südwesten schicken, um das zu checken und sie wusste auch schon, wer das sein würde …
Sie machte hinter dem Namen von Jennifer Kreuzer ein Fragezeichen.

Ina Lehnigk: Kein Motiv, kein Bezug zum Opfer – Strich durch.

Jetzt wurde es interessanter. Kurt Friedrichs: Von Walter von Beckstein ins Boot geholt, sofort zum Geschäftsführer ernannt und am Gewinn beteiligt, wenn es denn welchen geben würde …
Für ihn sprach die aktive Mitarbeit bei der Aufklärung des Verbrechens, keinerlei Vertuschungsversuche. Linda machte zögerlich einen Strich durch den Namen.

Peter Brunner: Undurchsichtiger Bursche, den sie selbst noch nicht gesprochen hatte. Wollte die Bau-Mafia Walter von Beckstein aus dem Weg räumen, weil er gedroht hatte, irgendetwas an das Licht der Öffentlichkeit zu bringen?
Linda glaubte nicht wirklich daran, aber sie machte ein Fragezeichen hinter dem Namen.

Dann ging die angehende Fallanalytikerin die Videoaufzeichnungen der ersten Verhöre vom vergangenen Samstag durch.
Gab es Widersprüche in den ersten Aussagen der beiden Personen, die sie nicht ausgeschlossen hatte?

Mittags rieb sich Linda die Augen und die Schläfen. Dann nickte sie Lars zu, brabbelte etwas von „Mittagspause“ und schlenderte über die Straße zum Imbiss von Monika.

„Was darfs denn heute sein, Frau Behrends?“, wurde sie freundlich empfangen.

„Ich habe belegte Baguettes und auch Salate neu im Angebot!“

„Einen Kaffee bitte, Salat mit Putenbruststreifen und eine Portion Pommes ohne Mayo!“

„Pommes?“, fragte Monika völlig verdattert.

Die Polizistin schien ja heute richtig Kohldampf zu haben!
Linda brauchte Kohlenhydrate, Fett und Salz als Kater-Lunch. Die Beschwerden waren immer noch nicht ganz abgeklungen.
‚Nie mehr lieblicher Weißwein aus Meißen!‘, schwor sich Linda, wusste aber: Bei der nächsten Garten-Party würde sie den Vorsatz in den Wind schießen, höchstens darauf achten, dass der Wein trocken war.

„Hallo Jan!“, Linda kaute an einer knusprigen Pommes-Stange, das Handy am Ohr.
„Kannst du zwei Tage Urlaub nehmen? Ja? Fein! Fahr‘ bitte mit Rolf in den Schwarzwald, macht euch dort einen Bunten – nein, sollte ein Scherz sein! Findet Eltern, Verwandte und Freunde von Jenny Kreuzer, sucht nach einer Verbindung zu den Brunners und zu von Beckstein!“

Rolf Becker musste sie nicht agitieren – der hatte das selbst vorgeschlagen, aber wohl eher die Recherche am Schreibtisch und Computer gemeint.

„Hat wirklich lecker geschmeckt, Frau Feldmann! Wenn Sie noch Veggie-Burger in ihr Angebot aufnehmen könnten?“

„Verkauft sich so schlecht, aber für Sie bereite ich das gerne vor, sind ja inzwischen Stammkundin!“, lächelte die Imbiss-Buden-Besitzerin.

Auf dem Weg zurück zum Büro fiel Linda ein, dass sie einen Namen gar nicht auf die Liste gesetzt hatte:
Jan Sommer! Aber für ihn galt das gleiche, wie für Sandra Langner – unschuldig wie die Kinder.


Rolf Becker und Jan Sommer hatten viel Zeit, nach dem man die kleine Sofia bei der Oma abgegeben hatte. Vor ihnen lagen annähernd tausend Kilometer Autobahn.

Das beliebteste Gesprächsthema unter Männern war nach dem Fußball – Frauen!

„Ich hätte nie geglaubt, dass ich mich nach Anne – also Sandra – mal in eine Frau verlieben könnte mit weißer Haut, großen Brüsten und rot schimmernden Haaren. Aber genau das ist passiert! Und das Merkwürdigste ist: Ich bekam plötzlich Lust, eine Frau zu unterwerfen! Es müssen nicht immer Ketten, Peitschen und das Küssen meiner Schuhe sein, nein, es geht auch anders“, sinnierte Jan.

„Klingt nach einem Allgemeinplatz, trifft es aber, Jan: ‚Jeder soll nach seiner Fasson selig werden‘, sagte einst Friedrich II., der Große. BDSM ist so vielfältig wie das Leben selbst. Sandra liebt es heftiger, letztens habe ich Brennnesseln und Ameisen eingesetzt … Apropos Sandra – darf ich dich fragen, wie du dein Verhältnis zu ihr beschreiben würdest?“

Rolf starrte auf das Asphaltband vor ihm, hoffte, Jan nicht zu nahe getreten zu sein.

„Ich habe immer behauptet, wie Bruder und Schwester – aber das trifft es nicht ganz. Es mag bescheuert klingen, aber zwischen uns gibt es ein unsichtbares Band, das bleibt. Auch wenn ich jetzt Linda liebe – Sandra und ich, wir werden uns immer nahe sein. Genau deshalb sitze ich jetzt hier mit im Auto – wir müssen sie aus der U-Haft holen!“

Jan deutete das Schweigen von Rolf falsch.

„Kein Grund zur Eifersucht, Rolf! Ich habe nur gesagt, wir werden uns immer nahe sein! Wusstest du überhaupt, dass Walter von Beckstein eine DNA-Analyse machen ließ? Er hielt Anne, also Sandra, für seine Enkelin, weil er mit ihrer Oma ein Verhältnis hatte … Ergebnis: Negativ!“

Rolf Becker klammerte sich an das Lenkrad, überholte einen LKW.

„Nein, das wusste ich nicht! Es gibt eine Verbindung in die Vergangenheit, die du kanntest, Jan? Verdammt, wenn das raus kommt, ist das Wasser auf die Mühlen von Lorenz!“

Becker trommelte auf das Lenkrad. Warum schickte dann Linda Behrends sie in den Schwarzwald?

Eine Verbindung von Jenny Kreuzer in die Vergangenheit, die ein noch stärkeres persönliches Motiv zutage förderte?

wird fortgesetzt ...
********mann Mann
910 Beiträge
Themenersteller 
Die Wasserburg
Herzlichen Dank an alle Leser für mehr als 6000 Klicks!
Ein großes Dankeschön auch an die Member, welche die Beiträge täglich liken! *diegroessten*

So viel Interesse muss belohnt werden mit Bonus-Material, welches nicht im E-Book enthalten ist!
Ihr merkt es dann daran, dass sich die Überschrift in "Verschollen in Afrika" ändert.
********mann Mann
910 Beiträge
Themenersteller 
Die Wasserburg
Sie ließen die Abfahrt nach Balingen auf der A 81 links liegen. Was sollte der Abstecher bringen? Wen wollte man da befragen?
Rudolf Brunner würde sich verleugnen lassen.

Ihr Ziel lag viel weiter südwestlich im Schwarzwald.


Sandra fand sich plötzlich auf dem Bett in ihrer Einzelzelle wieder.
Eine Wärterin streckte die Arme über Kopf, umklammerte die Handgelenke, während die andere den Rock hoch – dafür den Slip runter schob.

Eine andere junge Frau hätte in dieser Situation los gebrüllt, sich gewehrt und mit Anzeige gedroht.
Sandra hingegen wartete erstmal lächelnd ab, wie weit die gehen würden.

Als nächstes spürte sie das klatschende Geräusch eines Gummiknüppels auf ihrem Unterleib.

„Na, wie gefällt dir das, kleines Miststück?“, keifte die ältere der beiden.

Die Wärterinnen waren beide kräftig, hatten jede mindestens zehn Kilo mehr auf den Rippen als Sandra.

„Lass gut sein, Gitti! Ich glaube, wir haben der genug Angst eingejagt!“, ließ sich die am Kopfende Postierte vernehmen.

„Angst? Hast du bei der irgendwelche Anzeichen von Panik gesehen? Nein? Ich auch nicht – geben wir ihr doch mal einen kleinen Vorgeschmack, was sie später im Vollzug erwartet. Noch ist das Püppchen hier ja nur in U-Haft!“

Die als Gitti angesprochene Wärterin drückte das stumpfe Ende des Gummiknüppels auf Sandras Kitzler und sie stöhnte auf.

„Wie hat dir das gefallen, Junkie?“, gluckste Gitti.

„Danke, sehr gut, Frau Justiz-Vollzugsbeamtin!“, sagte Sandra wahrheitsgemäß und lächelte die Frauen weiter an.

„Steht die noch unter Drogen?“ knurrte Gitti. „Jede andere hätten wir jetzt knebeln müssen!“

„Nicht, dass ich wüsste“, wunderte sich Evi. „Urin- und Bluttest haben nichts ergeben!“

Sandra Langner war zweifach Opfer eines Justizirrtums geworden:
Zum einen war sie unschuldig in Haft, zum anderen hatten der Staatsanwalt und der Haftrichter aus den Unterlagen der Kripo der Polizeidirektion Nord des Landes Brandenburg heraus gelesen, dass die Untersuchungsgefangene etwas von einem Drogendealer gekauft hatte.

Deshalb war Sandra weder in Cottbus noch in Brandenburg an der Havel gelandet, sondern gemäß einem Abkommen der beiden Bundesländer in Berlin-Lichtenberg.

Gitti verstärkte den Druck, was aber bei Sandra nur zu der Reaktion führte, dass sie noch breiter lächelte.
Plötzlich wurde der Gummiknüppel weg genommen, nur um sofort in ihre Muschi gerammt zu werden.

„Bitte etwas tiefer, Frau Justiz-Vollzugsbeamtin, wäre das möglich? Danke!“

Gitti zog den Schlagstock mit einem schmatzenden Geräusch heraus, weil Evi ihr ein Handzeichen gegeben hatte.
Im gleichen Augenblick stand die Schichtführerin in der Zelle.

„Richten Sie bitte ihre Kleidung, Untersuchungsgefangene Langner! Und ihr beiden – in zehn Minuten in meinem Büro! Raus jetzt!“

Die Schichtführerin baute sich vor Sandra auf, schloss die Zellentür.

„Ulrike Kleinert, unmittelbare Vorgesetzte der beiden Vollzugsbeamtinnen“, stellte sie sich vor. „Möchten Sie Anzeige erstatten, Frau Langner? Dienstaufsichtsbeschwerde?“, flötete sie.

„Aber nein, Frau Kleinert, warum sollte ich das? Ihre Mitarbeiterinnen und ich hatten etwas Spaß, nur schade, dass Sie …“

„Wieso schade? Ach, weil ich dazwischen gegangen bin? Sie sind mir ein Früchtchen, Frau Langner, so etwas hatten wir hier noch nicht! Das empfinden Sie als Spaß? Im Vollzug kann es sein, dass eine Gatten-Mörderin sie angreift, sexuell belästigt – würden Sie das immer noch witzig finden?“ Frau Kleinert schüttelte den Kopf.

„Ich würde mit der Situation umgehen können und wissen Sie auch warum?“

Die Schichtführerin schüttelte den kurzen blonden Haarschopf.

„Haben Sie ein Internet-fähiges Handy dabei? Geben Sie es mir kurz!“, verlangte Sandra.

„Das darf ich eigentlich nicht, aber gut, hier bitte!“

„Ich habe auf unserer Webseite Rechte wie ein Administrator, Sie müssten sich erst anmelden und bezahlen, um es zu sehen. Hier bitte …“

Ulrike Kleinert staunte nicht schlecht: Ihre Untersuchungsgefangene nackt auf einer Streckbank, dann an den Füßen aufgehängt über einem Brunnenschacht.

„Verstehe, Darstellerin in Hardcore-Streifen!“

„Leider werde ich die Damen, die angeblich so hart drauf sind, nie kennen lernen“, seufzte Sandra.

„Ach, warum nicht?“

„Weil ich niemanden umgebracht habe und man mich bald hier raus holen wird!“

„Das sagen sie alle, du bist nicht die Erste!“ Die Schichtführerin warf lachend die schwere Zellentür von außen zu und schloss ab.


Für Rolf Becker und Jan Sommer war es leicht gewesen, die Wohnadresse von Elisabeth Kreuzer zu ermitteln.
Nur öffnete auf ihr Klingeln hin niemand. Es handelte sich um eine schicke Apartment-Anlage mit großen Eigentumswohnungen, die in dieser Lage in Titisee-Neustadt bestimmt nicht billig waren.

Die beiden Männer fragten sich, wie viel Elisabeth Kreuzer wohl verdienen musste, um sich so etwas leisten zu können.
Oder hatte sie einen gut verdienenden neuen Lebenspartner?

„Wen suchen Sie denn, meine Herren?“

Eine ältere Frau blickte von ihrer Terrasse aus neugierig herüber.

wird fortgesetzt ...
********mann Mann
910 Beiträge
Themenersteller 
Die Wasserburg
„Frau Elisabeth Kreuzer, gnädige Frau!“ Rolf schirmte sein Gesicht mit einer Hand vor der Sonne ab, um besser zu erkennen, mit wem man sprach.

„Ach, Frau Kreuzer! Die ist natürlich bei der Arbeit, Personalchefin oder so was ähnliches im Parkhotel Sonneneck!“

„Vielen Dank, Frau …?“

„Hofer!“ – „Ja, vielen Dank noch mal, Frau Hofer!“

Seinen gefälschten Dienstausweis wollte Becker nur im äußersten Notfall vorzeigen, den echten hatte er ja zusammen mit seiner Dienstwaffe abgeben müssen.
Wenn das raus kam, war seine Karriere bei der Kripo für alle Zeiten beendet.


Linda freute sich wie ein kleines Mädchen auf die Mittagspause, denn Monika hatte ihr versprochen, einen Veggie-Burger zu braten – dazu ein Salat, einen Kaffee – oder doch lieber eine kalte Cola? Zu viel Zucker, befand Linda …

Sie bemerkte den dunklen VW Passat zu spät, der die Spur wechselte und abrupt beschleunigte!
Die Imbiss-Buden-Besitzerin Monika schrie ihr noch eine Warnung zu – aber es ging rasend schnell.

Linda flog über die Motorhaube und blieb auf der Straße wie eine kaputte Puppe mit verrenkten Gliedern liegen.
An einer Stelle in der Nähe der Schulter sickerte Blut durch die weiße Bluse. Der VW Passat raste davon …

Monika reagierte sofort. Sie stürzte aus ihrem Imbiss-Wagen, brachte die Verletzte in eine stabile Seitenlage, rief den Rettungswagen, dann die Polizei, die zwar nur hundert Meter entfernt waren, aber offensichtlich nichts bemerkt hatten.

Sie trafen alle gleichzeitig ein – Rettungswagen und die Uniformierten und Beamten in Zivil.

Linda Behrends war nicht mehr bei Bewusstsein, lebte aber, wurde auf eine Trage geschnallt und in den Rettungswagen geschoben.

„Ein Unfall?“, schniefte Klaus Lorenz.

„Ein Attentat, ich möchte Anzeige erstatten, Herr Haupt-Kommissar!“, keuchte Monika.

Auf dem Grill verkohlte gerade ein Soja-Brätling – aber das war nun auch egal.

„Ein schwarzer VW Passat, Kennzeichen OPR …hat abrupt die Spur gewechselt. Man wollte Frau Behrends aus dieser Welt schaffen!“

Nun kamen der Imbiss-Buden-Besitzerin doch die Tränen. „Ich hoffe, sie überlebt, so eine nette junge Frau!“

„Konnten Sie den Fahrer erkennen?“, bohrte Lorenz weiter.

„Ich war geblendet, die Sonne auf den Autoscheiben … Aber ich lege mich fest: Es war eine Frau und kein Mann am Steuer! Mehr konnte ich leider nicht sehen!“, schniefte Monika.

„Das hat uns gerade noch gefehlt!“, murmelte Lorenz, aber der hinzu geeilte Kriminalrat Braun hatte es gehört.

„Eine Praktikantin mit Absicht über den Haufen gefahren?“ Braun schüttelte den Kopf.

„Ich hoffe mal nicht, dass es mit der Soko ‚Wasserburg‘ zu tun hat – die Konsequenzen wären nicht auszudenken. Ich kümmere mich persönlich darum, fahre nachher ins Krankenhaus, Lorenz!“, sagte der Kriminalrat und schlurfte zurück in sein Büro.

Die Polizei hatte den Straßenabschnitt halbseitig gesperrt. Man suchte nach Splittern von geborstenen Scheinwerfern und ähnlichem, wurde aber nicht fündig.
Aber man hatte ja das Kennzeichen und die Aussage der Zeugin …


Elisabeth Kreuzer war Staff-Managerin in einem der vielen Hotels in diesem Schwarzwald-Urlaubsort.
Genauer gesagt, teilte sie die Zimmermädchen ein und kontrollierte deren Arbeit.

Rolf Becker kamen wieder Zweifel, ob sie mit dieser Arbeit so viel Geld verdiente, um sich eine teure Eigentumswohnung leisten zu können.

„Hallo, Frau Kreuzer! Schön, dass Sie sich ein paar Minuten Zeit für uns nehmen! Können Sie uns sagen, warum ihre Tochter Jennifer hier alles stehen und liegen ließ, um eine Stelle in Brandenburg anzutreten?“, fragte Becker freundlich.

„Wer will das wissen?“, knurrte Frau Kreuzer.

„Oh, Entschuldigung, Kriminal-Haupt-Kommissar Rolf Becker und das ist mein Assistent Jan Sommer!“, holte er die Vorstellung nach.

Vor diesem Moment hatte ihm am meisten gegraut: Er musste wohl oder übel den gefälschten Dienstausweis vorzeigen.

Es hatte ihn tausend Euro gekostet, denn man musste sich ja auch das Stillschweigen von Frank Schneider, dem Porno-Film-Produzenten und dessen IT-Spezialisten erkaufen.

Selbst wenn er im Dienst gewesen wäre, hätte Rolf Becker hier nicht so einfach ermitteln dürfen. Er hätte sich zumindest in Stuttgart anmelden müssen.

Elisabeth Kreuzer kam es schon komisch vor, dass der blendend aussehende junge Mann neben dem Haupt-Kommissar keinen Ausweis zückte – aber sie sagte nichts und sie würde auch im weiteren Verlauf nicht viel sagen.

Bald kam es Rolf und Jan vor, als hätte man sich verfahren und wäre in Sizilien bei der Witwe eines Mafia-Opfers gelandet.
Omertá – eine Wand des Schweigens.
Frau Kreuzer hatte nur eine Frage gestellt – ob es ihrer Tochter gut ginge, was bejaht wurde.

Ansonsten kreuzte sie die Arme vor der Brust und zuckte nur mit den Schultern.
Da half nur, sie mit einem Schock aus ihrer Lethargie zu reißen.

„Frau Kreuzer! Wir haben nicht umsonst den weiten Weg auf uns genommen – wir ermitteln in einem Mordfall!“

Zumindest hatte man jetzt die volle Aufmerksamkeit der wortkargen Gesprächspartnerin.

„Ach, ja? Wer wurde denn ermordet?“

„Walter von Beckstein, Chef ihrer Tochter!“

Rolf Becker kam es so vor, als zuckten kurz die Mundwinkel.
Gern hätte er jetzt Linda dabei gehabt, die - obwohl noch jung an Jahren - Körpersprache deuten konnte.

wird fortgesetzt ...
********mann Mann
910 Beiträge
Themenersteller 
Die Wasserburg
Es war zumindest eine Reaktion gewesen, der Tod von Walter von Beckstein ließ Elisabeth Kreuzer nicht völlig kalt.
Erlaubte das Rückschlüsse darauf, dass sie ihn kannte?

„Frau Kreuzer, kannten Sie Herrn von Beckstein oder einen seiner Geschäftspartner, Karl-Wilhelm oder Rudolf Brunner?“

Rolf Becker verzweifelte beinahe. Wieder dieses Zucken der Mundwinkel, als habe er eine richtige Frage gestellt, und wieder diese Wand des Schweigens.

„Kommen Sie bitte, gehen wir nach draußen in den Park! Ich möchte nicht, dass der Hotelbesitzer oder die Gäste sehen, dass ich von der Kripo verhört werde!“

Es war ein Wunder geschehen! Frau Kreuzer hatte zwei zusammen hängende Sätze gesprochen!

Obwohl sich der heiße Sommer dem Ende zuneigte, war es immer noch drückend warm.
Man setzte sich auf eine Parkbank im Schatten. Rolf Becker ging aufs Ganze:

„Ihre Eigentumswohnung, Frau Kreuzer, wir waren dort – wer hat das finanziert?“

„Geht Sie nichts an, Herr Haupt-Kommissar, lassen Sie mich in Ruhe, ich weiß nichts!“, schluchzte Elisabeth Kreuzer, nun den Tränen nahe.
„Ich hoffe nur, Jenny hat nichts Unüberlegtes getan! Hier …“

Frau Kreuzer zückte ein Smartphone, rief eine Bildergalerie auf.
Eines davon zeigte einen Hund, einen Labrador-Rüden mit dunklem Fell.
Das nächste einen Grabstein auf einem Haustier-Friedhof. „Benni – 2001 bis 2015“.

„Schicken Sie mir bitte die Fotos auf mein Handy, hier ist die Nummer, danke!“, sagte Becker, obwohl er noch nicht wusste, wozu das gut sein sollte.

„Sie haben ihr einen Welpen geschenkt, als ob das etwas ändern würde. Als der Hund starb, trauerte Jenny eine Woche – dann war sie weg … Fragen Sie sie doch selbst, ich muss mich wieder um meine Arbeit kümmern, auf Nimmer-Wiedersehen, meine Herren!“

Frau Kreuzer stand auf, glättete den Rock und stapfte zum Hotel.

Rolf und Jan schauten sich verblüfft an. Was hatte ein toter Hund im Schwarzwald mit einem Mordfall in Nord-Brandenburg zu tun?

Dann begann Rolf Becker zu rechnen …


„Nur fünf Minuten!“, hatte der Chefarzt des Krankenhauses gesagt, der sich nur deshalb herab ließ, weil ein Kriminalrat nach Frau Behrends gefragt hatte.

Offener Schlüsselbeinbruch, Hautabschürfungen, Prellungen und eine Gehirnerschütterung – für so einen schweren Unfall war Linda vergleichsweise glimpflich davon gekommen.

„Gute Besserung, Frau Behrends!“, sagte Kriminalrat Braun und beauftragte eine Schwester, eine Vase für die mitgebrachten Blumen zu besorgen.

„Ich weiß, Sie sind eigentlich noch nicht vernehmungsfähig, Frau Behrends – aber haben Sie erkannt, wer Sie absichtlich angefahren hat?“

Linda dröhnte der Kopf und nach der OP war sie noch voll von allen möglichen chemischen Substanzen.

„Nein, die Sonne auf der Frontscheibe, ich war geblendet“, krächzte Linda.

Kriminalrat Braun reichte ihr eine Tasse mit lauwarmen Tee aus der sie gierig trank.

„Wenn es mit dem Mordfall auf der Wasserburg zu tun hat, dann müssen wir den Fall weiter bearbeiten – ungeachtet dessen, dass eine dringend Tatverdächtige in U-Haft sitzt!“

„Sandra Langner war es nicht, lassen Sie sie frei! Es war entweder Peter Brunner oder Jenny Kreuzer!“

„Woher wollen Sie das wissen, Frau Behrends?“ Kriminalrat Braun zog die Augenbrauen hoch.

„Bauchgefühl, vertrauen Sie mir!“, keuchte sie.

Linda ließ unerwähnt, dass in ihrem Auftrag in Baden-Württemberg ermittelt wurde.
Das durfte Kriminalrat Braun keinesfalls erfahren, aber es würde unweigerlich raus kommen. Linda stöhnte auf.

„Ist Ihnen nicht gut, Frau Behrends?“, fragte Braun besorgt.

Der Stationsarzt stapfte ins Zimmer. „Bei allem Respekt, Herr Kriminalrat, aber die Patientin ist noch nicht vernehmungsfähig, bitte gehen Sie! Vielen Dank!“

Der Halter des schwarzen VW Passat war schnell ermittelt. Es handelte sich um einen gewissen Paul Schober, der behauptete, das Fahrzeug nutze hauptsächlich seine Freundin Susi – Susanne Brandt.

Klaus Lorenz blieb nichts anderes übrig, als diese Susanne Brandt vorzuladen.
Kriminalrat Braun hatte deutlich gemacht, dass die Aufklärung des Anschlags auf eine Mitarbeiterin Vorrang vor allen anderen Ermittlungen habe.

Susanne Brandt katschte auf ihrem Kaugummi und zog den Minirock Richtung Knie.

„Sie wollen mir doch nicht weis machen, ein vergleichsweise teures neues Fahrzeug an jemand verborgt zu haben, den Sie nicht genauer kennen?“

Klaus Lorenz stemmte die Fäuste auf die Tischkante, um etwas bedrohlicher zu wirken.

„Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht mehr genau, Herr Haupt-Kommissar! Vielleicht Cindy, vielleicht …“

„Herbeiführung eines schweren Verkehrsunfalles, schwere Körperverletzung, Fahrerflucht – das reicht dem Staatsanwalt! Wollen Sie in den Knast? Wir wissen, dass eine junge Frau am Steuer saß!“

Susi Brandt knickte ein. Nein, in den Knast wollte sie nicht, obwohl sie Geld von der Tussi bekommen hatte.

„Es war ….“

wird fortgesetzt ...
********mann Mann
910 Beiträge
Themenersteller 
Die Wasserburg
Rolf und Jan statteten dem Haustierfriedhof einen Besuch ab und fanden das Grab des Labrador-Rüden Benni.

„So alt wie der geworden ist, starb er wohl eines natürlichen Todes und wurde nicht vergiftet“, dachte Jan laut.

„Bleibt nur zu klären, wer der damals 12Jährigen Jenny einen Welpen geschenkt hat und warum“, ergänzte Rolf.

Elisabeth Kreuzer hatte ihnen eine Spur gegeben und der würden sie jetzt konsequent folgen – ansonsten wäre die weite Reise für die Katz, oder besser gesagt, für den Hund gewesen.

Ein älterer Friedhofspfleger gab ihnen die Adressen von zwei Tierheimen in der Umgebung.

Beim ersten schüttelte man die Köpfe. Man hätte keine dunklen Labrador-Welpen vermittelt, weder gestern, noch vor vierzehn Jahren.

Beim zweiten Tierheim rief eine junge Frau nach hinten zu den Käfigen.

„Margitta! Kannst du mal kommen! Zwei Herren von der Polizei sind da!“

Eine ältere Frau in Gummistiefeln und in Latzhose kam herbei und entschuldigte sich.

„Ich gebe Ihnen nicht die Hand, habe gerade die Käfige gereinigt! Worum geht es denn?“

Rolf Becker zeigte ihr das Foto des Hundes Benni.

„Hm, ich erinnere mich, eine helle Labrador-Hündin mit überwiegend schwarzen Welpen kommt nicht so häufig vor, vielleicht zwei, drei Mal, seitdem ich hier bin …“

„Und Benni?“, insistierte Rolf Becker. „2001 geboren und leider vor ein paar Wochen verendet … Können Sie sich erinnern, auch wenn es sehr lange her ist, wer den Hund abgeholt hat?“

Margitta Gruber dachte nach, stützte das Kinn mit einer Hand.

„Tut mir leid, ist zu lange her, und es waren ja auch fünf Welpen, da weiß ich nicht mehr …“

Jan zückte sein Smartphone und zeigte ein Foto. Rudolf Brunner zusammen mit dem damaligen Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg bei einer Brückeneröffnung.

„Kennen Sie den Mann? Ich meine nicht den ehemaligen Ministerpräsidenten, als das Ländle noch von der CDU regiert wurde“, grinste Jan.

„Ich habe jedenfalls die Grünen gewählt, wegen der Tiere und der Umwelt“, sagte Frau Gruber etwas pikiert.

„Aber jetzt wo sie es sagen! Der Mann musste sich nicht vorstellen, ich habe ihn damals schon aus der Zeitung wieder erkannt – Rudolf Brunner aus Balingen. Und ich habe mich gewundert, warum er unser Tierheim ausgesucht hat und nicht eines in seiner Umgebung. Er sagte, er wolle einem kleinen Mädchen eine Freude machen, ich dachte, er meinte seine Nichte oder Tochter und warnte ihn noch, ein Hund sei kein Spielzeug …“

Rolf Becker unterbrach den Redestrom der 50-jährigen mit einer Handbewegung.

„Danke, Sie haben uns sehr geholfen, Frau Gruber!“

„Und Sie sind?“ – „Haupt-Kommissar Becker und das ist mein Assistent Jan Sommer, vielen Dank!

Widerwillig zückte Rolf zum zweiten Mal an einem Tag den gefälschten Dienstausweis. Hoffentlich fiel ihm das nicht irgendwann auf die Füße!

Aber es ging um Sandras Freiheit, verdammt!

Begleitet von Hundegebell stiegen die beiden Männer in ihren Audi und düsten über die Bundesstraße der Autobahn entgegen.

„Fassen wir zusammen, Jan: Ein bekannter Bauunternehmer, der sich gern mit Politikern ablichten lässt, schenkt der damals 12-jährigen Jenny Kreuzer einen kleinen Hund. Da sie nicht verwandt sind, ist es nicht das Geschenk des netten Onkels, sondern er hat etwas gut zu machen bei dem Mädchen … Was ist, Jan? Denkst du das gleiche wie ich?“

Sie hatten abgemacht, dass Jan bei der Rückfahrt bis Nürnberg am Steuer sitzen würde.

„Wenn es das ist, was wir beide denken, dann ist es mit einem süßen Tierbaby nicht getan“, sagte Jan, starrte aber auf die vor ihm liegende Fahrbahn.

„Erinnerst du dich, was Frau Kreuzer sagte? ‚Sie haben ihr einen Welpen geschenkt, als ob das etwas ändern würde …‘ Bemerkenswert auch der Plural ‚sie‘ – meinst du nicht auch?“

„Ja, wahrscheinlich waren auch Karl-Wilhelm Brunner und Walter von Beckstein dabei, was aber noch zu beweisen wäre, sie haben Rudolf Brunner vorgeschickt. Und ich würde mich auch nicht wundern, wenn man damals oder auch ein, zwei Jahre später Elisabeth Kreuzer mit 100000 Euro zum Schweigen gebracht hätte – dafür kann man sich selbst in einer schicken Urlaubsgegend eine Eigentumswohnung kaufen“, sagte Jan.

„Was bist du, Ingenieur? Hättest auch einen guten Kriminalisten abgegeben!“, lachte Rolf.

War man nun dem Ziel näher – der Befreiung von Sandra aus der U-Haft?
Beide wussten es nicht. Wie könnte man Klaus Lorenz und Kriminalrat Braun davon überzeugen, Jenny Kreuzer durch die Mangel zu drehen?

Warum war sie nach dem Tod ihres geliebten Hundes nach Brandenburg gereist?
Wollte sie den Dämonen der Vergangenheit in die Augen sehen?

wird fortgesetzt ...
********mann Mann
910 Beiträge
Themenersteller 
Die Wasserburg
Jenny hatte einen Fehler gemacht – einen kapitalen Fehler – und sie wusste es.
Jetzt saß sie hier im hellen Licht des Verhörraumes auf einem harten Stuhl. Sie hätte dieser Susi mehr Geld geben sollen – aber nun war es zu spät …

„Muss ich es noch einmal wiederholen, Frau Kreuzer? Herbeiführen eines schweren Verkehrsunfalles, Körperverletzung, Fahrerflucht. Zu dem haben wir eine offizielle Anzeige gegen Sie, erstattet von Frau Monika Feldmann“, schnaubte Klaus Lorenz.

Letzteres stimmte so nicht ganz, denn die Imbiss-Buden-Besitzerin hatte wegen der Lichtreflektionen gar nicht sehen können, dass Jenny Kreuzer am Steuer des VW Passat saß.

Darauf spekulierte auch Jenny. „Ich habe zu spät gesehen, dass da jemand auf der Straße steht, war von der Sonne geblendet! Wie geht es dem Unfall-Opfer? Es tut mir leid!“

Klaus Lorenz hatte die Schnauze voll, er glaubte nicht an Zufälle, das hatte die lange Berufspraxis ihn gelehrt.

„Die Zeugin sagt aus, Sie haben die Spur gewechselt und den Wagen beschleunigt! Und nun wollen Sie mir erzählen, Sie hätten unsere Mitarbeiterin Linda Behrends, mit der Sie tags zuvor noch gesprochen hatten, rein zufällig über den Haufen gefahren?“

Klaus Lorenz sprang auf, konnte nicht mehr sitzen bleiben. Es war alles prima gelaufen, man hatte Sandra Langner eingebuchtet, obwohl sie nicht geständig war.

Und nun hatte diese Jenny Kreuzer die zugegebenermaßen nicht unintelligente Praktikantin Linda überfahren?
Was hatte Linda heraus gefunden, damit die vor ihm Sitzende zu solchen Mitteln griff? Vor Zeugen, in der Nähe der Polizeidirektion?


Rolf und Jan waren in der Rekordzeit von neun Stunden zurück gerast – direkt bis vor die Tür des Krankenhauses.
Sie hatten erst relativ spät die Nachricht bekommen, dass Linda Opfer eines Verkehrsunfalles geworden war.
Da es Linda wieder besser ging, wurden sie auch vorgelassen.

„Mein Gott, wer hat dich denn so zugerichtet, Schatz?“, fragte Jan besorgt.

„Ging zu schnell, konnte ich nicht sehen, aber ich habe eine Vermutung“, flüsterte Linda.

Sie hatte wegen der Gehirnerschütterung immer noch Kopfschmerzen, ungeachtet der Medikamente, die man ihr fast stündlich einflößte.

„Heißt diese Vermutung zufällig Jenny Kreuzer?“, fragte Rolf, ebenso besorgt wie der junge Mann neben ihm.

„Wie seid ihr denn auf die gekommen? Gebt mir mal etwas Saft, ich kann den Tee nicht mehr riechen!“

„Eigentlich sind wir auf den Hund gekommen“, sagte Rolf grinsend.

Er zückte das Handy und zeigte die entsprechenden Fotos.
Das Gesicht von Linda war ein einziges Fragezeichen.

Sie hatte die beiden extra nach Baden-Württemberg geschickt – und die kamen mit Hundefotos wieder, und zwar von einem Hund, der schon tot war?

„Rudolf Brunner hat der damals 12-jährigen Jenny einen Welpen geschenkt, wir gehen davon aus, es gab noch weitere Geschenke, um das Mädchen ruhig zu stellen. Ihre Mutter erhielt etwa 100000 Euro, um sich ihr Schweigen zu erkaufen. Als nach vierzehn Jahren der Hund starb, bewarb sich Jenny auf der Wasserburg bei Walter von Beckstein. Dessen Rolle ist noch unklar.“

An jedem Krankenlager gab es ein Festnetztelefon. Linda hatte ihres natürlich noch nicht aktiviert, wunderte sich jetzt, dass es klingelte.
Sie nahm zögerlich ab.

„Hallo?“

„Hier ist Klaus Lorenz! Entschuldige die Störung, Linda, wie geht es dir?“ Klaus Lorenz wartete die Antwort gar nicht erst ab.

„Wir haben Jenny Kreuzer festgesetzt wegen Körperverletzung, begangen an dir, kommen aber in der Vernehmung nicht weiter …“

Der Haupt-Kommissar druckste herum.

Für Linda klang es so, dass er wirklich verzweifelt war, wenn er hier im Krankenhaus anrief und sie um Rat bat.

„Jan und Rolf sitzen bei mir, sie waren privat in Baden-Württemberg, haben unverbindlich mit ein paar Leuten gesprochen … Sie schicken dir jetzt zwei Fotos auf dein Handy, das zeigst du der Angeklagten! Wenn sie nicht zusammen klappt, fresse ich täglich zwei Besen zum Frühstück, auch nicht schlechter, als die Krankenhauskost für Kassenpatienten! Vertrau‘ mir einfach, Klaus, okay?“

Klaus Lorenz verstand die Welt nicht mehr. Sein ehemaliger Partner Rolf und dieser Jüngling Jan Sommer waren in Baden-Württemberg gewesen und hatten da herum geschnüffelt wie die Privatdetektive?

War nun auch egal – er hatte von Kriminalrat Braun den Auftrag, heraus zu finden, warum diese Jenny Kreuzer die Praktikantin Linda Behrends über den Haufen gefahren hatte.

Als das Handy fiepte und Klaus Lorenz die Fotos sah, fragte er sich, welche Drogen man im Krankenhaus ausgab.
Er schüttelte den Kopf, zeigte aber Jenny Kreuzer die Fotos.

„War das ihr Hund, Frau …?“

Wie Linda Behrends voraus gesagt hatte, fiel sie vornüber auf den Tisch, vergrub das Gesicht in den Armen und begann hemmungslos zu weinen.
Daraus wurde ein Heulkrampf.

Lorenz musste eine Polizistin bitten, die Tatverdächtige aus dem Raum zu führen.
Man gab Jenny Beruhigungsmittel und forderte aus Potsdam eine Psychologin an, da die eigene ja im Krankenhaus lag.

Am nächsten Tag war Jenny Kreuzer wieder so weit hergestellt, dass sie ein umfassendes Geständnis ablegte.
Ihr Anwalt hatte davon abgeraten, denn bisher stand ja nur die Fahrerflucht nach Unfall im Raum – aber Jenny ignorierte das.

„Frau Behrends hat mir auf den Kopf zugesagt, ich habe die Aufzeichnungen der Überwachungskamera im Ausstellungsraum mit den Waffen gelöscht, zumindest hätte ich das Wissen und die Möglichkeit dazu gehabt …“

„Und – haben Sie?“, fragte Klaus Lorenz gespannt.

„Ja!“


Sandra und Jan hatten überraschend darum gebeten, sich für drei Tage und zwei Nächte zur inneren Einkehr in ein buddhistisches Zentrum zurück ziehen zu dürfen, dem Karma Tengyal Ling.
In dieser Zeit waren sich Rolf und Linda, die man aus dem Krankenhaus entlassen hatte, näher gekommen – aber beide fühlten sich noch den bisherigen Partnern verpflichtet.

Es gab Momente, da glaubte Rolf, seine Tochter brauche nicht nur eine Spielkameradin, sondern eine reifere Frau als neue Mutti, obwohl Linda nur unwesentlich älter als Sandra war.

Wenn Sofia und Sandra im Wasser planschten, konnte man nur anhand der Silhouetten unterscheiden, wer das kleine und wer das große Mädchen war.

wird fortgesetzt ...
********mann Mann
910 Beiträge
Themenersteller 
Die Wasserburg
Sie nahmen auf der Terrasse hinter dem Haus Platz, das Rolf bald verkaufen würde – er hatte sich in Berlin bei der Kripo beworben, obwohl er hier vollständig rehabilitiert war.

Linda war als Psychologin zwar noch in der Ausbildung – aber sie sah am Leuchten der Augen der beiden, wie das hier enden würde.

Rolf nahm einen Schluck Bier und schaute vor allem Jan herausfordernd an.

„Ich wisst, ich halte nicht viel von diesem spirituellen Unsinn – aber nun erzählt mal, wie ist euch dort ergangen?“

„Ich bisher auch nicht, Rolf!“, ließ sich Jan vernehmen, da er sich angesprochen fühlte.

„Aber was da abging – ich hätte es nicht für möglich gehalten! Wir machten einen Crash-Kurs in Meditation, wozu buddhistische Mönche Jahre wenn nicht Jahrzehnte brauchen, um es zur Perfektion zu bringen“, sagte Jan und senkte den Kopf.

Wie sollte er das nur Linda und Rolf beibringen? Am besten, er versuchte es mit der Wahrheit – auch wenn man ihm nicht glauben würde.

„Ach, ja, und ihr habt das in ein paar Stunden gelernt?“, spottete Rolf und goss Wasser und Bier nach in die Gläser der Gäste.

„Natürlich nicht! Nur die Grundlagen, das Fallenlassen, die Achtsamkeit, die Konzentration auf den Atem … Bitte, Sandra, sag‘ doch auch mal was!“, bettelte Jan.

„Schon am zweiten Tag sind wir raus auf die Felder, haben uns in etwa hundert Meter Entfernung voneinander in den Lotussitz begeben und haben jeder für sich in uns gelauscht …“, erklärte Sandra.

Auch sie wirkte verlegen.

„Und was habt ihr da gefunden?“ In Linda war die Neugier der Psychologin erwacht, das interessierte sie brennend.

„Ich war in Jan und er berichtete später, er war in mir, vollkommene Harmonie, Einklang, Ying und Yang. Ich weiß nicht, wie man es jemand beschreiben soll, der es noch nicht erlebt hat. Jedenfalls war dort auch ein buddhistischer Mönch aus Nord-Indien, ein Tibeter. Er sagte, wir sollen nicht suchen – die Wahrheit würde uns finden!“

Rolf Becker wurde das ganze Herumgedruckse zu viel, er trank noch einen Schluck Bier.
Die Botschaft war zwar esoterisch verschlüsselt, aber sonnenklar:
Die beiden waren wieder zusammen! Er sprang auf, um ins Haus zu eilen. Linda konnte jetzt einen Schluck Wein vertragen!

„Sprecht ruhig weiter, auch wenn Rolf nichts davon hält, ich finde es hoch spannend!“, sagte Linda, die ihren linken Arm wegen des operierten Schlüsselbeinbruchs immer noch nicht hoch recken konnte.

„Was der buddhistische Mönch wirklich meinte, war, wir würden womöglich erkennen, dass wir nie getrennt waren, sondern immer zusammen, dabei meine ich nicht nur das Heute und Jetzt“, sagte Jan und griff nun doch zum Bier, das Rolf ihm eingeschenkt hatte.

„Soll das heißen, ihr habt eine Rückführung gemacht, kennt euch aus der Vergangenheit?“, fragte Linda verwundert.

Rolf trat mit einer entkorkten Flasche Weißwein an den Tisch, murmelte „Trockener!“ und schüttelte den Kopf.

„Gebt mir ein paar konkrete Beispiele!“, forderte Linda und nippte am Wein.

„Ich habe mal gesagt, Sandra und ich wären wie Geschwister, das waren wir auch mal, dann wieder Mann und Frau, Verliebte, durch Intrigen getrennt. Ich habe Sandra, die damals Marie hieß, vor marodierenden schwedischen Truppen im 30-jährigen Krieg gerettet, die sie vergewaltigen wollten, wir sind 1841 gemeinsam in die USA ausgewandert, haben einen lebensgefährlichen Treck in den Bergen von Utah geradeso überlebt, inklusive Indianerüberfall …“

„Nette Gute-Nacht-Geschichten!“, grinste Rolf. „Könnte man glatt Sofia vorlesen, wenn man die grausamen Details weg lässt …“

„Ich weiß, wie unglaublich das klingen muss, Rolf“, sagte Sandra. „Deshalb ein Detail, das man sich nicht ausdenken kann, man muss es erlebt haben! Februar 1945, Sirenengeheul, Dresden in Flammen. Ich hörte den Feindsender BBC, die sagten auf Deutsch, der Angriff gelte Einrichtungen der Deutschen Wehrmacht, die Dresdner sollten Schutz auf den Elbwiesen suchen. Ich habe mir Jan gegriffen, der damals Wolfgang hieß, und er sagte ‚Nein! Feindpropaganda!‘ Ich beharrte darauf … Wir konnten uns gerade noch ins Gebüsch werfen, als die ersten beiden Tiefflieger mit Maschinengewehren angriffen, Dutzende Tote, die Szenerie gespenstisch erhellt von der brennenden barocken Altstadt …“

Linda riss beinahe das Weinglas um. Das stand in keinem Geschichtsbuch – und wenn es irgendwo mal stand, hatte man es als Propaganda der Nazis und später der Kommunisten in der DDR abgetan … Selbst Rolf verharrte in der Bewegung, als er zum Bierglas greifen wollte.
In ihm kam der Ermittler hoch, der Fakten prüfte.

„Gibt es da keine Kollision mit der Gegenwart, denn das Pärchen aus Dresden, das ihr vorgebt, gewesen zu sein, könnte heute noch leben, wenn auch 90 Jahre alt?“

„Nein“, sagte Jan fest. „Wir starben 1968 beide bei einem Autounfall!“

„Und wurdet pünktlich zum Mauerfall wiedergeboren, herzlichen Glückwunsch!“

Der Sarkasmus in Rolfs Stimme war nicht zu überhören, aber dem geschuldet, dass er Sandra schon wieder verlieren würde.

Sie hatte beim BDSM-Event auf der Wasserburg in diesem Zelt die Wahl zwischen drei Männern gehabt und sich für ihn entschieden, verdammt!
Jan stand damals gar nicht zur Disposition …

„Stimmt so nicht ganz, Rolf“, sagte Jan und riss ihn aus seinen Gedanken. „Ich wurde bereits 1988 geboren!“

Die Schulanfängerin Sofia kam vom Garten heran getippelt, versuchte, die Situation zu erfassen.

„Du, Papa, kann ich nicht beide haben? Sandra zum Spielen und Linda für die Hausaufgaben?“

Die Anspannung am Tisch löste sich in Gelächter auf …

wird fortgesetzt ...
*********iams Paar
2.141 Beiträge
jaaaaaaaaaaaaa endlich
...die fortsetzung - prima vielen dank -toller verfasser *top*
********mann Mann
910 Beiträge
Themenersteller 
Die Wasserburg
Die Blätter fielen von den Bäumen und der Gerichtssaal reichte nicht aus, um alle Interessenten aufzunehmen.

Als die Angeklagte herein geführt wurde, musste sie die Augen vor dem Blitzlichtgewitter schützen.
Der Anwalt hob einen Aktendeckel, dann wurden die Fotografen hinaus komplimentiert.

Jennifer Kreuzer zog den schwarzen Rock glatt, zupfte an der weißen Bluse.

Man würde sie wegen Körperverletzung und Mord verurteilen – aber sie würde sich so teuer wie möglich verkaufen.

Bei der Yellow Press war durchgesickert, sie habe bei den Vernehmungen nur Andeutungen gemacht, würde aber vor Gericht Klartext reden.
Da es auch Enthüllungen über die Bauunternehmer und Politikerfreunde Karl-Wilhelm und Rudolf Brunner geben sollte, waren sogar Klatschreporter extra aus Baden-Württemberg angereist.

In der ersten Stunde wurden die Personalien aufgenommen und die Anklageschrift verlesen:

Herbeiführung eines schweren Verkehrsunfalles, Körperverletzung, Fahrerflucht und Mord an Walter August von Beckstein.
Jennifer Kreuzer bekannte sich in allen Anklagepunkten als schuldig und ein erstes Raunen ging durch das Publikum.

Bei der Frage nach dem Tathergang bat sie das Hohe Gericht darum, die Vorgeschichte darlegen zu dürfen.

Genau darauf hatten die Reporter gelauert, zückten die Stifte …

Der Anwalt der Angeklagten stand auf und bat darum, einen Antrag stellen zu dürfen.

„Stattgegeben!“, sagte der Vorsitzende Richter.

„Meine Mandantin wird Details aus ihrer Kindheit preis geben, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind! Ich beantrage den vorübergehenden Ausschluss der Öffentlichkeit!“

„Wir ziehen uns für zehn Minuten zur Beratung zurück“, verkündete der Richter und stapfte mit seinen Beisitzern aus dem Saal.

Die Beratung dauerte nicht lange, denn der Vorsitzende Richter hatte seit Tagen einen Antrag einer Rechtsanwaltskanzlei auf dem Tisch, die Karl-Wilhelm Brunner vertrat.
Vor Ablauf der zehn Minuten wurde die Verhandlung wieder aufgenommen.

„Dem Antrag wird stattgegeben. Ich bitte darum, den Saal zu räumen!“

Stühle rücken und lautes Gemurmel.

Einige verließen das Amtsgericht, um einen Imbiss einzunehmen, viele blieben auch in den Gängen.

„Worum wird es wohl gehen?“, fragten Sandra, Linda und Jan und hingen an den Lippen von Rolf.

Der würde zwar nicht mehr für die Polizeidirektion Nord des Landes Brandenburg arbeiten, hatte aber einen heißen Draht zu Kriminalrat Braun.

„Jenny Kreuzer konnte als Kind noch nicht einschätzen, worum es wirklich ging, aber drei Baulöwen in Balingen waren zwei zu viel. Man einigte sich bei einem Kurzurlaub in Titisee-Neustadt bei Wein und gutem Essen auf eine Trennung. Walter von Beckstein hatte bereits die Wasserburg gekauft, aber noch nicht saniert. Karl-Wilhelm Brunner sagte zu, dies in Brandenburg zu regeln und er würde dort eine neue Firma gründen. Gewinner der Runde war Rudolf Brunner, der den beiden anderen ein Mädchen zuführte, die älter wirkte, aber allen musste klar sein, die war noch nicht Sechszehn. Ob nun alle gleichzeitig ihre pädophile Ader entdeckten, entzieht sich meiner Kenntnis, jedenfalls wurde die kleine Jenny kräftig befingert … Was noch geschah, erzählt sie gerade da drinnen …“

In Deutschland war man schon immer Meister darin, Täter zu Opfern zu machen und umgekehrt. Jenny Kreuzer setzte hier neue Maßstäbe.

Ihr Rechtsbeistand rieb sich verwundert die Augen. Hätte er einen Hollywood-Star engagiert – die hätte es nicht viel besser gekonnt.

„Man versprach mir Süßigkeiten und fragte, welchen besonderen Wunsch ich hätte. Ich sagte, ich wünsche mir ein Pferd – wie so viele Mädchen in dem Alter. Dazu müsste ich nur meine Kleider ablegen und sie würden mich streicheln“, begann Jenny stockend mit gesenkten Kopf.

Sie sprach so leise, dass der Vorsitzende Richter sie ermahnen musste, lauter zu reden.

„Sie legten mich auf einen Tisch, ich dachte nur an die Geschenke und ließ es geschehen, obwohl ich mich schämte. Ich wusste von älteren Mädchen, dass Jungen und Männer scharf darauf sind, den Körper eines Mädchens an bestimmten Stellen zu berühren. Sie massierten die Stelle, wo sich der Busen gerade erst zu entwickeln begann …Ich weiß nicht mehr genau, was ich damals empfand, aber die Situation war bizarr – jeder der drei Männer hätte mein Opa sein können!“

Jenny straffte sich und redete nun lauter und vernehmlicher.

„Einer der drei Männer, später erfuhr ich, es handelte sich um Walter von Beckstein, warnte die anderen beiden, es sei genug, man solle die Kleine – also mich – wieder nach Hause bringen. Da auch er Wein getrunken hatte, machte er letztendlich mit …“

„Einspruch, Herr Vorsitzender!“, schnarrte der junge Staatsanwalt, der gleiche, der bereits Sandra Langner hinter Gitter gebracht hatte.

„Wogegen möchten Sie denn Einspruch einlegen, Herr Staatsanwalt? Gegen die Aussage von Frau Kreuzer oder die Art meiner Verhandlungsführung?“

Die wenigen im Saal Verbliebenen ahnten – die beiden Juristen trafen sich nicht täglich zum gemeinsamen Feierabendbierchen, um den Aktenstaub runter zu spülen.

„Letzteres liegt mir fern, Herr Vorsitzender! Die Aussage der Angeklagten ist nicht zielführend! Ich würde darum ersuchen, das Motiv der späteren Straftat genauer heraus zu schälen. Die Angeklagte möge sich bitte kürzer fassen, danke!“

wird fortgesetzt ...
********mann Mann
910 Beiträge
Themenersteller 
Die Wasserburg
‚Was für ein arrogantes Arschloch!‘, dachte Jenny. Die Schilderung aller Details gehörte zu ihrem Plan, das Gericht zu beeindrucken.

„Stattgegeben – insofern, dass ich Frau Kreuzer darum bitte, eine präzise Zusammenfassung der Ereignisse von 2001 zu geben. Sprechen Sie weiter, Frau Kreuzer!“

Jenny zupfte wieder an der Bluse, sagte, sie habe sich nicht gewehrt und nicht Nein gesagt, obwohl sie auch als Kind ahnte, dass die älteren Männer dies eigentlich nicht tun dürften.

„Ganz anders dann am zweiten Nachmittag. Ich wurde genötigt, Wein zu trinken, der mir nicht schmeckte. Ich wagte es aber nicht, ihn wieder auszuspucken … Jemand umklammerte meine Handgelenke, streckte die Arme über Kopf, ich glaube mich zu erinnern, dass es Rudolf Brunner war. Sie massierten Öl in meinen Körper ein, die Hände wurden drängender, ich spürte sie an Klitoris, Vulva und meinem After. Die Finger drangen in meine Körperöffnungen ein. Ich begann zu wimmern und mich zu wehren, aber sie hielten mich fest. Die Männer öffneten die Hosenschlitze, rieben die erigierten Penisse an meinem Körper, an meinen Wangen, berührten damit meine Lippen. Aber ich öffnete den Mund nicht, ich ekelte mich davor. Dann spürte ich einen Schmerz in meinem Hintern, das Eindringen der Finger tat weh, obwohl man mich eingeölt hatte!“

Jenny setzte sich, warf den Kopf auf die Unterarme und begann zu weinen.
Sie hatte diese Szene in der U-Haft geübt – aber jetzt, vor Gericht, kam alles wieder hoch, sie war wieder mittendrin.
Insofern waren die Tränen echt …

Ihr Rechtsanwalt schob ihr ein Glas Wasser hin, berührte sie ganz sanft am Unterarm.

Wenn die Mandantin noch in ihren Erinnerungen gefangen war, konnte es gut sein, dass sie seine Hand abschüttelte und dafür das Wasser ins Gesicht schüttete.

Der Vorsitzende Richter der Strafkammer räusperte sich und rückte die Brille gerade, die auf der Nase zu verrutschen drohte.

Er hatte schon viele emotionale Szenen erlebt, aber das hatte ihn berührt. Und genau das war der Plan von Jenny gewesen.

„Herr Verteidiger, braucht ihre Mandantin vielleicht eine Pause, um sich zu sammeln?“

„Nein, Herr Vorsitzender, es geht schon wieder. Meine Mandantin wird jetzt zum Ende kommen, wie es der Herr Staatsanwalt gefordert hat!“

Er schickte einen bösen Blick hinüber zum fast gleichaltrigen Kollegen. Beide waren sich bewusst, ihre Namen würden morgen in den überregionalen Zeitungen stehen, vielleicht der Beginn einer großen Karriere.

Jenny wischte sich die Tränen von den Wangen und schnäuzte in das Papiertaschentuch.

In ihrer Zelle war alles so einfach gewesen, aber hier, vor Publikum war alles emotionaler, härter, zehrte an der Substanz.

„Nur noch eine Frage, Frau Kreuzer“, sagte der Richter, der auffällig darum bemüht war, den Begriff „Angeklagte“ zu vermeiden.

Für ihn hatte es immer den Beigeschmack einer Vorverurteilung.

„Kam es zur Penetration der Vagina im Sinne einer Vergewaltigung? Es tut mir leid, Frau Kreuzer, aber ich muss diese Frage aus juristischen Gründen stellen, ich werde es dann später genauer erläutern!“

„Ja, Herr Richter! Mit einem Gegenstand, ich weiß nicht was es war. Es tat weh, Verletzung des Hymen, des Jungfernhäutchens, ich blutete und die drei Männer ließen sofort von mir ab. Die Blutung wurde gestillt und Walter von Beckstein begleitete mich ins Bad, fragte wiederholt, ob er mich zu einem Arzt bringen soll. Aus heutiger Sicht weiß ich, der Arzt hätte die Männer angezeigt, die wären verurteilt worden … Ich wusch mich unter Tränen, polsterte den Slip mit einem Papiertaschentuch aus und bat Herrn von Beckstein darum, mich nach Hause zu bringen. Es kam zum Streit zwischen ihm und den Brunners, die glauben mussten, ein Arzt oder meine Mutter würden Anzeige erstatten …“

„Darf ich Sie kurz unterbrechen, Frau Kreuzer? Warum kam es damals zu keiner Anzeige?“

Der Richter nestelte wieder an seiner Brille. Ging es hier überhaupt noch um die Anklagepunkte, oder um eine Straftat, die vierzehn Jahre zurück lag?

„Meine Mutter bekam zweitausend D-Mark Schweigegeld, Monate später noch einmal dann 100000 Euro!“

„Ich belehre Sie, Frau Kreuzer, dass Sie gemäß den Paragraphen 176 und 177 StGB jetzt hier Anzeige erstatten können! Die Verjährungsfrist für die von ihnen geschilderten Straftaten beträgt zwanzig Jahre!“, sagte der Richter und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

Das war ein Prozess, der sich gewaschen hatte!

Und man war noch lange nicht an dem Punkt, warum diese Frau Kreuzer später Walter von Beckstein ermordet hatte, obwohl sie gerade Rudolf und Karl-Wilhelm Brunner viel schwerer belastet hatte.

„Ich erkläre Verzicht, Herr Vorsitzender!“, sagte Jenny und drückte ihren Anwalt wieder zurück auf den Stuhl.

Es war unglaublich, welche Geräuschkulisse sich in einem Gerichtssaal entwickeln konnte, der eigentlich leer war.
Der Vorsitzende Richter griff zum altmodischen Hammer, ließ ihn niedersausen und bat um Ruhe.

Er konnte schlecht androhen, den Saal räumen zu lassen, denn das war ja bereits geschehen.
Das Gemurmel kam allein von den Justizangestellten.

„Sie können sich auch mit ihrem Anwalt beraten und die Anzeige zu einem späteren Zeitpunkt zu Protokoll geben! Wie ging es dann weiter, Frau Kreuzer, ihre Mutter erhielt Schweigegeld, wie Sie es nennen – was passierte mit Ihnen?“

„Herr Rudolf Brunner kam und schenkte mir einen kleinen Hund. Ich maulte herum, weil man mir ein Pferd versprochen hatte. Ich entschied dann aber, dass der Hund nichts für die Taten des Überbringers könne und nahm mich seiner an …“

„Die Sache mit dem Hund ist bereits aktenkundig. Dass Herr Rudolf Brunner einen Welpen von einem Tierheim holte und Ihnen übergab wurde im Zuge der Ermittlungen aufgeklärt“, unterbrach sie der Richter.

wird fortgesetzt ...
********mann Mann
910 Beiträge
Themenersteller 
Die Wasserburg
Er wusste allerdings nicht, dass dies ein Kriminalist heraus gefunden hatte, der zu diesem Zeitpunkt gar nicht ermitteln durfte.
Das hatte Kriminalrat Braun geschickt unter den Teppich gekehrt.

„Lassen Sie mich dies bitte noch ausführen, Herr Vorsitzender, es ist wichtig! Benni war mein Therapiehund, wenn Sie so wollen! Er erinnerte mich zwar jeden Tag daran, was geschehen war, half mir aber auch, es zu verarbeiten. Als ich zum Studium ging, zählte ich die Stunden, bis ich ihn am Samstag wiedersehen würde. Als der Hund starb, war ich todtraurig. Ich bewarb mich auf eine Annonce hin und meine Mutter fragte, ob das eine gute Idee wäre, denn der Chef hieß Walter von Beckstein …“

„Na endlich!“, knurrte der Staatsanwalt.

Der Richter schob die rutschende Brille wieder hinauf zur Nasenwurzel.

„Wenn Sie etwas zu sagen haben, stellen Sie bitte einen Antrag, Herr Staatsanwalt, danke! Desweiteren lege ich fest, dass nach einer kurzen Pause das Publikum wieder zugelassen wird! Einwände, meine Herren?“

Sowohl Rechtsanwalt als auch Staatsanwalt schüttelten die Köpfe. Beide brauchten jetzt dringend einen Kaffee.

Jeder Platz im Gerichtssaal war wieder besetzt, außer der von Lena Berger, sie sollte noch als Zeugin aussagen.

Die Reporter mit einem großzügigen Spesenkonto hatten natürlich Justizangestellte bestochen und man würde ihnen noch heute Abend an geheimen Treffpunkten Mitschnitte übergeben, was in der vergangenen Stunde gesagt worden war.

Alle anderen würden wie immer ihre Fantasie schweifen lassen, was dann dazu führte, dass in einer Klatschzeitung stand, man habe mit der auf einem Tisch gefesselten Jenny Kreuzer geheime Rituale ausgeführt, Runen auf ihren nackten Körper gemalt und heißes Kerzenwachs auf sie geträufelt.

Den Brunners war klar, die Kreuzer hatte vermutlich gegen sie ausgesagt und die Anwaltskanzleien zerbrachen sich die Köpfe, wie der Schaden zu minimieren sei.

„Wo waren wir stehen geblieben?“, fragte der Vorsitzende und spielte den zerstreuten Richter.

Dabei wusste er genau, dass man jetzt zu der drängenden Frage kommen müsse, warum Jenny Kreuzer alles Stehen und Liegen ließ, um bei einem Mann anzuheuern, der doch an den Straftaten beteiligt war.

Und man musste möglichst schnell auf den Punkt kommen – sonst würde der umtriebige Staatsanwalt wieder anfangen zu nerven.

„Ach, ja, Frau Kreuzer, schildern Sie doch bitte kurz, mit welchem Ziel, welchen Wünschen und Hoffnungen Sie sich auf die Stelle bei der Wasserburg Lobenau Betriebsgesellschaft mbH beworben haben?“, sagte der Richter freundlich, aber bestimmt.

„Wenn Sie mit ihrer Frage andeuten wollen, Herr Richter, ich befand mich auf einem Rachefeldzug, so muss ich Sie enttäuschen! Wie ich bereits im nicht öffentlichen Teil der Verhandlung ausgesagt habe, war Walter von Beckstein …“

Der Staatsanwalt sprang auf wie Teufelchen aus der Kiste und rief: „Einspruch, Herr Vorsitzender!“

Damit hatte er sich geoutet. Der Richter bemerkte es sofort und runzelte die Stirn, die anderen im voll besetzten Saal konnten es nur erahnen.

Vermutlich wurde der von den Brunners geschmiert, nach dem Motto: „Wo kein Kläger – da kein Richter!“

„Es heißt nicht öffentlicher Teil der Verhandlung, weil die Öffentlichkeit aus einem bestimmten Grund ausgeschlossen wurde! Jeder Rückverweis ist unzulässig!“

„Stattgegeben! – Frau Kreuzer, beantworten Sie bitte meine Frage ohne Rückverweis auf vorherige Aussagen von Ihnen!“

„Also gut!“ Jenny zupfte den schwarzen Rock über die Knie und verschaffte sich so zwei Sekunden Bedenkzeit.

„Es waren vierzehn Jahre vergangen, ich wollte endlich das Trauma verarbeiten, dem Mann die Hand reichen, der sich mitschuldig gemacht, aber auch zurückhaltend, ja in gewisser Weise fürsorglich gezeigt hatte. Gegenüber Dritten tat Herr von Beckstein so, als würden wir uns nicht kennen, aber ich wusste sofort, er würde mich unabhängig von meiner Qualifikation einstellen, weil er in meiner Schuld stand …“

„Wenn ich Sie kurz unterbrechen darf, Frau Kreuzer, gab es zwischen ihnen eine Aussprache, eine Entschuldigung, die Ereignisse des Sommers 2001 betreffend?“, fragte der Richter.

„Nein, nicht so direkt, aber er flüsterte mir mal ins Ohr, als wir allein waren, es würde ihm leid tun. Wenn Sie so wollen, der Versuch einer Entschuldigung. Er spannte mich für seine Zwecke ein. So kam es zu Intimitäten zwischen Herrn Jan Sommer und mir - obwohl ich vorher nie einen Mann an mich heran gelassen hatte - nach dem wir an einem Erfrischunsgetränk genippt hatten, dem Herr von Beckstein ein Aphrodisiakum beigemischt hatte …“

„Moment mal – woher wussten Sie das?“, unterbrach sie der Richter mit einem Blick über den oberen Brillenrand.

„Frau Sandra Langner – die an meiner Stelle kurzzeitig in U-Haft saß“, Jenny schickte einen Blick hinüber zu Sandra, die wiederum ein Handzeichen gab, sie habe verstanden, „… hatte einen Verdacht. So haben wir eine Probe analysieren lassen. Ich war wieder mittendrin von Intrigen, dabei hatte ich doch die Stelle angetreten, um meinen inneren Frieden zu finden“, sagte Jenny, weiterhin sorgfältig darauf bedacht, sich als Opfer darzustellen und nicht als kaltblütige Mörderin.

Der Richter blickte auf seine Armbanduhr. Zur Verblüffung aller sagte er:

„Die Verhandlung ist für heute geschlossen! Die Beweisaufnahme wird morgen früh neun Uhr hier im Saal 4 des Amtsgerichts fortgesetzt! Folgende Zeugen und Zeuginnen bitte ich morgen darum, draußen Platz zu nehmen, bis sie aufgerufen werden: Frau Monika Feldmann, Frau Lena Berger und Herrn Benno Brückner. Auf die Zeugenaussage von Frau Sandra Langner wird verzichtet, es sei denn, Staatsanwalt oder Rechtsbeistand von Frau Kreuzer bestehen darauf … Ist nicht der Fall? Danke!“

wird fortgesetzt ...
********mann Mann
910 Beiträge
Themenersteller 
Die Wasserburg
Der Richter erhob sich, ebenso die Beisitzer und sie verließen ihre erhöhten Plätze.
Im Gerichtssaal Stühle rücken und lautes Gemurmel.

In den Kneipen und Bars der Kreisstadt gab es am Abend nur ein Thema:
Der Gerichtsprozess gegen Jenny Kreuzer. Darüber berichteten sogar mehrere TV-Sender, die ihre Übertragungswagen vor dem Amtsgericht geparkt hatten.

Die Gerüchte schossen ins Kraut, wie schwer die Angeklagte die bekannten Unternehmer Karl-Wilhelm und Rudolf Brunner wohl im nicht öffentlichen Teil belastet hatte.
In der Online-Ausgabe der auflagenstärksten Boulevard-Zeitung mit den vier großen Buchstaben konnte man schon am Abend die Schlagzeile lesen:

„Jenny Kreuzer – ein eiskalter Racheengel? Als Kind missbraucht und misshandelt … Nach dem bekannt wurde, dass die Angeklagte die bekannten Bauunternehmer Karl-Wilhelm und Rudolf Brunner im nicht öffentlichen Teil der Gerichtsverhandlung womöglich schwer belastet habe, ist der Aktienkurs der Brunner AG im Sturzflug!“

Rolf Becker wischte über den Tablet-PC und klinkte sich aus dem Internet aus.
Er hatte genug gelesen. Da diese Zeitung einen schlechten Ruf hatte, recherchierten die besonders sorgfältig und bezogen ihre Informationen in der Regel aus erster Hand.

Ungeachtet aller persönlichen Befindlichkeiten saßen sie alle an einem Tisch in einem Restaurant bei Wein, Wasser und Bier.
Sogar Kurt Friedrichs hatte sich hinzugesellt, der als Geschäftsführer drei Stellen neu zu besetzen hatte:
Die von Anne – also Sandra -, von Jan und natürlich von Jenny, die im Strafvollzug landen würde, und zwar für lange.

Sandra hingegen war ganz froh, dass der Richter auf ihre Aussage verzichtete.
Sie war nicht scharf darauf, dass die Sache mit der Gift-Ampulle von der Presse zerpflückt wurde.

„Was haltet ihr von der Show?“, fragte Rolf und in seiner Fragestellung schwang schon eine Bewertung mit.

„Oscar-reif“, sagte Linda und nippte am trockenen Wein.

Lieblichen würde sie nie wieder trinken, hatte sie sich nach dem letzten Kater geschworen.

„Dabei haben wir wegen des Ausschlusses der Öffentlichkeit nur einen Teil der Show gesehen!“

Jan fühlte sich bemüßigt, die Frau, der er einmal verfallen war, zu verteidigen.

„Ich habe ihr das abgekauft, dass sie hierher kam, um Walter die Hand zu reichen, einen Schlussstrich ziehen wollte!“

„Wie ist deine Meinung, Kurt?“, fragte Rolf gespannt, denn Friedrichs war nahe dran gewesen, vielleicht hatte er etwas bemerkt, was den anderen entgangen war.

„Ich kannte die Vorgeschichte nicht, aber da wir ausgeschlossen wurden, kann es sich nur um Mißbrauch im besonders schweren Fall handeln. Ich hatte nie den Eindruck, dass es Spannungen zwischen Jenny und Walter gab. Es muss einen Auslöser für die Tat gegeben haben, und ich fürchte, wir erfahren das erst morgen!“

Kurt Friedrichs trank einen kräftigen Schluck Bier, hätte gern einen Whisky dazu geordert, aber alle wollten zur Fortsetzung der Verhandlung wieder fit sein.

„Und was ist deine Meinung, Frau Fallanalytikerin?“

Rolf grinste Linda an und alle Anwesenden spürten, die beiden würden ein Paar werden, falls sie es nicht schon waren.

„Jenny wurde durch irgend etwas, das sie an den Sommer 2001 erinnerte, in einen emotionalen Ausnahmezustand versetzt, der letztendlich dazu führte, dass sie Walter von Beckstein nieder stach! Ich weiß nur eines, dass ich Mitschuld daran trage, dass ich im Krankenhaus landete. Ich habe ihr auf den Kopf zugesagt, sie habe das Wissen und die Möglichkeiten gehabt, die Aufzeichnungen der Überwachungskamera zu löschen!“

Am nächsten Tag wurde pünktlich neun Uhr die Verhandlung mit der Vernehmung der Angeklagten im Zeugenstand fortgesetzt.

„Lassen wir mal außer Acht, was sonst noch so alles geschah während dieses Sommers auf der Wasserburg und kommen wir direkt zum …“ Der Vorsitzende Richter musste wieder einmal die Brille gerade rücken und ablesen „ … BDSM-Open-Air vom 22. August diesen Jahres. Schildern Sie uns doch bitte, was sie an diesem Tag gemacht haben, beginnend 14:00 Uhr, Frau Kreuzer!“

Jenny Kreuzer warf sich in Positur, zupfte an Rock und Bluse, obwohl alles tadellos saß.
Sie wusste genau – jetzt ging es ans Eingemachte. Bisher konnte sie sich als Opfer präsentieren.

„Ich führte meinen Sklaven an Halsband und Hundeleine …“

Jenny wurde von Gekicher im Saal irritiert. Für die überwiegende Mehrheit im Gerichtssaal war Sado-Maso etwas Abartiges, Perverses, eine sexuelle Störung.
Die Unwissenheit drückte sich in Gelächter aus.

Der Vorsitzende Richter ließ den Holzhammer niedersausen.

„Ich bitte Sie, meine Damen und Herren! Jedem Tierchen sein Pläsierchen“, was zur weiteren Erheiterung beitrug, außer bei Jan, der hoffte, sein Name werde nicht genannt, und bei Jenny, von deren Aussage das spätere Strafmaß abhing.

„Ich führte meinen Begleiter durch die Reihen der Zelte vor der Zugbrücke auf der Suche nach jemand, der mir vielleicht noch ein paar Sachen beibringen könnte. Aufgrund der Ereignisse von 2001 konnte ich nicht wirklich eine normale Beziehung mit einem Mann führen, ich sah mich eher als Femdom, den Anwesenden im Saal ist sicher Domina der geläufigere Begriff. Vor einem der Zelte stand Herr Benno Brückner, bot seine Dienste an, und behauptete, der ideale Ansprechpartner zu sein, da er sich sowohl in einen Mann als auch eine Frau hinein versetzen könne …“

Zu ihrer Überraschung wurde Jenny vom Richter unterbrochen.

„Nehmen Sie zunächst wieder Platz, Frau Kreuzer! Ich rufe als Zeugen Herrn Benno Brückner auf!“

wird fortgesetzt ...
********mann Mann
910 Beiträge
Themenersteller 
Die Wasserburg
Staatsanwalt und Rechtsanwalt warfen sich einen schnellen Blick zu. Sonst wie Hund und Katze, waren sie sich diesmal einig:
Dieser Eberhard Körner auf dem Richterstuhl hatte eine ungewöhnliche Art der Prozessführung, aber womöglich machte es Sinn, von jemand anderem mal zu erfahren, wo sich die Angeklagte in der fraglichen Zeit herum getrieben hatte. Bisher hatte ja nur Jenny Kreuzer ausgesagt.

Benno Brückner, an den Wochenenden auch gern als Bella unterwegs, trug zwar schwarze Hosen und ein schickes weißes Hemd, aber so wie er zum Zeugentisch tänzelte, wurde auch dem Letzten im Saal klar, welche sexuelle Orientierung der hatte.

Zunächst wurden die Personalien aufgenommen, dann der Zeuge belehrt, dass er die Wahrheit zu sagen habe.
Wissentliche Falschaussagen würden geahndet werden, bis hin zu einer Freiheitsstrafe.

„Herr Brückner! Schildern Sie uns doch bitte den zeitlichen Ablauf der Ereignisse am Nachmittag des 22. August diesen Jahres aus ihrer Sicht!“

„Aber gerne, Herr oberster Richter!“, flötete Benno.

„Vorsitzender Richter, aber auch nur deshalb, weil ich hier oben nicht alleine sitze!“, wurde er umgehend zurecht gewiesen.

„Also gut, Herr Vorsitzender des Hohen Gerichts! Die junge Dame, Frau Jenny Kreuzer, wandte sich an mich, weil sie als Femdom noch unerfahren sei. Sie machte einen sehr netten Eindruck auf mich, aber viel entscheidender war, wen sie mitgebracht hatte …“

Jan Sommer im Publikum hielt kurz die Luft an, andererseits konnte aber auch jeder, der es wollte, Aktfotos von ihm im Internet finden.

„So einen süßen Burschen hatte ich lange nicht mehr gesehen, das konnte ich mir nicht entgehen lassen!“

„Wann war das? Haben Sie auf die Uhr gesehen?“, fragte Richter Körner und kämpfte wieder einmal mit seiner Brille.

„Ich habe nicht auf die Uhr geblickt, aber es war etwa 15:30 Uhr, nageln Sie mich nicht auf die Minute fest, es gab soviel zu sehen bei diesem Event, da schaut man nicht wie auf einem Bahnsteig ständig auf die Uhr, Herr Vorsitzender der obersten Kammer!“

Richter Körner gab es auf, den Zeugen über die Gerichtsbarkeit in Deutschland aufzuklären, er war nur der Leiter der Strafkammer des Landgerichts.

„Was passierte zwischen 15:30 und 16:00 Uhr, Herr Brückner?“

„Soll ich das wirklich vor allen Leuten hier detailliert ausführen, Herr Kammervorsitzender? Könnte sein, dass einige Männer schockiert sind und ich ein paar Damen auf Ideen bringe, die sie noch nicht hatten!“

Wieder Gemurmel und Gelächter im Saal, wieder musste Richter Körner zum Hammer greifen.

Alle mussten zugeben, der Zeuge hatte einen gewissen Unterhaltungswert.

„Werter Herr Zeuge Brückner! Können wir uns für das Protokoll auf die Formulierung einigen, am Begleiter von Frau Kreuzer wurden sexuelle Handlungen vollzogen und zwar auf Bitte der Angeklagten hin?“ Richter Körner musste durchschnaufen.

„Ja, darauf können wir uns einigen, Herr Kammerjäger, äh, Kammervorsitzender!“

Benno hatte es auf diese Lacher abgesehen und grinste ins weite Rund.

„Herr Zeuge!“, donnerte Richter Körner los und erhob sich von seinem Stuhl.
„Das ist keine Comedy-Show und Sie sind hier auch nicht als Pausenclown engagiert! Ich ermahne Sie letztmalig, dies nicht als Bühne zu betrachten! Ich kann Ihnen auch gerne eine Geldstrafe aufbrummen wegen Missachtung des Gerichts! Haben Sie die Ermahnung verstanden, Herr Brückner?“

„Ja, Herr Vorsitzender Richter, ich bitte um Entschuldigung!“, sagte Benno kleinlaut.

„Weiter im Text! Wann verließ Frau Kreuzer das Zelt und wann kam Sie wieder?“

„Frau Kreuzer war der Meinung, sie müsse nicht die ganze Zeit zuschauen, wenn ich mit ihrem Begleiter intim werde, sie entschuldigte sich gegen 15:45 Uhr und kam um 16:23 Uhr wieder, Herr Vorsitzender. Sie sagte, sie müsse auf die Toilette, und als Angestellte auf der Burg hatte sie ja das Privileg, die Toiletten im Wellnessbereich zu nutzen, anschließend wollte sie eine Weinschorle trinken, weil es sehr warm war …“

„Und das wollen Sie plötzlich so genau wissen, Herr Brückner?“, schnaufte der Richter.

„Ich hatte während des intimen Körperkontaktes mit dem Begleiter von Frau Kreuzer meine Armbanduhr abgelegt, und als ich sie wieder anlegte, war es exakt 16:23 Uhr und Frau Kreuzer trat gerade in das Zelt, Herr Vorsitzender Richter!“ Benno sprach jetzt auch normal im Bariton und zwitscherte nicht mehr wie ein Transsexueller.

„War Ihnen eine Verhaltensänderung an Frau Kreuzer aufgefallen, was darauf schließen ließ, dass Sie nicht nur auf der Toilette und an einem Getränkestand war?“

„Einspruch, Herr Vorsitzender! Das ist eine Suggestiv-Frage, ich ersuche darum, die Fragestellung anders zu formulieren!“

Richter Körner schielte über den Rand der Brillengläser zum Tisch vom Staatsanwalt. Von diesem Eiermaler hatte er ja seit einer Stunde nichts gehört – um so größer die Verblüffung, die sich auf seinem Gesicht abzeichnete.

„Stattgegeben! Ich frage anders, Herr Brückner: Stellten Sie an Frau Kreuzer eine Verhaltensänderung fest, verglichen mit ihrem Auftreten gegen 15:30 Uhr?“

„Wenn Sie so direkt fragen, Herr Vorsitzender Richter, ja, ich stellte eine Veränderung fest. Frau Kreuzer wirkte blass, etwas fahrig, hatte es eilig, ihren Begleiter wieder in Empfang und in den Arm zu nehmen. Ich sah auch Feuchtigkeit in ihren Augen, aber sie unterdrückte das Weinen. Ich nahm sie in den Arm, konnte mir ihre emotionale Erregung nicht erklären.“

„Vielen Dank, Herr Brückner! Noch Fragen an den Zeugen – Herr Staatsanwalt, Herr Rechtsbeistand? Kein Kreuzverhör? Dann sind Sie aus dem Zeugenstand entlassen, Herr Brückner und können im Saal Platz nehmen. Fahrtkosten können heute bis 16:00 Uhr an der Gerichtskasse geltend gemacht werden“, sagte Richter Körner.

wird fortgesetzt ...
********mann Mann
910 Beiträge
Themenersteller 
Die Wasserburg
Zur allgemeinen Verblüffung im Saal rief der Vorsitzende Richter nicht die Angeklagte zurück in den Zeugenstand sondern Lena Berger – Chefin und Erbin der Wasserburg.
Nach dem üblichen Prozedere sollte sie die Ereignisse vom 22. August aus ihrer Sicht schildern – mit besonderem Augenmerk auf den Zeitraum von 15:00 bis 17:00 Uhr.

„Ich war genau wie Herr Kurt Friedrichs mit der Organisation und Durchführung des Events beschäftigt. Nach der Eröffnung ließ sich Walter – also Herr von Beckstein – nicht mehr blicken und Herr Friedrichs bat mich, ihn in seinem Büro aufzusuchen. Ich trat gegen 15:00 Uhr in das Büro und Walter von Beckstein betrachtete das Treiben auf dem Burghof und davor bis hin zum Badeteich auf drei Bildschirmen. Es gab ja überall Überwachungs-Kameras, eine war sogar in einem Baum an der Badestelle versteckt, aber das wussten nur Eingeweihte. Ich bat Walter darum, dass er sich mal wieder unter die Gäste mische, er sei schließlich Veranstalter, auch wenn er die Organisation an Kurt Friedrichs delegiert hatte.“

Lena Berger wirkte blass, mit roten Flecken im Gesicht. Man schob es darauf, dass sie bei ihrer Aussage wieder an den Tod ihres Verlobten erinnert wurde.

„Halten wir also fest, dass das spätere Opfer um 15:00 Uhr noch sehr lebendig war, aber die Einladung, sein Büro zu verlassen ausschlug? Ist das richtig, Frau Berger?“

Richter Körner versuchte, die Zeugin mit Samthandschuhen anzufassen. Was war im Vorfeld nicht alles geschrieben worden …
Lena Berger habe es auf das Erbe abgesehen, sie hatte das stärkste Motiv, den Burgherrn ins Jenseits zu befördern.

Umso größer die Verblüffung bei der Klatschpresse, dass zunächst Sandra Langner und dann Jenny Kreuzer verhaftet worden waren.

„Ja, das ist richtig, Herr Vorsitzender Richter!“ Lena sprach mit stockender Stimme, knetete unentwegt ihre Finger.

Für Linda Behrends, die etwa zehn Meter weg saß, ein interessantes Studienobjekt.
Wenn sie nicht genau wüsste, die wäre unschuldig, hätte man Lena Berger auch für die Täterin halten können.

Vielleicht verschwieg sie etwas, hatte etwas gesehen – oder hatte gar Walter von Beckstein noch gelebt und sie abgewartet, bis er tot war und dann erst Alarm ausgelöst? Linda Behrends glaubte nicht wirklich daran – aber das würde die weitere Vernehmung ergeben.

„Warum sind Sie dann etwa eine Stunde später nochmal ins Büro gegangen, obwohl Herr von Beckstein die Einladung, auf den Burghof zu kommen, abgeschlagen hatte?“

Im Gerichtssaal war es mucksmäuschenstill, es war nicht einmal ein Hüsteln zu vernehmen.

Allen war klar, jetzt kam man endlich am zweiten Verhandlungstag zum Tathergang.

„Es ging um ein organisatorisches Detail, so genau weiß ich es nicht mehr, Herr Vorsitzender, wahrscheinlich um die Teilnahme an der Abschlussveranstaltung mit Feuerwerk … Im Gang, der zu unseren Büroräumen führt, sah ich im Halbdunkel eine Gestalt davon huschen, eine schmale Silhouette, was eher auf eine Frau, als einen Mann hindeutete … “

Alle hielten die Luft an, außer Richter Körner, der sich sogar leicht von seinem Stuhl erhob.

„Frau Berger! Dieses Detail habe ich in keinem Vernehmungsprotokoll gelesen, welche die Kriminalpolizei der Staatsanwaltschaft übergeben hat! Warum rücken Sie erst jetzt damit heraus?“

„Ich … ich habe es nicht für bedeutsam gehalten. Konnte ja ein weiblicher Gast sein, der sich auf der Suche nach den Toiletten verlaufen hatte! Wie gesagt, ich habe dem keine Bedeutung beigemessen. Ich fand dann Walter vornübergebeugt vor seinen Monitoren, den Rücken voller Blut, habe aufgeschrien und mir die Hand vor den Mund gehalten!“

Lena war blass, hatte Schweißperlen auf der Stirn, die Vernehmung im Zeugenstand nahm sie sichtlich mit.

„Trinken Sie einen Schluck Wasser, Frau Berger! Geht es wieder? Möchten Sie sich setzen?“, fragte der Richter besorgt.
„Was geschah dann weiter, Frau Berger?“

Lena hatte das Angebot angenommen und sich vor dem Zeugentisch hingesetzt.

Ihre rechte Hand zitterte, als sie das Wasserglas zum Mund führen wollte und sie nahm die linke zu Hilfe.

„Ich sah zunächst nur Blut, eine Stichwunde im Rücken. Ich nahm die schlaffe linke Hand von Walter und fühlte den Puls – nichts. Ich ging in die Hocke, um ihm ins Gesicht sehen zu können – die Augen starr, kein Atem …Ich musste mich abstützen, sonst wäre ich in Ohnmacht gefallen … Nach zwei, drei Minuten kam ich wieder zu mir, rannte nach draußen, suchte nach Herrn Friedrichs, dem Geschäftsführer. Ich weiß, ich hätte Rettungswagen und Polizei mittels Handy rufen müssen – dazu war ich nicht in der Lage! Kurt – also Herr Friedrichs – war nicht auf dem Burghof. Die Männer von der Feuerwehr – sie sagten mir, über die Zugbrücke zu den Zelten … Einmal musste ich noch fragen, dann fand ich das Zelt mit Sandra Langner, den Herren Becker, Friedrichs und John!“

Lena war völlig erschöpft, aber eines musste der Vorsitzende Richter noch wissen:

„Haben Sie unterwegs auf die Uhr gesehen? Können Sie uns sagen, wann Sie Walter von Beckstein tot auffanden und wann Sie das Zelt erreichten mit den von Ihnen benannten Personen?“

„Im Vorzimmer des Büros des Chefs hängt eine Uhr an der Wand, die zeigte, wenn ich mich recht erinnere, 16:04 Uhr an. Wann ich das Zelt erreichte, weiß ich nicht mehr, ich habe nicht auf meine Armbanduhr gesehen!“

„Danke, Frau Berger! Noch Fragen an die Zeugin, Herr Staatsanwalt, Herr Rechtsbeistand der Angeklagten?“, fragte Richter Körner in die Runde.

Der Staatsanwalt erhob sich: „Ja, habe ich!“

Der Vorsitzende Richter seufzte auf, das hätte er beinahe erwartet, denn die Zeugin hatte ja etliche Steilvorlagen geliefert.

„Frau Berger! Sie erwähnten die Silhouette einer Frau, die davon huschte. Natürlich wussten sie zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass es sich um die mögliche Täterin handeln könne. Haben Sie irgendein Detail wahr genommen – Haarfarbe, Schmuck, Kleidung?“, fragte der Staatsanwalt lauernd, denn er wusste ja, wie die Angeklagte damals gekleidet war.

wird fortgesetzt ...
Anmelden und mitreden
Du willst mitdiskutieren?
Werde kostenlos Mitglied, um mit anderen über heiße Themen zu diskutieren oder deine eigene Frage zu stellen.