Die Wasserburg
Auf diesem Trip war Linda längst, nur würde niemand auf die Idee kommen, dass ausgerechnet der Jan dies bei ihr auslöste.Um davon abzulenken, fragte Linda irgendwas, obwohl sie das Video schon am Sonntag gesehen hatte.
„Wo waren Sie, Herr Friedrichs, am Samstag gegen 16:00 Uhr?“
„Ich war Veranstalter und Organisator des Events, hatte alle Hände voll zu tun, sprach mit den Feuerwehrleuten und den Pyrotechnikern wegen des Feuerwerks – aber daraus wurde dann leider nichts mehr, es wurde am Sonntag abgebaut, schade drum. Dafür kann ich ein Dutzend Zeugen aufbieten, zufrieden? Haben Sie schon einen Verdacht, Frau Behrends?“
„Lieber Herr Friedrichs! Nicht einmal in den realitätsfernen Krimis im Fernsehen würde ein Kripobeamter den Stand der Ermittlungen preis geben!“, lachte Linda und Kurt stimmte ein.
In Gedanken machte Linda einen Strich durch den Namen – der war es nicht. Welches Motiv sollte er haben?
Dann fiel es Linda wie Schuppen von den Augen!
„Eine letzte Frage! Sie waren und Sie bleiben Geschäftsführer – ist nicht eine junge Frau wie Lena leichter beeinflussbar als ein – verzeihen Sie den Ausdruck – alter, starrsinniger Mann?“
„Das mag sogar sein, Sie haben es ja selbst erlebt. Aber es gilt, was ich vorher gesagt habe: Ich hatte schlichtweg keine Zeit für einen Mord, war nicht im Büro, habe Lena hingeschickt, damit sich Walter als Schirmherr auch nach der Eröffnung mal wieder beim Volk blicken lässt – was aber nicht passierte!“
„Danke, Herr Friedrichs, für heute habe ich genug gesehen und gehört! Ciao!“
Linda lief durch die Gänge, auf den lichtüberfluteten Burghof, wo sie die Sonne blendete, über die Zugbrücke am grüßenden Security-Mann vorbei zum Parkplatz und lehnte sich an das heiße Blech des Peugeot.
Jan war ihr unbemerkt gefolgt, berührte sie an der Schulter, Linda erschrak.
Sie zog ihn in den Schatten und hinter dem Auto ging sie auf die Zehenspitzen und küsste ihn leidenschaftlich.
„Komm‘ bitte mit, Jan, ich brauche dich!“, keuchte sie.
Ihre Stimme klang rau, als hätte sie zu einem Glas Whisky Zigaretten geraucht, was sie nie tat.
Jan schlüpfte in seine neue Rolle als dominanter Mann, was ihm zunehmend Spaß bereitete.
„Nein, Linda! Ich komme, wann es mir passt! Entweder heute Abend, morgen oder zu einem anderen Zeitpunkt! Ich habe noch ein paar Vorkehrungenzu treffen – du darfst gespannt sein, Süße!“
Jan gab ihr einen Klaps auf den Po, dann einen sanften Stoß in die Rippen.
„Fahr‘ los, man sieht sich!“
‚Der Kerl versteht es tatsächlich, die Spannung ins Unermessliche zu treiben!‘, dachte Linda und stieg benommen in ihr Auto …
„Nun, Frau Fallanalytikerin – schon den Fall analysiert?“, grinste der leitende Ermittler Klaus Lorenz sie an.
Linda lächelte nur zurück – in Gedanken teils schon beim Feierabend – und sie wusste inzwischen, wie sie die Macho-Sprüche zu werten hatte.
Die hielten sich für so oberschlau – dabei hatten die Herren Haupt-Kommissare einiges übersehen.
„Es ist noch zu früh, zu sagen, die war es, der nicht, ich habe auch nicht mit allen sprechen können. Aber sag mal, Klaus, haben wir hier Panzerschrank-Knacker?“, fragte sie mit kessem Wimpernaufschlag.
„Nein, Egon Olsen ist leider bereits verstorben“, lachte Klaus – aber Linda verstand den Witz nicht, denn die Olsenbanden-Filme waren nur in Dänemark und der DDR Kino-Knüller gewesen.
„Du meinst das ernst, Linda?“
„Oh, ja, im Büro des Opfers hängt ein Bild und darunter ist ein Tresor. Vielleicht finden wir da etwas, das uns weiter hilft …“
„Und weder Frau Kreuzer, noch Frau Berger oder Herr Friedrichs haben den geöffnet?“
„Nein, dann hätte ich das bei den Befragungen heraus gefunden!“, sagte Linda kühn – in Wirklichkeit hatte sie gar nicht danach gefragt.
„Okay, ich organisiere das! Dazu brauchen wir einen Durchsuchungsbeschluss eines Richters und einen Profi vom LKA! Ich bitte dich, das Ergebnis der heutigen Befragungen aus deiner Sicht schriftlich niederzulegen mit Einschätzung der Glaubwürdigkeit der Zeugen - aber das muss ich dir ja nicht sagen!“
Linda trottete zu ihrem provisorischen Schreibtisch. Die spannendsten Kriminalfälle bestanden zu achtzig Prozent aus Papierkram – was nur in den „Tatort“-Krimis nicht gezeigt wurde.
Gegen 17:00 Uhr war Linda fertig, fragte Klaus, ob ihm die Textdateien reichen würden oder sie es noch ausdrucken solle.
Langsam wurde sie unruhig. Würde Jan heute noch kommen, oder sie zappeln lassen?
Hatte sie ihre Paarungswilligkeit zu deutlich gemacht?
Wollten nicht die Männer zunächst ein „Nein“ hören, weil dies ihren Jagdinstinkt weckte?
„Mir genügen die Textdateien, danke, Linda! Wie ist es denn nun mit einem Feierabenddrink?“
„Sorry, tut mir leid, Jungs, ich habe noch was vor!“ Linda raffte ihre Sachen zusammen und joggte zu ihrem Wagen.
Klaus und Rolf schauten ihr hinterher.
„Man könnte fast meinen, die hat noch ein Date!“, sagte Klaus.
„Vielleicht hat sie das auch, wer weiß …“
Rolf lehnte ebenfalls das Bierchen ab – auf ihn warteten die schönste Frau und das liebste Mädchen der Welt – Sandra und Sofia.
wird fortgesetzt ...