Verschollen in Afrika
„Bis Windhoek schaffen wir es wohl nicht mehr bis Einbruch der Dunkelheit und auf diesen Pisten durch die Nacht, ich weiß nicht …“„Ist doch eine leckere Pad!“, lachte Paseka, merkte aber sofort, dass sein Scherz nicht so ankam, wie erhofft.
„Ayanda, wir haben nur dich! Bitte sag mir, was schief gelaufen ist!“, flehte Sandra.
Ihr wäre es wie allen anderen lieber gewesen, man hätte etwas Konkreteres in der Hand als ein paar vage Hinweise von den Geistern Verstorbener.
Ayanda druckste herum, das Thema war ihr sichtlich unangenehm.
„Ein Dämon ist in meine Urgroßmutter gefahren, ich habe es nicht bemerkt, er sprach mit ihrer Zunge und lockte uns nach Westen, es tut mir leid, vor allem, weil Sebastian in Gefahr ist …“ Sie hatte Tränen in den Augen.
Angelina glaubte nicht an solchen Hokospokus, aber da man nichts Greifbares hatte, musste man mit dem Unfaßbaren vorlieb nehmen.
„Ich habe zwar keine Ahnung davon, aber selbst mir ist klar, dass man nicht so einfach einen Dämon aus dem Geist einer Ur-Oma vertreiben kann, mit einem Exorzismus, wie die Katholische Kirche es nennt. Wie geht es jetzt weiter, Ayanda?“
„Mein Großvater sagt, Hakos-Berge im Osten. Ich sehe einen Tafelberg … Oh, Scheiße, wir brauchen Amulette!“, rief Ayanda aus.
„Jetzt dreht sie völlig durch“, sagte Angelina auf Deutsch und machte eine Scheibenwischer-Bewegung.
„Sie ruft den toten Opa an und wozu brauchen wir eigentlich Amulette?“
Angelina hatte außer Acht gelassen, dass die deutsche Sprache mit dem Niederländischen verwandt ist und daher auch mit Afrikaans.
Die Südafrikaner im Auto verstanden sehr wohl das eine oder andere Wort.
„Amulette gegen Kugeln, Angelina, ich fange gleich damit an!“
Ayanda kramte in ihrem Rucksack, den sie immer dabei hatte.
„In Thailand lassen sich Polizeibeamte Tattoos gegen Kugeln stechen, soll auch schon geholfen haben“, sinnierte Jan.
Im gleichen Augenblick wurden alle nach vorn geschleudert, denn Paseka war in die Eisen gestiegen.
Das Fahrzeug von Mareka hatte sich gedreht und stand jetzt quer zur Piste.
Wenige Zentimeter davor kam Paseka zum Stehen, sprang aus dem Wagen, um nach Mareka zu sehen.
Der war bereits ausgestiegen, weil er einen Reifenschaden vermutete.
Was aber nicht der Fall war.
„Kommt schon mal vor, dass man sich bei diesen Spurrinnen dreht“, griente Paseka.
„Ach, halts Maul, Nku!“, schnauzte Mareka.
Paseka ging mit den Fäusten auf seinen Kumpel los.
„Du sollst mich nicht Nku nennen, du …!“
Angelina und Sandra gingen dazwischen.
„He, Schluss jetzt! Wir sind in dieser Einöde aufeinander angewiesen!“, schrie Sandra.
Mareka ging mit ausgestreckter Hand auf Paseka zu, der zögerlich einschlug.
„Kommt nicht wieder vor, Paseka!“
„Wie jetzt weiter?“, wollte Sandra wissen, die sich wegen ihres Kontaktes zur Mutter von Sebastian als Chefin der Mission fühlte.
„Wir könnten mit Tempo 50 ganz langsam bis Windhoek weiter fahren, oder wir übernachten hier“, sagte Mareka gelassen.
„Hier?“ Sandra wollte es nicht glauben. Steine, Felsen und Berge – mehr gab es hier nicht.
„Wir haben Zelte mit!“, sagte Mareka, jetzt ganz wieder Herr der Situation.
Aber er wusste, er würde mit Sandra sprechen müssen.
Unter dem Schutz einer Felswand in der Nähe eines Passes bauten sie die Zelte auf.
Das Einschlagen der Heringe gestaltete sich etwas schwierig bei dem steinigen Untergrund, aber die drei Männer schafften es.
Es stellte sich auch heraus, dass Mareka ein umsichtiger Organisator war, der in seinem Kofferraum nebst Werkzeugen auch Schaumstoff-Unterlagen und Schlafsäcke dabei hatte.
Letzteres war besonders wichtig, denn in diesem Wüstenklima purzelten die Temperaturen nach Sonnenuntergang rasant nach unten und näherten sich denen im deutschen Spätherbst.
Natürlich ging es nicht, dass fünf Personen in einem Zelt nächtigten und Mareka allein im anderen.
Er legte den Arm um Sandras Schultern, die immer noch brannten.
Sie war geneigt, die Hand abzuschütteln, gestattete dann aber doch die Berührung.
„Es tut mir leid Sandra, ich bin zu weit gegangen, dachte, es würde dich anmachen!“
Sandra umarmte den Afrikaner. „Entschuldigung angenommen! Zu BDSM gehört viel Vertrauen, das sich erst aufbauen muss. Das war schon heftig – nicht auszudenken, wenn euch etwas passiert wäre und ich da in der Nacht allein …“
Sie setzten sich auf einen Felsen und blickten hinauf zu einem Himmel voller Sterne.
„Man sieht hier tausende Sterne mehr als über dem Himmel meiner Heimat“, staunte Sandra.
Mareka griff nach einem Flachmann, schraubte den Verschluss ab, rieb mit der Hand darüber und reichte die Flasche weiter.
Sandra nahm einen kleinen Schluck und schüttelte sich.
„Puh, das ist ja Whisky pur!“, schnaubte sie.
„Das beste Desinfektionsmittel … Zu deiner Frage: Keine Industrie, kaum Luftverschmutzung, klare Sicht … Hast du es gefunden, Sandra?“
wird fortgesetzt ...