Die Wasserburg
Das Bad war im großen hölzernen Zuber eingelassen. Alles war bereit. Markgraf Bodo scheuchte die beiden Mägde hinaus, obwohl die ihn bei anderer Gelegenheit auch schon ohne Kleider gesehen hatten.
Er überlegte, ob er gleich aus den Sachen steigen sollte, entschied dann aber, zunächst abzuwarten, was für ein Weib man ihm zuführen würde.
Es klopfte und Bodo knurrte „Lasst sie ein!“
Durch den Türspalt huschte ein Mädchen, nur noch mit einem Leinenhemd bekleidet.
Das Kleid mit den gelben Bändern, das sie als Hübschlerin kennzeichnete, hatte sie im Vorraum abgelegt.
Der Markgraf musterte sie unverhohlen von oben bis unten und entblößte zwei Reihen weißer Zähne.
Ihm gefiel, was er da sah: Langes, braunes welliges Haar mit einem goldenen Schimmer, das weit über den Rücken fiel, zwei blitzende blaue Augen, die ihn unterwürfig, aber nicht furchtsam anblickten und eine weibliche Figur mit Rundungen an den richtigen Stellen – nicht üppig, aber auch nicht zu mager.
„Komm‘ näher, Weib, oder willst du da Wurzeln schlagen?“ grinste Bodo. „Wie ist dein Name, Weib?“
„Anne, Herr!“ Sie deutete sogar einen Knicks an, wie es sich angesichts des jungen Markgrafen auch gehörte.
Sie stürzte plötzlich nach vorn, hatte wie durch Zauberei ein Stilett in den Händen und wollte es ohne Zweifel Bodo ins Herz bohren!
Die Mägde hatten etwas Wasser verschüttet, so dass sie in der Pfütze weg rutschte und beinahe zu Fall kam.
Zeit genug für den Markgrafen, sich auf dieses Attentat einzustellen.
Die Frau, die sich Anne nannte, richtete sich auf, schleuderte das Messer in Richtung ihres Opfers, schickte einen Fluch hinterher.
Bodo duckte sich und das Stilett blieb zitternd im schweren hölzernen Türblatt stecken.
Er hätte jetzt sofort die Wache rufen können, glaubte aber, mit so einem durchtriebenen Weibsstück allein fertig zu werden.
Zumal diese jetzt unbewaffnet war.
Unversehens stand er hinter ihr, drehte die Arme auf den Rücken und presste die Ellenbogen schmerzhaft zusammen.
„Schade, das Bad im Zuber und das Vergnügen im Bett müssen warten!“ zischte er der Attentäterin ins Ohr, die vor Schmerz aufstöhnte.
Markgraf Bodo musste den Griff etwas lockern, um die Tür aufzustoßen.
Die Frau, die sich Anne nannte, wollte sich entwinden, aber die Wache kam zu Hilfe.
Gemeinsam fesselten sie die Handgelenke auf dem Rücken.
„Eine Fackel, Knecht! Leuchtet mir den Weg hinunter zum Kerker!“
„Ja, Herr!“ beeilte sich der Wachmann zu sagen.
Der junge Herr war wie das Wetter – mal wie ein Kamerad, der einen ausgab, dann wieder zynisch und ungerecht.
Noch vor acht Tagen hatte hier Markgraf Otto geherrscht, aber den hatte der Schlag getroffen – mitten in einem Gelage.
Die Attentäterin wurde eine steile Wendeltreppe nach unten gestoßen und sie musste ahnen, dass man sie zur Fragkammer bringen würde.
Sie war blass und hatte Schweißperlen auf der Stirn. Markgraf Bodo registrierte es mit boshafter Freude.
Mit der würde er heute noch seinen Spass haben – so oder so…
In diesem finsteren Reich unterhalb des Turmes der Wasserburg, die noch nie von feindlichen Truppen eingenommen worden war und daher auch Herrschersitz der Markgrafen war, geschah nichts ohne das Wissen des alten Gerhard, des Kerkermeisters.
Bodo war dem eigentlich keine Rechenschaft schuldig, aber dieser Mann hatte schon seinem Großvater und Vater gedient, zunächst im Felde, seit vielen Jahren hier unten.
„Wurde mir als Hübschlerin zugeführt, warf dann ein Messer auf mich!“ knurrte Bodo.
„Soll ich den Scharfrichter rufen lassen, Herr?“ fragte der alte Gerhard.
Der Scharfrichter war nicht nur für Hinrichtungen zuständig, sondern auch für hochnotpeinliche Befragungen, übte meist noch andere Ämter aus, wie die Aufsicht über die Bordelle.
„Nein, den brauchen wir nicht, das mache ich selbst – aber du kannst mir assistieren, Gerhard!“ wurde dem alten Kerkermeister beschieden, der sich verwundert die Augen rieb. Neuer Herrscher – neue Sitten…
Markgraf Bodo hatte dabei auch im Sinn, dass sich so ein alter Mann nicht vom Anblick eines jungen straffen Frauenkörpers ablenken ließ.
Für Gerhard galt sicherlich, dass jeder, der hier unten ankam, ob schuldig oder nicht, sein Leben verwirkt habe.
Anne hatte immer noch das Leinenhemd an, aber bedingt durch die Wasserflecken klebte es an einigen Stellen an ihrem Körper.
„Zieh das Hemd aus, nichtsnutzige Dirne!“ wurde sie angeherrscht.
Die Delinquentin streckte die Arme nach oben und streifte das Leinenhemd langsam über Kopf.
„Geht’s auch ein bisschen schneller? Soll ich nachhelfen?“ bellte Bodo, so dass es in diesem unterirdischen Raum von den Wänden schallte.
Sie legte nun etwas schneller das frei, was der junge Herr viel lieber im Bett gehabt hätte.
Vielleicht ließ sich das ja noch nachholen, wenn man hier schnell fertig wurde.
Gerhard wollte die nun wieder gefesselten Handgelenke in einen Seilzug einhängen, der über eine Rolle, die in die Decke eingelassen war, führte, aber Bodo schüttelte den Kopf.
wird fortgesetzt...