...und das Schicksal nimmt seinen Lauf...
Am nördlichen Ende bezog Funke Gerd, der die Zufahrt noch immer mit seinem LKW blockierte, mehrfach fast Prügel von den Schaulustigen, die aus Richtung Thaleischweiler angereist kamen. Mangels Parkgelegenheiten mussten Sie teilweise drei Kilometer bergan laufen und luden sich mit jedem Schritt ein paar Prozent mehr Ärger und Wut auf. Um die Aufstellung des Zuges vor dem Hermersberger Eck nicht zu behindern, leitete Gerd die Menschenmassen gleich über die Buchenwaldstraße um, weswegen vor Kurts Etablissement zwar keine gähnende Leere herrschte, der Kundenandrang aber recht übersichtlich blieb.
Der Zug nahm derweil Gestalt an. Die Rodalbtaler Blasmusik hatte die Spitze übernommen und bereits die Instrumente ausgepackt. Anke teilte sich mit Eva Bickelmann die beiden Seitensitze des Traktors, als dessen Fahrer mit stolzgeschwellter Brust unser Herbert amtierte. Zur Mitfahrt auf dem altersschwachen Anhänger hatte sich kein Freiwilliger gefunden. Die hübsche Dekoration machte diesen Umstand jedoch mehr als wett.
Es folgte, der katholische Junggesellenverein mit Fahne, unmittelbar danach die Marinekameradschaft Dellfeld. Die Burschenschaft Palatinia, bestehend aus zwei Chargierten, und einigen Füchsen – die Erstgenannten selbstverständlich in vollem Wix, bildete einen prächtigen Kontrast zur Kostümierung der übrigen Fußtruppen. Dieser Haufen war von einem ortsansässigen „Alten Herren“ mit dem Versprechen auf jede Menge Freibier hergelockt worden.
Bewaffnet war der Trupp mit einem Bollerwägelchen, bestückt mit einem 30 Liter-Fässchen Bier, dessen halbes Fassungsvermögen bereits durch durstige Studentenkehlen gegurgelt und der Welt damit solange entzogen war, bis es in natürlichem Lauf der Dinge als munterer Quell an einem Kirschlorbeerbusch eines Höhfröschener Vorgartens wieder hervortreten würde.
Der Landfrauenverein bildete einen Pulk, in dem, - wie gewöhnlich - Oma Otti das große Wort führte. Die Weiber waren sämtliche als Hexen verkleidet und führten unter ihren Lumpen jede Menge alkoholische Getränke mit. Gleich darauf folgte der Pfarrer mit den Ministranten und Kommunionkindern. Schleicher schwitzte trotz des kühlen Wetters bereits stark. Sein hochroter Kopf verriet körperliches Ungemach, welches Anke von ihrem Traktorhochsitz aus wohlgefällig zur Kenntnis nahm. Kleinschmidde Gretel hielt ihm die Weinflasche hin, die sie bereits zu zwei Dritteln ausgesüffelt hatte:
„Do Herr Parre, dringe se mol en Schluck. Des wird noch e heißer Daach heit.“ Der Pfarrer nahm die Flasche dankbar an und tat einen herzhaften Zug, der das brennende Gefühl in seiner Kehle zwar dämpfte, die Transpiration seines luftdicht verpackten Köpers aber noch anheizte. Dazu hinderte ihn der Keuschheitsgürtel beim laufen und begann bereits eine zarte Hautstelle zwischen des braven Kirchenmannes Beinen wund zu scheuern.
„Ich danke dir Herr, für jeden Tag der Lust und Fröhlichkeit, den du werden lässt in deiner barmherzigen Güte“, murmelte Schleicher das stille Gebet eines in jeder Hinsicht gehorsamen Dieners und widmete den tapferen Streitern des „Opus Dei“ eine Sekunde stillen Gedenkens.
Den Schluss des Zuges bildete eine Sammelsurium der übrigen Vereine unter diversen Feldzeichen und Flaggen, eine Abordnung des Spielmannszuges der freiwilligen Feuerwehr Hinterweidenthal, bestehend aus acht Flöten und vier Trommeln, sowie der historische Unimog des Bauernvereins, der als Besenwagen fungieren sollte.
Jedermann war gut mit alkoholischen Getränken versorgt.