Oh Gott, Herr Pfarrer...
Die Abschlepparbeiten am Traktor zogen sich. Der närrische Lindwurm stand noch immer zur Hälfte in der Hauptstraße. Der Rest war bereits abgebogen und man wartete und tauschte gebrüllte Botschaften mit den Zuschauern aus. Die Rodalbtaler Blasmusik spielte unentwegt und trug zu der beträchtlichen Geräuschkulisse das ihre bei.
Pfarrer Schleicher, der sich schon seit Stunden äußerst unwohl fühlte, kam die Verzögerung sauer an. Er schwitzte wie der heilige Christophorus, als er das immer schwerer werdende Kind über den Fluss schleppen musste. Plötzlich sah er Sterne und schnappte nach Luft. Er riss seinem Begleitministranten den Weihwasserkübel samt Sprengel aus der Hand, kippte sich mit letzter Kraft den Inhalt über den Kopf und fiel, im wahrsten Sinne des Wortes wie ein nasser Sack, in Ohnmacht.
Die Landfrauen erbleichten unter ihren Hexenmasken und schrien auf. „De Parre! De Parre! Hülfe! Mir brauche Hülfe!“
„Ich glaab der stärbt“, stellte die Oberhexe Kleinschmidde Gredel sachlich fest, während sie die drallen Arme in die umfangreichen Hüften stemmte.
„Eijoh?“
„Eijoh! Bei meim Schwiervadder waas domols genauso, nur ohne Weihwassa. So wies aussieht zabbelt er noch e bissel, awwer long kanns nimmi dauere“, mischte sich die Oma mitleidlos ein.
„Ei wer gäbdn däm aame Monn jäz die lätschd Eelung? Das kann a jo ned gud selwert mache, odder?“, Funke Berta kratzte sich am Kopf und nahm einen herzhaften Schluck aus der Weinflasche. „Wer hädn das gedenkt, dass der Monn in Sünde sterwe muss und ne emol meh beichde kann?“
Kleinschmidde Gredel raffte sich auf. Der Sinn fürs Praktische, der jeder guten Pfälzer Landfrau innewohnt, setzte sich durch.
„Ei kummen, mir kennen jo emol gugge was er hot un ob noch was ze redde isch. Merr mache ihm emol de Kiddel uff, dassa Luft kriet.“
„Jo mache emol schnell“, tönte Oma Otti, „ich hätt jo aach gäre emol gewusst, ob die Geischlische genauso fill Hoor uff da Bruscht hän, wie normale Männer.“
„Das hämir glei“, antwortete Gretel „do wärd halt emol geguggt!“
Unter diesen Worten machten sich vier oder fünf der Damen über den am Boden liegenden Pfarrer her. Schleicher kam kurz zu sich und blickte direkt in eine Handvoll teuflisch grässlicher Hexenfratzen. Daraus schloss er, der Herr habe ihn heimgerufen und in der Hölle oder vielleicht auch im Fegefeuer geparkt, wo er zur Strafe für seine Fleischeslust nun von den Dienerinnen der Unterwelt gemartert würde. Diese Erkenntnis warf ihn schleunigst zurück in die Bewusstlosigkeit.
Indessen hatte Kleinschmidde Gredel ihm das Chorhemd über den Kopf ausgezogen.
„Was e Glick, dass jedes von uns e baar Kinna groß gezoo hät.“ Funke Berta blickte stolz in die Runde.
„Desweeche wisse mir sogaa, wie ma e Parre auszieht“, fiel die Oma in der üblichen Lautstärke ein. Sie begann schon einmal, den Talar aufzuknöpfen.
„Jäz hän ich awwer kää Worrde meh!“, röhrte sie in höchstem Staunen „der Kerl hat jo unnedrunner e Tauchaanzuch aan…!“
„Eijoh?“, wunderten sich die umstehenden Damen. „Wozu braucht der dann e Tauchaanzuch?“
Es räänt doch ga ned“, wunderte sich Oma Otti und Gretel ergänzte „Un in die Schwazbach falle kann er a ned. Die isch jo ganz woannaschda. Das do isch jäz awwer emol komisch.“
Die aufsichtlosen Kommunionkinder und Ministranten machten sich derweil nützlich und gaben wichtige Informationen nach hinten durch:
„De Parre hat e Tauchaanzuch aan. Wahrscheins wolder dodemit heit owend noch uff de Masgeball un dassa uffem Häämwääch ned in die Schwazbach fallt, hädder schunemol de Tauchaanzuch um.“
„Eijoh? Fallt ma do ned in die Bach, wemma besuff isch un so e Aanziechelche aanhat?“, fragte eines der Mädchen naseweis.
„Doch“, gab einer der Jungen ebenso altklug zurück „schun, awwa mer wärd beim vasaufe ned so nass.“ Und ein dritter tönte:
„Mei Oba häd gesaad, die Wassaleiche däde ga ned schee aussiehe. Er hädd schunemol e Wassaleich geangelt wie er sellemols in da Blies wollt e Hecht fange.“
„Eijoh? Hadder ne gefang denne Hecht?“
„Nä. Nur die Wassaleich. Do hän se an dem Owend nix ze esse gehat.“
„Gäb mer mo äns e Messa odda was spitzes, dass ich e Loch in denne Aanzuch mache kann. Der aam Kerl kriet jo ga kää Luft!“, verlangte Gretel mit der befehlsgewohnten Stimme eines Gendarmeriefeldwebels.
Man reichte ihr ein Küchenmesser, das eine der Damen in ihrem Korb mitführte. (Ma wääs jo nie, wie ma so ebbes emol brauche kann.) Gretel beugte sich in ihrer Hexenmaske, assistiert von der ebenso gruselig kostümierten Oma, die Schleicher beim Kragen gepackt hielt, erneut über den Diener Gottes und fuchtelte ihm mit dem Messer vor der Nase herum. Dann setzte sie herzhaft an und begann gerade den Anzug in Brusthöhe aufzuschlitzen, als Schleicher noch einmal kurz zu sich kam. Mit einem erstickten Schrei brach er in Tränen aus und flehte:
„Oh Herr, rette Deinen gefallenen Diener aus den Klauen des Höllenfürsten…“, bevor ihm erneut schwarz vor Augen wurde.
Gretel schnitt routiniert in einer schwungvollen Bewegung die Gummihaut vom Halse bis zum Schritt auf. „Was e Glick, dass mir frieher immer selwat geschlacht hän“, rief sie fröhlich, „do wääs ma doch wenischdens was mer in so äme Fall mache muss.“
Der vor ihr liegende Körper dampfte vor Nässe und Gretel zerrte und riss instinktiv an dem stinkenden Latexanzug, bis sie beim hantieren an den Keuschheitsgürtel geriet. Sie brach in ein dermaßen dröhnendes Gelächter aus, dass die neugierigen Kommunionkinder, die den ersten Kreis der Gaffer bildeten, einige Schritte zurückwichen.
„Ihr Määde guggen emol“, orgelte sie glucksend „das do misse ihr gesiehn hän. Hot das ääns vun eich gewusst dass denne Parre ihr Ding muss ingesperrt wääre?“
„Eijoh?“, ungläubiges Staunen rundum „Wasn fier e Ding?“
„Ei do, das Ding, wääsch doch, zwische da Bää.“
„Achso das? Eijoh? Das wunnat mich ned. Wenn das ingesperrt isch, do kennen se kään Unfuch demit mache. Das isch beschdimmd weeche der Keuschhääd vum Papschd un vum Bischof so vorgeschrieb.“
„Un wer hot do de Schlissel devon?“
„Ei beschdimmd die Nonne im Kloschda. Die wäre jo schunsch als emol die Leidtraachende.“
„Eijoh?“
„Eijoh! Do bin isch ganz sischa.“
„Un was isch mit denne Nonne? Misse die ned ingesperrt wääre?“
„Eiwohär dann. Mir Weibsleit sin jo doch froh wemma unser Ruh hän.“
„Un was isch mit denne Parre wo Kinna hän?“, fragte jemand neugierig.
„Das war dann de heilische Geischd, das kenne ma jo schun.“
„Däm Parre sei Kränche isch ingesperrt“, gab eines der Kinder vorwitzig nach hinten weiter. „Das isch dodefier dass er kään Keuchhuste kriet und die Nonne sich ned aanstegge.“
Zwei Sanitäter drängten sich durch die Menge und kümmerten sich um Schleicher. Die Damen öffneten auf den Schreck ein paar Fläschlein Wein und stärkten sich erst einmal. Nun hatte man wieder Gesprächsstoff für die nächsten Wochen. Ach was. Für Jahre.
„Geh spring emol do vorne bei die Feierwehr un loss da e Blechschär gäwwe“, wies der Obersanitäter, dem nichts Menschliches fremd war, seinen Gehilfen an. Dieser zögerte nicht, und war in Nullkommanix mit dem gewünschten Gegenstand wieder zurück.
Der kindliche Berichterstatter kommentierte nach hinten:
„Ich glaab de Parre wärd kaschdrierd. Diesälb Schäär hat mei Oba aach als, waana denne klääne Ferkel die Eiercha und es Schwänzel abschneide duud.“