Navarre (1)
„Rothaarige Hexe..!“
Wütend verliess Navarre das Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu. Es schien, dass sein Plan, Anora einzuwickeln, fehlschlug. Die Frau war völlig immun in Bezug auf seine Ausstrahlung, und er hatte nicht im mindesten Lust, die nächsten 50 Jahre ihren Laufburschen zu spielen. Sicher, es hätte schlimmer kommen können, Ivana war nicht nachtragend gewesen, was seine Strafe anging. Trotzdem, das war nicht hinzunehmen!
Navarre stürmte durch den Flur und wollte nach draußen, um sich eine Zeitlang abzusetzen. Sollten Sie doch versuchen ihn zu finden. Der Zusammenstoß erwischte ihn so unvermittelt, dass er fast gefallen wäre. Sich gerade noch fangend, blickte er ärgerlich auf und setzte an, der Person ein paar Takte zu sagen.
„Déjà vue“ -
Es traf ihn wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Unverwandt starrte er die zierliche Frau vor ihm an, wie einen Geist aus einem längst vergangenen Leben.
„Dona Lucia ...“ Es war eher ein heiseres Wispern - kaum hörbar.
~
Diego Rodríguez lehnte sich im Sattel zurück und ließ seinen Blick über die Plaza de Castillo schweifen. Hier würden also die Stierkämpfe stattfinden. Kaum vorstellbar, bei dem bunten Treiben und den vielen Menschen, die sich hier tummelten. Die Neugier auf den berühmten Pedro Romero Martínez, der sonst im weit entfernten Sevilla auftrat, hatte ihn hierher nach Pamplona geführt. Der Mann war schon in jungen Jahren zu einer Legende geworden und stammte aus einer Torero-Dynastie.
Diego selber, hatte keinerlei Ambitionen zu dieser Art Kampf. Er kämpfte lieber gegen seinesgleichen. Trotzdem war er gespannt auf den Mann, dessen Name in aller Munde war und den sich die Frauen, in Yesa, seinem Geburtsort, heimlich zuflüsterten.
Ein fröhliches Frauenlachen, holte ihn aus seinen Gedanken, und er blickte sich suchend um. Nicht weit entfernt flanierte eine Dame, in Begleitung eines Mannes, die Straße entlang. Eine Erscheinung, die vor allem dem Mann an ihrer Seite neidische Blicke bescherte.
Diego war hierbei keine Ausnahme. Er musterte das sicher kostspielige Kleid samt passender Kopfbedeckung.
Die rotbraunen Haare waren wohl nur mühsam in einem sittsamen Knoten gebändigt worden, denn ein paar Locken hatten sich wieder aus dem Haarnetz gelöst.
Sie benutzte ihren Fächer sehr geschickt, fast schon kokett, während sie sich unterhielt und gleichzeitig ihr Umfeld betrachtete.
Ihr Blick traf seinen, und er fühlte sich ertappt, konnte sich aber nicht abwenden.
Ihre Augen waren blau und erinnerten ihn an die Farbe des Aragón an seinen tiefsten Stellen.
Ihm wurde sein unhöfliches Starren bewusst, und so deutete er schnell eine Verbeugung an, die von ihr mit einem Lächeln quittiert wurde. Sie tuschelte kurz mit ihrem Begleiter, der ihm daraufhin einen abschätzenden Blick zuwarf.
„Madre de Dios!“ jetzt kamen sie direkt auf ihn zu. Diego beeilte sich vom Pferd zu kommen, um formell zu grüßen. Der Mann stellte sich als „Don Miguel“ und seine Schwester „Dona Lucia Lopez de Ruiz“, Gattin des „Juan Ruiz Vicaro“, vor.
Mit einem Grummeln in der Magenregion registrierte Diego, dass diese „Madonna“ vergeben war.
Dabei sprachen doch ihre verstohlenen Blicke, während der höflichen Konversation, eine andere Sprache. Er versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr er sich in Gefühle für sie verstrickte. Es schien ihm, dass es ihr ähnlich ging, aber er bemerkte auch eine Traurigkeit, ja sogar Verzweiflung, die sie zu verbergen suchte.
Es war seine erste Begegnung mit Dona Lucia gewesen. Hätte er damals auch nur den Hauch einer Ahnung gehabt, was daraus entstehen sollte, wäre er vor dem Schicksal geflüchtet und hätte nie einen Fuß in die Stadt gesetzt.
Da die Festlichkeiten rund um die Stierkämpfe erst in ein paar Tagen stattfinden sollten, machte Diego sich auf die Suche nach einer Unterkunft. Nicht so einfach bei den vielen Besuchern dieser Tage, aber schließlich gelang es ihm, eine Kammer in der kleinen Taverne „La Perla“ zu bekommen. Sein Pferd gab er in die Obhut eines Burschen, der es etwas außerhalb in einem Stall unterbrachte.
Ausgeruht und mit einem kleinen Imbiss gestärkt, machte Diego sich am nächsten Morgen zu Fuß auf den Weg, um eine Kerze anzünden. Es war so etwas wie ein Ritual, das er sich nach einer guten Reise angewöhnt hatte.
Die Pfarrkirche San Nicolás liegt im Zentrum der Altstadt, zwischen der Plaza de San Nicolás und der Calle San Miguel, hatte der Wirt ihm Auskunft gegeben.
Die dicken Mauern und der Wehrturm dieser Kirche beeindruckten Diego.
Kein Wunder - der Wirt hatte ihm erklärt, dass San Nicolas ursprünglich die Wehrkirche von Pamplona gewesen sei und im Jahr 1222 nach einem feindlichen Angriff abgebrannt war. Der Wiederaufbau hatte neun Jahre gedauert.
Diego sah nur wenige Menschen im Inneren, als er der heilige Stätte durchquerte. Er entzündete eine Kerze und warf eine kleine Münze in das vorgesehene Behältnis, dann setzte er sich, um einen Moment zu verweilen und die Stille des Ortes zu genießen.
Das leise Rascheln eines Kleides ließ ihn kurz darauf aufblicken. Eine schwarz gekleidete, verschleierte Frau ging so nah an ihm vorbei, dass er ihr dezentes Parfüm wahrnahm. Sie ließ einen kleinen Zettel fallen, der auf seinem Schoß landete. Neugierig entfaltete Diego das Papier.
"Heute, beim Angelus-Läuten vor dem Eingang" Lucia
Irritiert, aber freudig überrascht starrte Diego auf die Nachricht. Natürlich war er begierig darauf diese Frau zu treffen, die ihn im ersten Augenblick verzaubert hatte, aber sie war verheiratet, und das bereitete ihm Kopfschmerzen.
Wie hatte sie ihn hier bloß gefunden? Grübelnd blieb er noch einen Moment sitzen, bevor er die Kirche verließ.
Im Hinausgehen, bestaunte er die große, prächtige Orgel im Chor. Der Wirt hatte ihm stolz davon berichtet, auch, dass diese erst vor kurzem aufgestellt worden sei.
Es war noch viel Zeit bis zum Abend. Diego beschloss, nach seinem Pferd zu sehen und etwas auszureiten. Er wollte einen Blick auf die Stiere werfen,
die bis zum Start der Feierlichkeiten um „San Fermin“, in Corrals außerhalb der Stadt gehalten wurden.
Er bemerkte einen Jungen, der nah der Kirche herumlungerte und versprach ihm eine kleine Münze, wenn er ihm den kürzesten Weg zum Stall zeigte.
Es war nicht weit und der ausgedehnte Ausritt, sowie die Besichtigung der Stiere, hatten Diego gutgetan. Es hatte ihm geholfen seine Gedanken zu sortieren und die aufkommende Spannung in den Griff zu bekommen. Lucia ging ihm nicht mehr aus dem Sinn und er konnte es kaum erwarten sie alleine zu sehen.
Nachdem er sein Pferd zurück gebracht und sich in der Taverne erfrischt hatte, machte er sich mit frischer Kleidung wieder auf den Weg. Lange brauchte er nicht zu warten, Dona Lucia war pünktlich. Sie trug das gleiche Kleid wie am Morgen, ebenso den Spitzenschleier, der ihre feinen Züge verbarg.
Wie selbstverständlich hakte sie sich bei Diego ein und dirigierte ihn ganz unauffällig fort vom Eingang, vorbei an den Säulen, in eine schmale Seitengasse.
Ihm fiel der Junge auf, der ihm am Morgen den Weg zum Stall gezeigt hatte. Es war scheinbar ein guter Platz um kleine "Arbeiten" zu finden.
Er vergaß den Gedanken gleich wieder, da Lucia ihn in einen Hauseingang zog, einen Schlüssel hervorzog und die Tür öffnete.
Kaum waren sie drinnen lupfte sie ihren Schleier und sah ihn auf eine Weise an, die seinen Blutfluss beschleunigte.
"Wir haben nicht viel Zeit und ich brauche dringend Hilfe!"
@******s23
Teil 2 folgt baldmöglichst.