Ich habe versucht, die Diskussion über das was Roboter heute bereits leisten, wo Maschinen heute schon Entscheidungen fällen per PM zu lösen. Leider hat die Person wohl aus Angst, dass sie feststellen könnte, dass ihr Weltbild etwas zerstört wird mich direkt nach ihrer Frage geblockt. Ihr gutes Recht. Für alle anderen möchte ich so ein paar Dinge zurechtrücken. Und auch, wenn ich diese Diskussion für die Moraldiskussion elementar halte scheint dies das Joy-Team ja anders zu sehen. Aber auch auf den moralischen Aspekt gehe ich am Ende nochmal ein.
Einleitend sollten wir uns klar machen was denn Entscheidungen sind. Das ist wichtig, damit nicht über unterschiedliche Dinge gesprochen wird. In den von la_lupa verlinkten Internetseiten wird da nämlich einiges vermischt. Das ist zumindest solange nicht falsch, solange man diese Artikel auch als Meinung und eben nicht als wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse begreift. Dabei ist es völlig egal wer die geschrieben hat.
Der Artikel zu der Frage, ob Computer Entscheidungen treffen können, ist von einem Philosophen geschrieben. Er geht von einem Menschenbild aus, dass unterstellt, dass ein Mensch bewusste Entscheidungen trifft und diese durch was auch immer etwas besonderes darstellen. Die heutige Forschung zeigt jedoch, dass das nicht wirklich haltbar ist. Wir Menschen treffen den überwiegenden Teil unserer Entscheidungen unterbewusst. Auch die bewussten Entscheidungen basieren auf sehr vielen Mechanismen die nichts mit einer Seele oder irgend einem höheren Geist zu tun haben. Auf diese Glaubensdiskussion möchte ich aber gar nicht einsteigen.
Richtig ist, dass wir heute noch nicht viel besser verstehen, wie unser Gehirn funktioniert, wie wir dies vor vielleicht 20 Jahren getan haben. Wir können deutlich besser das Zusammenspiel verschiedener Hirnareale identifizieren. Wir können verschiedene Funktionen deutlich besser zuordnen. Die Hardware und auch wie unser Gehirn sich selbst programmiert haben wir aber noch immer nicht wirlich verstanden. Damit meine ich gar nicht so sehr die biologischen Abläufe, da wissen wir inzwischen sehr viel mehr. Sondern, was es einfach bedeutet, dass sich bestimmte Neuronen verknüpfen, wie durch so etwas Bewusstsein oder auch nur Erinnerung entsteht. Völlig unabhängig davon wissen wir jedoch, dass alle Entscheidungen die wir nun so treffen auf den gemachten Erfahrungen und gespeicherten und gesammelten Erfahrungen basiert. Wir wissen, dass wir in allem versuchen Muster zu erkennen und dies unsere Entscheidungen massiv beeinflusst, egal ob wir dies nun bewusst tun, oder unser Unterbewusstsein am Steuer sitzt.
In der Informatik ist auch die programmierte if-Verzweigung (der Wenn-dann-Fall) eine Entscheidung. Wenn man wie la_lupa dann ignoriert, dass Roboter viel mehr sind als der Industrieroboter, dann kommt man vielleicht auf die Idee, das sind ja alles vorher eingegebene Entscheidungsbäume. Das ist aber schon lange nicht mehr so.
Völlig egal, ob es sich um die Einparkhilfe für Jumbojets, die Google-Bildersuche oder auch nur die Sicherheitsabschaltung eines Heimwerkergerätes ist, die Mustererkennung hat in dem letzten Jahrzehnt in eine riesige Anzahl an computergestützten Maschinen Einzug gehalten. Und sie ist viel viel besser geworden. Sicher, die verwendeten Algorithmen reudzieren das Problem noch immer auf Kennzahlen, die mit Schwellwerten verglichen werden. Es werden Wahrscheinlichkeiten berechnet, die dann in einem vorher vorgegebenen Schema zu einer Entscheidung führen. Aber etwas wirklich anderes machen wir auch nicht. Besonders bei der Mustererkennung ist unser Gehirn besser als noch immer jeder Computer, flexibler, kreativer, komplexer. Das ändert aber nichts daran, dass die Abläufe sich im Prinzip kaum unterscheiden.
Nehmen wir das Beispiel von Ingo Krupanek. Die Entscheidung mit der Bahn oder mit dem Auto zu fahren. Genau diese oder ähnliche Entscheidungen treffen heutige Logistiksysteme ständig. Welcher Fahrer nimmt welches Päckchen mit auf welche Tour und in welcher Reihenfolge liefert er es ab? Dies klingt nach einem vielleicht komplexen aber doch mit genügend Rechenleistung lösbaren Problem. Ist es aber nicht. Es ist ein sehr eckliges Problem. Dessen Lösungsaufwand exponentiell ansteigt. Mehr und schnellere Rechenleistung hilft zwar, erschlägt das Problem aber nicht. Trotzdem treffen diese Entscheidungen nicht mehr Menschen, sondern Computer. Und dafür nutzen sie Daten. Viele Daten. Noch mehr Daten. Diese müssen ausgewertet und verstanden werden. Dies funktioniert wieder nur über Wahrscheinlichkeiten/Heuristiken. Wie wahrscheinlich ist welches Ereignis? Wie sieht der Verkehr aus? Wie gut ist welcher Kurier? Und vieles mehr. Allein die schiere Menge an Information ermöglicht gar nicht jede Möglichkeit durchzurechnen. Also entwickelt man Modelle anhand derer die Maschine das Problem entscheidet. Und diese Entscheidung unterscheidet sich von dem gegebenen Entscheidungsweg des Menschen eigentlich nicht.
Als weiteres führt Herr Krupanek das Problem der Semantik an. Genau dieses Problem lösen und entscheiden die Crawler von Google milliardenfach pro Tag. Sie lesen Texte, sie beurteilen, ob in dem Text mit "Bahn" der Zug oder der Straßenbahn-Nahverkehr gemeint war. Sie bilden Ontologien, um die Inhalte zu verknüpfen und dem nächsten Nutzer der Suchmaschine die besten Treffer anzuzeigen. Und da la_lupa sich so auf die Industriestraßen bezieht: Bei uns hier in Karlsruhe am IOSB werden Ontologien erforscht, die genau die Maschinen und Logistikabläufe einer kompletten Produktkette unterschiedlicher Lieferanten, unterschiedlicher Systeme harmonisieren, so dass Computer Entscheidungen komplett selbstständig treffen können. Sogar andere Maschinen bei Bedarf umprogrammieren können. All dies sind Entscheidungen, die bisher ein Mensch vor seinem Warenwirtschaftssystem trifft. Vielleicht aus dem Bauch heraus, da ihm die Informationen fehlen.
Kommen wir also zu diesen Bauchentscheidungen. Die scheinen ja etwas zutiefst menschliches zu sein. Aber sind sie das? Je genau man diese betrachtet, um so mehr kommt man zu dem Schluss, dass es einfach von unserem Unterbewusstsein vorverarbeitete Erinnerungen und Erfahrungen sind, die ein Muster ergeben mit dem wir die vorhandenen Daten vergleichen. Nichts, aber auch wirklich nichts anderes machen heutige selbstlernende Algorithmen. Sie gewichten und beurteilen vergangene Ereignisse, Daten und deren Ergebnisse. Vergleichen diese mit auftretenden Situationen und Daten und treffen daraufhin Entscheidungen. Gerade bei Handelssystemen an unseren Börsen passiert dies innerhalb von millisekunden mit Wirkungen, die ganze Volkswirtschaften zusammen brechen lassen können.
Kommen wir zu dem Artikel der die Funktionsweise des biologischen Nervensystems und heutigen Computern vergleicht. Das hat nichts, aber auch gar nichts mit der Diskussion zu tun. Dass die Hardware und die Organisation sehr unterschiedlich ist, bedeutet nur, dass der tierische und menschliche Computer anders funktionieren. Das sagt nichts über das Ergebnis aus. Der Quantencomputer funktioniert auch anders, als der von-Neumann-Rechner. Trotzdem würde niemand bestreiten, dass es sich um einen Computer handelt. Betrachten wir noch das Argument, dass unser Gehirn ja von Emotionen beeinflusst, oder gar vollständig gelenkt würde und deshalb gar nicht funktionieren würde. Diese Analogie würde der Professor Wachsmuth ganz sicher in keinem Paper verwenden. Dafür kenne ich zu viele von ihm. Funktionieren ist hier sehr umgangssprachlich - und in meinen Augen auch viel zu vereinfachend - gebraucht. Sicher unser Gehirn ist nicht sehr deterministisch. Wir haben bisher auch nicht mal große Fortschritte gemacht ein Mäusegehirn zu simulieren. Die Reduktion des Gehirns auf seine Neuronen ist wie Prof. Wachsmuth wahrscheinlich sagen möchte auch nicht ausreichend. Unser Gehirn funktioniert nicht deterministisch (aus gleichem Input folgt auch immer die gleiche Ausgabe). Dafür sind viel zu viele chemische Prozesse (Botenstoffe, Stimulanzien, ...) beteiligt. Aber nur, weil wir unser Gehirn nicht verstehen. Weil wir die Komplexität der biologischen und chemischen Prozesse nicht modellieren können, heißt es nicht, dass wir nicht mit anderer Hard- und Software Prozesse nachbauen können, die von außen nicht mehr von menschlichem Verhalten unterscheidbar sind. Dazu wird noch einige Zeit ins Land gehen. Und wir werden mit tierischem Verhalten sicher auch schneller sein.
Aber genau das bringt uns zu der Ausgangsfrage: Ist der Sex mit solch einem Roboter moralisch in Ordnung? Ist das dann die gleiche Frage, wie die, ob Sex mit Tieren moralisch verwerflich ist? Wo zieht man die Grenze?