geschönte vergangenheit
ich habe ein vertrauensproblem. mein freund hat mir gestanden, daß er mich in den letzten monaten bezüglich seiner vergangenheit massiv belogen hat. und ich weiß nicht, wie ich in zukunft damit umgehen soll.als wir uns kennen lernten, äußerte er ansichten zum thema beziehungsgrundsätze und treue, die sich nicht unbedingt mit meinen bisherigen erfahrungen, sondern eher mit meinen romantischen wunschvorstellungen deckten. mein bisheriger lebenswandel kann nicht als übermäßig solide betrachtet werden. er sprach im gegensatz dazu davon, 13 jahre mit seiner lebensgefährtin verbracht zu haben und die 2 jahre nach beendigung der beziehung allein gelebt zu haben. er legt großen wert auf treue und ist auch sehr eifersüchtig.
trotz seines heiligenscheins habe ich die karten auf den tisch gelegt und meine vergangenheit vor ihm ausgebreitet. ich nehme es mit der wahrheit prinzipiell ziemlich genau. auch kann ich mir in einer funktionierenden beziehung treue durchaus vorstellen und war/bin bereit, diesen versuch zu wagen..
im laufe der letzten monate kam es nun im gespräch immer wieder zu eingeständnissen, daß es eben doch die eine oder andere frau gegeben hätte bzw. auch andere kleinigkeiten im lebenslauf geschönt waren. und immer wieder die bemerkung, daß ich jetzt die ganze wahrheit wüßte (obwohl ich nicht danach gefragt, sondern seine anfänglichen worte als gegeben hingenommen hatte - quasi ein vertrauensbonus). die rüstung meines ritters bekam also nach und nach ein paar risse.
am letzen wochenende nun gestand er mir (ungefragt), daß seine selbstbeschreibung sich eher daran orientierte, wie er gern wäre. neben einigen schönfärbereien hinsichtlich der karriere kam zum vorschein, daß er unter anderem über einen zeitraum von 5 jahren parallelbeziehungen mit 5 frauen geführt hat – ohne zweifel eine logistische und organisatorische meisterleistung. er wäre es müde geworden, und es sei auch nicht das, was er sich für sein leben gewünscht hätte. (allerdings hat er diese beziehungen nicht selbst beendet. die situation ist durch eine unglückliche verkettung von umständen im letzten jahr aufgeflogen.) tja, und nun wüßte ich wirklich die ganze wahrheit...
aber jetzt bin ich nicht mehr so recht im stande, diese „ganze wahrheit“ zu glauben. kann ich von einem menschen, der seine partnerinnen so lange betrogen hat und dabei zu organisatorischer höchstform auflief, der außerdem mir von anfang an den moralapostel vorgespielt hat, glauben? wie soll ich ihm vertrauen? in meinen gedanken sehe ich nun immer vor mir, daß jede beschäftigung, der er ohne mich nachgeht, in wirklichkeit ein rendezvous ist. ich stelle jedes wort in frage, und mich noch dazu. „wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die wahrheit spricht“...
aber aufgeben mag ich die ansonsten sehr schöne beziehung auch nicht. wie kann ich vertrauen lernen (was aufgrund vorangegangener beziehungserfahrungen ohnehin nicht meine stärke ist)? es geht hier auch nicht darum, ein agreement zu treffen, das uns beiden freiheiten einräumt (das wäre für mich auch noch eine gängige variante, so lange mit offenen karten gespielt wird), sondern er legt tatsächlich wert auf eine monogame beziehung – sagt er.
ich hätte gern konstruktive ratschläge, wie ich verfahren soll. allerdings befürchte ich, daß der eine oder andere rat in die richtung geht: schieß ihn in den wind...