. . . fragt nach Gesetzen nicht, nach Recht noch Macht!
Hallo Tysia,
daß Du glücklich verheiratet bist und Dich in einen anderen verliebst - das kann gerade ein Zeichen dafür sein, daß Du SEHR glücklich verheiratet bist. (Und vielleicht bald noch glücklicher verheiratet sein wirst.) Wir verlieben uns doch nicht wegen irgendwelcher Mangelerscheiningen sondern aus unserer Fülle, unserem Überfluss. Glückliche Liebe ist ein großes Geschenk, das auch auf andere ausgedehnt werden will, darf, ja: soll.
Einzige aber zwingend notwendige Erfordernis: Völlige Wahrhaftigkeit. (Auch Verschweigen ist Lüge.) Jede(r) der Beteiligten muß über das Wichtige Bescheid wissen. (Nicht über die Details, das "Wann / Wo / Wie"; Diskretion bleibt immer geboten.)
Die Wahrheit soll m.E. nicht erst nachträglich gesagt werden. Dann fühlt man sich freier, mehr eins mit sich selber. Nicht erst, wenn man mit dem Dritten schon geschlafen hat. Das wäre etwas feig.
Da gibt es nichts zu "gestehen". Du hast kein Verbrechen begangen. Du gibst Dich zu erkennen als die Frau, die Du - zur Zeit - eben bist.
Auch die zweite (oder soundsovielte) Liebe muß zwar nicht, kann sich aber sexuell verkörpern. Ich halte nicht so viel von "platonischer" Liebe. Obwohl ich Beispiele kenne und respektiere. Die / den andere(n) "erkennen" ist seit Urzeiten eine Metapher für sexuelle Vereinigung.
Deine Sexualität ist wirklich die DEINE - nicht der Besitz Deines Mannes.
Dein Mann könnte - wie manche anderen auch - sein Konzept von Liebe erweitern:
"Hab mir's gelobt, ihn lieb zu haben / auf die richtige Weise, / so daß ich selbst seine Lieb' zu einer anderen / auch noch lieb hab . . ." (Ein Text von Hofmannsthal, der von Menschen und von Liebe sehr viel wußte. Der Anfang eines der ganz großen Ensembles der Opernliteratur, von Richard Strauss vertont.)
Theoretisch: Wenn Lieben bedeutet, das Glück des anderen zu wollen, so folgt, daß ich auch das Glück meines Liebsten mit einer anderen fördere und Freude dadurch erlebe. Oder ich bin eben keine Liebende sondern eine Geschäftsfrau / Rechtsanwältin / Theologin (kath.), irgendwas dergleichen.
Ich kenne Paare, deren Glück lebendiger, intensiver wurde (auch sexuell), wenn eine(r) der Beiden sich - in aller Offenheit! - anderweitig verliebte. Manchmal führte das dazu, daß auch der andere Partner eine zweite Beziehung aufnahm.
Ich glaube nicht, daß jemand durch "Veranlagung" poly wird. Eher durch Prägung. Es ist eine Entscheidung, die man treffen kann, wenn man das Glück hat, sich in zwei Menschen zu veriieben. Mir widerfuhr das ziemlich zu Anfang. Seither liebe / lebe ich poly. (Meine Liebsten zum Glück auch.) Mono würde ich nicht mehr wollen. Einer meiner Liebsten läßt sich mit Mono-Frauen erst gar nicht ein - er ist allergisch gegen Eifersucht. (Dis ist übrigens nicht naturgegeben sondern ein Laster; abtrainierbar.)
Natürlich können Schmerzen, Konflikte entstehen. Na und? Die Liebe ist kein Wellness-Unternehmen. "Die Liebe schneidet ins lebendige Fleisch."
Viele Beiträge in diesem Thread finde ich extrem eng, hart, dogmatisch, kalt, pseudorational, konventionell. (Diese Adjektive sind beschönigend gewählt.) Miserable Pop-Psychologie, die Dich zur Selbstkastration verurteilen will. Alles natürlich zu Deinem Wohl, wie es die "Autoritäten" immer vortäuschen. Laß Dich doch durch sowas nicht beeindrucken! Bitte! Wenn's nicht unbedingt sein muß.
Bedenklich, Tysia, finde ich das hier so oft genannte "Kopfkino". Wenn wir in Wachfantasien leben, sollten wir Aufwachen üben. (Umfragen zeigt, daß ca. 85% der Männer und 65% der Frauen währen des Geschlechtsverkehrs phantasieren, sie seien mit anderen zusammen oder es fände eine andere Art der sexuellen Begegnung statt. Wahrscheinlich wollen's viele deswegen dunkel. Tja . . .) Ohne jemanden je gesehen, gehört, gerochen zu haben, wäre ich mit dem Begriff "Verliebtheit" zurückhaltend; würde eher sagen: der interessiert mich Sehr vielleicht..
Ich wünsch Dir Mut und Glück. Ja, nach Möglichkeit mit Deinen beiden Männern. Mit Haut und Haar. Oder jedenfalls mit Deiner ureigenen Wahrheit. Mit Tysia selber.
Vielleicht wirst Du ja wirklich einmal poly leben? Wäre das sehr schrecklich? Warum eigentlich? Für wenn eigentlich?
Herzlich,
Leda