Danke Momoluna
... Vieles, was du sagst, teile ich (Sie schreibt).
Erstmal zur Frage der Themenstellerin:
Ich höre es eigentlich nicht gern. Und ich spreche jetzt nicht von meiner gegenwärtigen Beziehung, sondern so aus der Gesamtheit meiner Erfahrungen heraus.
Mir kommen meistens direkt Zweifel und ich kann es selten wirklich genießen. Das liegt einerseits daran, dass ich es kitschig finde, viele Menschen diesen Ausdruck völlig unreflektiert einfach um sich schmeißen und dass ich eben weiß, wie unterschiedlich die Bedeutung dieses Satzes für eine/n jede/n von uns ist.
Niemand versteht das gleiche unter Liebe wie ich.
Das ist an sich nicht schlimm, aber man muss halt zunächst darüber sprechen, was man damit meint. Und für mich bedeutet Liebe z.B. dass ich jemanden jederzeit unterstützen würde, für den ich Liebe empfinde ODER empfunden habe. Das schneidet sich aber dann zum Beispiel, wenn nach einer Trennung absolut kein Kontakt mehr möglich ist. An der Stelle müste ich meine Liebe relativieren, aber sie ist es meines Erachtens nach einfach nicht. Deshalb sollte man sich eben vorher überlegen, welche Konsequenzen das Liebesgeständnis hätte, bevor man Dinge in die Welt posaunt, die man nicht erfüllen kann/ will.
Momoluna hat oben geschrieben
Liebe erwartet nichts....sie ist nicht eigennützig, sie beansprucht nichts, vergibt alles, wertet nicht, sie drängt sich nicht auf und ist ohne Bedingung und Erwartung. Sie IST ganz einfach.
Das sehe ich absolut genauso, auch wenn es (für mich (noch?)) wirklich schwer ist, aus meiner Liebe heraus keine Erwartungen zu entwickeln.
Das bedeutet aber für mich: Ich kann es nur sagen, wenn ich diese Dinge auch wirklich meine und empfinde. Bis auf die Erwartungshaltung ist es zum Beispiel momentan für mich in meiner Beziehung so. Und auch, wenn es nicht vollkommen ist, habe ich dieses "Ich liebe dich." verbalisiert. Ein paar Abstriche gibt es immer und ich sehe auch ganz klar diese Entwicklungstendenzen in der Liebe, die Momoluna ebenfalls sehr treffend beschrieben hat. Wenn man nicht hier und da noch Räume sähe zum wachsen, wäre es keine Liebe.
Aber es zu sagen, kann auch befreien. Dingen einen Namen zu geben, hilft oft zur Orientierung. Man sollte das nicht überstrapazieren, aber ab und zu ist es für mich notwendig.
Und warum ich es sage, hat vielfältige Gründe. Manchmal war ich einfach von meinen Gefühlen überwältigt und es platzte raus. Dieses Mal war es zum Beispiel eher eine Mischung aus Vergewisserung und Einladung. Ich wollte zu verstehen geben: Ich bin da, ich laufe nicht weg, lass uns das gemeinsam angehen.
Und grade auch folgender Punkt von Momoluna hat grade meine absolute Aufmerksamkeit (teils persönlich, teils gesellschaftlich):
Ich finde gerade die Fähigkeit, sich verletzlich zu zeigen, ist es, die es uns Menschen ermöglicht, enge Bindungen mit anderen einzugehen.
Unser ganzen Leben versuchen wir, perfekt und unverwundbar zu sein - und opfern dafür die Chance uns weiterzuentwickeln. Wir verzichten auf intensive Begegnungen und auf Nähe und tiefe Verbindung. Liebe halten wir uns zurück weil wir unsere große Verletzlichkeit als Schwäche und großes Risiko verstehen. Unsere besten Abwehrstrategien: Coolness, Perfektionismus, Distanz, Skepsis, Rückzug. Wir bleiben lieber in Deckung als hinauszugehen und zu zeigen, wer wir sind, wofür wir stehen, was wir fühlen und lieben. Unser seelischer Panzer vermittelt uns ein trügerisches Gefühl von Stärke. Tatsächlich aber engt er uns ein. Es ist eine zentnerschwere Bürde, die uns daran hindert, mehr über uns zu erfahren und zuzulassen das anderer erkennen und mit der Zeit lieben lernen.
Das Thema beschäftigt mich momentan wirklich sowohl privat, als auch in unserem gesellschaftlichen Miteinander.
Es braucht Mut, zu lieben, das zu erlauben, sich auf jemanden wirklich einzulassen und auch zu akzeptieren, dass man diesen fehlerhaften, erzürnenden, Energie-kostenden Klotz von Unsicherheiten wirklich mit Haut und Haar liebt.
Das zu zu geben, man ist ja dabei auch mit seinen eigenen Unvollkommenheiten konfrontiert, kostet wahnsinnig viel Überwindung und ich sehe wirklich reihenweise Menschen daran scheitern.
Wenn es zu anstrengend ist, muss es weg.
Es hat mich vielleicht die beiden letzten Jahre gekostet, bis ich diese Erkenntnis so treffend kondensiert hatte, wie Momoluna sie hier auch beschreibt. Aber zu begreifen:
Aha, jetzt will ich mich schützen, jetzt will er sich schützen, das wäre ein guter Moment, meine eigenen Mauern für ihn sichtbar zu machen und zu öffnen, damit er vielleicht auch seine überwinden kann - das ist unfassbar anstrengend und lehrreich zu gleich. Aber ich brauche dieses Verständnis sowohl im Privatleben, als auch im Beruf (wenn man zum Beispiel einen schwierigen Verhandlungspartner hat, oder wie ich einen Job hat, zu dem Beziehungsarbeit gehört).
Ich, wir, sind da überhaupt nicht drüber hinweg, man kann diese Lektion glaub ich nicht vollständig lernen. Es ist jedes Mal wahnsinnig schwer, wenn man irgendwo vor so eine Wand rennt, passiert ständig. Das ist ein dynamischer Prozess. Aber in den Momenten, wo ich es merke, ist es total faszinierend.
Auch das ist übrigens ein Grund für mich "Ich liebe dich" zu sagen. Professionell sage ich das allerdings nur in meinem Kopf, trotzdem wirkt es!!
Privat sehe ich es so, dass selbst wenn die Beziehung nicht ewig hält, diese Momente und Erkentnisse so wertvoll sind, dass dieser Mensch, mit dem ich all das erleben kann, meine uneingeschränkte Liebe empfangen MUSS.
Zusammenfassend:
Von Liebe zu sprechen ist wahnsinnig schwer und herausfordernd.
Es gibt viele kleine Dinge, wie morgens etwa "Fahr vorsichtig.", die nicht minder Liebe für mich transportieren und die ich vielleicht sogar ein Bisschen lieber höre, weil sie konkreter sind. "Danke, dass du heute Abend da warst." "Danke für's Zuhören." "Auf dem Bild find ich dich wahnsinnig hot."
Und von Liebe zu sprechen ohne sie zu zeigen - durch Geduld bei meinen Wutanfällen, durch meine lieblings extra weichgekochten Eier und vor allem auch Zärtlichkeit - das funktioniert gar nicht.
Worte und Handlungen müssen da im Einklang stehen, sonst glaub ich einfach kein Wort.
Aber ich finde, Liebe in allen unseren Beziehungen und Handlungen zu zu lassen, ist eine der bereicherndsten und schwierigsten Herausforderungen unserer Gegenwart. Man wächst persönlich, aber unsere Gesellschaft braucht das grade zweifellos auch, dass wir mutiger sind darin, positive Gefühle zu äußern, zu zeigen, nach außen zu tragen UND von anderen genau das einzufordern.
(Das ist v.a. der Grund, weshalb ich mich jetzt auch zu so einem langen Beitrag habe hinreißen lassen, redet mehr über Gefühle, Leute
)