Wort zum (Sonntag) Montag
Wundervoll, eine Diskussion um Grundsätze und Gott – das schreit ja geradezu nach der Großen Schokoladenkuchenargumentation.
„Soll man also Schokoladenkuchen in der Diätklinik essen dürfen?“ könnte man fragen, und mit dem Bild von gierigen Dicken, denen der Sabberfall von der runtergefallenen Kinnlade auf den Magen zwischen den Knien fließt, wie im Schlaraffenland Honigmilch aus den Zuckergußbergen, die Antwort ganz unprätentiös vorwegnehmen.
So ganz vielzuviel Heiterkeit wird der Sache aber gar nicht gerecht, Glauben ist schließlich kein Kindergeburtstag, sondern eine ernste Angelegenheit für Erwachsene und Kinder, die wie Erwachsene behandelt werden. Darum doch lieber die Rolle rückwärts zum Grundsätzlichen.
Wenn man sich nun Gedanken darüber macht, ob Sex in der Kirche Tabu ist, muß man zwangsläufig mit der Überlegung irgendwo anfangen. Die Kirche herself macht das mit dem kategorischen Nein, die moderne Gesellschaft zieht die Liberale Karte aus dem Zylinder und hangelt sich daran weiter. Erlaubt ist nach dem Freiheitssatz das, was nicht verboten ist. Voll korrekt! Und wenn man sich dann die Spielanleitung vor Augen hält steht da drinnen, daß verboten das ist, was die anderen Spieler in ihren Grundrechten beeinträchtigt. Wir überspringen den kleingedruckten Absatz darüber, warum das so ist und merken uns, irgendwann später über den gesellschaftlichen Mehrwert zu lesen.
Wir setzen unser Ergebnis in die Ausgangsfrage ein und stellen fest, daß wir so noch nicht weiterkommen. Ich darf Sex in der Kirche haben, wenn das niemandes Grundrechte beeinträchtigt. Gibt es ein Grundrecht auf Kirche? Hä!?
Klar, gibt es. Aber was soll das bitte mit der Sache zu tun haben? Immerhin reden wir davon, das „heimlich“ zu machen. Wir stören dann ja keinen. Keinen außer Gott, und den läßt man dann einfach einen guten Mann sein, und gratis zusehen. Mal ganz abgesehen davon, daß Gott im Zeitalter des Internet sowieso vollkommen umsonst zu Pr0n kommt, hat das Argument natürlich ein Hinkebein – man könnte auch sagen „Pferdefuß“.
Das Grundrecht der Religionsfreiheit schützt nämlich die ungestörte Religionsausübung. Man soll nicht nur an gewisse Entitäten denken – ähem, „glauben“ – dürfen, sondern man soll das auch ausüben dürfen. Indem ich um’s Feuer tanzt, beispielsweise. Für die Zivilisation ist Feuer aber viel zu unbändig und gefährlich, als daß man damit spielen dürfen sollte, und deshalb stellen wir lieber einen tonnenschweren Marmorklotz irgendwo hin, den wir mit wertvollen Intarsien noch schwerer machen. Damit das Ding keiner fortträgt, basteln wir uns ein Häuschen drumherum und stellen uns darin sonntäglich geordnet auf, die Eucharistie zu feiern. Weil Marmorklotz so profan klingt, weihen wir das Ding zum Altar, und damit wird das Häuschen zur Kirche geadelt, die den Gläubigen gewidmet wird. Was man also in dem frischgebackenen Sakralbauwerk tun und lassen darf, richtet sich nach dem Widmungszweck, der auf den Wertekanon der Glaubensgemeinschaft verweist.
Damit wären wir eigentlich auf sicherem Boden der Diskussion angelangt, stellen aber fest, daß es von Person zu Person unterschiedlich betrachtet wird, was Gott will, und ob Schokoladenkuchen dazugehört. Glauben zu ergründen ist eben eine ganz schön morastige Angelegenheit. Um die Schlammschlacht einer heiligschriftlichen Interpretationsfrage galant zu umgehen, lohnt sich der Verweis auf diese gewisse erzkonservative Haltung, mit der der prototypisierte Würdenträger eine gute Figur machen soll. Glauben ist halt nicht in jeder Beziehung das, was gelebt, sondern das, was von der Kanzel gepredigt wird. Und da die römischkatholische Vorstellung vom züchtigen Umgang mit der ehelichen Beiwohnung viel damit zu tun hat, daß man das nicht in der Kirche, sondern nur im weiteren Rahmen des gleichlautenden Euphemismus abhält, diese Einstellung zu göttlichgegebenem Handlungskodex Grundrechtsschutz genießt, hat man sich halt daran zu halten.
Natürlich kann man dem dann in letzter Konsequenz noch entgegenhalten, daß der Blitz dann nicht eingeschlagen hat, von Gottgefälligkeit spricht das aber nicht. Vielleicht führt Gott nämlich auch einfach nur Strichlisten, Lochkartenregister oder ein computergesteuertes Datenbanksystem, um dann am jüngsten Tag Gericht zu halten.
Man weiß es nicht. Das ist wie mit dem Schokoladenkuchen, und ob Gott den mag. Man vermutet es und glaubt daran. Und das sollte man in der Lage sein zu respektieren. Schlicht und ergreifend.