Ich freue mich, dass über dieses Thema so offen diskutiert wird, und noch mehr dass dieser Thread von einer Frau eröffnet wurde. Warum? Nun, vor einigen Monaten startete die Zeitschrift "Emma" wieder einmal eine PorNO-Kampagne, und ich habe im dortigen Forum versucht deutlich zu machen, dass diese Kampagne ausgerechnet an den Interessen der Zielgruppe dieser Zeitschrift (nämlich den modernen, aufgeschlossenen, intelligenten Frauen) zu einem sehr großen Teil zuwiderläuft. Dies wurde von den Meinungsführerinnen dort heftig dementiert, hier im Joy wissen wir es besser.
Nun aber zum Thema:
Es gibt von mir bereits ein oder zwei ältere Beiträge, in denen ich die Lächerlichkeit des Pornographieverbots für Jugendliche darzustellen versuchte. Vieles davon wurde in diesem Thread bereits aufgegriffen. Ich selbst hatte mit 12 oder 13 meine ersten Pornohefte in der Hand, genauso wie meine Freund/innen. Ich glaube nicht, dass wir irgendwelche Schäden davongetragen haben. Wir alle stehen erfolgreich im Berufsleben, die meisten von uns sind erfolgreiche Familienväter und -mütter.
Die von smurfs Tochter gestellte Frage,
"wie, ich darf selber machen, aber nicht Anderen dabei zugucken? Wer hat sich denn den Quatsch ausdedacht?"
könnte von mir stammen. Genau das ist es, was ich am Pornographieverbot für so so lächerlich empfinde. Und noch lächerlicher wird es, wenn man in Betracht zieht, dass mit einem weit schädlicheren Gebiet, nämlich der Darstellung von Gewalt, viel lascher umgegangen wird. Mord, Totschlag und Kriegsgemetzel darf im freien TV gesendet werden, aber kaum ist ein Geschlechtsteil im Bild, kommt der Zensurbalken. Computerspiele mit realistisch dargestellter Gewalt (wie toll!
) werden in Elektrogeschäften im gleißenden Neonlicht feil geboten, der "U-18-Hinweis" ist im Kleingedruckten gut versteckt und wird von den Verkäufern großzügig übersehen - Pornos dagegen müssen irgendwo in einer Ecke der Videothek mit deutlicher Trennung vom Rest ausgestellt werden. Damit beginnt schon eine wahrhaft teuflische Doppelmoral:
Gewalt, die schon per se schlecht ist, darf großzügig und offen gezeigt werden. Sexualität, die im Prinzip gut und erwünscht ist, dagegen nur verschämt und in der Schmuddel-Ecke.
Ich bin nicht ganz der Meinung von carmen_berlin, dass jede Art von Pornographie für Jugendliche geeignet ist. Aber genau hier beginnt ja schon der Hauptteil des Problems: Was heute immer noch als Pornographie gilt, ist ein viel zu weit abgesteckter Bereich!
Schon allein die Darstellung von Geschlechtsorganen ist schon Pornographie. Ist das nicht total lächerlich? Geschlechtsorgane sind etwas völlig Natürliches - warum sollen Kinder diese Teile des Körpers bei anderen nicht sehen dürfen. Was an FKK-Stränden der Normalfall ist, darf als Abbildung nur Erwachsenen gezeigt werden?
Wenn man sich hier im Joyclub ansieht, welche Bilder als FSK-18 eingestuft werden, kommen einem die Tränen. Diverse Nachfragen verschiedenster User, die ihr Unverständnis darüber ausgedrückt haben, werden etwa so beantwortet, dass dies nicht Schuld des Joyclubs ist, sondern der Überwachungsorgane, die dem Joy in letzter Zeit vermehrt mit Abmahnungen das Leben schwer machen. Da fragt man sich wirklich, ob das nicht surreal ist: Von Steuergeldern bezahlte Beamte schauen im Internet nach, ob irgendwo der Ansatz einer Spalte oder eine angedeutete sexuelle Handlung (!!) zu sehen ist.
Es gibt aber eine noch krassere Regel: In erotischen Geschichten (die zum Teil lt. Gesetz ohnehin nur für Erwachsene lesbar sind) dürfen die Darsteller nicht jünger als 18 sein! Wozu diese Regel gut ist, weiß wahrscheinlich niemand. Erstens ist Sex ab 16 jedenfalls erlaubt (in Österreich grundsätzlich sogar ab 14), zweitens: Vor wem oder was müssen fiktive Personen geschützt werden???
Es ist also nicht erlaubt, über gesetzlich erlaubte Handlungen (z.B. Sex zwischen zwei 16jährigen) zu schreiben - warum dürfen dann aber eigentlich noch Krimis verkauft werden (= Erzählungen über definitiv
nicht erlaubte Handlungen!).
Wie carmen_berlin völlig richtig bemerkt, führt diese Tabuisierung von allem Geschlechtlichen sicher noch mehr zu einer verfehlten sexuellen Entwicklung von Jugendlichen als übermäßiger Porno-Konsum.
Wenn's nach mir ginge, müsste also die Definition, was verbreitungsbeschränkt gehört, einmal gehörig verändert werden. Darstellungen von Geschlechtsorganen sind für mich keine Pornographie, eigentlich auch nicht die Darstellung sexueller Handlungen in Printmedien. Da haben die Dänen MMN den völlig richtigen Weg gewählt.
Problematischer wird es mit Filmmaterial. Es mag sein, dass Kinder schon sehr früh zwischen Scheinwelten und Realität unterscheiden können - andererseits gibt es auch Untersuchungen, die als Indiz für ein gewisses Nachahmungsverhalten unter Jugendlichen gewertet werden können.
Kalicia schrieb ganz richtig:
Da ich mit Teenagern beruflich zu tun habe, sehe ich die riesen Unterschiede, die zwischen den einzelnen Kindern/ Jugendlichen des gleichen Alters da sind. Daher ist eine Pauschalisierung wohl kaum möglich.
Tatsache ist, dass in den von mir genannten Studien eine gewisse sexuelle Verrohung unter bestimmten Typen von Jugendlichen zu beobachten ist, seit Pornographie dank Internet und Handy frei zugänglich ist. Es wird weniger geküsst, weniger auf Berührungen geachtet, man geht weniger zärtlich miteinander um. Es geht vermehrt um direkten Sex. Dabei geht vieles verloren, was durch die "sexuelle Revolution" der 60er und 70er Jahre gewonnen wurde. Junge Männer achten wieder weniger auf die Befriedigung der Frau; viele junge Frauen imitieren das Rollenverhalten der Pornodarstellerinnen, trauen sich weniger, ihre eigenen Bedürfnisse zu artikulieren. Sexpraktiken, die in Pornos regelmäßig vorkommen, werden als Standard angesehen; so werden viele Mädchen zum Analverkehr genötigt, obwohl sie selbst gar nicht wissen ob sie es wollen oder diese Art des Sex ihnen gar keine Lust verschafft.
Ich glaube nicht, dass wir es so wollen (wir = Joy-Mitglieder, also sexuell im Prinzip recht liberale Menschen). Natürlich betrifft dieses Verhalten nicht alle Jugendlichen - ich schrieb es bereits - aber bestimmte Gruppen eben schon.
Der Verlust der Zärtlichkeit und des Eingehens auf den Partner ist - das belegen diese Studien - zu einem großen Teil auf den vermehrten Pornofilm-Konsum (verbunden mit den Texten bestimmter Rapper) zurück zu führen. Also können manche Jugendliche offenbar doch nicht so ganz zwischen Realität und Fiktion unterscheiden, hm?
Irgendwie glaube ich, dass die Gesellschaft es schwer hat, das richtige Maß zu finden. In meiner Jugend galten viele Sexpraktiken als Tabu, manche Jugendlichen lehnten sie prinzipiell ab, ohne sie auch nur ausprobieren zu wollen. Heute gelten Jugendliche, die auch nur eine der mittlerweile gängigen Praktiken ablehnen, bereits als verklemmt.
Ich bin froh über die Entwicklung, die uns die sexuelle Revolution gebracht hat. Ich bin auch froh über gewisse Tabubrüche, die die zunehmende Verbreitung von Pornos gebracht hat. Aber das Ziel darf immer nur sein, dass genau jene Sexpraktiken ausgeführt werden, die alle beteiligten Partner auch wirklich wollen.
Mein Beitrag ist schon ziemlich lang, trotzdem noch eine kleine Erweiterung:
Es ist auch richtig, dass das sexuelle Verhalten von Jugendlichen, auch in Verbindung mit Porno-Konsum, im Gespräch mit den Eltern erörtert werden sollte. Aber jetzt seid einmal ehrlich: Wieviel Prozent der Eltern haben wirklich eine entspannte Einstellung über Sexualität? Und zusätzlich die Fähigkeit, die Sachverhalte altersgerecht zu erläutern? Also mit meinen Eltern hätte ich sicher nie über die Qualität einzelner Pornos diskutieren können, die lehnten sie prinzipiell ab. Auch bei anderen, die Pornos durchaus positiv gegenüberstehen, bin ich mir nicht sicher, ob sie den Sinn und Unsinn einzelner Szenen mit ihren Kindern in adäquater Atmosphäre diskutieren können. Und schließlich sind es oft die Kinder selbst, die blockieren. Ich habe schon mit dem einen oder anderen Elternteil gesprochen, der von sich behauptet hat, Fragen der Kinder zum Thema Sex immer entspannt und sachlich beantwortet zu haben - und trotzdem hören manche Kinder in einem bestimmten Alter mit dem Fragen auf, tauschen sich nurmehr mit ihren Alterskolleg/inn/en aus.
Es gibt also zuviele Unsicherheitsfaktoren, was die Beziehung Eltern-Kinder betrifft. Immer, wenn es so ist, muss eben der Staat eingreifen. Daher bin ich nicht für eine völlig Abschaffung des Jugendverbots für Pornographie.
Wie fast immer gibt es also keine einfachen Antworten. Ich bin daher dafür, die Sache differenziert anzugehen, also:
• Einschränkung der Definition, was Pornographie ist. Die einfache Darstellung von Geschlechtsteilen kann keine Pornographie sein; ich wäre auch dafür, Standbilder und Printmedien, die sexuelle Handlungen zeigen, freizugeben.
• Herabsetzung des Alters, ab dem die "restliche" Pornographie konsumiert werden kann. Dies wäre nur eine Annäherung an die Realität. Außerdem glaube ich, dass die 16jährigen von heute schon sehr gut wissen, was Sache ist - und außerdem i.d.R. ihren ersten eigenen Sex schon hinter sich haben.
• Im Gegensatz dazu wiederum wirkungsvollere Kontrollen des Zugangs von Kindern und Jugendlichen zur Pornographie, aber noch vielmehr zu jeglicher Art von Gewaltdarstellung.
@ carmen_berlin nochmals - wiewohl ich Dir in vielen Dingen zustimme, in anderen wiederum widerspreche, kann ich eine Sache absolut nicht verstehen: Warum bringst Du das Thema des Kindesmissbrauchs und der -pornographie die Diskussion ein? Das ist etwas völlig Anderes und darf MMN auf keinen Fall mit dem Konsum von Pornos durch Jugendliche vermischt werden! Die Nötigung von Kindern zum Sex ist kein Spaß und führt - da sind sich alle wissenschaftlichen Studien einig - eindeutig zu psychischen Schäden bei diesen Menschen. Sex ist immer eine Sache des freien Willens, als Finger weg von jungen Menschen, die diesen Willen einfach noch nicht haben.