@Erwin
Trotzdem behaupte ich, daß es nicht das Lügen/Verheimichen alleine ist, die die Verunsicherung dabei bewirkt, sondern eigene Ängste und (erotische) Selbstzweifel bis zu doch irgendwelchen (erziehungstechnisch o.ä.) geprägten Vorbehalten.
Ich kann noch nicht einmal für mich selbst 100%ig ausschließen, dass auch bestimmte Selbstzweifel zur Verunsicherung beigetragen hat. (Huhn, Ei??) Klar!
Wo kommt denn der nicht genderspezifische Gedanke her, daß ein nicht-Pornokonsument und nicht-Onanierer ein "besserer" Mann wäre ?
Wie Nelly Stockburger in ihren Vorträgen ("Sexualität als Spiegel kultureller Prozesse" - habe mal gegoogelt) ausführt, liegt es wahrscheinlich an gesellschaftlich "überlieferten" Mythen. Das glaube ich auch.. Wobei der von ihr in Frage gestellte unterschiedlich stark ausgeprägte Sexualtrieb wirklich nähere Betrachtung verdient! Der mystische "Druck" wird ja häufiger von Männern selber als Unsinn abgetan...
Da ich im Teenageralter ein paar Jahre auf einem gemischten Internat verbracht habe (damals sogar Modell "gemischte Häuser" und Trakte), ist uns eigentlich wenig verborgen geblieben was das Ausleben der Sexualität betrifft. Allenfalls die Empfindungen blieben verborgen... Bei aller Lockerheit und Offenheit und Öffentlichkeit wurde nämlich DARÜBER wenig bis NICHTS erzählt. Und genau hierin liegt doch das Problem, und zwar immer.
es liegt nicht nur am "bösen" schamhaften, verheimlichenden Mann !
Dass bei dieser Diskussion manche Männer sich als "
böse" oder "nicht
besser" empfinden ist ein interessanter Aspekt. Genau hier trifft es den Kern, warum mein Mann damals diesen Aspekt seiner Sexualität verheimlicht hat. (Und wie ich schrieb, dieses Problem hatte er sozusagen mit in unsere Beziehung genommen, und zwar als bedauernswertes Kind der PorNO-Zeit. Auch er ist irgendeinem romantisch-verklärten-besserer-Mensch-Quatsch aufgesessen, dass er "sowas" nicht machen müßte, bräuchte, und schon gar nicht, wenn er liebt. Was zu inneren Konflikten führt, weil empfunden wird, das sehr wohl "beides" nebeneinander existiert. Und in der Auswirkung eine Weiterentwicklung, eine differenzierte Betrachtung verhindert.
Auch aus Stockburgers Vortrag:
Der Mann hat einen Trieb, der seine Sexualität steuert
Dieser Mythos beinhaltet, daß männliche Sexualität angeblich stark triebhaft sei und weitgehend auf Objekte (Busen, Po, etc.) reagiere. Männer seien geradezu Triebtiere, die Sex wollten.
Besonders ausgeprägt wird dies von "Robotermännern" gelebt, die ohne jegliche Hinterfragung in den patriarchalen Strukturen [26]leben und deren Schwanz immer kann. Diese maschinelle Geilheit entspricht ihrem Selbstbild des allzeit leistungsfähigen Mannes [27]. Eine ganzheitliche Perspektive für ihr Dasein haben diese Männer aufgegeben. Bei ihrem Sexualverhalten handelt es sich um ein starkes Suchtverhalten mit gegebenenfalls erheblichen Entzugserscheinungen.
(Irgendwie erinnere ich mich gerade an diese BERGE von Playboys und ähnlichen Heften, die im Internat NIE den Weg ins Altpapier fanden....
OK, damals gab es auch noch nicht die Sammlung des Altpapiers, also MUSSTEN sie sie wohl behalten und horden...)
Es ist ein Dilemma. Wie will man all seine auch sexuellen Facetten für sich entwickeln, erkunden, annehmen, wenn man einerseits von vorn herein diesen "Mythen" gegenüber steht? Wie "ein anständiges Mädchen SOWAS nicht macht"
Irgendwie existieren diese Mythen noch heute... Bei den Jugendlichen heute (meine Kids sind 17 und 19) ist bei aller Aufgeklärtheit immer noch g`schamerte Zurückhaltung zumindest beim Reden und sich zu dem Thema innerlich öffnen, auch wenn um sie herum SEX! überall ist. Und andererseits von aussen so unter Druck ist, doch frei und offen und, und, und mit Sex umgehen soll. Pack dann noch ein paar schöne Märchen und HollywoodSchinken und einen großen Schwung altersbedingte Unsicherheiten und Ängste dazu, und schon hast Du den Klassiker, um den es auch hier im Thread geht.
Abgesehen davon, dass diese Mythen unsere Gesellschaft schön am laufen halten... (Ein interessanter Gedanke, dass die Männer selber für die Emanzipationsbewegung verantwortlich sind... Und zwar NICHT wegen Unterdrückung der Frau, sondern wegen Unterdrückung ihrer eigenen wahren Sexualität??)
Flo
(büschen schwafelig bin ich heute... aber ich hoffe, ich bin zum Punkt gekommen)
@**l
Ich habe folgende Aussage von Nelly Stockburger gefunden, die sie in einem Interview machte. AUch wenn die meisten von uns keine Therapeuten sind und wir uns daher äußern können, wie uns grad der Schnabel wächst, könnte man sich hieran ab und zu erinnern:
Wegen meines brennenden Interesses am Thema machte ich mein privates erotisches Leben zu einem Experiment, während ich beruflich besonders auf seriöse und professionell erprobte Methoden achtete. Das halte ich für existenziell wichtig in einem Themenbereich, in dem die Menschen extrem verletzlich sind. Weil sich Menschen ohnehin nur langsam verändern können, arbeite ich in dem schwierigen Tabuthema ganz besonders vorsichtig.