Was ist die Liebe?
Wie oft Du geweilt bei der Süßen, Schönen,
Stets klopfenden Herzen zu ihr sich sehnen;
Wie oft Dein Aug' an ihr gehangen,
Stets glühend wieder nach ihr verlangen;
Wie oft du sie küssend durftest umwinden,
Stets tiefere Leidenschaft empfinden;
Wenn Dir's versagt ist, sie zu sehen,
In innigem Herzeleid vergehen!
Und jede Sekunde verloren achten,
Wo ihre Augen Dir nicht lachten;
Im Glücke selbst ein Sehnen fühlen,
Durch keine holde Gunst zu kühlen
Und Herz an Herz, im höchsten Entzücken,
In ihr noch ein fernes Gut erblicken,
Ein Ideal, der Sonne vergleichbar,
Stets unerreicht und unerreichbar -
Das, das ist die Liebe, die Krone des Strebens,
Die höchste Wonne des Erdenlebens.
Melchior Meyr
(1810-1871)